Deutschland im Frühsommer 1884: Reichskanzler Otto von Bismarck gibt den entscheidenden Startschuss für die staatliche Übersee-Expansion des Deutschen Reiches. Die Frage drängt sich auf, was den den überzeugten Freihändler zu diesem folgenschweren Schritt bewogen hat. Bismarck hatte das Reich nach dessen Gründung ferner doch für „saturiert“ erklärt und bis 1884 stets bekräftigt, wie wenig er von Kolonien generell hielt. Warum setzte er diese Grundüberzeugung - zumindest vorübergehend – dann doch außer Kraft? Ist seine beinahe schon pathologische Kolonialphobie gar einer neuen Kolonialphilie gewichen? Oder war die Kolonialpolitik für Otto von Bismarck - wie etwa seine viel gerühmte Sozialpolitik - einmal mehr nur ein Mittel zum Zweck der Festigung seiner Position und letztlich eine Machtfrage?
Diese Fragen zu klären ist Ziel der vorliegenden Arbeit, die sich in folgende Hauptabschnitte untergliedern lässt:
Zunächst werden im ersten Kapitel die Begriffe Imperialismus und Kolonialismus theoretisch umrissen und voneinander abgegrenzt. Zusätzlich wird die semantische Entwicklung dieser Termini nachgezeichnet, der Versuch einer Periodisierung der imperialen beziehungsweise der kolonialen Epoche unternommen und im Falle des Kolonialismus diesem zugeordnete Subphänomene wie Kolonisation, Kolonien und schließlich Kolonialpolitik definitorisch eingegrenzt. Der zweite Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der ablehnenden Haltung Otto von Bismarcks gegenüber dem Erwerb direkter und formeller Kolonien, während sich das dritte und umfangreichste Kapitel mit den Motiven für den Übergang zur staatlichen Kolonialpolitik befasst. Ziel dabei ist es, die bisherigen historiographischen Erklärungsmodelle für Bismarcks Eintritt in eine offizielle Expansionspolitik darzustellen und sie einer umfassenden konstruktiven und kritischen Analyse zu unterziehen. In einem zusammenfassenden Resümee wird schließlich der Versuch unternommen, Bismarcks Kolonialpolitik mit dessen Herrschaftstechnik und den Grundprinzipien seiner Staatspolitik in Einklang zu bringen.
Inhaltsverzeichnis
- I. Eingrenzung fachwissenschaftlicher Begrifflichkeiten
- 1. Imperialismus – Semantische Entwicklung, Periodisierung und Definitionen
- 2. Kolonialismus – Kolonie, Kolonisation und Kolonialpolitik
- II. Bismarcks Kolonialskepsis - Motive, Hintergründe und Stellungnahmen
- 1. Haushaltspolitik und die Ausweitung des parlamentarischen Exerzierfeldes
- 2. Mangelnde Infrastruktur und schwache Flotte
- 3. Die ökonomische Unrentabilität überseeischer Kolonien
- 4. Die Bevorzugung eines informellen Freihandelsexpansionismus
- 5. Europäischer Status Quo und französischer Revanchismus
- III. Der koloniale Wendepunkt - Theorien und Erklärungsansätze für den Beginn staatlich-formeller Kolonialpolitik
- 1. Das Auswanderungsproblem und der Verlust nationaler Energie
- 2. Nationalprestige und Weltgeltungssucht
- 3. Ökonomische Motive und die Wirtschaft als treibende Kraft
- 4. Sozialimperialismus als allumfassende Krisentherapie
- 5. Der Druck der öffentlichen Meinung und die Reichstagswahlen
- 6. Die Kronprinzenthese und die Angst vor einem deutschen Kabinett Gladstone
- 7. Außenpolitische Konstellationen und die Berliner Westafrika-Konferenz
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die deutsche Kolonialpolitik unter Bismarck, insbesondere den Übergang von einer skeptischen Haltung gegenüber formellen Kolonien hin zum Erwerb überseeischer Gebiete. Sie analysiert die Motive und Hintergründe dieser Wende und beleuchtet verschiedene Theorien und Erklärungsansätze.
- Bismarcks anfängliche Kolonialskepsis und deren Beweggründe
- Die verschiedenen Faktoren, die zum kolonialen Wendepunkt führten
- Die Rolle ökonomischer, politischer und gesellschaftlicher Kräfte
- Der Einfluss des öffentlichen Drucks und der nationalen Politik
- Die Bedeutung internationaler Beziehungen und des Wettbewerbs unter europäischen Mächten
Zusammenfassung der Kapitel
I. Eingrenzung fachwissenschaftlicher Begrifflichkeiten: Dieses Kapitel klärt die zentralen Begriffe Imperialismus und Kolonialismus. Es differenziert zwischen verschiedenen Definitionen und Periodisierungen des Imperialismus und beleuchtet verschiedene Aspekte des Kolonialismus, wie die Bedeutung von Kolonien, Kolonisation und Kolonialpolitik. Die Kapitel analysiert die semantische Entwicklung beider Begriffe und ihre Bedeutung im Kontext der deutschen Geschichte.
