„Heimat hat unbedingt mit Sprache zu tun. Und mit Dialekt. Hochdeutsch ist zwar praktisch, hat aber keinen Gefühlswert. Wir machen uns gern lustig über Mundart, unterschätzen aber immer den Herzenswert des Dialekts.“ (Mario Adorf )
Dieses Zitat aus der Zeitschrift „Stern“ (Nr.51, 2004) erschien als eine der Antworten auf die Frage „Was ist Heimat?“ Für den Schauspieler Maria Adorf symbolisiert der Dialekt ‚Heimat’ und ‚Gefühlswert’. Interessant wird dieser Bezug von - Heimat und Dialekt - vor allem dann, wenn er als Zweit- oder Drittsprache erworben wird, wie das bei der größten Einwanderungsgruppe Deutschlands, den Türken der Fall ist. Mit Blick auf das Bundesland Baden-Württemberg steht der schwäbische Dialekt als Synonym für Alltagssprache. Ob breit oder nur in einzelnen Wendungen, das Schwäbische ist vielerorts hörbar und deshalb wichtig um sich mit der einheimischen Bevölkerungsgruppe zu verständigen. Dabei handelt es sich für Menschen mit Migrationshintergrund um mehr als bloße Verständigung, vielmehr soll die Sprache der Mehrheitsgesellschaft zur Integration führen, die ihnen das Gefühl und die reelle Tatsache bietet ein gleichwertiges Mitglied der hiesigen Gesellschaft zu sein. Mein wissenschaftliches Interesse am Thema - Dialekt und Integrationentwickelte sich durch die Mitarbeit an einem einjährigen Studienprojekt (2002-2003) mit dem Titel „Renaissance des Dialekts?“ am Ludwig-Uhland Institut in Tübingen. In diesem Projekt konnten wir, fünfzehn Studierende unter der Leitung von Eckhart Frahm, feststellen, dass so genannte ‚Ausländer’, selbst wenn sie nur für eine begrenzte Zeit in Baden-Württemberg bleiben, ihren deutschen Sprachkenntnissen schwäbische Elemente hinzufügen. Die InterviewpartnerInnen begründeten das Verwenden des Schwäbischen mit der Vermeidung von Kommunikationsschwierigkeiten und einer positiven Resonanz von Seiten der Schwaben, die darin ihre Integrationsbereitschaft sehen würden. Das Schwäbische hat demnach in alltäglichen Gesprächen nicht nur kommunikative Vorteile, sondern wird im Sinne eines ‚kulturellen Codes’ wahrgenommen. Dieser symbolisiert Zugehörigkeit und verschafft so einen sozialen Zugang zur einheimischen Bevölkerung.
Inhaltsverzeichnis
- 0. Einleitung
- I. Theoretischer Überblick
- 1. Integration - Sprache - Dialekt
- 1.1 Strukturelle und individuelle Integration
- 1.2 Grundlegende Funktionen und Bedeutungen der Sprache
- 1.2.1 Sprache symbolisiert die 'Welt'
- 1.2.2 Identität und Sprache
- 1.2.3 Soziale Kategorisierung durch Sprache
- 1.3 Zusammenhang von Sprecher - Interaktion - Gesellschaft
- 1.3.1 Spracheinstellungen
- 2. Bedeutungen und Funktionen des Dialekts
- 3. Forscherfragen
- 1. Integration - Sprache - Dialekt
- II. Methoden und Auswertung
- 1. Methodendiskussion
- 1.1 Auswahl des Feldes
- 1.2 Feldzugang
- 1.3 Methoden
- 1.3.1 Teilnehmende Beobachtung
- 1.3.2 Leitfadeninterviews
- 1.3.3 Interviewsituation
- 1.3.4 Matched-guise Technik
- 1.3.5 Semantisches Differential
- 1.4 Probleme und Kritik an den Methoden
- 2. Vorgehen in der Datenauswertung und Interpretation
- 1. Methodendiskussion
- III. Das individuelle Varietäten- und Sprachenspektrum
- 1. Ziel und Vorgehen
- 1.1 Modell der Varietätendimensionen
- 1.2 Kurzbiografien
- 1.2.1 Gemeinsamkeiten der Kurzbiografien
- 1.3 Das Varietätenspektrum
- 1.4 Definition des Schwäbischen
- 2. Sprachanalyse
- 2.1 Fallbeispiel Tan, Sibel und Sara
- 2.1.1 Varietäten in der Abfragesituation
- 2.1.2 Varietäten in der Interviewsituation
- 2.1.3 Varietäten in der Gesprächssituation
- 2.2 Das individuelle Varietätenspektrum
- 2.3 Sprachtypen
- 2.3.1 'Spontan-authentische Schwäbisch-SprecherInnen'
- 2.3.2 'Hin und her wechselnde – regionale Schwäbisch-SprecherInnen'
- 2.3.3 'Zitierend-ironischer Schwäbisch-Sprecher'
- 2.3.4 'Ab und zu – pure' Schwäbisch-SprecherInnen'
