Grundbegriffe der Textlinguistik. Die sieben Kriterien der Textualität


Trabajo Escrito, 2004

22 Páginas, Calificación: 1,7


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Kriterien der Textualität
2.1 Kohäsion
2.2 Kohärenz
2.3 Textinterne und textexterne Kriterien
2.4 Intentionalität
2.5 Akzeptabilität
2.6 Informativität
2.7 Situationalität
2.8 Intertextualität
2.8.1 Exkurs: Intertextualität in Textlinguistik und Literaturwissenschaft
2.9 Effizienz, Effektivität, Angemessenheit

3. Kritik
Verzeichnis der verwendeten Literatur

1. Einleitung

„Welche allgemeinen Bedingungen muß ein sprachliches Gebilde erfüllen, um überhaupt als Text zu gelten? So läßt sich die Kernfrage formulieren, die sich die Textlinguistik seit ihrem Entstehen Mitte der 60er Jahre immer wieder gestellt hat. Es geht dabei um die Bedingungen, die in der Forschung unter dem Begriff der ‚Textualität’ (Texthaftigkeit) zusammengefaßt werden. Sprachliche Gebilde müssen also bestimmte Textualitätsmerkmale aufweisen, damit wir sie als Texte einstufen.“[1] Für die Frage „Was macht einen Text zum Text?“ haben die Autoren Robert-Alain de Beaugrande und Wolfgang Ulrich Dressler in ihrem Buch „Einführung in die Textlinguistik“ eine mögliche aber auch diskussionswürdige Lösung gefunden. Das von ihnen entwickelte Konzept sieht vor, dass sprachliche Gebilde sieben Kriterien der Textualität erfüllen müssen um als Text zu gelten. Diese Merkmale sollen hier dargestellt und das Modell kritisch hinterfragt werden.

2. Kriterien der Textualität

Der Begriff ‚Textualität’ umfasst ganz allgemein alle Merkmale, die das Wesen eines Textes ausmachen, die den Text zum Text machen. Die Bezeichnungen ‚Textur’ oder auch ‚Textlichkeit’ sind synonym zu gebrauchen, während der Begriff ‚Vertextung’ vom Terminus ‚Textualität’ abgrenzt werden muss. Er steht für den Prozess des Textaufbaus. Textualität aber bezieht sich auf den Text als ein Produkt.[2] Der Terminus bezeichnet die Art und Weise, wie Sätze zu einem Text verknüpft werden.

Eine der schwierigsten Aufgaben der Textlinguistik war und ist noch immer die Begriffsbestimmung ihres zentralen Forschungsgegenstandes, des Textes. Die Frage, was einen Text zum Text macht, ist in der Entwicklung der Textlinguistik unterschiedlich beantwortet worden, jeweils abhängig von der gerade vorherrschenden Forschungsrichtung. Zu Beginn ihrer Entwicklung war die Textlinguistik eher sprachsystematisch ausgerichtet. Hauptsächlicher Untersuchungsgegenstand war das Sprachsystem im Sinne eines Regelsystems einer Sprache, das es analytisch aufzudecken galt. Ausgangspunkt der Analyse war stets der ‚Satz’ als die wichtigste linguistische Einheit. Die Forschung beschränkte sich auf die strukturelle Untersuchung der Einheit Satz und dessen Segmentierung in jeweils kleinere Einheiten wie Morpheme oder Phoneme. Daraus folgend nannte man als Merkmale, die einen Text zum Text machen, vorwiegend grammatische Eigenschaften. Text wurde gesehen als eine Folge von Sätzen, die durch grammatische Funktionen miteinander verknüpft sind.

Im Anschluss an diese Phase kam es zu einer grundlegenden Veränderung der Perspektive in der Textlinguistik, aber auch der Linguistik im Allgemeinen. Die sich Anfang der 1970er Jahre vollziehende so genannte ‚pragmatische Wende’ in der Linguistik führte zur Ansicht, Text „nicht mehr als grammatisch verknüpfte Satzfolge, sondern als komplexe sprachliche Handlung“[3] anzusehen. Als linguistische Teildisziplin versteht die Pragmatik Sprache als eine Form des sozialen Handelns, im Vordergrund steht die Untersuchung der Beziehungen zwischen der Sprache und den Sprachbenutzern. Angeregt durch die Pragmatik entwickelte sich auch in der Textlinguistik eine neue Forschungsrichtung: die kommunikationsorientierte Textlinguistik. Sie sieht Texte nicht mehr als isolierte, unveränderliche Gebilde, sondern erkennt, dass sie stets in aktuelle Kommunikationssituationen integriert sind und sowohl von diesen als auch von den Einstellungen und Erwartungen der Textproduzenten und -rezipienten beeinflusst werden. Zentrales Thema ist die ‚kommunikative Funktion’ von Texten: welchen Zweck haben Texte in bestimmten Kommunikationsprozessen.[4]

