Vorläufer der periodischen Presse: Zeitungsbrief und Neue Zeitung als Quelle


Dossier / Travail, 2001

21 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Zeitungsbrief: Historische Entwicklung

3. Neue Zeitung: Historische Entwicklung, Inhalt, Form und Vertrieb

4. Zeitungsbrief und Neue Zeitung als Quelle
4.1 Forschungsstand Neue Zeitung und Zeitungsbrief
4.2 Formale Aspekte
4.3 Inhaltliche Aspekte

Literaturverzeichnis

1. Einführung

Der Anspruch an Information und Kommunikation nimmt an Bedeutung zu, je komplexer und unruhiger eine Zeit ist. Das ausgehende Mittelalter und der Beginn der Neuzeit war ein solcher Zeitraum der Veränderung. Neue geistige bzw. kulturelle Strömungen wie Renaissance, Humanismus und später die Reformation, das Aufblühen der Städte, sich ausdehnende Handelsbeziehungen, technische und geographische Entdeckungen, die Entstehung von Staaten sowie religiöse Unruhen prägten die sich neu ordnende Gesellschaft. Ein zuvor recht starres Weltbild begann sich zu lockern und komplizierter zu werden. All dies ließ neue Bedürfnisse wach werden, allen voran das Bedürfnis nach Information und Kommunikation, nach Austausch und Verständigung. Zunächst waren es Kirche und Wissenschaft, dann Fürsten und Handelshäuser, die durch intensiven Briefverkehr nicht nur ihre Beziehungen zueinander pflegten, sondern zunehmend auch Nachrichten austauschten.

Mit der Erfindung des Buchdrucks wurden weitere gesellschaftliche Schichten in das sich ausbreitende Kommunikationsnetz einbezogen. Neben den geschriebenen entstanden nun auch verschiedene gedruckte Medien mit oft unscharfen Grenzen. In ihrer Gesamtheit kann man sie als Vorläufer der periodischen Presse bezeichnen, die sich im beginnenden 17. Jahrhundert herausbildete. Zwei dieser Frühformen der Presse sollen hier näher betrachtet werden: Zeitungsbrief und Neue Zeitung. Dabei soll weniger auf institutionelle Aspekte wie Produktion oder Erscheinungsbild eingegangen werden, als vielmehr auf den heutigen Wert dieser historischen Medien als Quelle. Zeitungsbrief und Neue Zeitung sind nicht nur als bloßer Forschungsgegenstand anzusehen, sondern dienen zudem als Quellenmaterial für Themen, Struktur und Wandel gesellschaftlicher Kommunikation. Der Schwerpunkt dieser Hausarbeit soll aber auf den Neuen Zeitungen liegen.

2. Zeitungsbrief: Historische Entwicklung

Ein allgemeiner Austausch von Nachrichten fand bereits lange vor Erfindung der Drucktechnik statt, und zwar in Form von Briefen. So stellte dann auch Georg Steinhausen 1895 die „Entstehung der Zeitung aus dem brieflichen Verkehr“ fest.[1] Im ausgehenden Mittelalter hatte der Briefverkehr seine Blütezeit. Träger dieses handschriftlichen Nachrichtenwesens waren insbesondere Handelshäuser, Gelehrte und Träger politischer Gewalt, also generell höhergestellte Personen.

Für Kaufleute und deren Handelsunternehmungen war es von entscheidender Bedeutung mit aktuellen, zuverlässigen Informationen über politische, wirtschaftliche und militärische Vorgänge versorgt zu werden, da der Handel und dessen Sicherheit abhängig sind vom politischen Geschehen und allgemeinen Zeitereignissen. Für das durch die Entdeckung fremder Länder erweckte Interesse am Fernhandel waren Reiseberichte aus diesen fernen Gegenden über dortige Gefahren oder Absatzchancen ebenso hilfreich.[2] Die sich stark ausbreitenden Handelsbeziehungen erforderten zunehmend auch die Pflege der Kontakte untereinander. Ein besonderes Beispiel dafür sind die so genannten „Fuggerzeitungen“. Dies waren „an das Augsburger Handelshaus der Fugger gerichtete, dort abgeschriebene und gesammelte Briefe mit Mitteilungen von primär wirtschaftlicher Bedeutung, aber auch mit Schilderungen politischer Ereignisse und kultureller Vorgänge“.[3] Vor allem diese Welthandelshäuser benötigten die Berichterstattung ihrer Vertreter in den jeweiligen Ländern über die dortigen Niederlassungen. Wie wichtig diese Kaufmannsbriefe waren, lässt sich daran erkennen, dass die damaligen Handelszentren zugleich Nachrichtenzentren wurden. Ferner muss erwähnt werden, dass Kaufleute nebenberuflich auch als Korrespondenten tätig wurden.

