Kaufkraftparitätentheorie. Grundlagen, Kritik und Bewertung der Aussagekraft


Hausarbeit, 2003

26 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Bedeutung von Wechselkursen und deren Vorhersage

2. Wechselkurse und Kaufkraftparität
2.1 Wechselkursarten und Wechselkurssysteme
2.2 Definition des Begriffes „Kaufkraftparität“

3. Kaufkraftparitätentheorie
3.1 Historische Entwicklung der Kaufkraftparitätentheorie
3.2 Stanley Jevons „Law of one price”
3.3 Absolute Form der Kaufkraftparitätentheorie
3.4 Relative Form der Kaufkraftparitätentheorie
3.5 Monetäre Form der Kaufkraftparitätentheorie
3.6 Ein Anwendungsbeispiel – Der „Big Mac-Index“

4. Kritik an der Kaufkraftparitätentheorie
4.1 Strukturelle Abweichungen von den Modellannahmen
4.1.1 Unterschiede in den Konsumpräferenzen
4.1.2 Handelbare und nichthandelbare Güter
4.1.3 Balassas und Samuelsons Hypothese
4.2 Empirische Evidenz des „Law of one price”
4.3 Transportkosten, Zölle, andere Beschränkungen und „Pricing to market“
4.4 Zur Auswahl des richtigen Preisindex
4.5 Kritik an der monetären Kaufkraftparität

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Internetverzeichnis

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1. Bedeutung von Wechselkursen und deren Vorhersage

Mit dem heutigen Trend zur Globalisierung und der damit verbundenen größer werdenden Anzahl von Geschäften mit Partnern aus verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Währungen ist es immer wichtiger für Unternehmen, Wechselkurse zwischen den beteiligten Währungen vorhersagen zu können, um diese Geschäfte für sich zu bewerten. Besondere Bedeutung hat das bei Termin- und Zielgeschäften.

Aber nicht nur für Unternehmen sind Wechselkurse von Währungen wichtige Größen. Jeder weitgereiste Bürger weiß, wie unterschiedliche Devisenkurse die Kosten des Urlaubs beeinflussen können. Jeder vergleicht die Preise im Urlaubsland durch Umrechnen in die Heimwährung mit den Preisen zu Hause. Auch wenn die Preise in anderen Ländern sich nicht ändern, führen unterschiedliche Devisenkurse zu ungleichen Bewertungen dieser Preise durch den Urlauber.

Auch für die Politik haben Wechselkurse eine wichtige Bedeutung, zum Beispiel wenn das eigene Land mit anderen Ländern verglichen werden soll. So können die Bruttoinlandspro-dukte von Deutschland und den USA zum Beispiel in Dollar verglichen werden. Das gleiche deutsche BIP in Euro nimmt dann durch verschiedene Wechselkurse andere Werte in Dollar an.

Um Größen wie Gewinne, Preise und Bruttoinlandsprodukte in verschiedenen Ländern zu vergleichen, werden Wechselkurse benötigt. Zu deren Vorhersage und Bewertung werden ihre Determinanten herangezogen. Die Bestimmungsfaktoren eines Wechselkurses sind die Kaufkraftparität, Einkommensunterschiede, Zinsdifferenzen, das relative Angebot an in- und ausländischen Finanzaktiva und Erwartungen.[1] Aus der Kaufkraftparität als Determinante des Wechselkurses ergibt sich einer der ältesten und am heftigsten diskutierten Ansätze zur Erklärung von Wechselkursen: Die Kaufkraftparitätentheorie. In ihrer Kernaussage behauptet sie, dass die Preislevels zweier Länder, in dieselbe Währung konvertiert, sich entsprechen. Ist dies nicht der Fall, gleichen Marktmechanismen diese Unterschiede langfristig aus.[2] Dass diese Theorie tatsächlich angewendet wird, zeigt die Aussage des türkischen Außenministers Ismail Cem über die wirtschaftliche Situation seines Landes im Jahre 2001: „... unser Bruttoinlandsprodukt [weist] einen Betrag von 200 Milliarden Dollar .. [auf]. Und wenn wir unsere Purchasing Power Parity, also unsere Kaufkraft-Parität, zu Grunde legen, dann sind es 400 Milliarden Dollar.“[3]

