Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts gab es eine kräftige Erschütterung im Rollenverständnis der Akteure des Strafverfahrens. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ein Verteidiger in einem Ermittlungsverfahren keine mitgestaltende Rolle gespielt; vielmehr ließ man die Zügel in den Händen der Strafverfolgungsbehörden. Das hatte vorerst taktische Überlegungen. Der Verteidiger wollte verhindern, dass er im stetigen Diskurs mit der
Staatsanwaltschaft und der Polizei voreilig seine Verteidigungsstrategie preisgibt. Jedoch verschenkte er durch diese „wait and see“ - Haltung die Möglichkeit, auf den zeitlich größten Abschnitt des gesamten Strafverfahrens Einfluss zu nehmen. Zum Ende des letzten Jahrhunderts wandelte sich nun diese Sichtweise. Man erkannte für das gesamte weitere Verfahren die große „urteilsprägende“ Bedeutung des Ermittlungsverfahrens und den daraus resultierenden Ergebnissen. Bis dato wurden alle Ermittlungsergebnisse, die
die Staatsanwaltschaft – oft entgegen § 160 Abs.2 StPO – sehr einseitig ermittelt hat, willkürlich und somit unabänderlich zur faktischen Grundlage der tatrichterlichen Überzeugungsbildung. Versäumnisse im Vorverfahren konnten zu keinem Zeitpunkt des Prozessverlaufs wiedergutgemacht werden. Durch das Umdenken haben sich die Strafverteidiger die Möglichkeit geschaffen, durch eine aktive, kontrollierende und mitgestaltende Tätigkeit im Ermittlungsverfahren die tatrichterliche Überzeugungsbildung
mitzuprägen. Diese Möglichkeiten, die dem Verteidiger nun für die „Einflussnahme“ zur Verfügungen stehen, werden zum Teil in dieser Arbeit dargestellt und erläutert. Das Hauptaugenmerk liegt jedoch bei seinen Rechten und Pflichten. Um sich damit auseinandersetzen zu können, muss man zuvor verstehen, in welcher Phase des Strafverfahrens man sich befindet. Im zweiten Teil wird der „Verteidiger“ genauer betrachtet, wobei auf die historische
Entwicklung der Strafverteidigung eingegangen wird und die meines Erachtens wichtigsten Ansichten der daraus resultierenden Stellung des Verteidigers im strafrechtlichen System dargestellt werden. Des Weiteren steht das Verhältnis des Verteidigers zu seinem Mandanten im Blickpunkt, denn hieraus ergeben sich die meisten Pflichten für den Verteidiger. Die Rechte des Verteidigers im Ermittlungsverfahren werden im letzten und vierten Teil der Arbeit behandelt.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Der Begriff des Ermittlungsverfahrens
- 2.1. Legalitätsprinzip und Einleitung des Verfahrens
- 2.2. Voraussetzung und Durchführung des Ermittlungsverfahrens
- 2.3. Abschluss des Ermittlungsverfahrens
- 3. Der Verteidiger
- 3.1. Die Geschichte der Strafverteidigung
- 3.1.1. Römisches Recht und Kanonisches Recht
- 3.1.2. Die Constitutio Criminalis Carolina
- 3.1.3. Preußen
- 3.1.4. Der Verteidiger im Nationalsozialismus
- 3.1.5. Der Verteidiger in der DDR
- 3.2. Die Rechtsstellung des Verteidigers
- 3.1. Die Geschichte der Strafverteidigung
- 4. Das Verhältnis des Verteidigers zum Mandanten
- 5. Die Pflichten des Verteidigers
- 5.1. Die Pflichten des Verteidigers gegenüber seinem Mandanten
- 5.2. Die Pflichten des Verteidigers gegenüber anderen Beteiligten
- 6. Rechte des Verteidigers
- 6.1. Recht auf Stellen von Beweisanträgen
- 6.2. Recht auf Durchführung eigener Ermittlungen
- 6.2.1. Anhörung von Zeugen
- 6.2.2. Kontaktaufnahme zu anderen Verfahrensbeteiligten
- 6.2.3. Beauftragung eines Privatdetektivs oder Sachverständigen/ Besichtigung des Tatorts
- 6.3. Recht auf Einlegung von Rechtsmitteln
- 6.4. Äußerungsrechte
- 6.5. Ablehnung des Staatsanwaltes
- 6.6. Ungehinderte Kommunikation
- 6.7. Anwesenheitsrecht und Fragerecht
- 6.7.1. Vernehmung des Beschuldigten
- 6.7.2. Vernehmung von Zeugen, Sachverständigen und Mitbeschuldigten
- 6.7.3. Augenscheinseinnahme und Durchsuchungen
- 6.7.4. Gegenüberstellungen und Leichenschau
- 6.8. Recht auf Akteneinsicht
- 6.8.1. Das Wesen der Akteneinsicht
- 6.8.2. Beschränkung der Akteneinsicht und Anfechtung dessen
- 6.8.3. Anfechtung der Beschränkung der Akteneinsicht
- 7. Resümee und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Rolle des Verteidigers im Ermittlungsverfahren. Sie analysiert die Rechte und Pflichten des Verteidigers im Kontext des deutschen Strafverfahrens und betrachtet die historischen Entwicklungen der Strafverteidigung.
- Die Geschichte der Strafverteidigung in Deutschland
- Die Rechtsstellung des Verteidigers im Ermittlungsverfahren
- Pflichten des Verteidigers gegenüber Mandant und anderen Verfahrensbeteiligten
- Rechte des Verteidigers, einschließlich Akteneinsicht und Anwesenheitsrecht
- Die Bedeutung des Verteidigers im Strafprozess als Garant für ein faires Verfahren
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel legt den Grundstein für die Analyse, indem es das Ermittlungsverfahren definiert und die relevanten rechtlichen Grundlagen beleuchtet, wie das Legalitätsprinzip. Kapitel zwei beleuchtet die Entwicklung der Strafverteidigung vom Römischen Recht bis zum deutschen Strafprozessrecht. Kapitel drei behandelt die Rechtsstellung des Verteidigers im Strafverfahren, einschließlich seiner Rechte und Pflichten. Die Kapitel vier und fünf fokussieren auf das Verhältnis zwischen Verteidiger und Mandant, sowie auf die Pflichten des Verteidigers gegenüber anderen Verfahrensbeteiligten. Kapitel sechs behandelt detailliert die Rechte des Verteidigers, darunter das Recht auf Akteneinsicht und Anwesenheitsrecht.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Themen des Strafprozesses, insbesondere mit der Rolle des Verteidigers, seiner Rechtsstellung und seinen Rechten und Pflichten. Weitere relevante Begriffe sind: Ermittlungsverfahren, Legalitätsprinzip, Strafverteidigung, Akteneinsicht, Anwesenheitsrecht, Beweisanträge, Mandantenverhältnis.
- Arbeit zitieren
- Dorothea Hänel (Autor:in), 2006, Die Rechte und Pflichten des Verteidigers im Ermittlungsverfahren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65507