Die Träger politischer Gewalt - Fürsten und Machthaber in den Städten - benötigten ebenfalls regelmäßige, aktuelle Nachrichten über wirtschaftliche, politische und kulturelle Vorgänge, angesichts der Zunahme der Bedeutung von Städten, der Entstehung von Staaten und dem damit verbundenen Anstieg von Verwaltungstätigkeiten und Regierungsgeschäften. Wachsende politische Verflechtungen erforderten die Verständigung mit ausländischen Führungskräften.[4] Für den Nachrichtennachschub benutzten die Fürsten und Reichsstädte zudem bezahlte Korrespondenten in den verschiedenen Nachrichtenzentren. Das eigenständige Schreiben, Sammeln und Verschicken von Nachrichten übernahmen Geistliche, Gelehrte, Kaufleute und andere Personen.[5] Für ihre Korrespondenzen fanden sie neben ihren eigentlichen Auftraggebern zunehmend auch andere Abnehmer.[6] Fürsten aus Habsburg, später aus Kursachsen und Brandenburg waren es auch, die für innerstaatliche Korrespondenzen die ersten eigenen Botenkurse und staatlichen Posten einrichteten.[7]

Bestandteil des frühen Nachrichtenwesens waren außerdem die Gelehrtenkorrespondenzen, die besonders durch neue geistige Strömungen wie Renaissance und Humanismus an Bedeutung gewannen.[8] Die Gelehrten nutzten den intensiven Briefverkehr, um ihre Zugehörigkeit zur ‚nobilitas litteraria‘ zu bekräftigen. Eine ständige gegenseitige Unterrichtung über literarische und wissenschaftliche Entwicklungen war auch aufgrund ihrer oft isolierten Stellung erforderlich.[9] Als typisches Beispiel wird häufig der Humanist und Reformator Philipp Melanchthon genannt, der nicht nur Gelehrter, sondern auch in die politischen und religiösen Auseinandersetzungen seiner Zeit involviert war. Eine ebenso wichtige Person für die Entwicklung der brieflichen Nachrichtenberichterstattung war der Nürnberger Jurist, Politiker und Humanist Christoph Scheurl. In seinen nahezu 300 überlieferten Briefen aus den Jahren 1505 bis 1540 lassen sich Überschneidungen zwischen gelehrter, wirtschaftlicher und politischer Form des Nachrichtenverkehrs feststellen.[10]

Der intensive Briefverkehr, der sich hauptsächlich in der gesellschaftlichen Oberschicht vollzog war längst nicht mehr privater, persönlicher Art, und kann deshalb als Nachrichtenberichterstattung betrachtet werden. Es lassen sich verschiedene Erscheinungstypen definieren, die den Wandel des Mediums Brief in der frühen Neuzeit kennzeichnen, der sich in der Trennung der persönlichen Mitteilungen von allgemein interessierenden - öffentlichen - Nachrichten äußerte. Zunächst wurden nur gelegentlich politische und Handelsnachrichten, religiöse Neuigkeiten und Informationen über Tagesereignisse in die Briefe als kurze Mitteilungen in trockener Form einbezogen. Als diese immer zahlreicher wurden, entstand dafür eine eigene, feststehende Rubrik am Schluss des Briefes, in der die Nachrichten über Kriegsereignisse, politische und religiöse Vorgänge, Entdeckungen, aber auch über Sensationelles und Kurioses angefügt wurden.

Oft erhielt diese Rubrik Überschriften wie New-Zeitung, Neue Mähr, Novissima, Aviso, Relatio. In einem weiteren Schritt wurde daraus eine besondere, noch umfangreichere Beilage mit Meldungen, die in Form loser Zettel zusammen mit den eigentlichen Briefen verschickt wurde und als Zeddula, Zeddel, Beylage oder Pagella bezeichnet wurden. Zunehmend wurden Briefe nur noch allein der Nachrichten wegen geschrieben und versandt. Dabei trat die Briefform immer weiter zurück, so dass manchmal nur noch Anrede oder Abschlussformeln an einen Brief erinnern. Da sie bald keine persönlichen oder geheimen Informationen mehr enthielten, konnten die Briefe bzw. deren Beilagen abgeschrieben und weiterverbreitet werden. Der Begriff Nachrichtenbrief oder Zeitungsbrief taucht seit 1443 dafür auf. Die Zeitungsbriefe wurden nun gezielt und ausschließlich zum Nachrichtenaustausch eingesetzt.[11]

Zunächst war dieser noch unperiodisch und blieb auf den kleinen Rezipientenkreis hochgestellter Personen begrenzt. Der ständig steigende Informationsbedarf führte dann aber zur Einrichtung der ersten Korrespondentenbüros, von denen die Zeitungsbriefe etwa 20- bis 25-mal abgeschrieben und an zahlende Abonnenten verschickt wurden.[12] Dennoch ist dieses Kommunikationssystem als intern und in sich abgeschlossen zu bezeichnen. Die letzte Entwicklungsstufe stellen die „geschriebenen Zeitungen“ dar. Die Nachrichten wurden handschriftlich vervielfältigt und gewerbsmäßig verbreitet und nicht mehr nur individuell adressiert, was gleichzeitig einen Schritt zu größerer Publizität bedeutete.[13] Der briefliche Nachrichtenverkehr, der bereits um 1200 einsetzte ist noch bis ins ausgehende 19. Jahrhundert nachweisbar.

