Berufsfindung als zentrale Aufgabe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen


Seminar Paper, 2006

23 Pages, Grade: 1,7


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Gliederung

1. Problemstellung

2. Berufswahltheorien und –ansätze
2.1. Der Differentialpsychologische Ansatz (Trait-and-Factor-Theorie)
2.2. Entwicklungspsychologische Theorien
2.2.1. Der Ansatz Ginzbergs
2.2.2. Die Theorie von Super
2.3. Psychodynamische Theorien
2.3.1. Die Theorie von Bordin und seinen Mitarbeitern
2.3.2. Die Theorie von Roe
2.4. Die Typologische Theorie von Holland
2.5. Soziologische Ansätze

3. Literatur

1. Problemstellung

Berufsfindung, Berufswahl, Berufsausübung, spätere berufliche Anpassung oder Umorientierung sind Themen, denen sich kaum ein Mitglied der modernen Gesellschaft entziehen kann. Vor allem die Analyse des ersten prägenden Schrittes in diese Richtung, die Berufsfindung, ist von besonderem Interesse, da hier die Weichen für die weitere berufliche Entwicklung gestellt werden.

Die Berufsfindung fällt in die Adoleszenz, eine Entwicklungsphase, in der Autonomie und die Ausbildung einer Ich-Identität angestrebt werden. Da Berufstätigkeit u.a. finanzielle Unabhängigkeit und die Einordnung des Individuums in die Gesellschaft ermöglicht, ist es nicht überraschend, dass verschiedene Untersuchungen der letzten Jahre ergaben, dass die berufliche Zukunft von den Jugendlichen und jungen Erwachsenen auch selbst als zentral erachtet wird (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2003).

Die Berufsarbeit hat sich stark gewandelt: zunächst durch die Industrialisierung, welche Arbeitsteilung, Bürokratisierung sowie die Entstehung neuer Industriezweige und Berufe mit sich brachte und schließlich durch den Übergang zu einer Informations- und Dienstleistungsgesellschaft. Auch wenn der mittlerweile ständige und immer schneller sich vollziehende Wandel zur Folge hat, dass der einmal gewählte Beruf nicht mehr der ein Leben lang ausgeübte bleibt, „der Beruf ist und bleibt auch in absehbarer Zukunft die Startposition, von der aus Spezialisierung, Aufstieg, Neuorientierung, Berufs- oder Betriebswechsel überhaupt erst möglich werden. Damit wird die Bedeutung der Berufswahl für jeden jungen Menschen an der Schwelle von der Schule ins Erwerbsleben hervorgehoben“ (learn:line).

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass der Berufsfindungsprozess deshalb so wichtig ist, weil nahezu jeder Mensch diesen durchmacht, weil er eine hohe Priorität in der Adoleszenz genießt und weil er zu einer für das Leben so bedeutsamen Aufgabe hinführt: der Berufstätigkeit. Dies macht eine Auseinandersetzung mit dem Thema ausgesprochen interessant und wichtig. Im Rahmen dieser Arbeit soll daher die Frage geklärt werden, wodurch dieser Prozess eigentlich bestimmt wird, dem sich Jugendliche und junge Erwachsene gegenübersehen.

Zur Erklärung bietet die Wissenschaft eine Fülle von Berufswahltheorien an. Einige davon werden auf den folgenden Seiten vorgestellt. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, alle je veröffentlichten Theorien und Ansätze zum Berufswahlprozess darzulegen. Daher wurde unter folgenden Aspekten eine Auswahl getroffen: Einige Theorien wurden erläutert, weil sie im Vergleich sehr unterschiedlich argumentieren und dadurch das Themengebiet umfassend umspannen, einige weil auf sie häufig Bezug genommen wurde und einige auch deshalb, weil sie den Ausgangspunkt für aufbauende Forschungsansätze boten. Die folgenden Seiten machen also ebenfalls deutlich, dass und inwiefern sich die Konzepte der Wissenschaft unterscheiden.

