Die Gebiets- und Verfassungsreform des Kleisthenes und ihre Auswirkungen


Seminararbeit, 2004

15 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Hauptteil
1. Quellenlage
2. Ausgangslage
3. Reformmaßnahmen
3.1 Die Gebietsreform
3.2 Die Verfassungsreform
4. Absichten und Auswirkungen
4.1. Gebietsreform
4.1.1 Phylen
4.1.2 Trittyen
4.1.3 Demen
4.2 Boulé – Der Rat der

III. Zusammenfassung

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Der Alkmeonide Kleisthenes gehört zu den Reformern, die es ermöglichten, dass die Polis Athen die Vorzeigedemokratie in der Antike wurde. In der Athenaion Politeia schreibt der Philosoph Aristoteles von insgesamt elf Verfassungen bis zum Jahr 403 vor Christus. Die Reformen des Kleisthenes werden hierbei an fünfter Stelle genannt. Mit Kleisthenes soll in Athen die Demokratie eingeführt worden sein. Aus heutiger Sicht wissen wir, dass das nicht der Fall war. Auf dem Weg zur Demokratie waren die Reformen sicherlich wegweißend, aber man kann in dieser Zeit noch nicht von einer Demokratie sprechen. Im Jahr 508/507, als Kleisthenes seine Reformvorschläge unterbreitete, kannte man das Wort Demokratie noch gar nicht. Es ist erst viel später entstanden und Aristoteles, der im 4. Jahrhundert lebte, die Verfassungsform Demokratie und somit auch das Wort kannte, transportierte die Demokratie zurück in die kleisthenische Zeit. Wenn man heute von den Reformen des Kleisthenes spricht und was sie bewirkten, dann spricht man von der Isonomie, der Gleichheit.

Nach dem Ende der Tyrannis der Peisistratiden im späten 6. Jahrhundert gewann Kleisthenes den Machtkampf um die Führung im Staat gegen seinen adligen Konkurrenten Isagoras. Dies gelang ihm nur, da er die athenische Bevölkerung auf seiner Seite hatte und er dieser durch seine Reformvorschläge versprochen hatte, sie in Zukunft mehr am politischen Leben zu beteiligen. Kleisthenes, der selbst adliger Abstammung war, wollte die lokalen Machtzentren der Adligen aufbrechen und ihnen somit die Basis für ihre politischen Machtansprüche nehmen. In Zukunft sollte jeder die Möglichkeit besitzen, am politischen Leben der Polis teilzunehmen, es sollte Gleichheit unter allen Bürgern herrschen. Um dies zu erreichen, führte Kleisthenes eine Gebiets- und Verfassungsreform durch, um die gesamte athenische Bevölkerung zu durchmischen.

Im ersten Teil wird die Quellenlage kurz erläutert und dann erklärt, wie Kleisthenes sich gegen seinen Konkurrenten durchsetzen und die Reformen durchführen konnte.

Im zweiten Teil werden die Gebiets- und Verfassungsreform kurz vorgestellt und dann im letzten Teil die Absichten und Auswirkungen erklärt.

