Migration und Menschenrechte in Kolumbien


Dossier / Travail de Séminaire, 2004

73 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung in das Thema

2. Die politische und wirtschaftliche Situation Kolumbiens
2.1 Zur Wirtschaft Kolumbiens
2.2 Zur Politik Kolumbiens

3. Die Konfliktparteien
3.1 Das Militär und die Polizei
3.2 Die Guerilla- Gruppierungen
3.3 Das Paramillitär

4. Migration, Flüchtlinge und Vertreibungen
4.1 Interne Flüchtlinge (Binnenmigranten)
4.2 Emigranten
4.3 Gründe und Motive für die Vertreibungen
4.4 Folgen der Vertreibungen

5. Der Plan de Colombia
5.1 Die Interessen der USA
5.1.1 Konsequenzen aus dem Vorgehen der USA

6. Missachtung der Menschenrechte (siehe Anhang)
6.1 Der Einsatz von Kindersoldaten

7. Resümee

8. Bibliographie

9. Anhang
- Die aktuelle Lage der Menschenrechte und der politischen Gewalt in Kolumbien – eine Annäherung
- Straffreiheit unter dem Deckmantel von Friedensgesprächen
- MenschenrechtsverteidigerInnen in Kolumbien im Visier des Präsidenten
- Binnenflüchtlinge in Kolumbien: Hungern um den Internationalen Währungsfonds zu bezahlen
- “Lasst uns unser Leben in Armut aber selbstbestimmt und in Würde leben” - Vertriebene kehren auf ihr Land zurück
- Der kolumbianische Blumensektor – (k)ein rechtsfreier Raum?
- Wo Reichtum Armut schafft: Landkonzentration und Hunger in Kolumbien
- Kindersoldaten in Kolumbien
- Angriff auf die Zivilbevölkerung – bewaffneter Konflikt und Humanitäres Völkerrecht
- Kolumbiens vergessener Krieg – ein Fall für die deutsche Außenpolitik?

1. Einleitung in das Thema

Die politischen und militärischen Auseinandersetzungen in Kolumbien dauern bereits seit Jahrzehnten an, und ein Ende des gewaltsamen Konfliktes scheint nicht absehbar. Die Strukturen des Konfliktes sind vielschichtig, komplex, und die einzelnen Gruppen sind auf Grund ihrer Taten immer schwerer voneinander abzugrenzen. Der Drogenhandel und vor allem das Geld aus diesen Geschäften erschweren zusätzlich die Befriedung des Landes. Der Konflikt weitet sich zunehmend auf die Zivilbevölkerung des Landes aus und ruft Menschenrechtorganisationen auf den Plan.

Diese Arbeit soll die Strukturen und die Gruppierungen des Konflikts näher erläutern und schwerpunktmäßig die Migrationsproblematik, sowie die Situation der Menschenrechte behandeln. Dabei werden interne und externe Faktoren des Konflikts berücksichtigt, sowie die aktuelle Situation in Kolumbien dargestellt.

Zu Beginn dieser Arbeit werde ich kurz auf die politische und wirtschaftliche Situation Kolumbiens eingehen, da sie für das Grundverständnis der Auseinandersetzungen im Land wichtig sind. Nachfolgend werde ich auf die einzelnen Konfliktparteien eingehen und die (ursprüngliche) Unterschiede zwischen Entstehung, Gesinnung, Stärke und Handlungsweisen erläutern. Anschließend werde ich auf die Migrationsbewegungen in Kolumbien verweisen und die Zusammenhänge mit dem militärisch- politischen Konflikt, sowie auch mit anderen Entwicklungstendenzen herstellen. Anknüpfend werde ich auf den 1998 ausgearbeiteten „Plan de Colombia“ eingehen und seinen Einfluss auf die Entwicklung des Konflikts, auf die Menschenrechte und auf die Migrationsproblematik erläutern. Abschließend werde ich die massiven Menschenrechtsverletzungen darstellen, die in Kolumbien von den Konfliktparteien begangen werden.