Im Kontext mit dem Berufsfindungsprozess ist die Untersuchung auf geschlechtsspezifische Unterschiede im Berufsfindungsprozess sicherlich ebenfalls interessant, jedoch aufgrund der Komplexität des Aspekts zu umfangreich, um in diese Arbeit integriert werden zu können.

2. Berufswahltheorien- und ansätze

2.1 Der differentialpsychologische Ansatz (Trait-and-Factor-Theorie)

In der wissenschaftlichen Literatur sind verschiedene Einteilungen der Berufswahltheorien zu finden. Die folgende Arbeit orientiert sich an der von Seifert vorgenommenen (vgl. Seifert 1977, S. 173-260).

Der differentialpsychologische Ansatz in seiner klassischen Form geht „davon aus, dass für jedes Individuum ein Beruf in dieser Gesellschaft vorhanden ist, der dessen Berufung entspricht und den zu finden die Berufsberatung unterstützend eingreifen soll.“ (Braun/Hartmann 1984, 11) Beruflicher Erfolg und Zufriedenheit sind annahmegemäß umso größer, je größer die Übereinstimmung zwischen individueller Eignung und beruflichen Anforderungen. Die Berufswahl wird als einmalige Entscheidung betrachtet, die zu einem bestimmten Zeitpunkt im Leben eines Menschen zu treffen ist und zwar im Rahmen eines rationalen Entscheidungsprozesses - entweder durch das Individuum selbst oder durch einen Berufsberater. (vgl. Seifert 1977, S. 176)

Aus dem Ansatz in der klassischen Form entwickelte sich der Trait-and-Factor-Ansatz, der sich folgendermaßen beschreiben lässt: „Die menschlichen Eigenschaften (traits) lassen sich mit den Methoden der differentiellen Psychologie (z.B. eigenschaftstheoretisch-faktorenanalytisch; daher der Begriff factor) herausarbeiten. Ebenso lassen sich Berufe in einem ähnlichen differential-psychologischen Modell klassifizieren.“ (Zihlmann 2001, S. 1) Die Aufgabe der Berufsfindung besteht somit auch bei diesem Ansatz darin, die richtige Person an den richtigen Ort zu bekommen, indem eine Person mit ihren individuellen Persönlichkeitsmerkmalen mit Berufen zusammengeführt wird, die diese Merkmale in der Ausübung erfordern. Zu den vorrangig betrachteten Persönlichkeitsmerkmalen zählen hierbei Eignung, Interessen, Neigungen nachgeordnet jedoch auch Aspekte wie Leistungsmotivation, Anspruchsniveau, Umstellungsfähigkeit, Risikoverhalten. (vgl. auch Scheller 1976, S. 25-28)

Die vorher sehr strikte Annahme, dass jeder Mensch nur für einen Beruf wirklich geeignet ist, weicht also beim Trait-and-Factor-Ansatz der neuen Erkenntnis, jeder Mensch sei für eine oder sogar mehrere Berufs g ruppen geeignet. Außerdem werden für die berufliche Zufriedenheit nun neben der Eignung auch Persönlichkeitsmerkmale verantwortlich gemacht, die vorher irrelevant in der Betrachtung waren, wie beispielsweise Interessen und Neigungen. Ein weiterer Unterschied besteht in der Annahme, dass nicht einzelne Fähigkeiten, sondern ein Gefüge aus einzelnen, mit einander in Wechselwirkung stehenden, Fähigkeiten, für die Befähigung zur Erlernung und Ausübung eines Berufs ausschlaggebend ist. (vgl. auch Seifert 1977, S. 177)

Der Trait-and-Factor-Ansatz fand praktische Verwendung in der Berufsberatung. Dafür entwickelten beispielsweise Parson 1909 und Williamson 1939 Schemata für die Vorgehensweise des Berufsberaters, die diesen zunächst anleiteten den Ratsuchenden und im Anschluss die Berufe umfassend im Hinblick auf ihre Eignung zu erforschen, um letztlich beides in bestmöglicher Weise zusammenzuführen. (vgl. Scheller 1976, S. 23-24)

