Thomas Manns: "Der Tod in Venedig" - Schauplätze und Motive des Verfalls


Dossier / Travail, 2004

15 Pages, Note: 2,0

Anonyme


Extrait


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Schauplätze des Verfalls
1. Münchner Friedhof
2. Schifffahrt nach Venedig
3. Venedig

III. Motive des Verfalls
1. Todesboten
a) Wegbegleiter
b) Seelengeleiter
2. Todesmotive
a) Gondel
b) Sanduhr
c) Erdbeere und Granatapfel

IV. Der dionysische Verfall
1. Aschenbachs Haltung
2. Cholera und Karbolgeruch
3. Vision und Traum

V. Zusammenfassung

VI. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Verfall und Niedergang, kurz Dekadenz, waren in der Zeit um 1900 ein verbreitetes Thema in der Literatur. In dieser Zeit, Juli 1911 bis Juli 1912[1], verfasste auch Thomas Mann sein Werk „Der Tod in Venedig“. Beschäftigt man sich mehr mit der Entstehungsgeschichte der Novelle, zeigt sich, dass Thomas Mann im Sommer 1911 selbst einige Tage in Venedig verbracht hat und dort „eine Reihe kurioser Umstände und Eindrücke“[2] erlebt hat. Thomas Mann hat sich, ebenso wie der Protagonist Gustav von Aschenbach, aufgrund einer Schreibkrise zu dieser Reise entschlossen. Auch andere Gemeinsamkeiten zwischen dem Autor und dem Protagonisten sind offensichtlich, v.a. bezüglich des Typus, der Herkunft und der literarischen Vergangenheit. Thomas Mann verarbeitet also im Tod in Venedig ein Ereignis, welches er zum Teil selbst erlebt hat. Denn auch er hatte in Venedig eine Begegnung mit einem polnischen Knaben, wobei er nach seiner Rückkehr aus Venedig von einer „recht sonderbaren Sache“ spricht, die er von da mitgebracht hat, „einen Fall von Knabenliebe bei einem alternden Künstler“[3]. Auch die Choleraepidemie und die Haltung der venezianischen Behörden waren tatsächliche Ereignisse, denen Thomas Mann in dieser Zeit begegnete. Denn in Hamburg brach im Jahr 1905 die Cholera aus, wobei die tödliche Gefahr der Krankheit aus kommerziellen Gründen vertuscht wurde. Thomas Mann selbst hatte die Wirkung ansteckender Krankheiten miterlebt, als seine Frau Katja 1911 an Tuberkulose erkrankte. Trotz dieser vielen Gemeinsamkeiten zu Thomas Mann, zeigen sich bei der Physiognomie Gustav Aschenbachs auch gewisse Ähnlichkeiten zu dem Komponisten Gustav Mahler, der im Jahre 1911 gestorben ist. Über die Gründe dafür wird seither spekuliert.[4] Klar ist jedoch, dass all die autobiographischen Züge und die Beziehungen zu aktuellen Themen und Personen noch ein Grund mehr sind, den „Tod in Venedig“ als eines der modernsten und bemerkenswertesten Werke Thomas Manns zu bezeichnen und sich intensiv mit dem Thema der Novelle zu beschäftigen. Die Dekadenz taucht scheinbar auch schon im Titel „Der Tod in Venedig“ auf und ist im Verlauf der Geschichte durch spezielle Schauplätze und Motive allgegenwärtig, die den Verfall des Protagonisten begleiten und veranschaulichen.