Im Resümee werde ich die Ergebnisse meiner Arbeit zusammentragen und kurz analysieren. Vor allem möchte ich die Frage klären, welche Entwicklungstendenzen der gewaltsame Konflikt in Kolumbien aufweist und ob er ob er in absehbarer Zeit gelöst werden kann. Des Weiteren gilt es für mich die Frage zu klären, ob und wie sich die Situation der Menschenrechte verändern lässt.

2. Die politische und wirtschaftliche Situation Kolumbiens

In der politischen und wirtschaftlichen Situation des Landes gilt es die Bedingungen des gewalttätigen Konflikts zu suchen. Kolumbien erstreckt sich über eine Fläche von 1.141.748 km2 und ist damit mehr als dreimal so groß wie Deutschland. Die Bevölkerung beträgt ca. 44 Millionen Menschen, von denen der größte Teil in den Städten lebt (vgl. kolko e.V. 2004: 1).

2.1 Zur Wirtschaft Kolumbiens

Kolumbien ist begünstigt durch ein vielfältiges Klima und einen natürlichen Reichtum an Ressourcen, Pflanzen- und Tierarten. In der Produktion von Schnittblumen gehört Kolumbien zu den weltweit größten Exporteuren und steht bei der Ausfuhr von Nelken weltweit sogar an erster Stelle. Allein im Blumensektor wurden im Jahre 2002 ca. 60.000 Menschen (vor allem Frauen) beschäftigt und Devisen in einer Höhe von ca. 672 Millionen US- Dollar erwirtschaftet (vgl. kolko e.V. 2004: 11). Des Weiteren steht Kolumbien weltweit auf Platz eins bei der Produktion von Smaragden, auf Platz zwei als Produzent von Kaffee und ist zudem drittgrößter Produzent von Bananen weltweit. Zu den Hauptexportgütern gehören Kaffee, Bananen, Schnittblumen, Smaragde, exotische Früchte, Kartoffeln und andere Lebensmittel, Erdöl, Gold, Kohle und Zucker. Diese Produkte machen Kolumbien zum zweitgrößten Exporteur weltweit von Produkten in die USA. Hinzu kommen ca. 37 Millionen Barrel potentielle Erdölreserven, die Kolumbien für die USA zusätzlich als Handelspartner attraktiv machen (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Kolumbien).

Das Wirtschaftswachstum betrug in den letzten Jahren durchschnittlich etwa 4% bei einer Arbeitslosigkeit von etwa 18%. Schätzungen von Experten zur Folge, werden 30% des Bruttosozialprodukts durch den Kokainhandel erwirtschaftet (vgl. http://www.lidias-kinder.de/kolumbien).

Auf Grund des natürlichen Reichtums an Ressourcen, sowie dem expandierenden Außenhandel müsste in Kolumbien eigentlich niemand arm sein. Dennoch lebt mehr als die Hälfte der Bevölkerung unter der Armutsgrenze und ein Viertel von ihnen leidet bei einem eigentlichen Überschuss an Lebensmitteln sogar an Hunger. Laut der FIAN Deutschland e.V. ist es in „erster Linie der Reichtum des Landes, der in Kolumbien zu Armut und Hunger führt“, weil eine kleine Oberschicht seit Generationen ihren Reichtum mit Gewalt verteidigt (vgl. kolko e.V. 2004: 15).

2.2 Zur Politik Kolumbiens

Mit der Regierungszeit von Andrés Pastrana (1998- 2002) wurden auch Bestrebungen betrieben eine Friedensprozess zu initialisieren (vgl. kolko e.V. 2004: 1). Durch die Entführung des Flugzeuges mit dem Vorsitzenden der Friedenskomission des Senats an Board fand der ohnehin stockende Friedensprozess mit den Guerilla- Gruppierungen sein Ende (vgl. http://mandela.inwent.org/v-ez/lis/colombia/seite2.htm).