Die Kaufkraftparitätentheorie soll Gegenstand dieser Arbeit sein. Ziel ist es, diese Theorie darzustellen und auf ihre praktische Anwendbarkeit hin zu untersuchen. Dazu wird im folgenden Abschnitt grundsätzlich geklärt, was Wechselkurse und Kaufkraftparitäten, die eine zentrale Rolle in der Kaufkraftparitätentheorie spielen, sind. Der dritte Abschnitt gibt nach der Darstellung der historischen Entwicklung der Kaufkraftparitätentheorie und ihrer Grundlage, dem „Law of one price“, einen Überblick über ihre verschiedenen Formen. Im vierten Kapitel wird die vorherrschende Kritik untersucht. Am Ende erfolgt eine abschließende Bewertung der Aussagekraft der Kaufkraftparitätentheorie.

2. Wechselkurse und Kaufkraftparität

2.1 Wechselkursarten und Wechselkurssysteme

Bevor die Kaufkraftparitätentheorie beleuchtet werden kann, soll auf den Begriff des Wechselkurses eingegangen werden.

Der Wechselkurs (oder Devisenkurs)[4] ist der Preis einer Währung, ausgedrückt in Einheiten einer anderen Währung. Ein Wechselkurs ermöglicht es, über diese Preisfunktion hinaus in verschiedenen Währungseinheiten ausgedrückte Größen miteinander zu vergleichen (Rechen-funktion).[5]

Der relative Preis einer Währung wird auch als nomineller Wechselkurs bezeichnet. Er kann in zwei verschiedenen Notierungen angegeben werden. Die Preisnotierung W ist der heimische Preis einer ausländischen Währungseinheit. Für den Tausch von Euro und Dollar würde das zum Beispiel bedeuten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Wechselkurs in Preisnotierung gibt also an, wie viele Einheiten der inländischen Währung eine Einheit der ausländischen Währung kostet. Dem gegenüber besagt die Mengen-notierung Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, wie viele Einheiten der ausländischen Währung mit einer Einheit der inländischen Währung erworben werden können:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Aus den Formeln (2.1) und (2.2) ist offensichtlich, dass gilt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Wechselkurs in Preisnotierung entspricht dem Kehrwert der Mengennotierung.

Erhöht sich der nominelle Wechselkurs in der Preisnotierung, bedeutet das eine Abwertung der inländischen bzw. eine Aufwertung der ausländischen Währung. Bei der Mengenno-tierung verhält es sich genau anders herum.

Die Preisnotierung war vor Einführung des Euros in Deutschland vorherrschend. Seitdem wird der Wechselkurs des Euros zu anderen Währungen in der Mengennotierung angegeben. In dieser Arbeit meint der nominelle Wechselkurs generell die Preisnotierung.[6]

Um nicht nur die Tauschrelationen zweier Währungen untereinander zu bestimmen, sondern auch Vergleiche (zum Beispiel zur Wettbewerbsfähigkeit) zwischen verschiedenen Ländern ziehen zu können, bietet sich der reale Wechselkurs e an. Dieser ist gleich dem nominellen Wechselkurs gewichtet mit dem Preisverhältnis zwischen Aus- und Inland:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wobei Pi das inländische und Pa das ausländische Preisniveau bezeichnet.[7]

Neben den oben beschriebenen bilateralen Wechselkursen wird noch ein multinationaler oder effektiver Wechselkurs (sowohl nominell als auch real) unterschieden.[8] Darauf soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden, da für die weiteren Betrachtung die bilateralen Devisenkur-se ausreichend sind.

Anschließend an diese Wechselkursdefinitionen stellt sich nun die Frage, wie der Wechselkurs ermittelt wird. Dafür existieren drei verschiedene Arten von Wechselkurssyste-men.