II. Bismarcks Kolonialskepsis - Motive, Hintergründe und Stellungnahmen: Dieses Kapitel untersucht Bismarcks anfängliche Ablehnung einer aktiven deutschen Kolonialpolitik. Es analysiert verschiedene Gründe für seine Skepsis, darunter die Haushaltslage, die unzureichende Infrastruktur und Flotte Deutschlands, die wahrgenommene ökonomische Unrentabilität von Kolonien, sowie seine Präferenz für einen informellen Freihandelsexpansionismus. Der Einfluss des europäischen Status Quo und des französischen Revanchismus wird ebenfalls beleuchtet. Die Kapitel liefert detaillierte Einblicke in Bismarcks politische Strategien und seine Vorbehalte gegenüber dem Aufbau eines kolonialen Imperiums.
III. Der koloniale Wendepunkt - Theorien und Erklärungsansätze für den Beginn staatlich-formeller Kolonialpolitik: Dieses Kapitel analysiert den Wandel in Bismarcks Politik und den Beginn der formellen deutschen Kolonialpolitik. Es untersucht verschiedene Theorien, die diesen Wandel erklären, wie das Auswanderungsproblem und den damit verbundenen Verlust nationaler Energie, den Wunsch nach gesteigertem Nationalprestige und Weltgeltung, ökonomische Motive und den Einfluss der Wirtschaft, sowie die Rolle des Sozialimperialismus als Krisentherapie. Weiterhin werden der Druck der öffentlichen Meinung, die Bedeutung von Reichstagswahlen, die Kronprinzenthese und die Angst vor einem ähnlichen Vorgehen wie dem britischen Kabinett Gladstone, sowie außenpolitische Konstellationen und die Berliner Westafrika-Konferenz als wichtige Einflussfaktoren diskutiert. Das Kapitel bietet eine vielschichtige Analyse der komplexen Ursachen des deutschen Kolonialengagements.
Schlüsselwörter
Deutsche Kolonialpolitik, Bismarck, Imperialismus, Kolonialismus, Kolonialismuskritik, Nationalismus, Wirtschaftspolitik, Außenpolitik, Nationalprestige, Sozialimperialismus, Berliner Westafrika-Konferenz.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur deutschen Kolonialpolitik unter Bismarck
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die deutsche Kolonialpolitik unter Bismarck, insbesondere den Wandel von Bismarcks anfänglicher Kolonialskepsis hin zum Erwerb überseeischer Gebiete. Sie analysiert die Motive und Hintergründe dieser Wende und beleuchtet verschiedene Theorien und Erklärungsansätze.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt Bismarcks anfängliche Kolonialskepsis und deren Beweggründe, die Faktoren, die zum kolonialen Wendepunkt führten, die Rolle ökonomischer, politischer und gesellschaftlicher Kräfte, den Einfluss des öffentlichen Drucks und der nationalen Politik sowie die Bedeutung internationaler Beziehungen und des Wettbewerbs unter europäischen Mächten. Es werden die Begriffe Imperialismus und Kolonialismus definiert und differenziert.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit besteht aus drei Kapiteln. Kapitel I befasst sich mit der Eingrenzung fachwissenschaftlicher Begrifflichkeiten (Imperialismus und Kolonialismus). Kapitel II untersucht Bismarcks Kolonialskepsis und deren Motive (Haushaltspolitik, Infrastruktur, ökonomische Unrentabilität, informeller Freihandelsexpansionismus, europäischer Status Quo und französischer Revanchismus). Kapitel III analysiert den kolonialen Wendepunkt und die verschiedenen Theorien und Erklärungsansätze (Auswanderungsproblem, Nationalprestige, ökonomische Motive, Sozialimperialismus, öffentlicher Druck, Reichstagswahlen, Kronprinzenthese, Berliner Westafrika-Konferenz).
Welche Schlüsselbegriffe sind relevant?
Wichtige Schlüsselbegriffe sind: Deutsche Kolonialpolitik, Bismarck, Imperialismus, Kolonialismus, Kolonialismuskritik, Nationalismus, Wirtschaftspolitik, Außenpolitik, Nationalprestige, Sozialimperialismus, Berliner Westafrika-Konferenz.
Was sind die zentralen Ergebnisse der Arbeit?
Die Arbeit liefert eine umfassende Analyse der komplexen Ursachen für den Beginn der formellen deutschen Kolonialpolitik unter Bismarck. Sie beleuchtet die verschiedenen Faktoren – ökonomisch, politisch, gesellschaftlich und international – die zu diesem Wandel führten, und diskutiert verschiedene Theorien, die diesen erklären.
Für wen ist diese Arbeit relevant?
Diese Arbeit ist relevant für Wissenschaftler, Studenten und alle, die sich für die deutsche Geschichte, Kolonialgeschichte, Wirtschafts- und Außenpolitik des 19. Jahrhunderts interessieren.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit beginnt mit einem Inhaltsverzeichnis, einer Zielsetzung und Themenschwerpunkten, gefolgt von Kapitelzusammenfassungen und einer Liste der Schlüsselwörter. Die einzelnen Kapitel behandeln die oben genannten Themen systematisch und detailliert.
- Arbeit zitieren
- Werner Martin (Autor:in), 2006, Deutsche Kolonialpolitik unter Bismarck. Das Für und Wider eines staatlich-formellen Kolonialismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66571