Gesamtschule durch die Hintertür? Der gemeinsame Unterricht von Kindern mit und ohne geistiger Behinderung in der Allgemeinbildenden Höheren Schule (AHS)


Term Paper, 2002

36 Pages, Grade: B


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

2 abstract

3 Vorwort

4 AHS- Integration: Begriffsklärung und Definition
4.1 Gesetzliche Grundlagen
4.2 Organisation und Rahmenbedingungen
4.2.1 Klassenschülerzahl
4.2.2 Klassenzusammensetzung
4.2.3 LehrerInneneinsatz
4.2.4 Lehrplan
4.2.5 Stundentafel

5 Ziele der AHS - Integration

6 Besondere Methodik/ Didaktik
6.1 Lernen am gleichen Thema
6.2 Teamteaching als Voraussetzung
6.3 Schülerorientierte (offene) Formen der Unterrichtsgestaltung

7 Zahlen und Fakten

8 Anteile an der Entwicklung der AHS - Integration
8.1 die bestimmende Rolle der Eltern
8.2 die zurückhaltende Rolle der AHS - LehrerInnen
8.3 die ermöglichende Rolle der AHS – DirektorInnen
8.4 die zersplitterte Rolle der SonderpädagogInnen
8.4.1 Diener zweier Herren
8.4.2 BundeslehrerInnen und LandeslehrerInnen
8.5 Sonderpädagogische Zentren als Drehscheibe der Integration

9 Zu Grunde liegende ideologische Vorstellungen
9.1 Parteipolitische Positionen zur Gesamtschuldiskussion
9.2 Salamanca Erklärung
9.3 Menschenrechte

10 kurzer Ausblick: was kommt nach der AHS – Integration?
10.1 integrative Polytechnische- / Fachmittelschule
10.2 berufsvorbereitende Kurse
10.3 SPZ- „rückführung“
10.4 Bestrebungen zum 9. Schuljahr in der AHS

11 persönlicher Bezug und Zusammenfassung

12 Verzeichnis der Abbildungen

13 Literaturverzeichnis

2 abstract

Meine Untersuchung befasst sich mit der gemeinsamen Beschulung von 10 – 14 - jährigen Kindern mit und ohne geistiger Behinderung in der Unterstufe der Allgemeinbildenden Höheren Schule (AHS).

Neben den gesetzlichen Grundlagen, der Organisation und den Rahmenbedingungen stelle ich die besondere Methodik und Didaktik in dieser speziellen Form der Sekundarstufen - Integrationsklasse dar. Ich versuche weiters die verschiedenen Rollen der Eltern, LehrerInnen und DirektorInnen im Bereich dieser jungen Schulform zu differenzieren und deren Anteile an Entwicklung und Etablierung der AHS – Integration zu hinterfragen.

Als zu Grunde liegende ideologische Vorstellungen stellen sich mir neben der parteipolitisch orientierten Diskussion zur Gesamtschule vor allem das UNESCO – Dokument „Salamanca – Erklärung“ und somit ursprünglich die Menschenrechte –als solche - dar.

Aktuelle Zahlen, ein kurzer Ausblick zur Weiterführung der AHS – Integration und die Darstellung meiner persönlichen Position und Funktion als AHS – Integrationslehrerin ergänzen vorliegende Arbeit.

3 Vorwort

"Es ist unglaublich wichtig, dass man behinderten Kindern ermöglicht, mit anderen, gleichaltrigen Kindern zusammenzusein. Das ist entscheidend für ihr Selbstwertgefühl. Wie kann man sich als Mitglied der menschlichen Rasse fühlen, wenn man bereits im frühen Alter von ihr getrennt wird?"[1].

Wieweit ist hier das Wollen im Sinne einer „Sozialromatik“ präsent, wieweit der Wunsch Herr über die Schul- und Unterrichtsrealität? Warum soll im österreichischen Schulsystem, das auf der Trennung „von Spreu und Weizen“ aufbaut, ein pädagogischer Bereich der 10 – bis 14 Jährigen etabliert werden, das dieser Trennung im größtmöglich vorstellbaren Rahmen entgegensteht: der gemeinsamen Beschulung von besonders begabten AHS – Kindern und geistig schwerstbehinderten Kindern?