Nach den Wahlen am 7. August 2002 übernahm Álvaro Uribe Vélez das Amt des Präsidenten, der seiner Aussage nach eine Politik der „ harten Hand mit großen Herz“ verfolge und somit seine Orientierung an einer militärischen zur Lösung des Konflikts deutlich machte. Da es während und nach der Wahl zu zahlreichen Anschlägen kam, verhängte er vier Tage nach seiner Amtseinführung den Ausnahmezustand über das Land, der eine Beschneidung der verfassungsgemäßen Bürgerrechte legitimierte. Uribe nennt seine Politik die Politik der „demokratischen Sicherheit“, die einen autoritären Staat und eine verstärkte militärische Interventionspolitik beinhaltet (vgl. kolko e.V. 2004: 1). Zu seinem offiziellen Regierungsprogramm gehören Armutsbekämpfung, soziale Gerechtigkeit und Maßnahmen gegen Klientelismus und Korruption (vgl. http://mandela.inwent.org/v-ez/lis/colombia/seite1.htm). Des Weiteren strebt er den Ausbau eines Informantennetzwerkes innerhalb des Landes an, erhöhte die Truppenstärke von Polizei und Militär und kürzte im Gegenzug die Sozialausgaben, was den militärischen Charakter seines Regierungsprogramms weiter unterstrich (vgl. kolko e.V. 2004: 2).

Am 10. Dezember 2003 wurde von der Regierung im Zuge der Terrorismusbekämpfung eine Verfassungsänderung durchgesetzt. Das so genannte Antiterrorstatut erlaubt der Regierung den gesamten Briefverkehr und jede Form von privater Kommunikation zu überwachen, sowie ohne richterliche Überwachung Verhaftungen und Hausdurchsuchungen durchzuführen (vgl. kolko e.V. 2004: 3).

Das politische System ist dennoch instabil, da die Regierung in vielen ländlichen Regionen nicht präsent ist. Dort gibt es weder eine Polizei noch einen Bürgermeister, so dass diese Orte unter einer Art Selbstverwaltung stehen. Darüberhinaus werden viele Politiker durch Drohungen eingeschüchtert bzw. entführt, erpresst, bestochen oder umgebracht (http://dkp-online.de/uz/3508/s1103.htm ). Die Demokratie in Kolumbien ist eine Demokratie der besonderen Art, da sie seit mehr als 50 Jahren keinen kompetetiven Charakter hat. So gab es in Kolumbiens Demokratie zwar immer eine Regierung, aber nie eine politische Opposition (vgl. Krumwiede 2000: 182).

3. Die Konfliktparteien

Die einzelnen Akteure im gewaltsamen Konflikt lassen sich grob in drei Gruppen einteilen. Zum ersten gibt es die staatlichen Verbände, bestehend aus Militär und der Polizei. Die zweite Gruppe besteht aus vielen, unterschiedlichen, ursprünglich links gerichteten Guerilla- Gruppierungen, die oftmals als „die Guerilla“ bezeichnet wird. Als dritter und letzter Akteur agiert das rechtsgerichtete Paramilitär, bestehend aus Milizen und Privatarmeen (vgl.http://www.taz.de/pt/2002/05/28/a0148.nf/text.name,askQdt0Kk.n,16).

3.1 Das Militär und die Polizei

Die Truppenstärke des Militärs beläuft sich auf ca. 158.000 Soldaten, wovon nach einer Aufstockung durch Regierung Uribe, ca. 90.000 für den Kampfeinsatz zur Verfügung stehen (http://www.ila-bonn.de/artikel/260schuetzengraben.htm). Verglichen mit den Zahlen der 80er Jahre, wo die Stärke der Streitkräfte mit 66.000 bis 110.000 beziffert wurde, ist eine deutliche Steigerung festzustellen (vgl. Kurtenbach 1999: 204). Die Anzahl der Polizeikräfte des kolumbianischen Staates beläuft sich auf etwa 120.000 Mann (vgl. Calderón 2001: 5).

Die staatlichen Verbände sind vor allem in den städtischen Regionen tätig, sowie in den wirtschaftlich wichtigen Gebieten des Landes. Oftmals werden den Streitkräften intensive Kontakte zu paramilitärischen Gruppen, sowie dauch zur Drogenmafia nachgesagt (vgl. Calderón 2001: 5).

