Kollektives Handeln und Allgemeinwohl als Probleme der Rational Choice Theorien


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2006

18 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Einführung in die Theorien rationalen Handelns
2.1 Grundlagen
2.2 Joseph Schumpeters Kritik an der klassischen Demokratie
2.3 Anthony Downs Modell des rationalen Wählers
2.3.1 Die Weiterentwicklung des Modells von Schumpeter
2.3.2 Das Paradox des Wählens
2.3.3 Charakterisierung des rationalen Wählers

3 Das Problem des kollektiven Handelns
3.1 Grundlagen der Fragestellung
3.2 Kollektive Dilemmata
3.3 Downs Erklärungsansatz für die Existenz des Gemeinwohls
3.4 TIT- FOR- TAT als Lösung der kollektiven Dilemmata

4 Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts erlebten die ökonomischen Modelle vor allem in den Vereinigten Staaten einen enormen Aufschwung. Bis zu diesem Zeitpunkt beschränkte sich das Interesse der Forschung meist auf Meinungen, Werte und die politischen Kulturen. Die Modelle rationaler Wahlhandlung propagierten nun die Erforschung der Politik anhand von bereits bekannten, wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen.

Im Laufe der Zeit behandelte die „Neue Politische Ökonomie“ oder auch „Public Choice“, wie die ökonomischen Modelle rationaler Wahlhandlung auch genannt werden, ein breites Spektrum an Forschungsfeldern. Neben den Hauptthemenfeldern wie dem Wählerverhalten, der Parteipolitik, den Regierungskoalitionen und der politischen Administration beschäftigte sich die Neue Politische Ökonomie mit nunmehr allen Themenbereichen der Politik.[1]

Die Neue Politische Ökonomie nutzte die einst in der Wirtschaftswissenschaft entwickelte Theorie zur Erforschung und Beschreibung der Politik und der Handlungen der Akteure.[2]

Bis zum heutigen Zeitpunkt hat sich die einst starre ökonomische Herangehensweise etwas abgeschwächt. Das geänderte Paradigma der „eingeschränkten Rationalität“ bietet laut Dietmar Braun ein realistischeres Bild menschlichen Entscheidens und Handelns als die strikt auf Marktanalogie fußenden traditionellen ökonomischen Theorien.[3]

In dieser Hausarbeit soll zunächst die ökonomische Theorie vorgestellt werden. Dabei werde ich explizit auf Anthony Downs eingehen, der dieses Modell der rationalen Wahlhandlung entscheidend geprägt hat. Des Weiteren werde ich mich der Fragestellung widmen, inwieweit die Verwirklichung des Allgemeinwohls sowie kollektives Handeln durch die auf Individualwohl basierenden ökonomischen Theorien erklärt werden können.

2 Einführung in die Theorien rationalen Handelns

2.1 Grundlagen

Die Rational Choice Theorien gehören neben der Systemtheorie und dem Marxismus zu den sozialwissenschaftlichen Theorien. Die Rational Choice Modelle greifen bei der Erklärung gesellschaftlicher Ereignisse auf Eigenschaften und das Handeln der einzelnen Individuen der Gesellschaft zurück. Bei dieser Vorgehensweise spricht man vom methodologischen Individualismus. Soziale Handlungen können demnach auf individuelle Handlungen zurückgeführt werden.

Seit Platon und Aristoteles definiert sich Vernunft (Ratio) als am Gemeinwohl bzw. am göttlichen Willen ausgerichtetes Verhalten bzw. Handeln der Individuen.[4] Nach Auffassung der traditionellen Rational Choice Theoretiker beruhen die individuellen Handlungen auf Entscheidungen, die ausschließlich rational getroffen werden. Anders als das klassische Verständnis gilt eine Wahl dann als rational, wenn der Akteur die Handlungsalternative wählt, die nach Abwägung aller Vor- und Nachteile aller anderen Alternativen, am ehesten den eigenen Präferenzen entspricht. Dabei wird dem Akteur eine strategische Wahl abverlangt, weil die Entscheidungen der anderen Individuen bei der eigenen Handlung berücksichtigt werden müssen.[5]

Im Folgenden soll ein Einblick in die Überlegungen von Joseph Schumpeter und Anthony Downs gegeben werden, um genauer zu verdeutlichen auf welchen Annahmen die ökonomischen Theorien der Politikwissenschaft basieren.