II. Hauptteil

1. Quellenlage

Die Überlieferungen zu den Reformmaßnahmen des Kleisthenes sind sehr dürftig. Als Hauptquellen dienen Herodots Berichte und die Schrift Athenaion Politeia, die Aristoteles zugeschrieben wird. Beide Quellen sind nicht zeitgenössisch, sondern erst ein bzw. zwei Jahrhunderte nach dem Wirken des Kleisthenes entstanden. Die Reformen des Kleisthenes werden in das Jahr 508/07 datiert, es ist aber eher unwahrscheinlich, dass sie in nur einem Jahr durchgeführt und umgesetzt wurden. Man muss wohl davon ausgehen, dass es Jahre gedauert hat, bis die Maßnahmen vollständig durchgeführt wurden und wohl Jahrzehnte, bis die erwünschten Ergebnisse eingetreten sind. Diese „fertige“ Situation trafen Herodot und vor allem Aristoteles in ihren Jahrhunderten an. Die Quellen beider Autoren sind daher kritisch zu betrachten, da sie diese Situation aus ihrer Zeit in die Zeit des Kleisthenes projizieren.[1] Herodot schrieb sein Geschichtswerk im 5. Jahrhundert mit dem Hauptthema Perserkriege. In Buch 5, Kapitel 66 – 73, beschreibt er jedoch die Situation in Athen nach dem Sturz der Tyrannis der Peisistratiden. Die Schrift Athenaion Politeia ist im 4. Jahrhundert entstanden und somit zeitlich noch weiter von den Ereignissen entfernt. In den Kapiteln 18 und 19 beschreibt Aristoteles den Sturz der Tyrannis und in den folgenden Kapiteln 20 und 21 stellt er die Situation bis zu den Reformen und schließlich die Reformen selbst dar. Er folgt dabei zum Teil den Berichten Herodots, fügt aber eine detailliertere Darstellung der Reformmaßnahmen hinzu.[2]

2. Ausgangslage

Es ist höchst wahrscheinlich, dass Kleisthenes unter der Tyrannis der Peisistratiden im Jahr 525/524 das Archontat bekleidete. Aber wohl noch vor der Ermordung des Hipparchos, eines Sohnes des Peisistratos, im Jahr 514/513, gingen die Alkmeoniden ins Exil. Von dort aus versuchten sie permanent die Tyrannis des Hippias, des letzten Sohnes des Peisistratos, zu stürzen, dessen Herrschaft aufgrund der Ermordung seines Bruders immer härter wurde. Mit Unterstützung des Orakels von Delphi gelang es den Alkmeoniden, den Spartanerkönig Kleomenes für sich zu gewinnen. Im Jahr 511/510 gelang es eben diesem Spartanerkönig, Hippias aus Athen zu vertreiben. „Nach dem Sturz der Tyrannis lagen der Sohn des Teisandros, Isagoras, der ein Freund der Tyrannen war, und Kleisthenes aus dem Geschlecht der Alkmeoniden miteinander im Kampf.“[3] Sowohl Kleisthenes, als auch sein Gegenspieler Isagoras waren Adlige und strebten jetzt die führende Stellung in Athen an. Da Isagoras aber während der ganzen Zeit der Tyrannis in Athen gewesen war, hatte er in dem Machtkampf die bessere Ausgangslage, obwohl Kleisthenes wohl für sich in Anspruch nahm, einen entscheidenden Beitrag zum Sturz des Hippias geleistet zu haben. Beide Adlige stützten sich bei ihrem Machtkampf auf ihre Gefolgsleute und Freundschaftsgruppen, die sogenannten Heteirien, von denen Kleisthenes aufgrund seiner langen Abwesenheit von Athen nicht so viele aufbieten konnte wie Isagoras. So erlangte Isagoras im Jahr 508/507 das Archontat. „Als Kleisthenes den politischen Bünden unterlag, brachte er das Volk auf seine Seite, indem er die Herrschaft im Staat auf die Menge übertrug“[4], oder wie Herodot schreibt, „[...] begann er, das niedere Volk auf seine Seite zu ziehen.“[5] Was Aristoteles und Herodot genau damit meinen, wenn sie schreiben, dass Kleisthenes das Volk, bzw. das niedere Volk auf seine Seite ziehen konnte, ist nicht sicher. Wahrscheinlich ist aber, dass es Kleisthenes gelang, große Teile der Mittel- und Unterschicht mit seinen Reformvorschlägen für sich zu gewinnen und dass die Reformen in der Volksversammlung sehr positiv aufgenommen wurden. Als Isagoras merkte, dass er durch die Maßnahmen des Kleisthenes wieder an Macht verlor, rief er den Spartanerkönig Kleomenes zu Hilfe, der schon 511/510 die Tyrannis in Athen beendet hatte. „Kleisthenes entfloh, bevor Kleomenes mit geringer Heeresmacht ankam und siebenhundert athenische Familien vertrieb. Im Anschluß an diese Maßnahme versuchte er, den Rat aufzulösen und Isagoras mit dreihundert seiner Anhänger als Herren des Staates einzusetzen. Als aber der Rat Widerstand leistete und auch die Menge sich versammelte, flohen diejenigen, die zu Kleomenes und Isagoras gehörten, auf die Akropolis. Das Volk ließ sich davor nieder und belagerte sie zwei Tage lang; am dritten Tag ließen sie Kleomenes und alle seine Leute mit ihm im Schutze eines Waffenstillstandes abziehen, Kleisthenes aber und die anderen Flüchtlinge riefen sie zurück. Das Volk errang also die Kontrolle über das Staatswesen, und Kleisthenes stand als Führer des Volkes an seiner Spitze.“[6] Das Volk hatte sich gegen eine Oligarchie unter Isagoras entschieden aber für die Reformen des Kleisthenes, durch die „die Verfassung viel demokratischer als die Solons [wurde].“[7] Der Machtkampf zwischen den beiden Adligen hatte sich letztlich durch den Willen des Volkes entschieden, das eine demokratische Regierung wollte.[8] Kleisthenes konnte jetzt seine Reformvorschläge in die Tat umsetzten und sie traten dann wahrscheinlich 507/506 in Kraft.[9]