Dass auch das Modell von Beaugrande und Dressler dieser Forschungsrichtung zuzuordnen ist, zeigt ihre Definition von Text. Sie sehen Text „als eine KOMMUNIKATIVE OKKURENZ (…), die sieben Kriterien der TEXTUALITÄT erfüllt. Wenn irgendeines dieser Kriterien als nicht erfüllt betrachtet wird, so gilt der Text nicht als kommunikativ. Daher werden nicht-kommunikative Texte als Nicht-Texte behandelt“.[5] Genauer betrachtet handelt es sich hierbei aber weniger um eine Definition im eigentlichen Sinne. Das Modell von Beaugrande und Dressler stellt eine alternative Herangehensweise an das Problem der Herleitung des Textbegriffs dar. Es wird nicht versucht den ‚Text’ mit Hilfe einer weiteren einseitigen und starren Definition zu erfassen. Vielmehr werden Textualitätskriterien bestimmt, die den Text von verschiedenen Perspektiven aus betrachten und die der Abgrenzung von Texten und so genannten Nicht-Texten dienen sollten.

Auch andere Autoren haben sich Gedanken über einen solchen Kriterienkatalog gemacht, der Vorschlag von Beaugrande und Dressler ist dennoch der am häufigsten zitierte und weitgehend akzeptiert.[6] Sie nennen sieben Kriterien, mit deren Hilfe Texte auf ihre Textualität hin überprüft werden können: Kohäsion, Kohärenz, Intentionalität, Akzeptabilität, Informativität, Situationalität und Intertextualität. Im Folgenden gilt es nun diese Kriterien näher zu erläutern und zu klären, ob ein Text tatsächlich alle diese Kriterien erfüllen muss, um aus textlinguistischer Sicht als ‚Text’ zu gelten, ob demnach die so formulierte These von Beaugrande und Dressler aufrechterhalten werden kann.

2.1 Kohäsion

Das Kriterium der Kohäsion bezieht sich auf die Verknüpfung der Sätze und Satzteile eines Textes mit Hilfe von grammatischen Mitteln. „Es betrifft die Art, wie die Komponenten des OBERFLÄCHENTEXTES, d.h. die Worte, wie wir sie tatsächlich hören oder sehen, miteinander verbunden sind. Die Oberflächenkomponenten hängen durch grammatische Formen und Konventionen von einander ab, so daß also Kohäsion auf GRAMMATISCHEN ABHÄNGIGKEITEN beruht.“[7] Zu den Mitteln der Kohäsion zählen Beaugrande und Dressler alle grammatischen Funktionen, die Beziehungen zwischen Oberflächenelementen anzeigen. Kohäsion wird zumeist geschaffen, indem bestimmte Strukturen, Muster und Elemente der Syntax immer wieder aufgegriffen, verändert, ausgelassen, auf unterschiedliche Weise zusammengefasst oder bestimmte Beziehungen zwischen ihnen geschaffen werden.[8]

Kohäsionsstiftende Elemente sind Rekurrenz bzw. partielle Rekurrenz, Parallelismus, Paraphrase, Proformen, Ellipse, die funktionelle Satzperspektive sowie Tempus, Aspekt und Junktion. Diese Funktionen sollen hier nur kurz erläutert werden. Rekurrenz ist schlicht die einfache Wiederholung von sprachlichen Elementen, während die partielle Rekurrenz die Wiederholung von Worten oder Wortstämmen mit einer Änderung der Wortart bedeutet. Um einen Parallelismus handelt es sich, wenn eine syntaktische Struktur mit neuen sprachlichen Elementen wiederkehrt. Eine Paraphrase liegt dann vor, wenn der gleiche Inhalt eines Elementes mit anderen Ausdrücken wiederholt wird. Während Rekurrenz, Parallelismus und Paraphrase dazu dienen inhaltliche Zusammenhänge in Texten stärker zu betonen und Verständlichkeit durch Wiederholung zu schaffen, werden Proformen und Ellipsen dazu verwendet, Texte zu verkürzen und verdichten.