Steht AHS – Integration für die kolportierte „Gesamtschule durch die Hintertür“ oder bietet sie lediglich für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine mögliche Alternative zur Spartenbeschulung in der Schwersbehindertenschule?

...„Künftig werden Sonderpädagogen, Schulbehörde und Eltern als Team gemeinsam für das behinderte Kind den bestmöglichen Weg wählen können“...[2].

Woher aber bezieht die AHS – Integration, die neben der etablierten Hauptschul – Integration gerne als ideologisches Nischenprojekt angesehen wird, ihre Wurzeln? Warum strebt ein kleines Grüppchen von Eltern, LehrerInnen, DirektorInnen und PolitikerInnen derart vehement die Öffnung der AHS für Kinder mit geistiger Behinderung an? Welche Haltungen begründen ihren – wenn auch zahlenmäßig geringen – Erfolg?

4 AHS- Integration: Begriffsklärung und Definition

Die in Österreich gebräuchliche Abkürzung „AHS“ bezeichnet die A llgemeinbildende H öhere S chule, eine Einrichtung, die von Kindern besucht werden kann, die von ihren jeweiligen VolksschullehrerInnen aufgrund ihrer überdurchschnittlichen Begabung die „AHS – Reife“ zugeschrieben bekommen.

Eine AHS umfasst 8 Schulstufen, als Abschluss wird die Reifeprüfung („Matura“) abgelegt und die Hoschschulreife erlangt. Die AHS teilt sich in die Sekundarstufe 1 („Unterstufe“) und Sekundarstufe 2 („Oberstufe“); durch die 17. Schulorganisationsnovelle wurde die Möglichkeit der Integration von geistig behinderten Kindern nur in der Sekundarstufe 1 der AHS gesetzlich verankert, also die gemeinsame Beschulung von AHS – reifen Kindern und Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf von 10 – 14 Jahren.

Die Abkürzung SPZ bezeichnet S onder p ädagogische Z entren. Ehemals als „Sonder- oder Spartenschulen“ bezeichnete Standorte wurden in verwaltungstechnische sonderpädagogische Institutionen umgewandelt, denen ein/e SPZ – LeiterIn (vormals „SonderschuldirektorIn“) vorsteht.

Jeder AHS – Integrationsklasse ist ein SPZ zuwiesen, der/die SonderpädagogIn einer AHS - Integrationsklasse wird vom jeweiligen SPZ zugewiesen und betreut.

Ich beschränke mich in meiner Untersuchung ausschließlich auf die Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf!

4.1 Gesetzliche Grundlagen

Nachdem die 15. Schulorganisationsnovelle im Jahr 1993 Eltern von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf das Recht eingeräumt hat, bei der Beschulungsform ihrer Kinder zu entscheiden, ob sie eine Sonderschule oder die Integration in eine Regelschulklasse wünschen, war eine Nachfolgenovelle für den Sekundarstufenbereich unerlässlich.

Mit der 17. Schulorganisationsgesetznovelle 1997 (nach 6 Jahren Schulversuch) wurde diese Bestimmung, also das Recht auf integrative Beschulung auch im Bereich der Sekundarstufe I (5. – 8.- Schuljahr) legistisch verankert. Betroffen hiervon sind Schüler und Schülerinnen, denen per Bescheid der sonderpädagogische Förderbedarf zuerkannt wurde, Kinder die aufgrund ihrer Behinderung teilweise oder zur Gänze nach dem Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule oder jenem der Schule für schwerstbehinderte Kinder unterrichtet werden müssen[3].

Im Schulpflichtgesetz liest sich das so:

- 2) ... Wünschen die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten die Aufnahme in eine Volksschule, Hauptschule oder Unterstufe einer allgemeinbildenden höheren Schule, so hat der Bezirksschulrat zu informieren, an welcher nächstgelegenen allgemeinen Schule dem sonderpädagogischen Förderbedarf entsprochen werden kann.

