Die Figur des Narren im Mittelalter am Beispiel des Till Eulenspiegel


Trabajo de Seminario, 2000

16 Páginas, Calificación: 1


Extracto


INHALTSVERZEICHNIS

1 Einleitung: Faszination Eulenspiegel

2 Der Narr im Mittelalter
2.1 Vom natürlichen zum künstlichen Narren
2.2 Der Hofnarr in der Antike, im Mittelalter und der Neuzeit
2.3 Der Narr im Karneval

3 Die Quelle: „Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel“
3.1 Die Verfasserfrage
3.2 Die Person Till Eulenspiegel
3.3 Die ersten vier Historien
3.4 Motive der weiteren Historien
3.5 Die Bereinigung des Volksbuches

4 Resümee: Der Spiegel der Dummköpfe

5 Literaturliste

1 Einleitung: Faszination Eulenspiegel

Wer kennt nicht wenigstens eine der zahlreichen Geschichten um den Narren Till Eulenspiegel, der im 14. Jahrhundert seine maßlosen Späße getrieben haben soll? Schamlos führte er seine Mitbürger mit rücksichtslosen Streichen an der Nase herum. Über die Jahrhunderte hat der Schalknarr jedoch nie an Popularität verloren, noch heute üben diese kleinen Geschichten, die sich durch derben Humor auszeichnen, eine gewisse Faszination auf Erwachsene und Kinder aus. Viele von ihnen besuchen in seiner Todesstätte Mölln immer noch eine Statue des Narren, die jedem, der sie berührt, Glück bringen soll.

Wer war dieser Eulenspiegel? Was zeichnet einen echten Narren des Mittelalters aus, der im wahrsten Sinne des Wortes „den Schalk im Nacken“ hatte? Warum fasziniert uns immer noch das Motiv der Narrenfreiheit? Und wieso wird der Eulenspiegel vom Leser trotz seiner teils boshaften Streiche stets als eine Art Held idealisiert? Diese Fragen werden im Folgenden behandelt und am Beispiel der Historien um Till Eulenspiegel beleuchtet.

2 Der Narr im Mittelalter

2.1 Vom natürlichen zum künstlichen Narren

Menschen im Mittelalter, die der gesellschaftlichen Auffassung von körperlicher und geistiger Gesundheit nicht entsprachen, wurden diskriminiert und als Krüppel (Körperbehinderte) oder Narren (Geisteskranke) bezeichnet. Da sie wegen fehlender Arbeitsfähigkeit selten gesellschaftlichen Pflichten nachkommen konnten, wurden ihnen auch kaum Rechte wie etwa das Mitspracherecht zugestanden.

Dieser „natürliche Narr“, auch „Tor“ oder „Besessener“ genannt, wurde in den mittelalterlichen Städten entmündigt. Sofern als gemeingefährlich eingestuft, wurde er sogar wie ein Tier in Verließe, Stadttürme oder sogar Torenkisten weggesperrt. Als harmlos geltender Narr durfte er sich unter dem Spott seiner Mitmenschen frei bewegen. Bei demütigenden Verfolgungsjagden wurden die Besessenen durch die Straßen getrieben und unter lautem Gelächter mit Steinen und Dreck beworfen. Sie waren nicht nur Sündenbock sondern auch Prügelknaben. Manchmal wurde ihnen der Kopf geschoren und mit Asche eingeschwärzt. Bei Volksfesten wurden sie verkehrt herum auf einen Esel gesetzt, als Warnung an die Bürger wurden ihre Kleidung und Kappe mit Glocken versehen.

Was heute als Geisteskrankheit gilt, wurde in der mittelalterlichen Heilkunde als Störung der Vernunft oder Erkrankung des Gehirns bezeichnet. Zur Heilung dieser Störungen wurden Aderlässe, Verabreichungen von Mixturen aus Blut und Innereien oder Gehirnöffnungen vorgenommen, sofern sich überhaupt jemand für eine Heilung einsetzte[1]. Erst im späten Mittelalter entstanden frühe Formen der späteren Irren- und Nervenheilanstalten.

Als Imitator des natürlichen Narren galt der „künstliche Narr“, auch „Schalknarr“ oder „Hofnarr“ genannt, der zu Anfang des 14. Jahrhunderts als witziger Schauspieler an den Höfen lebte. Er galt als schlagfertig, kritikfähig und gebildet, war im Auge seines Herrn aber trotzdem in erster Linie ein Narr mit zweifelhafter Geistesstruktur.

Wegen seiner Kirchenkritik wurde der Hofnarr als Gotteslästerer und Atheist angesehen. Einerseits hatte der Hofnarr gewisses Sozialprestige, wurde andererseits jedoch auch nicht viel besser als ein Tier behandelt. So musste er nicht nur Grimassen schneiden oder auf allen Vieren auf einem Pferd reiten, sondern sich auch oft wie ein Affe benehmen, zumindest mit einem solchen zusammen auftreten und manchmal nachts in einer Hundehütte schlafen. Oft wurde er auch wie ein Hund geschlagen[2].

Im 13. Jahrhundert wurde der Narr nackt dargestellt, wodurch seine Sündhaftigkeit dargestellt werden sollte. Der Hofnarr war im späten Mittelalter mit der Narrenkleidung ausgestattet. Er hatte ein Narrenzepter, auch Marotte genant, in forme eines Stabes bei sich, dessen Knauf ein geschnitztes Portrait seiner selbst darstellen sollte und mit Glöckchen oder Schellen versehen war. Somit wurde die eitle Selbstbezogenheit des Narren verdeutlicht[3]. Ferner sah man im Narrenzepter eine lächerliche Imitation des Bischofsstabs, die wiederum seine Gottlosigkeit unterstrich.