Proformen sind kurze und begrifflich leere Worte, die als Platzhalter für Bedeutung tragende Ausdrücke stellvertretend verwendet werden können. Dazu gehören vor allem die Pronomen, die Funktion und Inhalt von Substantiven und Nominalphrasen übernehmen. Werden Struktur und Inhalt wiederholt und gleichzeitig einige Elemente der Oberfläche weggelassen, spricht man von Ellipsen. Der Terminus ‚funktionelle Satzperspektive’ bringt zum Ausdruck, dass allein die Reihenfolge von Wörtern und Satzteilen mitentscheidet über deren Bedeutung und Wichtigkeit. Tempus, Aspekt und Junktion sind Mittel der Kohäsion, die Beziehungen zwischen einzelnen Ereignissen und Situationen im Text verdeutlichen sollen. Die grammatische Kategorie Tempus dient der Kennzeichnung zeitlicher Relationen zwischen einem berichteten Ereignis und dem Zeitpunkt der Aussage. Die Kategorie Aspekt hingegen bezieht sich auf die innere zeitliche Strukturierung des Ereignisses oder der Situation. Junktive - die Bezeichnung ‚Konjunktionen’ ist gebräuchlicher - sind Bindewörter, die ganze Sätze, Satzteile oder einzelne Wörter miteinander verbinden und so deren Additivität, Alternativität, Unvereinbarkeit oder Unterordnung signalisieren.[9]

Beaugrande und Dressler führen als Argument für die Wichtigkeit der Kohäsion an, dass man in den meisten Sprachen die Oberflächenfolgen nicht einfach verändert kann, ohne Verwirrung zu stiften.[10] Als Beispiel könnte man hier anführen, dass bei der Satzbildung im Deutschen die Reihenfolge Subjekt - Prädikat - Objekt einzuhalten ist. Sicherlich ist es richtig, dass ein Leser bzw. Hörer verwirrt ist über einen Satz, bei dem diese Regel nicht berücksichtigt wurde. Andererseits kann man nicht bestreiten, dass ein Rezipient durchaus in der Lage wäre auch Texte zu verstehen, deren Satzteile in der falschen Reihenfolge zusammengefügt wurden, zumindest bei kürzeren Texten.

2.2 Kohärenz

Der Begriff der Kohäsion bezog sich auf den Zusammenhang der Elemente an der Oberfläche des Textes, also auf den Teil, der tatsächlich sichtbar ist. Dieser ist allerdings nicht denkbar ohne die so genannte ‚Textwelt’, die der sprachlichen Realisierung als ein abstraktes und vom Textproduzenten geplantes Schema zu Grunde liegt. Von der Oberfläche eines Textes allein kann man nicht auf dessen wahren Sinn schließen Während die Oberflächenstruktur des Textes allein durch grammatische Operationen zustande kommt, ist die Textwelt bzw. die ‚Tiefenstruktur’ des Textes psychologisch-kognitiv motiviert.[11] Wie Beaugrande und Dressler herausstellen, „basiert die K o h ä s i o n des Oberflächentextes auf der Annahme von K o h ä r e n z der Textwelt“.[12]

„Kohärenz betrifft die Funktionen, durch die die Komponenten der TEXTWELT, d.h. die Konstellationen von KONZEPTEN (Begriffen) und Relationen (Beziehungen), welche dem Oberflächentext zugrundeliegen, für einander gegenseitig zugänglich und relevant sind.“[13] Mit Konzepten meinen sie Einheiten von Wissen, die durch Wahrnehmung und Erfahrung entstehen und immer wieder aktiviert, also ins Bewusstsein gerufen werden können. Relationen sind dann die Verbindungen zwischen den Konzepten, die in der Textwelt vorkommen. Diese Beziehungen können im Text durch explizite Ausdrücke signalisiert werden, müssen es aber nicht. Spätestens dann kommt die Interpretationsleistung des Textverwenders zum Tragen. Er muss dann so lange Relationen gedanklich hinzufügen, bis der Text für ihn einen ‚Sinn’ ergibt.

