Das Thema des Todes und der Zerstörung bei Marie Redonnet

Anhand der Werke "Splendid Hotel", "Forever Valley" und "Rose Mélie Rose"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

28 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Splendid Hôtel
2.1 Zu den Romanfiguren
2.2 Zu der Umgebung

3 Forever Valley
3.1 Zu den sozialen Kontakten der Ich-Erzählerin
3.2 Zu ihrem Projekt
3.3 Zu der Umgebung

4 Rose Mélie Rose
4.1 Mélie und ihre sozialen Kontakte
4.2 Mélies Kontakte zu Männern
4.3 Zu der Umgebung

5 Abschlussbetrachtungen

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Diese Arbeit setzt sich mit den Themen des Todes und der Zerstörung bei Marie Redonnet auseinander, die anhand der drei Werke Splendid Hôtel, Forever Valley und Rose Mélie Rose untersucht werden sollen. Das Romantryptichon ist von einer allgemeinen Untergangsstimmung geprägt und in die Zeit der achtziger Jahre einzuordnen, die nach Wolfgang Asholt (1994) mehrere Merkmale einer Krise aufweist. Asholt betont, dass die Literatur in dieser Zeit mit vielen Veränderungen konfrontiert wurde, auf die sie zu reagieren hatte. Die Krisenmerkmale finden sich in Marie Redonnets Romanen wieder. Sie sind von Splendid Hotel bis zu Silsie melancholisch geprägt und nach Asholt eine `Trauerarbeit der Moderne´. So bezeichnet er ihre Figuren sehr treffend als fragmentarische, legendär wirkende Gestalten, die sich in die gegenwärtige postindustrielle moderne Welt verirrt haben. Die drei Protagonistinnen der untersuchten Romane entscheiden sich immer wieder gegen die Einflüsse des Modernen. Da das Moderne und das Alte eine zentrale Rolle bei Redonnet einnehmen, soll untersucht werden, in welchem Zusammenhang diese Aspekte mit dem Thema der Zerstörung stehen, das ebenfalls mehrfach in ihren Romanen zu finden ist. So bewegen sich die Personen, deren Verhalten bereits untereinander zerstörerische Züge trägt, in einer Welt, die durch Zerstörung geprägt ist.

Viele Figuren wirken von vornherein dem Untergang geweiht und finden den Tod. Das Thema des Todes ist in diesen drei Romanen immer wieder präsent. Durch zwei persönliche Gegebenheiten im Leben von Marie Redonnet, den Tod ihres Vaters und ihre anschließende siebenjährige Psychoanalyse, wurde der Tod sogar zum Auslöser ihrer schriftstellerischen Tätigkeit. Marie-Laure Poletti gibt an, dass Marie Redonnet in diesen sieben Jahren vergeblich versucht hat zu schreiben. Ihr erstes Wort war schließlich mort (vgl. Poletti, 1995: 54). Yvette Went-Daoust schreibt bezüglich des Themas des Todes:

La mort commande les récits, sur tous les plans, personnages et lieux, et leur confère une étrangeté macabre, un merveilleux sépulcral. Quoique dépourvus de détermination psychologique, les personnages parviennent à accrocher l`attention, grâce à la substance mystérieuse dont ils sont faits: mi-vivants, mi-morts, ils évoluent entre le rêve et la réalité [...]. (Went-Daoust, 1993: 391).

Diese Aussage zeigt die wichtige Rolle des Todes in Marie Redonnets Texten auf. In dieser Arbeit soll der Frage nachgegangen werden, wie Marie Redonnet die Themen der Zerstörung und des Todes behandelt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Rose Mélie Rose.

2 Splendid Hôtel

2.1 Zu den Romanfiguren

Hinsichtlich der Zerstörung der Romanfiguren liegt in diesem Roman eine große Variationsbreite vor. Der Tod hingegen wird hier im Gegensatz zu Rose Mélie Rose stets grausam beschrieben. Die Figuren werden durch äußere Einflüsse wie durch die Bedingungen des Moores und Epidemien zerstört, leiden an Krankheiten oder treiben ihre eigene Zerstörung durch respektloses Verhalten untereinander zusätzlich voran. Auf diese Punkte soll im Folgenden eingegangen werden.

Den schlimmsten, äußeren Einfluss, dem die Menschen ausgesetzt sind, macht hauptsächlich das Moor aus, welches an das Hotel grenzt. Dem Moor wird stets eine zerstörerische bzw. tödliche Macht zugeordnet, da es viele Gefahren in sich birgt. Die Gäste und der Zustand des Hotels leiden unter der Hitze, dem Gestank, Moskitos und der starken Feuchtigkeit des Moores. Darüber hinaus weitet es sich stetig aus und begünstigt Krankheiten und Epidemien. So müssen manche den im Hotel untergekommenen Bauarbeiter wegen Angina oder starkem Fieber evakuiert werden, während das Gebäude vorübergehend unter Quarantäne gestellt werden muss. Das ungewohnte Klima erschwert die Lage zusätzlich und führt zu immer wiederkehrenden Tierplagen. Die Gäste müssen den Einfall von Spinnen, Ratten, Schaben, zahlreicher Fliegen, Moskitos und Wanzen über sich ergehen lassen. Termiten greifen das Holz an, wodurch ein Balken im Zimmer von Ada und Adel, den Schwestern der Ich-Erzählerin, einstürzt.