2.2 Joseph Schumpeters Kritik an der klassischen Demokratie

Laut der klassischen Lehre der Demokratie ist die demokratische Methode „…jene institutionelle Ordnung zur Erzielung politischer Entscheide, die das Gemeinwohl dadurch verwirklicht, dass sie das Volk selbst die Streitfragen entscheiden lässt und zwar durch die Wahl von Personen, die zusammenzutreten haben, um seinen Willen auszuführen.“[6] Aus dieser Definition ist klar erkennbar, dass die klassische Demokratielehre von der Existenz eines Allgemeinwohls ausgeht. Diese Auffassung kritisiert Joseph Schumpeter. Nach seiner Meinung kann es in einer Gesellschaft kein eindeutig bestimmbares Allgemeinwohl, kein „volonté générale“, geben. Er macht für diesen Umstand die menschliche Natur verantwortlich. Seinem Verständnis nach weist der Bürger folgende Eigenschaften auf:

1. Die Menschen haben die Absicht rational zu handeln. Jedoch könne man vernünftige Entscheidungen nur bei Fragen erwarten, die unmittelbare Vor- oder Nachteile für den Bürger bedeuten würden. Ein Beispiel hierfür sind direkte Zahlungen und Steuerentlastungen oder- belastungen.
2. Auf Grund der relativ schlechten Informiertheit der Bürger im Bereich der Politik sei das Verhalten assoziativ und affektmäßig. Die politischen Fragen sind zu weit von den privaten Belangen der Bürger entfernt, als dass diese sich ausreichend informierten.
3. Der Bürger gibt seiner Meinung nach in politischen Fragen leicht irrationalen Trieben oder Vorurteilen nach d.h. der Bürger handelt nicht rational.

Er misst dem Bürger in politischen Angelegenheiten einen „verminderten Wirklichkeitssinn, ein reduziertes Verantwortungsgefühl und inkohärente Willensäußerung“ bei.[7]

Dieses negative Bürgerbild Schumpeters bildet die Basis für die Kritik an der klassischen Lehre der Demokratie. Nach seinen Ausführungen wissen die Bürger nämlich nicht genau für was sie sich einsetzen sollen. Er argumentiert weiter, dass selbst wenn es ein Allgemeinwohl gäbe, sich die Menschen nicht über die Mittel einig werden könnten, wie dieses Ziel erreicht werden soll, da dies die richtige Interpretation der Tatsachen und die vollständige Informiertheit der Bürger voraussetzt.[8]

Schumpeter definiert die demokratische Methode als „…diejenige Ordnung der Institutionen zur Erreichung politischer Entscheidungen, bei welcher einzelne die Entscheidungsbefugnis vermittels eines Konkurrenzkampfes um die Stimmen des Volkes erwerben.“[9] Anhand dieser Definition wird deutlich, dass Schumpeter versucht in Analogie zum Markt die Demokratie zu beschreiben. Er rückt die politischen Akteure -und nicht wie die späteren ökonomischen Theorien die Wähler- in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen. Diese politischen Akteure handeln wie Unternehmen auf dem Markt. Sie versuchen möglichst viele Stimmen auf ihre Partei bzw. Person zu vereinen. Auf Grund der starken Fokussierung auf die politischen Eliten wird das von Joseph Schumpeter entwickelte Modell oftmals auch der Elitentheorie zugeordnet.