Bereits weiter oben wurde darauf hingewiesen, dass eine Oberflächenstruktur allein nicht sinnvoll sein kann. Damit kann Kohärenz nicht nur als statisches Merkmal von Texten angesehen werden, sondern ist gleichzeitig das Resultat einer kognitiven Leistung des Textverwenders. Diese Leistung besteht im Hinzufügen von Kohärenzrelationen bzw. eigenem Wissen und wird auch als ‚Inferenzziehung’ bezeichnet.[14] Eine solche Erkenntnis geht auch einher mit der Forderung der Pragmatik, Sprache und Text stärker in Bezug zu setzen mit den Sprachbenutzern. Man sieht hier auch, dass es nicht ausreichen kann, dass eine sprachliche Einheit lediglich bestimmte Eigenschaften erfüllen muss, um als ‚Text’ zu gelten. Diese Einheit wird vielmehr erst durch die Rezeption eines Lesers oder Hörers zu einem Text, zu etwas, das einen ‚Sinn’ ergibt. So gesehen ist ein Text erst ein Text, wenn er einen Sinn hat. Und selbst dieser ‚Sinn’ ist nichts Manifestes, denn zumindest theoretisch kann jeder Rezipient einem Text einen anderen Sinn geben.

Für Beaugrande und Dressler ergibt ein Text deshalb Sinn, weil es eine so genannte ‚Sinnkontinuität’ innerhalb des Wissens der Textverwender gibt, welches durch die Ausdrücke innerhalb eines Textes abgerufen wird. „Ein ‚sinnloser’ oder ‚unsinniger’ Text ist ein Text, in dem die Textempfänger keine solche Kontinuität entdecken können, gewöhnlich weil die Konstellation der ausgedrückten Konzepte und Relationen einerseits und das Vorwissen der Empfänger andererseits in gravierender Weise nicht übereinstimmen.“[15] Ohne Zweifel ist ein solcher Text dann für diesen einen speziellen Rezipienten ohne Sinn, aber es gäbe immer noch genügend andere, für die dieser Text eben doch einen Sinn ergibt. Somit stellt sich die Frage, ob es so etwas wie einen ‚sinnlosen’ oder ‚unsinnigen’ Text überhaupt gibt. Niemand kann ausschließen, dass z.B. eine Folge von einigen zufällig ausgewählten und in beliebiger Reihenfolge zusammengesetzten Wörtern für den einen oder anderen Rezipienten einen Sinn ergibt.

[...]


[1] Brinker (1988), S. 6

[2] Vgl. Vater (1992), S. 31

[3] Brinker (1988), S. 6

[4] Vgl. Brinker (2001), S. 12ff.; Brinker (1988), S. 6

[5] Beaugrande/Dressler (1981), S. 3

[6] Vgl. Gansel/Jürgens (2002), S. 21

[7] Beaugrande/Dressler (1981), S. 3 f. (Hervorhebungen im Original)

[8] Vgl. ebenda, S. 4, 50f.

[9] Vgl. ebenda, S. 51f., 57ff., 87

[10] Vgl. ebenda, S. 4

[11] Vgl. Vater (1992), S. 32

[12] Beaugrande/Dressler (1981), S. 76 (Hervorhebungen im Original)

[13] ebenda, S. 5 (Hervorhebungen im Original)

[14] Vgl. ebenda, S. 5ff.

[15] ebenda, S. 88

Final del extracto de 22 páginas

Detalles

Título
Grundbegriffe der Textlinguistik. Die sieben Kriterien der Textualität
Universidad
University of Leipzig  (Institut für Anglistik)
Curso
Text Linguistik (Anglistik)
Calificación
1,7
Autor
Año
2004
Páginas
22
No. de catálogo
V66578
ISBN (Ebook)
9783638591423
ISBN (Libro)
9783656794899
Tamaño de fichero
543 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Grundbegriffe, Textlinguistik, Kriterien, Textualität, Text, Linguistik
Citar trabajo
M.A. Kathleen Deutschmann (Autor), 2004, Grundbegriffe der Textlinguistik. Die sieben Kriterien der Textualität, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66578

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