- 2.3.5 'Nicht wollen – nicht können Schwäbisch-SprecherInnen'
- 3. Fazit
- IV. Soziokulturelle Bedeutungen des Schwäbischen
- 1. Semantisches Differential
- 1.1 Bedeutungen und Qualitäten des Schwäbischen
- 1.1.1 Fazit
- 2. Integrationsqualitäten des Schwäbischen / Integrationskontext
- 2.1 Ergebnis des Semantischen Differentials
- 2.2 Freundschaften in der Kindheit und Jugend
- 2.3 Wohnsituation und 'Heimat'
- 2.4 Religion und Partnerwahl
- 2.5 Fazit
- 3. Nutzen des Schwäbischen im Integrationsprozess
- 3.1 Fazit
- V. Funktionen des Schwäbischen in der Sprachpraxis
- 1. Bedeutung des Codewechsels
- 1.1 Funktion des Schwäbischen am Telefon
- 1.2 Funktion des Schwäbischen im Zitat
- 1.3 Fazit
- VI. Kategorisierungsprozess durch das Schwäbische
- 1.1 Schwäbisch als 'soziokulturelles' Signal
- 1.2 Aufnahmen
- 1.3 Zugang zum Feld
- 1.4 Auswertungsverfahren
- 1.5 Einschätzung der Sprachkenntnisse
- 1.5.1 Ergebnisse des Fragebogens
- 1.5.2 Ergebnisse des Semantischen Differentials
- VII. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Magisterarbeit untersucht die Bedeutungen und Funktionen des Schwäbischen im Integrationsprozess von Migrantinnen und Migranten türkischer Herkunft. Die Arbeit zielt darauf ab, die Rolle des Dialekts als Kommunikationsmittel und Integrationsfaktor zu analysieren und aufzuzeigen, wie er die soziale und kulturelle Einbindung beeinflusst.
- Der Einfluss des Schwäbischen auf die Integration türkischer Migranten
- Die kommunikativen Funktionen des Schwäbischen im Alltag
- Die soziokulturellen Bedeutungen des Schwäbischen
- Die Wahrnehmung des Schwäbischen durch die Migranten und die Mehrheitsgesellschaft
- Die Rolle des Code-Switching im Integrationsprozess
Zusammenfassung der Kapitel
0. Einleitung: Die Einleitung stellt die Forschungsfrage nach den Möglichkeiten sozialer und kultureller Einbindung durch Kenntnisse des Schwäbischen und dessen Beitrag zur emotionalen Integration und dem Abbau von Vorurteilen vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Diskussionen um Sprache und Integration in Deutschland.
I. Theoretischer Überblick: Dieses Kapitel bietet einen theoretischen Rahmen, indem es die Konzepte von Integration, Sprache und Dialekt beleuchtet. Es diskutiert verschiedene Theorien der Sprachfunktion, den Zusammenhang von Sprache, Identität und sozialer Kategorisierung sowie die Rolle von Spracheinstellungen in der Interaktion.
II. Methoden und Auswertung: Dieses Kapitel beschreibt die Methodik der Studie, die auf teilnehmender Beobachtung, Leitfadeninterviews, der Matched-guise Technik und dem semantischen Differential basiert. Es diskutiert den Auswahlprozess der Teilnehmer, den Zugang zum Feld und die Herausforderungen bei der Datenauswertung und Interpretation.
III. Das individuelle Varietäten- und Sprachenspektrum: Dieser Teil analysiert das individuelle Sprachrepertoire der befragten Personen. Es werden verschiedene Sprachtypen unterschieden und anhand von Fallbeispielen exemplarisch dargestellt, wie die Befragten Schwäbisch in verschiedenen Kommunikationssituationen verwenden und wie ihre individuellen Sprachprofile aussehen. Die Kapitel beschreibt die unterschiedlichen Grade an Schwäbisch-Verwendung.
IV. Soziokulturelle Bedeutungen des Schwäbischen: Hier werden die Ergebnisse des semantischen Differentials ausgewertet, um die Bedeutungen und Qualitäten des Schwäbischen zu ermitteln. Der Zusammenhang zwischen Schwäbischkenntnissen, Integration, Freundschaften, Wohnsituation, Religion und Partnerwahl wird untersucht und diskutiert.
V. Funktionen des Schwäbischen in der Sprachpraxis: Dieses Kapitel konzentriert sich auf die Funktionen des Code-Switching, insbesondere am Telefon und im Zitat. Es analysiert, wie und warum die Probanden den Code zwischen Hochdeutsch und Schwäbisch wechseln und welche kommunikativen Zwecke damit verfolgt werden.