Die Ich-Erzählerin führt einen erbitterten Kampf gegen den Verfall des von ihrer Großmutter geerbten Hotels. Gerda Zeltner sieht darin eine „schwarze Lustigkeit“ (Zeltner, 1995: 213) der Autorin. In Splendid Hôtel und Rose Mélie Rose wird stets der verstorbenen Mutter und Großmutter bzw. Rose gedacht, worauf bereits Yvette Went-Daoust hinwies: «Quant aux lieux, ils sont hantés par les ancêtres [.]» (Went-Daoust, 1993: 391). Bei ihrem Kampf vernachlässigt die Ichfigur vollkommen ihre eigenen Bedürfnisse und überlastet täglich ihren Körper, was zu Rheumatismus führt. Dazu kommt die Versorgung ihrer verwöhnten Schwestern, die die Ich-Erzählerin kaum unterstützen und ihr Leben erschweren.

Die Schwestern sind durch Krankheitsbilder geprägt. Die Verschlechterung des Gesundheitszustands Adas und Adels zieht sich durch den ganzen Roman. Ada ist schon ihr Leben lang krank: «Elle a passé sa vie de clinique en clinique.» (R1: 12). Adel leidet eher unter ihrem fortgeschrittenen Alter und der Enttäuschung, dass sie ihren Wunsch nicht realisieren konnte, im Theater aufzutreten: «[E]lle n`est plus de la première jeunesse, ses robes [très décolletées] ne l`avantagent pas. [...] On aperçoit sa poitrine maigre qui commence à s`affaisser.» (R1: 18-19)[1]. Sie sucht die fehlende Bestätigung bei männlichen Hotelgästen. Die Bestätigung wird ihr jedoch mit der Zeit verwehrt: «Elle ennuie les chefs d`équipe.» (R1: 88). Darunter leidet sie stark, wodurch sie zu ihrer eigenen Erniedrigung neigt: «Adel s`empresse auprès d`eux [les chefs d`équipe]. […] Adel ne devrait pas se conduire comme ça, surtout à son âge.» (R1: 86). Als eine Gruppe von Forschern das Hotel verlassen hat, verfällt Adel in einen schrecklichen Zustand: «Sa voix est en train de se casser. (...) Elle a un regard vide. Elle perd de plus en plus la mémoire. (...) C`est triste de voir Adel dans cet état.» (R1: 41). Ada bekommt auch Rheumatismus. Ihre Gelenke schwellen an, und sie hat Zuckungen im Gesicht und zeitweise Wasser in der Lunge: «Elle perd son goût de vivre.» (R1: 68). Adel leidet unter starken Krämpfen und Haarausfall. Diese zerstörerischen Eindrücke werden dadurch verstärkt, dass die beiden nicht aufhören, miteinander zu streiten. Sie verdächtigen sich und werfen der Ich-Erzählerin deren scheinbaren Fehler vor, was einen zerstörerischen Charakter in sich trägt, zumal die Ich-Erzählerin sie die ganze Zeit pflegt, was sie in keiner Weise zu schätzen wissen. Die Ich-Erzählerin kann ihnen nicht mehr vertrauen. Bei den Figuren nimmt die Zerstörung, vor allem bei Ada, die Form einer physischen Krankheit oder bei der Ich-Erzählerin einer Erschöpfung an, während bei Adel psychische Verletzungen vorherrschen.

Da die Bauarbeiter rücksichtslos den Müll im Garten herumliegen lassen, kommen Ratten, die als Krankheitsüberträger bekannt sind. Der Chef der Bauarbeiter wird gebissen und bekommt starkes Fieber und Beulen am Körper. Da bei Redonnet bewusst der symbolträchtige Charakter vorherrscht, kann es kein Zufall sein, dass der Leser diese Schilderungen assoziativ mit der Pest in Verbindung bringt. Ada pflegt ihn aufopferungsvoll und steckt sich an. Sie wird von Adel versorgt, die sich ebenfalls infiziert. Der Chef der Bauarbeiter, der nur durch Adas Pflege überlebt hat, interessiert sich nicht für ihren Zustand. Indem er Ada auf die Rolle der Pflegerin reduziert und sich nur für seine Belange interessiert, wird hier der zerstörerische Eindruck durch einen starken Zug an Egoismus verstärkt. Hier wiederholt sich die Situation, dass eine verpflegte Person die Fürsorge einer anderen nicht honoriert. Darüber hinaus scheint Redonnet mit dieser Schilderung das patriarchalische System kritisieren zu wollen, indem sie den Männern die mächtigere Position zuordnet. Colette Sarrey-Strack spricht hinsichtlich Redonnets Romanen von männlicher Gewalt, die patriarchalischen Vorstellungen entspricht, und lediglich funktionieren kann, weil sich die Frauen in der Rolle der Opfer unterwerfen und dominieren lassen (vgl. Sarrey-Strack, 2002: 164-165). So wendet sich einer der Bauarbeiter von Adel ab, als er genug von ihr hat und überlässt sie ihrem Kummer. Darüber hinaus sind die Männer nicht bereit, den Schwestern zu helfen oder Verständnis für ihre aussichtslose Lage aufzubringen. Redonnet kritisiert hier also das patriarchalische System anhand des Motivs der Zerstörung, indem den Männern zerstörerisches Verhalten zugeordnet wird.