3.2 Die Guerilla- Gruppierungen

Die Guerilla- Bewegung besteht im Wesentlichen aus zwei Gruppierungen. Als größte gilt die FARC (Fuerzas Armadas Revolucinarias de Colombia) mit einer geschätzten Truppenstärke von mind. 26.000 Mann (vgl. Calderón 2001: 4). In den 80er Jahren wurde ihre Zahl auf ca.12.000 geschätzt und hat sich somit in 20 Jahren mehr als verdoppelt (vgl. Kurtenbach 1999: 204). Die FARC wurde ursprünglich gegründet um die Interessen der armen Landbevölkerung zu vertreten und zu verteidigen (vgl.http://www.taz.de/pt/2002/05/28/a0148.nf/text.name,askQdt0Kk.n,16). Die FARC, dessen Wurzeln in der Violencia (1948- 1958) zu suchen sind, finanziert sich über Entführungen, Erpressungen und einer so genannten Kriegssteuer (vgl. kolko e.V. 2004: 20). Als Haupteinnahmequelle gilt jedoch der Drogenhandel

(vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Kolumbien). Erpressungen, Drohungen und Morde sind die häufigsten Mittel der FARC um auf die Politik Druck auszuüben. Hinzu kommen Anschläge auf Militär, Paramillitär und auch auf die Zivilbevölkerung. Nach Angaben des staatlichen Geheimdienstes beliefen sich ihre Einnahmen 1997 auf geschätzte 463 Millionen Dollar und ihre Ausgaben auf etwa 78 Millionen Dollar (vgl. Calderón 2001: 6).

Die zweite große Guerillabewegung ist die ELN (Ejercito de Liberación Nacional), die sich ursprünglich als Interessenvertretung der armen Stadtbevölkerung gebildet hat (vgl.http://www.taz.de/pt/2002/05/28/a0148.nf/text.name,askQdt0Kk.n,16).

Die Truppenstärke wird auf 5000 Mann geschätzt und ihre Ziele und Vorgehensweisen sind überwiegend identisch mit denen der FARC (vgl. Calderón 2001: 4). Ihre Hauptfinanzierungsquelle ist neben Entführungen und Erpressungen ebenfalls der Drogenhandel, nachdem in den 90er Jahren die großen Drogenkartelle zerschlagen wurden (vgl.http://www.taz.de/pt/2002/05/28/a0148.nf/text.name,askQdt0Kk.n,16). Ihre Einnahmen wurden im Jahr 1997 auf 340 Millionen Dollar geschätzt, denen Ausgaben von ca. 39 Millionen Dollar gegenüber standen (vgl. Calderón 2001: 4).

Zusammen kontrollieren die Guerilla- Gruppierungen einen großen Teil (ca. 50%) des Landes. Bereits 1997 gaben offizielle Stellen zu, dass die Guerilla wohl auf 600 von 1000 Gemeinden Einfluss hat und dort teilweise das Gesetz vertritt und die staatliche Autorität ersetzt (vgl. Schumacher 1998: 197).

3.3 Das Paramillitär

Aus den unterschiedlichen paramilitärischen Gruppierungen sind die Autodefensas Unidas de Colombia (AUC) hervorzuheben. Ihre Stärke beläuft sich auf ungefähr 8.000 Mann und hat in letzter Zeit an Stärke zugenommen (vgl. Calderón 2001: 4). Die restlichen Banden sind klein und in sich relativ uneins. Manche von ihnen sind schlecht bewaffnet und andere als Privatarmeen gut organisiert und finanziert. Ursprünglich zum Schutz gegen die Guerrilla- Bewegung gegründet, richten sich ihre Aktionen vor allem nach Auftraggeber und Finanzier. Mal sehen sie sich als militärisches Gegengewicht zur Guerilla mit einem politischen Auftrag, mal als Schutztruppe für Großgrundbesitzer, mal als Drogenhändler und mal sogar als Aushilfstruppe der staatlichen Armee. Sie gelten als besonders gewalttätig und skrupellos und finanzieren sich seit den 90er Jahren zu einem großen Teil aus dem Drogengeschäft (vgl. Fischer/ Cubides 2000: 121).