Seine Narrenkappe, in der Bedeutung einer Ketzer- oder Schandhaube ähnlich, galt als Gegenstück zur königlichen Krone. Ihr Hahnenkamm stand für die menschliche Überhebung und Geilheit, die Eselsohren an den Seiten für geistige Trägheit. Die Affen, die den Hofnarren umgaben, symbolisierten sein ungezügeltes Benehmen. Seine Narrenschellen stellten ihn als Menschen ohne Liebe dar, während die Schnabelschuhe und das bunt gefleckte Gewand seine Missachtung gegenüber der gesellschaftlichen Normen, u.a. eben Kleidungsvorschriften, verdeutlichten. Der Narrenorden galt als Parodie echter Ordenssymbole. Dieses extravagante Kostüm und sein Talent, unverständlich und wirr zu reden, faszinierte das Volk, dessen Neugier und Vorliebe für das Exotische der Narr stillen sollte.

Im frühen 16. Jahrhundert verbrei­tete sich das Bild des Todesnarren. Er stand für die Gottlosigkeit, Sünde und Sterblichkeit des Menschen. Unter der Narrenkappe verbarg sich jetzt das grausame Antlitz des Gevattern Tod. Des Narren Gottesferne rückt ihn in die Nähe von Tod und Untergang[4]. Der Höhepunkt dieser Entwicklung findet zu Beginn der Neuzeit statt.

2.2 Der Hofnarr in der Antike, im Mittelalter und der Neuzeit

Es gibt Theorien, dass es die Gestalt des Narren schon in der Antike gab und erst im Mittelalter wieder aufgegriffen wurde. Laut Otto Mönkemöller greife der Ursprung des Hofnarren bis ins orientalische Altertum zurück. Die wirren Reden der Geisteskranken seien als göttliche Eingebung gedeutet und verehrt worden. Enid Welsford behauptet, der Hofnarr habe seine Ursprünge sowohl in keltischen als auch in antik-römischen Traditionen5. Da diese Theorien kaum durch Quellen zu belegen sind, bleiben sie umstritten, weshalb ich auch nicht weiter auf diese eingehe.

Unzweifelhafte Quellen über den mittelalterlichen Hofnarren, die ihn auch vom natürlichen Narren differenzieren, sind erst im 12. Jahrhundert entstanden, wie etwa Rechnungen vom englischen Königshof über finanzielle Aufwendungen für eine Person, bei der es sich um eine Art Hofnarr gehandelt haben kann. Der mutmaßliche Hofnarr wurde vermutlich wie damals auch die Spielleute mit Kleidung entlohnt6.

Der mittelalterliche Hofnarr machte seinem Herrn die Wirklichkeit des sündigen Alltags durch herbe Worte und verzerrende Mimik verständlich. Als Hofnarr durfte er alles schuldfrei sagen, auch wenn die Wahrheit unerwünscht oder unerfreulich war. Der Herrscher sollte nun die Sitten und Unsitten seines Volkes positiv beeinflussen. Diese Aufgabe konnte sowohl durch einen Geistesschwachen als auch durch einen künstlichen Narren erfüllt werden. Die Abgrenzung zwischen den beiden Typen war fließend, weshalb diese nicht immer eindeutig voneinander getrennt werden können. Beide Gruppen wurden zugleich bis in die frühe Neuzeit als fester Bestandteil der Hofkultur an den Höfen gehalten7. Der Höhepunkt des europäischen Hofnarrwesens wird gar im 16. und 17. Jahrhundert datiert. Zu dieser Zeit unterschied sich der Hofnarr allerdings schon sehr vom mittelalterlichen Narren bei Hofe. Er war durch seine Anekdoten und Schwänke beim Volk beliebt. Seine neue Funktion in der Neuzeit war die des Unterhalters, Musikanten, Kritikers und Hofbegleiters. Somit war nicht nur die Grenze zum natürlichen Narren sondern jetzt auch die zu Spielleuten verwaschen. Der Hofnarr konnte endlich seine demütigende Rolle abstreifen und entwickelte sich zum Mahner und Warner. Er rief Gefahren und Skandale aus und konnte rätselhafte Zeichen deuten. Der Narr galt sogar als Glücksbringer für den göttlichen Schutz. Als hellsehender Poet hüllte er seine Wahrsagungen in wunderliche Formeln. Sein Ende findet das Hofnarrenwesen erst im 18. Jahrhundert.

[...]


[1] vgl. Edgar Barwig und Ralf Schmitz: Narren – Geisteskranke und Hofleute, in: Randgruppen der

spätmittelalterlichen Gesellschaft, hrsg. v Bernd-Ulrich Hergemöller, S.229

[2] vgl. Barwig, Schmitz, S. 220 f.

[3] vgl. Lexikon des Mittelalters Band 6, S. 1024

[4] vgl. Lexikon des Mittelalters Band 6, S. 1025

5 vgl. Barwig, Schmitz, S. 234

6 vgl. Barwig, Schmitz, S. 235

7 vgl. Barwig, Schmitz, S. 235 f.

Final del extracto de 16 páginas

Detalles

Título
Die Figur des Narren im Mittelalter am Beispiel des Till Eulenspiegel
Universidad
University of Flensburg  (Geschichte)
Curso
Proseminar Sagen, Märchen, Volksbücher
Calificación
1
Autor
Año
2000
Páginas
16
No. de catálogo
V6609
ISBN (Ebook)
9783638141451
ISBN (Libro)
9783640098859
Tamaño de fichero
393 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Mittelalter, Narr, Narren, Eulenspiegel, Hofnarr, Außenseiter, Aussenseiter, Till
Citar trabajo
Stephan Holm (Autor), 2000, Die Figur des Narren im Mittelalter am Beispiel des Till Eulenspiegel, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6609

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