Journalismusgeschichte: Die Geschichte der Professionalisierung des Journalismus als Kommunikationsgeschichte


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Hinführung

2. Bestimmung der zentralen Begriffe
2.1 Journalismus
2.2 Professionalisierung

3. Forschungsstand der Journalismusgeschichte

4. Jörg Requate: Journalismus als Beruf

5. Der Prozess der funktionalen Ausdifferenzierung

6. Wozu Journalismus- und Professionalisierungsgeschichte?
6.1 Überprüfung der „kommunikationshistorischen“ Relevanz anhand zweier „Mediengeschichten“

7. Fazit

Verzeichnis der verwendeten Literatur

1. Hinführung

Im Seminar „Perspektiven der Kommunikationsgeschichte“ wurden verschiedene Wege aufgezeigt, die die historische Kommunikationswissenschaft bereits eingeschlagen hat bzw. in Zukunft gehen sollte, um zu einer umfassenderen Kommunikationsgeschichte zu gelangen. Die vorgestellten Ansätze, Kommunikationsgeschichte als Kulturgeschichte, als Sozialgeschichte oder als Geschichte von Kommunikationsrevolutionen zu schreiben, sind im Gegensatz zum in dieser Hausarbeit vorzustellenden Ansatz sehr viel unspezifischer. Öffentliche Kommunikation ist zwar ein Teilbereich der Gesellschaft, dessen Einfluss auf die Strukturen dieser Gesellschaft mitverantwortlich ist für den sozialen Wandel. Öffentliche Kommunikation ist aber auch selbst determiniert durch eigene Faktoren und Akteure, also Kommunikatoren, Medien, Aussagen und Rezipienten.

Der Ansatz Journalismusgeschichte - im Sinne einer Geschichte der Professionalisierung des Journalismus zum Beruf als Kommunikationsgeschichte - konzentriert sich auf eines dieser Elemente, und zwar auf die Kommunikatoren. Er stellt den historischen Zugang zum Phänomen öffentliche Kommunikation am konkreten Beispiel Journalismus dar. Die Studie „Journalismus als Beruf. Entstehung und Entwicklung des Journalistenberufs im 19. Jahrhundert. Deutschland im internationalen Vergleich“ von Jörg Requate stellt den Ausgangspunkt für die Untersuchung des Erklärungspotenzials dieses Ansatzes dar. Auf dem Einband findet sich die Erklärung: „Das Buch ist die erste [1] Geschichte der Journalisten und des Journalismus im 19. Jahrhundert in Deutschland, geschrieben in international vergleichender Perspektive.“

Daraus ergeben sich die Fragen, ob dies tatsächlich der Fall ist bzw. welchen Forschungsstand die historische Publizistikwissenschaft auf dem Gebiet der Journalismus- und Professionalisierungsgeschichte erreicht hat (Abschnitt 3), ob und inwieweit die Notwendigkeit eines solchen Ansatzes besteht, und was er erklären kann (Abschnitte 5 und 6). Dazu bedarf es außerdem einer Darstellung des formalen und inhaltlichen Aufbaus der vorliegenden Studie (Abschnitt 4). Zunächst sollte aber eine Explikation der wichtigsten Begriffe erfolgen (Abschnitt 2).

2. Bestimmung der zentralen Begriffe

Zwei zentrale Begriffe sollten an dieser Stelle erklärt werden. Der Begriff Journalismus ist wichtig, da Requates Studie auf einem Verständnis von Journalismus beruht, das sich von früher gültigen Definitionen der Publizistikwissenschaft unterscheidet. Außerdem ist der Begriff Professionalisierung von Bedeutung. Hier entwickelt Requate in gewisser Weise ein eigenes Konzept von Professionalisierung, das sich abhebt von der klassischen Sichtweise, wie sie unter 2.2 dargestellt werden wird.