4. Migration, Flüchtlinge und Vertreibungen

Wie bereits erwähnt wird der Konflikt zwischen den einzelnen Gruppierungen auf dem Rücken der Zivilbevölkerung ausgetragen. Die Folge sind gewaltsame Vertreibungen der Zivilbevölkerung vorwiegend aus den ländlichen Regionen des Landes. Den Vertreibungen gehen meistens Massaker, selektive Morde, gewaltsames Verschwindenlassen, Drohungen, Bombardierungen, bewaffnete Auseinandersetzungen oder Nahrungsmittelblockaden voraus (vgl. kolko e.V. 2004: 9f.). Die Schätzungen belaufen sich auf über 3 Mio. Vertriebene bis zum Jahre 2004, die innerhalb Kolumbiens flüchten oder aber das Land verlassen mussten (vgl. http://www.lidias-kinder.de/kolumbien/). In 30% aller Fälle ist das Paramillitär hauptverantwortlich für die Vertreibungen, jedoch sind Guerilla, Militär und Polizei ebenfalls darin verwickelt (vgl. kollko e.V. 2004: 9f.).

4.1 Interne Flüchtlinge (Binnenmigranten)

Laut einer Studie der Organisation CODHES (Consultoria para los derechos humanos y el desplazamiento) sind seit 1985 ca. 2.900.000 Menschen Opfer interner Vertreibung geworden (kolko e. V. 2004: 16). Zwischen 1985 und 1994 waren es „nur“ ca. 600.000, die ihr Land zwangsweise verlassen mussten. Im Jahr 2000 wurden schätzungsweise 317.000 Menschen gewaltsam vertrieben, 2001 ca. 341.000 und im Jahr 2002 ca. 353.000, wobei in den ersten drei Monaten der Regierung Uribe allein 150.000 Opfer von Vertreibungen wurden (vgl. http://www.kolumbien-aktuell.ch/Publikationen/mb02-12.html). In den ersten 9 Monaten des Jahres 2003 wurden 175.270 Personen zu Flüchtlingen im eigenen Land (vgl. kolko e.V. 2004: 1). Die Mehrzahl der Flüchtlinge waren Frauen, wovon 70% unter 19 Jahre alt waren (vgl. http://www.kolumbien-aktuell.ch/Publikationen/mb02-12.html). Nach ihrer Vertreibung können 92% der Betroffenen ihre Grundbedürfnisse nicht befriedigen und 80% leben in Armut (vgl. kolko e.V. 2004: 9f.).

4.2 Emigranten

Laut Angaben des Uno Flüchtlingshilfswerk UNHCR haben mehr als 87.000 KolumbianerInnen in der Zeit zwischen 1999 und 2003 Asyl beantragt, und die Anzahl nimmt jährlich zu. Im Jahre 2003 stellten etwa 30.000 einen Antrag auf Asyl, wovon die meisten in Ecuador, USA, Kanada und Costa Rica gestellt wurden. Zum Ende des Jahres 2003 galten 37.981 KolumbianerInnen weltweit als anerkannte Flüchtlinge. Von den 25.569 KolumbianerInnen die in Ecuador den Flüchtlingsstatus einforderten, erhielten nur etwa 28 % diesen Status. Von diesen Menschen leben mehr als 40 % in absoluter Armut, da sie den kolumbianischen Konflikt mit in die angrenzenden Ländern (Ecuador, Peru, Brasilien, Venezuela, Panama) bringen und deshalb auf die Missgunst der Auf­nahme­bevölkerung stoßen. Costa Rica hat ca. 8.000 und die USA etwa 11.000 Kolumbia­nerInnen den Flüchtlingsstatus verliehen (vgl. http://kolumbien- aktuell.ch/ Publikationen/ka388.html).