VI. Kategorisierungsprozess durch das Schwäbische: Der Fokus liegt hier auf der Frage, wie das Schwäbisch als soziokulturelles Signal wahrgenommen wird und inwieweit es zu Kategorisierungsprozessen beiträgt. Die Kapitel analysiert die Ergebnisse von Fragebögen und semantischen Differentialen in diesem Kontext.
Schlüsselwörter
Integration, Sprache, Dialekt, Schwäbisch, Migranten, türkische Migranten, Code-Switching, Kommunikation, soziale Einbindung, kulturelle Einbindung, Identität, Spracheinstellungen, Semantisches Differential, empirische Untersuchung, Baden-Württemberg.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Magisterarbeit: "Bedeutungen und Funktionen des Schwäbischen im Integrationsprozess von Migrantinnen und Migranten türkischer Herkunft"
Was ist das Thema der Magisterarbeit?
Die Magisterarbeit untersucht die Bedeutung und Funktion des Schwäbischen im Integrationsprozess von Migranten mit türkischem Hintergrund. Sie analysiert die Rolle des Dialekts als Kommunikationsmittel und Integrationsfaktor und beleuchtet dessen Einfluss auf die soziale und kulturelle Einbindung.
Welche Forschungsfragen werden behandelt?
Die Arbeit untersucht den Einfluss des Schwäbischen auf die Integration türkischer Migranten, die kommunikativen Funktionen des Schwäbischen im Alltag, die soziokulturellen Bedeutungen des Schwäbischen, die Wahrnehmung des Schwäbischen durch Migranten und die Mehrheitsgesellschaft sowie die Rolle des Code-Switching im Integrationsprozess.
Welche Methoden wurden angewendet?
Die Studie verwendet eine Mixed-Methods-Ansatz. Methoden umfassen teilnehmende Beobachtung, Leitfadeninterviews, die Matched-guise Technik und das semantische Differential. Die Datenauswertung und Interpretation werden detailliert beschrieben.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in sieben Kapitel: Einleitung, Theoretischer Überblick, Methoden und Auswertung, Das individuelle Varietäten- und Sprachenspektrum, Soziokulturelle Bedeutungen des Schwäbischen, Funktionen des Schwäbischen in der Sprachpraxis und Kategorisierungsprozess durch das Schwäbische, sowie ein abschließendes Fazit. Jedes Kapitel behandelt einen spezifischen Aspekt der Forschungsfrage.
Was wird im Kapitel "Theoretischer Überblick" behandelt?
Dieses Kapitel liefert den theoretischen Rahmen, indem es Konzepte von Integration, Sprache und Dialekt beleuchtet, Theorien der Sprachfunktion diskutiert und den Zusammenhang von Sprache, Identität und sozialer Kategorisierung sowie die Rolle von Spracheinstellungen in der Interaktion darstellt.
Was wird im Kapitel "Das individuelle Varietäten- und Sprachenspektrum" analysiert?
Hier wird das individuelle Sprachrepertoire der befragten Personen analysiert. Verschiedene Sprachtypen werden unterschieden und anhand von Fallbeispielen exemplarisch dargestellt, wie die Befragten Schwäbisch in verschiedenen Kommunikationssituationen verwenden und wie ihre individuellen Sprachprofile aussehen. Die unterschiedlichen Grade an Schwäbisch-Verwendung werden beschrieben.
Wie werden die soziokulturellen Bedeutungen des Schwäbischen untersucht?
Die soziokulturellen Bedeutungen werden anhand der Auswertung des semantischen Differentials ermittelt. Der Zusammenhang zwischen Schwäbischkenntnissen, Integration, Freundschaften, Wohnsituation, Religion und Partnerwahl wird untersucht und diskutiert.
Welche Rolle spielt Code-Switching in der Arbeit?
Die Arbeit analysiert die Funktionen des Code-Switching, insbesondere am Telefon und im Zitat. Es wird untersucht, wie und warum die Probanden zwischen Hochdeutsch und Schwäbisch wechseln und welche kommunikativen Zwecke damit verfolgt werden.
Wie wird der Kategorisierungsprozess durch das Schwäbische untersucht?
Dieses Kapitel untersucht, wie das Schwäbische als soziokulturelles Signal wahrgenommen wird und inwieweit es zu Kategorisierungsprozessen beiträgt. Die Ergebnisse von Fragebögen und semantischen Differentialen werden in diesem Kontext analysiert.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Integration, Sprache, Dialekt, Schwäbisch, Migranten, türkische Migranten, Code-Switching, Kommunikation, soziale Einbindung, kulturelle Einbindung, Identität, Spracheinstellungen, Semantisches Differential, empirische Untersuchung, Baden-Württemberg.
- Citation du texte
- Esther Köber (Auteur), 2006, I ben en türkischer Schwoab - Eine empirische Untersuchung zu den Bedeutungen und Funktionen des Schwäbischen im Integrationsprozess von MigrantInnen türkischer Herkunft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66474