Bei Systemen mit flexiblem Wechselkurs wird der (nominelle) Wechselkurs allein durch Devisenangebot und –nachfrage auf dem sogenannten Devisenmarkt bestimmt. Sind diese gegeben, stellt sich ein bestimmter Gleichgewichtswechselkurs ein. Erhöht sich die Nachfrage nach ausländischer Währung oder sinkt ihr Angebot, steigt der Wechselkurs. Für eine Einheit ausländischer Währung müssen also mehr Einheiten inländischer Währung hingegeben werden. Das bedeutet, die inländische Währung wird abgewertet. Umgekehrt wird die inländische Währung aufgewertet, wenn die Nachfrage sinkt oder das Angebot der anderen Währung steigt. Die Währungsbehörden greifen dabei nicht in den Devisenmarkt ein.[9]

Dahingegen treten die Währungsbehörden bei Systemen mit festen Wechselkursen auf dem Markt auf. Bei diesen Systemen werden die Wechselkurse aufgrund internationaler Verträge oder einseitiger Festlegung eines Landes auf einen bestimmten Wert festgelegt. Die Wechselkurse sind an eine andere Währung als Leitwährung oder an einen Währungskorb gebunden. Weichen Devisenangebot und –nachfrage voneinander ab, treten die Währungsbe-hörden als Anbieter oder Nachfrager auf den Markt bis sich der fixierte Wechselkurs wieder einstellt.[10]

Bei Mischsystemen gibt es mehrere Möglichkeiten, in denen Elemente flexibler und fester Wechselkurse verbunden sind. So zum Beispiel kann der Wechselkurs in der Bandbreiten-fixierung innerhalb festgelegter Grenzen um einen Mittelwert schwanken. Erst wenn der Wechselkurs diese Bandbreiten überschreitet, greifen die Währungsbehörden ein.[11]

In Zeiten der Globalisierung und zunehmendem Kapitalverkehr sowohl innerhalb der Industrieländergruppe als auch zwischen Industrie- und Schwellenländern herrscht der Trend zu flexiblen Wechselkurssystemen vor, wie Tabelle 1 zeigt.[12]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Häufigkeit verschiedener Wechselkurssysteme in Schwellenländer

Quelle: Monatsbericht Deutsche Bundesbank, Juni 2002, S. 70.

2.2 Definition des Begriffes „Kaufkraftparität“

Bei Systemen mit flexiblen Wechselkursen bestimmt sich der Kurs ausschließlich durch die Determinanten, die in Abschnitt 1 genannt wurden. Die Determinante, die in dieser Arbeit beleuchtet werden soll, ist die Kaufkraftparität. Kaufkraftparitäten dienen zum Vergleich von in verschiedenen Währungen ausgedrückten Werten. Sie ersetzen dabei die Wechselkurse, die das unterschiedliche Preisniveau zweier oder mehrerer Länder nur zum Teil zum Ausdruck bringen. Die Kaufkraftparität ist das Verhältnis der Kaufkraft (= 1/Preisniveau) zweier verschiedener Währungseinheiten, bezogen auf gleiche Mengen bestimmter Güter. Das heißt, ein gegebener Warenkorb kostet in Land A x Einheiten der Währung a und im Land B y Einheiten der Währung b. Die jeweiligen Preise für den Warenkorb in den Ländern können als Preisniveaus bezeichnet werden, wenn der Warenkorb repräsentativ ist. Daraus ergibt sich für die Kaufkraftparität KKP:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

oder

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

mit Pi gleich dem inländischen und Pa gleich dem ausländischen Preisniveau.[13]

Die Kaufkraftparitätentheorie sagt in ihrem Kern aus, dass die Preislevels zweier Länder, in dieselbe Währung konvertiert, sich entsprechen. Konvertiert man die Preislevels mit Hilfe des Wechselkurses, müsste dieser nach (2.5b) der Kaufkraftparität entsprechen.