3. Reformmaßnahmen

3.1 Die Gebietsreform

„Als Anführer der Menge teilte [Kleisthenes] dann [...] in einer ersten Maßnahme alle Bürger in zehn statt der bisherigen vier Phylen ein [...]. Ferner teilte er das Land nach Demen in dreißig Teile auf, von denen zehn dem Stadtgebiet, zehn der Küste und zehn dem Binnenland zugehörten; diese nannte er Trittyen und loste jeder Phyle drei davon zu [...]. Er setzte auch Demarchoi ein, die dieselbe Aufgabe wie die früher amtierenden Naukraroi hatten; denn er setzte die Demen an die Stelle der Naukrarien.“[10] Auch bei Herodot findet man die Neuverteilung der athenischen Bevölkerung in zehn neue Phylen (Stämme), statt der bisherigen vier und die Aufteilung der Demen (Gemeinden) auf diese neuen Phylen.[11] Laut den beiden Quellen teilte Kleisthenes die Polis Athen in drei Bereiche, so dass eine regionale Gliederung in ásty (Stadt Athen und das Umland im Umkreis von 10 km und der dortigen Küste), mesógeion (Binnenland) und paralía (Küstengebiet, also die Regionen am Meer, außer des ásty-Gebietes) entstand. Jede der drei Bereiche wurde in zehn Trittyes (Drittel) unterteilt und jeweils eine Trittys aus dem ásty, dem mesógeion und der paralía zu einer Phyle vereinigt. Die Zuordnung der einzelnen Trittyes zu einer Phyle geschah per Los. Die einzelnen Trittyes bestanden ihrerseits aus Demen, also aus kleinen Städten und Dörfern. Die Demen waren so auf die Trittyes verteilt, dass jede Trittys ungefähr eine gleiche Anzahl an erwachsenen Männern besaß, da dieses System auch zur militärischen Aushebung diente. Insgesamt gab es auf Attika wohl 139 Demen, die die Basis und die Grundordnung der gesamten Organisation waren. Da die Demen aber als gewachsene Siedlungen von unterschiedlicher Größe waren und von Natur aus nicht veränder- oder teilbar, musste Kleisthenes auf diese Verhältnisse Rücksicht nehmen. Die Anzahl der Demen in den einzelnen Trittyes war daher unterschiedlich. An der Spitze eines Demos stand der Demarchos, ein Gemeindevorsteher. Er war u.a. für die Führung der Bürger- und Zensusliste verantwortlich, in der jedes männliche Mitglied ab dem 18. Lebensjahr, also jeder Vollbürger, aufgelistet war.[12]