- (3) Wünschen die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten die Aufnahme des Kindes in eine Volksschule, Hauptschule oder Unterstufe einer allgemeinbildenden höheren Schule und bestehen keine entsprechenden Fördermöglichkeiten an einer derartigen Schule, welche das Kind bei einem ihm zumutbaren Schulweg erreichen kann, so hat der Bezirksschulrat unter Bedachtnahme auf die Gegebenheiten im Rahmen seiner Zuständigkeiten Maßnahmen zur Ermöglichung des Besuches der gewünschten Schulart zu ergreifen und - im Falle der Zuständigkeit anderer Stellen - bei diesen die Durchführung der entsprechenden Maßnahmen zu beantragen[4].

4.2 Organisation und Rahmenbedingungen

4.2.1 Klassenschülerzahl

Sofern in Klassen der allgemeinbildenden höheren Schulen ein integrativer Unterricht von Kindern mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf erfolgt, sind im Durchschnitt mindestens fünf SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu unterrichten. Bei der Feststellung der Klassenschülerzahl zählt jedes Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf doppelt“[5] .

Geht man von der Höchstzahl 30 Kinder pro AHS – Klasse aus, nimmt 5 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (jedes der 5 verringert die Klassenschülerzahl um 2, somit um 10 AHS – SchülerInnen weniger) erreicht man die durchschnittliche Klassengröße von 25 Kindern in einer Sekundarstufenintegrationsklasse, 20 AHS – Kinder und 5 mit Lehrplan der jeweiligen Sonderschule.

4.2.2 Klassenzusammensetzung

Besonderes Augenmerk wird bei der Klassenzusammensetzung darauf gelegt, dass die RegelschülerInnen der NormalschülerInnenpopulation der jeweiligen Schulumgebung entsprechen. Integrationsklassen sind bewusst nicht Auffangklassen für bekannt leistungsschwache und verhaltensauffällige Kinder (ohne sonderpädagogischem Förderbedarf).

Generell wird darauf geachtet, dass die Verteilung Mädchen/ Knaben und der Anteil von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache heterogen erfolgt.

Als günstig erwies sich der geschlossene Übertritt einer Kerngruppe aus der gleichen Volksschulklasse[6], eine Erfahrung , der ich mich persönlich nicht anschließen kann. Ich erlebte – im Gegensatz zu neu zusammengesetzten Klassenstrukturen – bei der Übernahme einer kompletten Klasse aus der Volksschule (in den Anfängen der Sekundarstufenintegration) eine auffallende Beziehungsmüdigkeit der Kinder. Tradierte Rollenmuster („Klassenkasperl“, „Streberin“,...) konnten in weiteren vier Jahren gemeinsamer Schullaufbahn nicht verändert oder abgelegt werden, die Chance zu neuen Beziehungen und wichtigen sozialen Lernprozessen sowohl für die behinderten als auch die nichtbehinderten Kinder wurde – meines Erachtens – verwirkt.

Die Zuweisung der SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf erfolgt durch das zugehörige Sonderpädagogische Zentrum. Meist stellt das Kernteam (SonderpädagogIn und AHS – Klassenvorstand) der Integrationsklasse den Kontakt zu den vorgesehenen behinderten Kindern schon im Laufe der 4. Klasse Volksschule her, organisatorische Rahmenbedingungen (Bedarf eines Behinderten – WCs, Rampe für Rollstuhl,...) können so zeitgerecht geklärt werden.

Um die soziale Gruppenbildung innerhalb einer AHS – Integrationsklasse zu erleichtern, bemühe ich mich um Integrationskinder die keine auffällige Scheu vor größeren Gruppen und Willen zur Kommunikation (jeder Art) zeigen, unabhängig von Art bzw. Schwere der Behinderung oder der Lehrplanzuordnung.

