Paul Nizons Roman Stolz erscheint 1975. Die Prosaerzählung berichtet in zwei Abschnitten von Iwan Stolz, dem ,,Lebenskandidaten".1 Der Leser begleitet Stolz von seiner Schulentlassung mit zwanzig bis zu seinem Tod mit fünfundzwanzig.
Im ersten Teil gibt Nizon Einblicke in ein Leben ohne ,,Ansichten und Aussichten"2. Der Protagonist Stolz trägt gerne Mäntel und empfindet seine ganze Lebenssituation wie Einkleidungen, ,,die ein anderer ohne sein Zutun für ihn vorgenommen hatte."3 Stolz befindet sich in einem dauerhaften Wartezustand, er wartet auf Ereignisse, ohne selbst zu handeln. Nizon verwendet das wiederkehrende Motiv des Zugfahrens als Metapher für diese Haltung Stolz` gegenüber seinem eigenen Leben. Stolz beobachtet vom Zugfenster aus die Veränderung der vorbeieilenden Landschaften und genießt diese Veränderung, die ohne sein Zutun geschieht.4 Er verharrt sein Leben lang in der Position des Wartenden, als stiller Beobachter der Dinge, die da kommen mögen. So handelt der erste Teil des Romans davon, wie Stolz nach diversen Gelegenheitsarbeiten ein Kunststudium beginnt und in eine Ehe ,,hineinschlittert".
Im zweiten Teil zieht sich Stolz in den Spessart zurück, um in der Abgeschiedenheit und fern der Familie eine Studiumsarbeit über van Gogh zu verfassen. Dabei erkennt er, daß er das Gegenteil des empathischen Malers ist, der die Berufung spürte, der Welt etwas zu hinterlassen. Die Passion van Goghs steht im direkten Gegensatz zu Stolz` Haltung. Schon zu Anfang des Romans drängt es Stolz, sich auszulöschen.5 Durch die Erkenntnis seiner inneren Leere und die zunehmende Entfremdung seiner selbst schließlich legt er sich bei einem Waldspaziergang in den Schnee und erfriert.
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1 Kilchmann, Martin: ,,Das Leben schreiben". Paul Nizons schriftstellerisches Werk als Spiegelung eines heutigen Poetenlebens. In: Paul Nizon. Hg. v. Martin Kilchmann. Suhrkamp Taschenbuch Materialien. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1985. S. 38.
2 Siehe Paul Nizon: Stolz. 5. Auflage. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1989. S. 8. (hiernach zitiert als Stolz)
3 Stolz, S. 9.
4 Siehe Stolz, z. B. S. 19.
5 Siehe Stolz, S. 11
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Paul Nizons Stolz: Mann ohne Eigenschaften auf der Flucht vor dem Leben
- 1. Teil: Warten auf das Leben
- 2. Teil: Die Leere
- Motive, Symbolik und Sprache in Stolz
- Schlußbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Roman "Stolz" von Paul Nizon erzählt die Geschichte von Iwan Stolz, einem jungen Mann, der sich auf der Suche nach Sinn und Bedeutung in seinem Leben befindet. Die Geschichte zeichnet ein Bild von einer Generation, die mit den Herausforderungen und Unsicherheiten der modernen Welt konfrontiert ist und Schwierigkeiten hat, ihren Platz darin zu finden.
- Die Suche nach Identität und Sinn im Leben
- Die Problematik der Passivität und der Flucht vor dem Leben
- Die Bedeutung von Emotionen und Empathie
- Die Rolle der Kunst und Kultur im menschlichen Leben
- Die Ambivalenz des Wartens und der Ungewissheit
Zusammenfassung der Kapitel
1. Teil: Warten auf das Leben
Der erste Teil des Romans schildert Stolz' frühe Jahre nach seinem Schulabschluss. Er nimmt verschiedene Gelegenheitsjobs an, ohne jedoch eine wirkliche Leidenschaft zu entwickeln. Stolz befindet sich in einem dauerhaften Wartezustand, wartet auf Ereignisse, ohne selbst zu handeln. Nizons verwendet das Motiv des Zugfahrens als Metapher für diese Haltung Stolz gegenüber seinem eigenen Leben. Die Geschichte folgt Stolz auf seiner Reise durch verschiedene Lebensabschnitte, darunter die Aufnahme eines Kunststudiums und die Eheschließung.
2. Teil: Die Leere
Im zweiten Teil zieht sich Stolz in den Spessart zurück, um in der Abgeschiedenheit ein Studium über van Gogh zu verfassen. Er stellt fest, dass er das Gegenteil des empathischen Malers ist, der die Berufung spürte, der Welt etwas zu hinterlassen. Die Passion van Goghs steht im direkten Gegensatz zu Stolz Haltung. Durch die Erkenntnis seiner inneren Leere und die zunehmende Entfremdung von sich selbst, legt er sich schließlich bei einem Waldspaziergang in den Schnee und erfriert.
Schlüsselwörter
Die zentralen Themen von "Stolz" sind die Suche nach Identität, Sinnlosigkeit, die Problematik der Passivität, der Umgang mit dem Leben, die Bedeutung von Emotionen und Empathie sowie die Rolle der Kunst und Kultur im menschlichen Leben.
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- Daniela Esser (Autor), 2000, Paul Nizons Stolz - Das Leben verpassen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6573