II. Schauplätze des Verfalls

1. Münchner Friedhof

Zu Beginn des „Tod in Venedigs“ macht Gustav von Aschenbach einen Spaziergang, der am Nördlichen Friedhof von München endet. Gegenüber der Aussegnungshalle des Friedhofs befindet sich eine Steinmetzerei, „ein zweites unbehaustes Gräberfeld“[5] mit Kreuzen, Gedächtnistafeln und Monumenten. Es „regte sich nichts“ (S. 8), alles scheint ausgestorben. Aschenbach wartet dort allein auf die Trambahn und betrachtet währenddessen verträumt die zahlreichen Grabsteine. Die Atmosphäre am Friedhof, mit den Gräbern, Kreuzen und Erinnerungen an ehemals Lebende, zeigt schon erste Anzeichen des Verfalls und des Todes. Auf einem Friedhof herrscht allgemein eine unangenehme Stimmung, da der Besucher stets mit dem Tod oder mit trauernden Menschen konfrontiert wird. Es wird klar, dass Aschenbach, auch wenn er jetzt noch außerhalb des Friedhofes steht, seinem Tode nahe ist. Wo ihn sein Ende ereilen wird, wird ebenfalls vorausgedeutet, indem der Autor „das byzantinische Bauwerk der Aussegnungshalle“ beschreibt. Mit seinen „griechischen Kreuzen und hieratischen Schildereien“ (S. 8) erinnert es an den Markusdom von Venedig.[6] Auf diese Weise wird schon zu Anfang der Novelle der weitere Verlauf und das Ziel der Geschichte, Aschenbachs Tod in Venedig, angedeutet. Verstärkt wird das Motiv dadurch, dass Aschenbach sich einige Zeit später nochmals an die Aussegnungshalle, „das weiße Bauwerk“ (S. 77), erinnert, nämlich zu dem Zeitpunkt, als er von dem Clerk im Reisebüro die Wahrheit über die tödliche Cholera in Venedig erfährt. Diese Krankheit ist letztlich der Grund für den Tod des Künstlers. So kehrt Aschenbach am Ende der Novelle wieder zu den Toten auf dem Friedhof zurück und wird einer von ihnen.

2. Schifffahrt nach Venedig

Trotz dieser zahlreichen Vorherbestimmungen, findet Aschenbach seinen Weg nicht sofort nach Venedig. Er entschließt sich zuerst, in sein Landhaus zu fahren, wo er jedoch bald merkt, dass dies nicht der „Ort seiner Bestimmung“ (S. 21) ist. Fast wie eine Eingebung sieht er schließlich ein anderes Reiseziel vor Augen, Venedig. Doch schon auf der Schifffahrt dahin zeigen sich die ersten Anzeichen des Verfalls, auf den Aschenbach auch in Venedig treffen wird. Das Schiff ist „veraltet, rußig und düster“ (S. 21) und die Matrosen, die darauf arbeiten entsprechen ebenfalls diesem Bild. Aschenbach wird von einem „buckligen und unreinlichen Matrosen“ (S. 21) in eine „höhlenartige“ (S. 21) Koje geführt, wo er seinen Fahrschein erhält. Der Fahrkartenaussteller hat „gelbe und knochige Finger“ (S. 21), was auf eine magere, verfallene Statur schließen lässt, wobei die Farbe Gelb, wie auch schon in anderen Werken von Thomas Mann (z.B. Buddenbrooks) den Verfall nochmals unterstreicht. Dessen Gebärde hat zudem „etwas Betäubendes und Ablenkendes, etwa als besorgte er, der Reisende möchte in seinem Entschluß, nach Venedig zu fahren, noch wankend werden“ (S. 22). Aschenbach wird auf diese Weise immer weiter in sein Schicksal geführt. So zeigt sich schon auf der Fahrt, das „schmutzig, schillernde Wasser“ (S. 23), welches auch in den Kanälen Venedigs fließt. Entsprechend ist der Himmel grau und „Flocken von Kohlenstaub“ (S. 23) fallen wie Regen auf das Schiffsdeck nieder. „Der schwere und düstere Körper des Schiffes“ (S. 23) fährt schließlich in Venedigs Hafen ein, wo der Verfall letztendlich seinen Höhepunkt erreichen wird.