Zu berücksichtigen bleibt, dass viele Flüchtlinge keinen Asylantrag stellen und illegal ihr Land verlassen. Deshalb muss davon ausgegangen werden, dass die Dunkelziffer der Emigranten um einiges höher liegt, als in den hier zu Grunde gelegten Daten. Für eine deutlich höhere Zahl von Emigranten spricht auch die Tatsache, dass weniger als 1% aller offiziellen EmigrantInnen auf die Nachbarländer Kolumbiens entfallen. Auch stellen mehr Männer Asylanträge, obwohl deutlich mehr Frauen Opfer von Vertreibungen sind (vgl. http://kolumbien-aktuell.ch/Publikationen/ka388.html).

4.3 Gründe und Motive für die Vertreibungen

Als Hauptgründe für die Vertreibungen sind vor allem wirtschaftliche, strategische, politische und militärische Interessen zu sehen. So verteidigt und erweitert eine kleine Oberschicht in den ländlichen Regionen brutal seinen Reichtum und setzt paramilitärische Banden ein um die kleinen Bauern von ihrem Land zu vertreiben (vgl. http://kolumbien-aktuell.ch/Publikationen/mb02-12.html). So hatte der ehemalige Entwicklungsminister und kolumbianische Botschafter der EU, Carlos Arturo Marulanda, Anspruch auf 24.000 Hektar Land erhoben, welches aber per richterlichen Beschluss den dort ansässigen Siedlerfamilien zugesprochen wurde. Daraufhin wurden 1996 insgesamt 287 Familien gewaltsam von paramilitärischen Banden vertrieben (vgl. kolko e.V. 2004: 15).

Durch immer neue Infrastrukturprojekte werden zunehmend Gebiete in Wert gesetzt, so dass die dort lebende Bevölkerung durch die Erschließung zu einem Störfaktor wird. So sind die roten Flächen auf der „Landkarte der Vertreibung“ (siehe Abb. 1) weitestgehend identisch mit den Regionen von ökonomischer und strategischer Bedeutung (vgl. http://kolumbien-aktuell.ch/Publikationen/mb02-12.html). Gerade Gebiete mit einer günstigen Lage für den Drogenhandel und den Anbau von Koka, Schlafmohn und Marihuana, sowie den Waffenschmuggel sind davon betroffen (vgl. http://kolumbien-aktuell.ch/Publikationen/ka388.html).

Abb.1

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: http://www.lidias-kinder.de/kolumbien/bild_karte02.html

Als noch wichtige Ursache ist der andauernde militärische Konflikt in Kolumbien anzusehen, der zunehmend die Zivilbevölkerung mit hineinzieht. So gibt es Regionen in Kolumbien, die abwechselnd von Guerilla und Paramillitär kontrolliert werden, so dass die gewaltsamen Auseinandersetzungen hier besonders schwerwiegend sind (vgl. http://www.fluter.de/look/article.tpl?IdLanguage=5&IdPublication=2&NrIssue=6&NrSection=10&NrArticle=600#). Der Regierungsplan zum Aufbau eines ausgedehnten Informantennetzes in den ländlichen Regionen und die Rekrutierung von Bauernsoldaten führen dazu, dass die Übergriffe auf die Zivilbevölkerung zunehmen (vgl. kolko e.V. 2004: 2). Die Zivilbevölkerung wird dabei von allen Gruppen dazu genötigt als Informant zu dienen. Das Prinzip lautet: „Wer nicht für uns ist, kann nur gegen uns sein“(vgl.http://www.fluter.de/look/article.tpl?IdLanguage=5&IdPublication=2&NrIssue=6&NrSection=10&NrArticle=600#).