3.2 Die Verfassungsreform

Über die Errichtung eines Rates durch Kleisthenes erfährt man in den Quellen nicht sehr viel. Aristoteles schreibt von einer Erweiterung des Rats der Vierhundert zum Rat der Fünfhundert[13], und erläutert auch die Aufgaben dieser Institution.[14] Diese Beobachtungen stammen aber aus dem 4. Jahrhundert und es ist fragwürdig, ob der kleisthenische Rat von Beginn an so konstruiert war, oder ob es eine Zeitlang dauerte, bis er so wurde, wie ihn Aristoteles in seinem Jahrhundert vorfand. Sicher ist aber, dass Kleisthenes den Rat der Fünfhundert errichtet hat, und dass jede der zehn neuen Phylen 50 ausgeloste Mitglieder stellen musste. Neben dem religiösen Kalender wurde zusätzlich ein amtlicher Kalender in Athen eingeführt, da jede Phyle für ein Zehntel des Jahres, einer Prytanie, den Vorsitz im Rat hatte. Die Prytanie wurde am Ende der Amtsperiode der geschäftsführenden Prytanie erlost, damit die zukünftigen Prytanen nicht schon vorher Absprachen treffen konnten. Dem amtlichen, oder Prytanen-Kalender lag das Sonnenjahr mit 366 Tagen zugrunde, so dass die ersten sechs Prytanien 37, die restlichen 35 Tage amtierten. Den Vorsitz der Prytanie hatte der epistátês tôn prytanéôn. Auch er wurde erlost und war zugleich Vorsteher des ganzen Rates für einen Tag und eine Nacht. Er leitete die Rats- und die Volksversammlung und war somit im Grunde Vorsteher der gesamten Polis. Die Mitgliedschaft im Rat betrug ein Jahr, das Mindestalter war 30 Jahre und man konnte zweimal Mitglied im Rat sein. Aus der Überlieferung geht hervor, dass die Mitglieder wahrscheinlich aus den ersten drei Klassen stammten, es gibt aber keinen Hinweis, dass die Theten nicht zugelassen waren.[15]

[...]


[1] Vgl.: Chambers, Mortimer: Aristoteles. Staat der Athener. Berlin 1990. Seite 224.

[2] Vgl.: Welwei, Karl-Wilhelm: Das klassische Athen. Demokratie und Machtpolitik im 5. und 4. Jahrhundert. Darmstadt 1999. Seite 1 – 2. Develin, Bob/Vilmer, Martin: What Kleisthenes did. In: Historia 46, 1997, Seite 3 – 4.

[3] Aristot. AP 20,1.

[4] Ebd.: AP 20,1.

[5] Herod. 5,66.

[6] Aristot. AP 20, 3-4.

[7] Ebd.: AP 22,1.

[8] Vgl.: Rausch, Mario: Kleisthenes, Isagoras, der Rat und das Volk: Die athenische Innenpolitik zwischen dem Sturz der Tyrannis und dem Jahr 507 v. Chr. In: Chiron 28, 1998, Seite 359 – 361. Welwei, Karl-Wilhelm: klassische Athen. Seite 2 – 7.

[9] Vgl.: Chambers, Mortimer: Seite 221 222.

[10] Aristot. AP 21,1 – 5.

[11] Vgl.: Herod. 5, 66 und 5, 69.

[12] Vgl.: Bleicken, Jochen: Die athenische Demokratie. 4. völlig überarbeitete und wesentlich erweiterte Auflage. Paderborn u.a. 1995. Seite 182 – 183. Welwei, Karl-Wilhelm: klassische Athen. Seite 11 – 13.

[13] Vgl.: Aristot. AP 21,3.

[14] Vgl.: Ebd. AP 43, 2 – 49.

[15] Vgl.: Bleicken, Jochen: Seite 226 – 231.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die Gebiets- und Verfassungsreform des Kleisthenes und ihre Auswirkungen
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
15
Katalognummer
V65482
ISBN (eBook)
9783638580397
ISBN (Buch)
9783656336914
Dateigröße
489 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gebiets-, Verfassungsreform, Kleisthenes, Auswirkungen
Arbeit zitieren
Matthias Wies (Autor:in), 2004, Die Gebiets- und Verfassungsreform des Kleisthenes und ihre Auswirkungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65482

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