2.1 Journalismus

Ein Blick in einschlägige Handbücher der Publizistikwissenschaft wie das Fischer Lexikon Publizistik Massenkommunikation verrät, dass „Journalist“ ist, „wer hauptberuflich an der Verbreitung von Informationen, Meinungen und Unterhaltung durch Massenmedien beteiligt ist“.[2] Noch unbefriedigender als diese Feststellung ist die Tatsache, dass man dort vergeblich nach einer Definition von Journalismus allgemein sucht. Reduziert man all diese in den verschiedenen klassischen Handbüchern angegebenen Definitionsversuche auf ihren Kern, so ergibt sich, „daß der Journalismus eine berufliche Tätigkeit bei und für Massenmedien ist, wobei in diversen Tätigkeitsbereichen aktuelle Aussagen gestaltet werden.“[3]

Eine solche Sichtweise knüpft gewissermaßen an die Forschungspraxis der früheren Zeitungswissenschaft an. Denn dass das Wissen über den Journalistenberuf und dessen wandelnde gesellschaftliche Funktion noch eher gering ist, liegt auch daran, dass man sich früher mehr der Beschäftigung mit dem Werk so genannter „publizistischer Persönlichkeiten“ widmete, als dem Schaffen des von ihnen abgegrenzten Gros der Journalisten.[4] Emil Dovifat ist hier als wichtigster Vertreter einer solchen Vorgehensweise zu nennen. Auch später noch war dieser personenzentrierte Journalismusbegriff lange gültig, was dazu führte, dass die Leistungen des Journalismus reduziert wurden auf das Handeln einzelner Akteure. Dies verstellt aber den Blick auf strukturelle Faktoren, also soziale, politische, kulturelle, technologische und ökonomische Bedingungen, die die jeweilige Identität des Journalismus und seine Folgen bestimmen.[5]

Heute wird weitgehend die Ansicht vertreten, dass der Journalismus kein „Wesen“ ist, dessen Merkmale für immer feststehen. Auch deshalb ist eine klare Definition kaum möglich. Es gilt somit, die jeweiligen Normen, Strukturen, Funktionen und Rollen zu ermitteln, die festlegen, was Journalismus ist.[6] Damit ist Journalismus als ein ‚soziales Funktionssystem’ zu begreifen, als ein „komplex strukturiertes und mit anderen gesellschaftlichen Systemen auf vielfältige Weise vernetztes soziales Gebilde.“[7] Somit sind auch die Leistungen des Journalismus nicht in erster Linie auf das Werk einzelner journalistischer Persönlichkeiten zurückzuführen, sondern sind das Resultat verschiedenster Handlungen in einem systemischen Kontext.[8] Auch für Requate gilt, dass er sich nicht auf journalistische Ausnahmeerscheinungen, sondern auf den Beruf als solchen konzentriert und dabei vor allem seinen Funktionswandel im Auge behält.

2.2 Professionalisierung

Professionalisierung kann zunächst schlicht umschrieben werden als historischer Prozess, in dem sich Berufe zu so genannten „Professionen“ wandeln. Der Begriff Beruf lässt sich konkretisieren als „eine Kombination spezifischer Fähigkeiten und Fertigkeiten, die als Leistungspotenzial die Grundlage für eine kontinuierlichen Erwerbs- und Versorgungschance des Individuums abgeben. Er bildet die Basis und Rechtfertigung der gesellschaftlichen Position, und ist eines jener vergleichsweise stabilen Merkmale, die das Individuum mit gesellschaftlichen Strukturen und Prozessen verbinden.“[9] Der aus der Berufssoziologie stammende Begriff „Profession“ stellt den höchsten Komplexitätsgrad auf einer gleitenden Skala beruflicher Konkretisierungen von Tätigkeiten dar, die „Arbeit“ von „Beruf“ differenziert und „Beruf“ wiederum von „Profession“ abgrenzt.[10]