3. Venedig

Die Stadt Venedig ist kein beliebiger Ort, der einfach ersetzt werden kann. Denn zum einen findet Aschenbach in Venedig seinen Tod, zum anderen begleitet die Stadt Aschenbachs Entwicklung bis zu seinem Ende mit. Als eine zweideutige Stadt zwischen Schönheit und Verfall, zeigt sie nach außen hin eine schöne Fassade, im Inneren lauert jedoch der Verfall. Schon bei Aschenbachs Ankunft zeigt sich Venedig nicht von seiner schönen Seite, denn „Himmel und Meer blieben trüb und bleiern, zeitweilig ging neblichter Regen nieder“ (S. 24) und Aschenbachs Erwartungen an die Stadt erfüllen sich nicht. Das Wetter in Venedig spielt eine entscheidende Rolle, da das besondere Klima einen guten „Nährboden“ für die tödliche Cholera darstellt, denn die Schwüle und Hitze, zusammen mit dem Scirocco sind „der Verbreitung besonders günstig“ (S. 75). Diese „widerliche Schwüle“ (S. 42) bei „fahl bedecktem Himmel“ (S. 35) bewirkt, dass der „faulige Geruch der Lagune“ (S. 35) allgegenwärtig ist. Aufgrund dieser schlechten Witterung beschließt Aschenbach schließlich auch Venedig zu verlassen, denn als er einen Spaziergang durch die Straßen macht, wird dieser „abscheuliche Zustand“ (S. 43) zusehends dominierender und die dicke Luft mit den „üblen Ausdünstungen der Kanäle verleideten das Atmen“ (S. 43). Doch als die Flucht vor Venedig fehlschlägt und Aschenbach erkennt, dass er es ohnehin bereut hätte, Tadzio zu verlassen, atmet er „die Atmosphäre der Stadt, diesen leis fauligen Geruch von Meer und Sumpf [...] in tiefen, zärtlich schmerzlichen Zügen“ (S. 45 f) ein, obwohl er genau weiß, dass die Stadt ihn krank macht. Denn Venedig mit ihrer Atmosphäre, als „die schmeichlerische und verdächtige Schöne [...] halb Märchen, halb Fremdenfalle, in deren fauliger Luft die Kunst [...] den Musikern Klänge eingab, die wiegen und buhlerisch einlullen“ (S. 65), lähmt auf diese Weise Aschenbachs Denken und Willen und unterstützt somit seinen Verfall, da er sich immer mehr der Leidenschaft zu Tadzio hingibt und dabei seinen Verstand vergisst.[7]

[...]


[1] Kurzke, Hermann: Thomas Mann. Epoche – Werk – Wirkung. München 21991, S. 118

[2] Reed, T. J.: Thomas Mann. Der Tod in Venedig. München 1983 (Hanser Literatur-Kommentare 19), S. 150

[3] Reed, S. 151

[4] Kohut, Heinz: „Tod in Venedig“. Zerfall einer künstlerischen Sublimierung. In: Alexander Mitscherlich (Hrsg.), Psycho-Pathosgraphien I. Frankfurt a.M. 1972. S. 155

[5] Mann, Thomas: Der Tod in Venedig und andere Erzählungen. Frankfurt a.M. 592003, S. 8

[6] Hermes, Eberhard: Lektürehilfen Thomas Mann. „Der Tod in Venedig“. Stuttgart 1987, S. 47

[7] Nicklas, Hans W.: Thomas Manns Novelle: Der Tod in Venedig. Analyse des Motivzusammenhangs und der Erzählstruktur. Marburg 1968 (Marburger Beiträge zur Germanistik 21), S. 150

Fin de l'extrait de 15 pages

Résumé des informations

Titre
Thomas Manns: "Der Tod in Venedig" - Schauplätze und Motive des Verfalls
Université
University of Regensburg
Note
2,0
Année
2004
Pages
15
N° de catalogue
V67068
ISBN (ebook)
9783638593571
ISBN (Livre)
9783656778257
Taille d'un fichier
466 KB
Langue
allemand
Mots clés
Thomas, Manns, Venedig, Schauplätze, Motive, Verfalls
Citation du texte
Anonyme, 2004, Thomas Manns: "Der Tod in Venedig" - Schauplätze und Motive des Verfalls, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67068

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