Anhand dieses Modells des Konkurrenzkampfes der politischen Akteure um politische Ämter glaubte Schumpeter ein geeignetes Werkzeug gefunden zu haben, um demokratische von nicht- demokratischen Regierungen unterscheiden zu können. Als Beispiel nennt er die konstitutionelle Monarchie, die nicht der demokratischen Methode zuzurechnen sei, da die Kabinettsmitglieder nur Diener des Monarchen seien. Des Weiteren glaubt er auf diese Weise die Rolle der Führungsstäbe in der Politik besser zu berücksichtigen. In diesem Punkt sieht er bei der klassischen Theorie den Nachteil, dass diese von einer viel zu starken Initiative der einzelnen Bürger ausgeht, während er davon überzeugt ist, dass sich Kollektive dadurch auszeichnen, dass sie eine Führung akzeptieren. Ein weiterer Punkt sei die Willensäußerung der Wähler, die nun wirklichkeitsnah gedeutet werde. Auch hier wird die herausragende Rolle der politischen Eliten deutlich. Viele Willensäußerungen werden erst relevant, wenn sich ein Politiker diesem Thema annimmt. Da sich die Kontrolle der politischen Akteure durch das Volk auf die Wahl bzw. Abwahl beschränkt, wird nach Schumpeter diese Kontrolle durch sein Modell realistisch eingeschätzt. Die klassische Lehre hingegen geht von ausgeprägteren Kontrollmöglichkeiten durch das Volk aus. Ein weiterer Kritikpunkt Schumpeters an der klassischen Demokratielehre ist deren Auffassung, dass der resultierende Wille der Wille des ganzen Volkes sei. Hier sah Schumpeter ebenfalls Verbesserungsbedarf. Er beschreibt den aus dem Konkurrenzkampf resultierenden Willen als den Willen der Mehrheit und nicht als den Willen des ganzen Volkes.[10]

Diese Ausführungen machen deutlich, dass das Modell von Joseph Schumpeter sowohl den ökonomischen Theorien der Politikwissenschaft als auch den Elitentheorien zuzurechnen ist. Er analysiert das politische Geschehen nicht vom Standpunkt des Wählers als rationalem Akteur aus, sondern geht fast ausschließlich auf die politischen Eliten ein. Dabei handeln die politischen Akteure, die sowohl aus einzelnen Individuen als auch aus Parteien, Institutionen usw. bestehen können, stets als Nutzenmaximierer. Sie versuchen möglichst viele Wählerstimmen auf ihre Partei bzw. ihre Person zu vereinen. In Analogie zu den Wirtschaftswissenschaften versucht Schumpeter also das politische Geschehen ähnlich wie einen Markt zu analysieren und zu beschreiben. Auf diesem Markt treten die Eliten ähnlich wie Unternehmen auf. Sie stellen ein gewisses Angebot zur Verfügung und versuchen mit diesem Angebot -in unserem Fall ein politisches Programm- möglichst viele Konsumenten -in unserem Fall die Wähler- an sich zu binden. Das „Unternehmen“ mit dem besten „Produkt“ gewinnt demnach die Wahl. Wie bereits erwähnt unterstellt Schumpeter dem Wähler nicht die Fähigkeit des rationalen Handelns auf der Ebene politischer Entscheidungen. Ein Vertreter, der den Wählern genau diese Fähigkeit beimisst ist Anthony Downs.

[...]


[1] Braun, Dietmar: Theorien rationalen Handelns in der Politikwissenschaft; Eine kritische Einführung, Opladen, 1999, S. 17f

[2] Kirsch, Guy: Neue Politische Ökonomie, Düsseldorf, 1993, S. 3-5

[3] Braun, 1999, S. 18

[4] Braun, 1999, S. 29

[5] Zimmerling, Ruth: Rational Choice Theorien: Fluch oder Segen für die Politikwissenschaft; in: V. Kunz / U. Druwe (Hrsg.): Rational Choice in der Politikwissenschaft, Opladen, 1999, S. 16-19

[6] Schumpeter, Joseph: Ausgewählt und interpretiert von Peter Massing,; in: Massing / Breit, Bonn, 2005, S. 188

[7] Schumpeter, 2005, S. 190

[8] ebd S. 189-191

[9] ebd S. 183

[10] Schumpeter, 2005, S. 184-186

Fin de l'extrait de 18 pages

Résumé des informations

Titre
Kollektives Handeln und Allgemeinwohl als Probleme der Rational Choice Theorien
Université
University of Trier
Note
1,7
Auteur
Année
2006
Pages
18
N° de catalogue
V66799
ISBN (ebook)
9783638592031
ISBN (Livre)
9783640282074
Taille d'un fichier
463 KB
Langue
allemand
Mots clés
Kollektives, Handeln, Allgemeinwohl, Probleme, Rational, Choice, Theorien
Citation du texte
Daniel Kipper (Auteur), 2006, Kollektives Handeln und Allgemeinwohl als Probleme der Rational Choice Theorien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66799

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