Die Theorie, der ganze Erdkreis sei vor dem Patriarchat als Matriarchat organisiert gewesen, also als eine Gesellschaft, in der sich nicht nur die Erbfolge über die mütterliche Linie vollzieht, sondern die Frauen auch die Hauptämter bekleiden, verteidigt Johann Jacob Bachofen in seinem Werk „Mutterrecht“, publiziert im Jahre 1861. Bachofens Thesen fußten auf der Annahme, dass sich in Mythen die Lebensverhältnisse des Altertums manifestierten und daher forderte er, die strikte Trennlinie zwischen mythologischen Erzählungen und Tatsachenberichten als historische Quellen aufzuheben. Grundlage seiner im „Mutterrecht“ dargelegten Thesen waren Mythen und Symbole, aufgrund derer er eine Kontruktion der Weltgeschichte von ihren Anfängen bis zur Römischen Antike entwarf. In seinem Hauptberuf, Privatdozent für Römisches Recht, war er bereits aufgefallen, da er sich, entgegen dem allgemeinen Usus, allein für das Recht, wie es tatsächlich in der Antike praktiziert wurde, interessierte, und nicht für die im 19. Jahrhundert noch angewendeten Ausläufer. Das „Mutterrecht“ stellte für ihn den endgültigen Bruch mit seinen Kollegen und den von der Wissenschaft allgemein anerkannten Methoden dar.
Um seine Idee, unsere Vorfahren hätten eine Zeit gekannt, in der die Welt von Frauen bestimmt wurde, zu untermauern, verweist er auf Lafitau: Der Jesuit berichtet von den Irokesen als matrilinear aufgebautem Indianerstamm und vermutet, dass diese die Nachkommen des antiken Volkes der Lykier seien. Von den Lykiern wird wiederum durch Herodot überliefert, dass sie ihre Namen und ihren gesellschaftlichen Stand in der mütterlichen Linie vererbten. Bachofen schloss aber aus seiner Interpretation der Mythologie, dass solch eine weiblich geprägte Gesellschaftsform nicht nur in vereinzelten Stämmen als Herrschaftsform auftauchte, sondern im gesamten abendländischen Raum, wenn nicht auf der ganzen Erde, Vorgängerin des Patriarchats war. Eine wesentliche Eigenschaft des Geschichtsbild Bachofens ist, dass Geschichte als in Stadien fortschreitend verstanden wird.
Inhaltsverzeichnis
- Johann Jacob Bachofen und das „Mutterrecht“: Gegenstand, Aufbau, Wirkung
- Bachofens Geschichtskonzeption und seine methodischen Grundlagen
- Die Geschichte nach Bachofen: Hetärismus, Amazonentum und Matriarchat
- Das „Mutterrecht“ als gesellschaftliche Ordnung: Lykien, Kreta, Athen und andere
- Die Rezeption von Bachofens Thesen und seine Wirkung auf die Wissenschaft
- Bewertung und Interpretation des „Mutterrechts“
- Die Frage nach der realen Existenz des Matriarchats
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Essay befasst sich mit dem Werk „Mutterrecht“ von Johann Jacob Bachofen, in dem er die These aufstellt, dass die gesamte Welt vor dem Patriarchat als Matriarchat organisiert war. Die Arbeit analysiert Bachofens methodischen Ansatz, seine Geschichtskonzeption sowie die Rezeption seiner Thesen in der Wissenschaft. Darüber hinaus wird die Frage nach der realen Existenz des Matriarchats diskutiert.
- Bachofens Theorie des Matriarchats
- Methoden und Geschichtskonzeption des Autors
- Rezeption und Einfluss von Bachofens Werk
- Die Debatte um die reale Existenz des Matriarchats
- Kritik und Bewertung der Thesen Bachofens
Zusammenfassung der Kapitel
Der Essay beginnt mit einer Einführung in Johann Jacob Bachofen und seine These vom Matriarchat. Dabei wird sein methodischer Ansatz und seine Interpretation von Mythen als historische Quellen beleuchtet.
Im zweiten Kapitel wird Bachofens Geschichtskonzeption genauer betrachtet, die die Menschheitsgeschichte in verschiedene Phasen einteilt: Hetärismus, Amazonentum und Matriarchat.
Der dritte Teil des Essays beschäftigt sich mit der Darstellung des Matriarchats als gesellschaftliche Ordnung. Bachofen analysiert verschiedene Kulturen, darunter Lykien, Kreta und Athen, um seine These zu untermauern.
Kapitel vier beleuchtet die Rezeption von Bachofens „Mutterrecht“ in der Wissenschaft und seine Auswirkungen auf die Entwicklung verschiedener Disziplinen.
Im fünften Kapitel werden verschiedene Perspektiven auf Bachofens Werk diskutiert: die Kritik seiner Zeitgenossen, die unterschiedlichen Deutungen durch verschiedene politische Strömungen und die Bewertung des Werkes in der heutigen Zeit.
Schlüsselwörter
Matriarchat, Patriarchat, Mythologie, Geschichtskonzeption, Methode, Rezeption, Anthropologie, Soziologie, Psychoanalyse, Geschlechterverhältnisse, Frauenbild, Mutterrecht, Hetärismus, Amazonentum.
- Citation du texte
- Monika Braun (Auteur), 2003, Johann Jacob Bachofen und das "Mutterrecht": Gegenstand, Aufbau, Wirkung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66675