3. Kaufkraftparitätentheorie

3.1 Historische Entwicklung der Kaufkraftparitätentheorie

Die moderne Form der Kaufkraftparitätentheorie wird dem schwedischen Nationalökonom Gustav Cassel (1866-1945) zugeschrieben. Vorher wurde die Kaufkraftparitätentheorie wohl zuerst von Gelehrten der „Salamanca-Schule“ in Spanien im 16. Jahrhundert artikuliert. Einige Autoren schreiben sie Gérard de Malynes im 17. Jahrhundert zu oder sehen die Ursprünge in den Schriften von Whealty und Ricardo im frühen 19. Jahrhundert. Vor Cassel wurde die Kaufkraftparitätentheorie auch schon von klassischen Ökonomen wie John Stuart Mill, Viscount Goschen, Alfred Marshall und Ludwig von Mises diskutiert. Aber Cassel war der erste, der die Kaufkraftparitätentheorie als praktische, empirische Theorie behandelte.[14]

Die moderne Form der Kaufkraftparitätentheorie hat ihre Ursprünge in den Debatten darum, wie man die Weltfinanzsysteme nach ihrem Zusammenbruch im Ersten Weltkrieg wieder herstellt. Vor dem Krieg banden die meisten Länder ihre Währungen an den Goldstandard. Es wurde ein festes Verhältnis jeder Währung zum Gold gebildet. So reflektierte ein Wechselkurs zwischen zwei Währungen einfach ihren relativen Wert in Gold. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde es unmöglich, am Goldstandard festzuhalten. Viele befürchteten, dass die Länder ihre Währungen einfach abwerten würden, um dadurch ihre Exporte zu steigern. Wie sollten also die Wechselkurse festgelegt werden? Es genügte nicht, die Kurse von vor dem Krieg zu benutzen, da die kriegsbeteiligten Länder verschiedene Inflationen durchlaufen haben. In einer Reihe von Schriften schlug Gustav Cassel 1921 und 1922 vor, die Kaufkraftparität als Grundlage für die Goldstandards zu verwenden. Er wollte kumulative Inflationsraten des Consumer Price Index ab Anfang 1914 berechnen, um daraus die Wechselkursveränderungen für die Kaufkraftparität abzuleiten. 1925 Spielte Cassels Kaufkraftparitätentheorie ein große Rolle, als Großbritannien sich entschied, ihre Münzparität mit dem Dollar von vor dem Krieg wieder herzustellen. Heute werden verschiedene Varianten der Kaufkraftparität benutzt, so zum Beispiel zur Wahl des ersten Wechselkurses eines neuen unabhängigen Landes, um mittel- oder langfristige Wechselkurse vorherzusagen oder um internationale Vergleiche durchzuführen.[15]

[...]


[1] Vgl. Größl-Gschwendtner, Ingrid (1991), S. 119.

[2] Vgl. Rogoff, Kenneth (1996), S. 647.

[3] Internetquelle 1.

[4] Der Begriff „Wechselkurs“ entspricht dem des Devisenkurses i.w.S.. Der Devisenkurs i.e.S. bezeichnet nur den Wechselkurs für Buchgeld.

[5] Vgl. Woll, Artur (2000), S. 600.

[6] Vgl. Woll, Artur (2000), S. 600 und Heubes, Jürgen (2001), S. 5.

[7] Vgl. Heubes, Jürgen (2001), S. 7.

[8] Vgl. Ebenda, S. 7.

[9] Vgl. Heubes, Jürgen (2001), S. 8f.

[10] Vgl. Ebenda, S. 9f.

[11] Vgl. Ebenda, S. 11.

[12] o.V. (2002), S. 59.

[13] Vgl. Brümmerhoff, Dieter / Lützel, Heinrich (1997), S. 216f.

[14] Vgl. Gugler, Klaus (1995), S. 279 und Rogoff, Kenneth (1996), S. 647f.

[15] Vgl. Rogoff, Kenneth (1996), S. 648f.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Kaufkraftparitätentheorie. Grundlagen, Kritik und Bewertung der Aussagekraft
Hochschule
Berufsakademie Berlin
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
26
Katalognummer
V66461
ISBN (eBook)
9783638590501
ISBN (Buch)
9783638671439
Dateigröße
543 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kaufkraftparitätentheorie, Begriff, Bestimmung, Aussagekraft, Big mac index
Arbeit zitieren
Stefan Schrader (Autor:in), 2003, Kaufkraftparitätentheorie. Grundlagen, Kritik und Bewertung der Aussagekraft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66461

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