4.4 Folgen der Vertreibungen

Die Auswirkungen der Vertreibung sind für die ohnehin schon verarmte Landbevölkerung gravierend. Meistens müssen sie innerhalb weniger Stunden ihr Land verlassen, da sie sonst um ihr Leben fürchten müssen. Sie verlieren Haus, Güter, Tiere und ihr Land, so dass ihnen ihre gesamte Lebensgrundlage entzogen wird. Auf der Flucht selbst sind sie Hunger, Krankheit und Obdachlosigkeit ausgesetzt. Das Misstrauen ist auf Grund der Bürgerkriegssituation sehr ausgeprägt, folglich werden Flüchtlinge in den Aufnahmeorten ausgegrenzt. So kommen zum Verlust der Lebensgrundlage und der Arbeitslosigkeit auch noch die Verweigerung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung und Bildung hinzu (vgl. http://kolumbien-aktuell.ch/Publikationen/mb02-12.html). Einigen Vertriebenen wird von der Regierung Ersatzland angeboten, jedoch ist dieses meistens minderwertig und die mittellosen Vertriebenen müssen es für 30% des Marktpreises kaufen (vgl. kolko e.V. 2004: 15). Immer mehr Flüchtlinge drängen in die Slums der großen Städte Bogotá, Medellín, Cali und Barranquilla, die so unkontrolliert wachsen. Der Grad der Urbanisierung beträgt im Jahre 2004 80,64 % und ist im Vergleich zu 1951 und 1994 ständig gestiegen (siehe Abb.2). Eine so starke Urbanisierung ist im Vergleich zu Europa nicht ungewöhnlich, jedoch betrachtet man die äußerst günstigen klimatischen und Bedingungen und den natürlichen Reichtum an Ressourcen, würde das eher für eine geringe Urbanisierung sprechen.

Abb.2

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: http://www.welt-in-zahlen.de/seite_laenderinfo.php?land=Kolumbien

Aus dem verstärkten Drängen der KolumbianerInnen in die Städte resultiert ein Konzentration des Landbesitzes durch die Großgrundbesitzer. So werden heute 60% der Böden mit einer Fläche von über 500 ha von nur 0,4% der Landbesitzer kontrolliert (siehe Tabelle 1). Das Land im Besitz der Großgrundbesitzer wird dann für denn Anbau von Ölpalmen und Koka oder zur Viehzucht benutzt. Seitens der Regierung wird auf dem Agrarsektor das gefördert, was Devisen bringt, so dass immer weniger Grundnahrungsmittel in den ländlichen Regionen angebaut werden. Ein Viertel der KolumbianerInnen ist von Hunger und Unterernährung bedroht, was sie wiederum in die Städte treibt (vgl. kolko e.V. 2004: 16). Schätzungen zufolge sind in den letzten 10 Jahren 2 Millionen Hektar Land durch gewaltsame Vertreibung enteignet worden (vgl. kolko e. V. 2004: 15).

Tabelle 1

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: FIAN Deutschland e.V. (2004): Wo Reichtum Armut schafft: Landkonzentartion und Hunger in Kolumbien. Berlin

Besonders dramatisch ist die Situation der Flüchtlinge in den Grenzregionen zu Venezuela, Panama und Ecuador. Der bewaffnete Konflikt und die Vertreibungen sind hier an der Tagesordnung. Die Gebiete gelten als ökonomisch lukrativ und strategisch wertvoll. Die Zivilbevölkerung wird oft bis in die Nachbarländer hinein verfolgt. Dort werden viele nicht aufgenommen und zurück nach Kolumbien geschickt, wo ihre Sicherheit nicht gewährleistet werden kann (vgl. http://kolumbien-aktuell.ch/Publikationen/ka388.html).

[...]

Fin de l'extrait de 73 pages

Résumé des informations

Titre
Migration und Menschenrechte in Kolumbien
Université
University of Potsdam  (Institut für Romanistik)
Cours
Lateinamerika III
Note
1,0
Auteur
Année
2004
Pages
73
N° de catalogue
V66845
ISBN (ebook)
9783638592338
ISBN (Livre)
9783656805267
Taille d'un fichier
806 KB
Langue
allemand
Mots clés
Migration, Menschenrechte, Kolumbien, Lateinamerika
Citation du texte
Christian Rohde (Auteur), 2004, Migration und Menschenrechte in Kolumbien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66845

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