Durch die Krankheit versöhnen sich Ada und Adel und schließen sich in ihrem Zimmer ein. Ada stirbt zuerst und Adel folgt ihr schnell. Ihr Tod wird sehr grausam beschrieben: «[Le cou d`Adel était] enflé par les ganglions. Elle est méconnaissable. […] Ada est morte, sûrement depuis quelque temps. [… Adel] est prostrée. Elle respire difficilement. Elle s`accroche d´Ada. […] Adel s`est mise à râler.» (R1: 105-106). Der Tod der beiden wirkt hier sehr ungerecht.

Das Ableben der Schwestern, das Scheitern in der Aufrechterhaltung des Hotels sowie die wiederkehrenden Plagen, die an die zehn biblischen Plagen Ägyptens erinnern, scheinen als Bestrafung zu fungieren. Redonnet lässt oft Symbole und Mythen in ihre Texte hineinfließen. Der Text wirkt im ersten Moment einfach, doch dahinter verbirgt sich viel Ungesagtes, was dem Leser wie hier zu entschlüsseln auferlegt wird. Die Bestrafung scheint auf das Fehlverhalten der Protagonistin abzuzielen. Gerda Zeltner gibt bezüglich des Romans Nevermore an, dass „[n]ur jene, die das Gewesene in die Gegenwart mitnehmen, […] auch das Fest der Zukunft feiern“ (Zeltner, 1995: 218) dürfen. Dies scheint gleichermaßen auf die Romantriologie zuzutreffen. Die Ich-Erzählerin bleibt dem Erbe ihrer Großmutter, also der Vergangenheit verpflichtet, ohne in Einklang mit der Gegenwart zu leben. Sie verlässt nicht ein einziges Mal das Hotel und gibt es selbst dann nicht auf, als die Zerstörung unabwendbar scheint. Die Krankheitsbilder der drei Schwestern könnten ebenfalls als Sanktionsformen zu verstehen sein.

Die Vergangenheitsbewältigung spielt bei Redonnet aus verschiedenen Gründen eine wichtige Rolle. Wie bei anderen Autoren ist dies zum einen auf die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs zurückzuführen: «Marie Redonnet cherche à écrire à partir d`une mémoire impossible.» (Poletti, 1995: 57). Zum anderen brachte die literarische Krise der achtziger Jahre sie dazu, sich von tradierten, literarischen Verfahren zu lösen. Auch privat hat sie lange in Form einer Psychoanalyse ihre schwierige, familiäre Vergangenheit verarbeitet. Dies ist in ihren Texten ersichtlich. Marie-Laure Poletti gibt an, das ihre Heldinnen stets an eine problematische Erinnerung gebunden sind und sich auf ihrem Initiationsweg auf der Suche nach etwas befinden. Sie bezieht sich auf Les jeux interdits, worin Marie Redonnet ihre Protagonistinnen als Double von sich selbst bezeichnet, die darstellen, was sie hätte bleiben können, wenn sie nicht mit ihrer schriftstellerischen Arbeit begonnen hätte. Redonnet begründet an dieser Stelle, dass ihre Protagonistinnen unschuldig sind, weil sie durch das Aufwachsen in der Abgeschiedenheit die Härte der Welt nicht kennen. Die Bedingung für das Leben bestehe darin, sich aus der Unschuld zu lösen, da sie andernfalls sterben müssen (vgl. Poletti, 1995: 57). Die Ich-Erzählerin befreit sich nicht aus dieser Unschuld und hat demnach auch keine Zukunft. Die Motive Tod und Zerstörung dienen mehrfach als Sanktionsformen für die Protagonistin. Da die Romantriologie Redonnets schriftstellerische Entwicklung widerspiegelt, könnte sie sie auch an sich selbst gerichtet haben.

[...]


[1] Redonnet, Marie: Splendid Hôtel. Les éditions de Minuit, Paris,1986.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Das Thema des Todes und der Zerstörung bei Marie Redonnet
Untertitel
Anhand der Werke "Splendid Hotel", "Forever Valley" und "Rose Mélie Rose"
Hochschule
Technische Universität Berlin
Veranstaltung
Tendenzen des frazösischen Gegenwartsromans
Note
2
Autor
Jahr
2004
Seiten
28
Katalognummer
V66713
ISBN (eBook)
9783638599375
ISBN (Buch)
9783638671613
Dateigröße
614 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Thema, Todes, Zerstörung, Marie, Redonnet, Tendenzen, Gegenwartsromans, Rose, Mélie, Splendid, Hôtel, Forever, Valley
Arbeit zitieren
Angelina Kalden (Autor:in), 2004, Das Thema des Todes und der Zerstörung bei Marie Redonnet, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66713

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