3. Neue Zeitung: Historische Entwicklung, Inhalt, Form und Vertrieb

„Unter Neuer Zeitung ist eine Druckmediengattung zu verstehen, die um 1480 im deutschsprachigen Raum entstanden ist, sich über ganz Europa verbreitet hat und bis zum Ende des 17. Jahrhunderts in verschiedenen äußeren und inneren Erscheinungsformen nachweisbar ist. Eine Neue Zeitung enthält eine oder mehrere Nachrichten in Prosa, Lied oder Spruch über kurz zuvor stattgefundene Ereignisse in vorwiegend referierender Darstellung in der Landessprache und ist häufig illustriert. Eine Neue Zeitung ist nicht periodisch erschienen und meist ereignisabhängig herausgegeben worden.“ (Helmut W. Lang, 1986)[14]

Schon sehr bald nach Gutenbergs Erfindung wurden die ersten Einzeldrucke hergestellt. Im Verlauf des 16. Jahrhunderts entwickelten sich zahlreiche Erscheinungsformen mit teilweise unscharfen Grenzen, die als Gemeinsamkeiten nur die Herstellung durch den Druck und die unperiodische Erscheinungsweise aufwiesen. Neben geschriebenen Zeitungen, die in gedruckter Form veröffentlicht wurden, waren dies vor allem Flugblätter, Flugschriften und Neue Zeitungen.[15] Begriffe wie Flugblatt und Flugschrift zielten dabei auf formale, äußere Merkmale der Medien, während die Bezeichnung Neue Zeitung auf den Inhalt verwies.[16] Den Neuen Zeitungen, die zur Gattung der Einblattdrucke gehören, kam die Funktion der Information zu, bedeutet doch „Neue Zeitung“ soviel wie „Aktuelle Nachricht“.[17] Zu der Zeit war „Zeitung“ somit kein formaler sondern ein inhaltlicher Begriff.[18] Denn die Neuen Zeitungen erfüllten noch nicht alle Zeitungsmerkmale. Sie waren unperiodisch, ereignisabhängig erscheinende Druckwerke, deren Berichterstattung auch nur eingeschränkt als universal bezeichnet werden kann, da sie meist nur aus einer einzigen Nachricht bestanden und hauptsächlich die Themengebiete „Politik und Militär“ und „Sensation“ abdeckten. Sie erfüllten zumindest theoretisch das Kriterium der Publizität, da sie generell jedem zugänglich waren. Dem wurde aber meist durch den Kaufpreis und die Erfordernis der Lesefähigkeit Grenzen gesetzt. Die Neuen Zeitungen erschienen zwar immer nur dann, wenn es wirklich etwas zu berichten gab, sie können aber trotzdem nicht unbedingt als aktuell bezeichnet werden, da zwischen Ereignis und Berichterstattung manchmal nicht nur Tage und Wochen sondern in einigen Fällen sogar Jahre vergingen.[19] Zur äußeren Form der Neuen Zeitungen ist zu sagen, dass sie sowohl als Einblattdrucke, als auch als Mehrblattdrucke und zumeist in Quart- oder Oktavformat erschienen.

[...]


[1] Faulstich, (1998), S. 52

[2] Vgl. Lindemann, (1969), S. 16

[3] Bohrmann/Ubbens, (1994), S. 87

[4] Vgl. Groth, (1928), S. 4 f.

[5] Vgl. Schröder, (1995), S. 10

[6] Vgl. Schilling, (1990), S. 93

[7] Vgl. Groth, (1928), S. 5

[8] Vgl. Schröder, (1995), S. 10

[9] Vgl. Schilling, (1990), S. 93

[10] Vgl. Wilke, (2000), S. 18

[11] Vgl. Faulstich, (1998), S. 56; Groth, (1928), S. 6; Schröder, (1995), S. 10

[12] Vgl. Leonhard/Ludwig/Schwarze/Straßner, (1999), S. 913

[13] Vgl. Schröder, (1995), S. 11

[14] zitiert bei Pfarr, (1994), S. 5

[15] Vgl. Schröder, (1995), S. 13 f.

[16] Vgl. Stöber, (2000), S. 33

[17] Vgl. Schröder, (1995), S. 14

[18] Vgl. Stöber, (2000), S. 34

[19] Vgl. Pfarr, (1994), S. 195 ff.

Fin de l'extrait de 21 pages

Résumé des informations

Titre
Vorläufer der periodischen Presse: Zeitungsbrief und Neue Zeitung als Quelle
Université
University of Leipzig  (Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft)
Cours
Zeitung als Quelle
Note
1,3
Auteur
Année
2001
Pages
21
N° de catalogue
V66664
ISBN (ebook)
9783638596015
ISBN (Livre)
9783656777878
Taille d'un fichier
488 KB
Langue
allemand
Mots clés
Vorläufer, Presse, Zeitungsbrief, Neue, Zeitung, Quelle, Zeitung, Quelle
Citation du texte
M.A. Kathleen Deutschmann (Auteur), 2001, Vorläufer der periodischen Presse: Zeitungsbrief und Neue Zeitung als Quelle, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66664

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