4.2.3 LehrerInneneinsatz

In einer AHS - Integrationsklasse unterrichten die jeweiligen FachprofessorInnen gemeinsam mit einer Sonderpädagogin/ einem Sonderpädagogen. SonderpädagogInnen sind im Allgemeinen im Ausmaß einer vollen Lehrverpflichtung (23 Stunden) eingesetzt.

Beim Einsatz der AHS – LehrerInnen gilt das Prinzip der Freiwilligkeit.

4.2.4 Lehrplan

Für die AHS – Kinder der jeweiligen Integrationsklasse gilt der Lehrplan der AhS, also die „Aufgabe den SchülerInnen eine umfassende und vertiefte Allgemeinbildung zu vermitteln und sie zugleich zur Hochschulreife zu führen“[7] .

Für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf findet in der Integrationsklasse der ihnen jeweilig zugeordnete Lehrplan Anwendung (Allgemeine Sonderschule oder Sonderschule für schwerstbehinderte Kinder); es kann jedoch auch – entsprechend den Lernvoraussetzungen des jeweiligen Kindes gemäß – versucht werden die Unterrichtsziele der AHS in einzelnen oder mehreren Unterrichtsgegenständen grundsätzlich zu erreichen[8].

Die Beurteilung erfolgt gänzlich im jeweils zugeordneten Lehrplan (AHS, ASO oder SSO), für Kinder mit Lehrplan der Schwerstbehindertenschule in verbaler Form; am Zeugnisformular muss die Lehrplanzuordnung deutlich ersichtlich sein.

4.2.5 Stundentafel

Die Stundentafel der AHS wird beibehalten, die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf nehmen die für ihren Lehrplan vorgeschriebene Anzahl der Stunden am Unterricht teil.

Bei schwerstbehinderten Kindern führt das dazu, dass sie an einigen Unterrichtstagen früher entlassen werden als ihre MitschülerInnen oder/und (bei 6-Tage-Woche) am Samstag nicht am Unterricht teilnehmen.

5 Ziele der AHS - Integration

Die Zielsetzungen der integrativen Beschulung kann man – wie auch in der Grundstufe – auf zwei Ebenen sehen.

Zum einen soll die Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf als gesellschaftlich – soziale Komponente auch ihnen Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft bieten. Ausgrenzung und Absonderung soll vermieden und eine „Schule für alle“ verwirklicht werden. Beide, Gesunde wie Kinder mit Handicaps, sollen lernen miteinander achtungsvoll umzugehen, einander zu respektieren und vor allem gemeinsam den Alltag zu leben.

Zum Zweiten kann Integration auch vom lerntheoretischen Gesichtspunkt betrachtet werden. Die Kinder einer Integrationsklasse lernen durch die gemeinsame Interaktion viel – wenn auch Unterschiedliches – voneinander. Im Vordergrund steht somit nicht das Bemühen, behinderten Kindern den gleichen Lehrstoff wie den AHS – Kindern zu vermitteln, sondern die soziale Integration in die Gemeinschaft der Gleichaltrigen.

[...]


[1] Hawking 1990

[2] Antoni 1996

[3] vgl. Pannos, 1998

[4] §8a Schulpflichtgesetz 1985

[5] BMUK 1999, S. 56

[6] vgl. Feyerer, Mörwald, Pannos 1997, S. 23

[7] BMUK 1999, S. 53

[8] vgl. BMUK 1999, S. 54

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Details

Title
Gesamtschule durch die Hintertür? Der gemeinsame Unterricht von Kindern mit und ohne geistiger Behinderung in der Allgemeinbildenden Höheren Schule (AHS)
College
University of Derby  (Education)
Course
Master of Education
Grade
B
Author
Year
2002
Pages
36
Catalog Number
V6546
ISBN (eBook)
9783638140898
File size
1023 KB
Language
German
Keywords
Integration Behinderte AHS
Quote paper
Sylvia Nösterer (Author), 2002, Gesamtschule durch die Hintertür? Der gemeinsame Unterricht von Kindern mit und ohne geistiger Behinderung in der Allgemeinbildenden Höheren Schule (AHS), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6546

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