Um dem Idealtypus einer Profession nahe zu kommen, muss ein Beruf sukzessiv verschiedene Eigenschaften annehmen. Dazu gehört in erster Linie eine spezialisierte, theoriehaltige, tendenziell wissenschaftlich fundierte, durch Examen bestätigte Ausbildung. Die Angehörigen von Professionen organisieren sich in Vereinigungen und entwickeln einen formalen Berufsethos, um den Zugang zu ihrer Tätigkeit zu kontrollieren. Da Professionen ihr Wissen in den Dienst der Gesellschaft und des Allgemeinwohls stellen, beanspruchen sie eine entsprechende wirtschaftliche Belohnung und einen hohen sozialen Stand in der Gesellschaft. Ihr Handeln soll frei sein von Fremdkontrolle durch den Staat oder Laien.[11] In diesem Sinne sind vor allem die „freien Berufe“ wie Jurist oder Mediziner als Professionen anzusehen. Diese hier genannte Definition von Profession hat systematisch-soziologischen Charakter.

Historisch gesehen setzen sich Professionen „in zentralen gesellschaftlichen Bereichen der Moderne seit dem 19. Jahrhundert durch und stellen jeweils eine ,Ablösung von Laienlösungen durch Formen rationalisierter Expertenlösungen von Problemen’ dar.“[12] Auf die historische Bedeutung des Professionalisierungsprozesses und dessen Erklärungspotenzial für die Kommunikationsgeschichte soll noch einmal näher eingegangen werden in den Abschnitten 5 und 6. Zunächst stellt sich aber noch die Frage, ob der Journalistenberuf als „Profession“ bezeichnet werden kann. Hier sind die Meinungen noch immer gespalten. Viele verneinen diese Frage unter dem Hinblick darauf, dass „Journalist“ bis heute keine geschützte Berufsbezeichnung ist, der Berufszugang im Gegensatz zum exklusiven Status der Professionen eher offen ist und sich die journalistischen Organisationen lange vergeblich bemüht hatten, einen geregelten Ausbildungsweg sowie einen einheitlichen Berufsethos festzulegen.[13]

Vergleicht man jedoch die Eigenschaften des Journalistenberufs mit den oben genannten Charakteristika, so ist er mit Sicherheit noch weit davon entfernt eine vollprofessionalisierte Tätigkeit zu sein, dennoch sind auch eindeutige Professionalisierungstendenzen zu erkennen, z.B. die Organisation in Verbänden. Andere Meinungen verweisen zudem auf negative Aspekte einer vollen Professionalisierung des Journalismus. Viele halten diese weder für möglich noch für notwendig und wünschenswert. Argumentiert wird dabei meist unter Rückgriff auf die Bedingungen einer demokratischen Gesellschaft. So sieht z.B. Ulrich Saxer in der Pressefreiheit die einzige für Journalisten gültige Berufsnorm, während für freie Berufe wie Arzt oder Jurist weit strengere Regeln und Gesetze für Zugang, Ausbildungswege und Berufspraxis existieren. Die Pressefreiheit dagegen sorgt eher dafür, dass so gut wie jeder, unabhängig von seiner Qualifikation, Zugang zu diesem Berufsfeld hat. Die rechtlich-politische Situation in Demokratien schließt damit eine volle Professionalisierung von vornherein aus.[14]

Andererseits es ist aber auch gerade unter demokratischen Gesichtspunkten nicht wünschenswert, wenn sich der Journalistenberuf zu einer ‚abgeschotteten’ Profession entwickeln würde. So haben Untersuchungen ergeben, dass sich gerade stärker professionell orientierte Journalisten in ihrer beruflichen Praxis am weitesten von der Öffentlichkeit und den Kommunikationsbedürfnissen der Bevölkerung entfernt haben.[15] Reinhart Stalmann hält die Professionalisierung des Journalismus gar für ‚dysfunktional’ in Bezug auf die Leistungen, die der Journalismus für die Stabilisierung der Demokratie erbringen sollte, „denn sie reduziere die Durchlässigkeit des Berufes, behindere den ständigen Wandel des Berufssystems und damit eine ständige Reflexion und Qualifikation. Der begabte Außenseiter, der dem Beruf und damit der Demokratie neue Impulse geben könnte, werde so vom Journalismus systematisch ausgeschlossen.“[16]

Kepplinger und Vohl gehen in ihrer Untersuchung „Professionalisierung des Journalismus“ von 1976 gar so weit, zu behaupten, dass Journalisten die entscheidenden Elemente einer beruflichen Kompetenz fehlen, der Journalismus somit niemals zu einer Profession werden könne. Die Techniken der journalistischen Berufspraxis seien „zu unspezifisch, um eine berufliche Kompetenz zu begründen“, außerdem könnten diese „auch ohne theoretische Ausbildung von begabten Berufslaien erlernt werden.“[17] Dazu lässt sich abschließend noch bemerken, dass auch der Journalismus ein Beruf ist, dessen formale und inhaltliche Ausdifferenzierung der Berufspraxis noch lange nicht als abgeschlossen gelten kann.

3. Forschungsstand der Journalismusgeschichte

Generell muss zunächst festgestellt werden, dass sich die Journalismusgeschichte im Sinne einer Sozial- und Berufsgeschichte im Gegensatz zur Pressegeschichte noch immer auf einem eher niedrigen Forschungsstand befindet. An zahlreichen Stellen in der Literatur wird auf diese Lücke hingewiesen. So stellt z.B. Walter Hömberg 1987 lapidar fest, dass es zwar eine Geschichte des Tabaks oder der Prostituierten, aber keine Berufsgeschichte der Journalisten gibt.[18] „Ein Defizit an Kenntnissen zur Geschichte des Journalismus stellt nicht nur die Kommunikationswissenschaft fest. Auch die Geschichtswissenschaft konstatiert diesen Mangel“, erklärt Bernd Blöbaum und zitiert anschließend Jürgen Kocka mit folgender Feststellung: „Manche Randgruppen des Bildungsbürgertums sind nur wenig erforscht: Journalisten, Schriftsteller und Künstler.“[19]

[...]


[1] eigene Hervorhebung

[2] Noelle-Neumann/Schulz/Wilke, (2000), S. 64

[3] Merten/Schmidt/Weischenberg, (1994), S. 429

[4] Vgl. Requate, (1995), S. 11

[5] Vgl. Scholl/Weischenberg, (1998), S. 28, 32

[6] Vgl. Merten/Schmidt/Weischenberg, (1994), S. 429

[7] Scholl/Weischenberg, (1998), S. 29

[8] ebd.

[9] Siegrist, (1988), S. 13

[10] Vgl. Prott, (1976), S. 370

[11] Vgl. Siegrist, (1988), S. 14; Kepplinger/Vohl, (1976), S. 309 f.

[12] Neverla, (1998), S. 56

[13] Vgl. Fernstudium Kommunikationswissenschaft, (1989), S. 384

[14] Vgl. Requate, (1995), S. 16

[15] Vgl. Scholl/Weischenberg, (1998), S. 45

[16] Weischenberg, (1995), S. 494

[17] Kepplinger/Vohl, (1976), S. 335

[18] Vgl. Hömberg, (1987), S. 621

[19] Blöbaum, (1994), S. 85

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Journalismusgeschichte: Die Geschichte der Professionalisierung des Journalismus als Kommunikationsgeschichte
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft)
Veranstaltung
Perspektiven der Kommunikationsgeschichte
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
23
Katalognummer
V66651
ISBN (eBook)
9783638595971
ISBN (Buch)
9783656816614
Dateigröße
503 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Journalismusgeschichte, Geschichte, Professionalisierung, Journalismus, Kommunikationsgeschichte, Perspektiven, Kommunikationsgeschichte
Arbeit zitieren
M.A. Kathleen Deutschmann (Autor:in), 2002, Journalismusgeschichte: Die Geschichte der Professionalisierung des Journalismus als Kommunikationsgeschichte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66651

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