Der differential-psychologische Ansatz wurde vielfach in empirischen Untersuchungen überprüft und kritisiert. Beanstandet wurde vor allem die Betrachtung der Individuen und Berufe als statisch, so als gäbe es keine Beeinflussung und Veränderung des Menschen durch sein berufliches Umfeld oder einen Wandel der Berufe durch technischen Fortschritt. Die Darstellung der Berufswahl als einen einmaligen und punktuellen Akt im Leben eines Individuums, der vergangenen Entscheidungen und Erlebnissen den Einfluss auf künftige Entscheidungen in Bezug auf die Karriere gänzlich abspricht, ist ebenfalls ein häufig vorgebrachter Kritikpunkt. Zwar fand der Trait-and-Factor-Ansatz praktische Anwendung in der Berufsberatung, geriet aber teilweise in Verruf, die Klienten mit Informationen über sich und die geeigneten Berufe derart zu überfluten, dass diese sie nicht in optimaler Weise verarbeiten und umsetzen konnten und die Berufsberatung somit nicht ihre Aufgabe erfüllte. Auch wenn die vorgebrachten Kritikpunkte gravierend sind, flossen einige Elemente des Trait-and-Factor-Ansatzes in eine ganze Reihe Berufswahltheorien ein, wie z.B. in die Arbeiten von Roe und Super, die zu einem späteren Zeitpunkt noch betrachtet werden. (vgl. auch Scheller 1976)

2.2 Entwicklungspsychologische Theorien

2.2.1. Der Ansatz Ginzbergs

Während der in Kapitel 2.1. behandelte differentialpsychologische Ansatz die Berufswahl als Einmalereignis in der Biographie eines Menschen ansieht, gehen entwicklungspsychologische Theorien davon aus, dass das Individuum eine Reihe berufsbezogener Entscheidungen in unterschiedlichen Lebensstadien trifft.

Eli Ginzbergs Konzeption zum Prozessablauf der Berufswahl, die zu Beginn der 1950er Jahre entstand, lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Der geschilderte Entwicklungsprozess umfasst ungefähr 10 Jahre, innerhalb derer zahlreiche berufliche Entscheidungen getroffen werden, die untereinander in Beziehung stehen. Der Prozess ist weitgehend irreversibel, was bedeutet, dass aktuelle Entscheidungen auch künftige beeinflussen und den Entscheidungsspielraum des Individuums mit jeder weiteren Berufsentscheidung weiter einschränken. Bereits Entscheidungen, die in Zusammenhang mit der Schulbildung getroffen werden, können somit weitgehend irreversible Folgen für die berufliche Zukunft haben. An dieser Stelle sei auf zwei Formen der Irreversibilität hingewiesen: objektive und subjektive. Unter erstgenannter ist zu verstehen, dass Entscheidungen aufgrund sozialer Normen wie dem Schul- oder Berufssystem nicht umkehrbar sind, weil beispielsweise die Durchlässigkeit zwischen Schulzweigen gering ausgeprägt ist. Unter letztgenannter ist zu verstehen, dass die Entscheidungen für das Individuum von einem gewissen Punkt an irreversibel sind, weil die zeitlichen und finanziellen Investitionen in eine bestimmte berufliche Zukunft zu groß sind, um noch aufgegeben zu werden (vgl. Kohli 1973, S. 16-17). Nach Ginzberg entsteht die Irreversibilität vor allem aufgrund des wachsenden kumulativen Gewichts des Prozesses selbst, er argumentiert also vornehmlich mit der subjektiven Form der Irreversibilität. Außerdem geht die Konzeption Ginzbergs davon aus, der Prozess der Berufsfindung ende in einem Kompromiss zwischen Interessen, Neigungen, Wertvorstellungen und Möglichkeiten. Des Weiteren unterteilt Ginzberg den beruflichen Entwicklungsprozess in 3 Stufen und diese teilweise wiederum in Phasen (vgl. auch Scheller 1976, S. 32-33):

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Details

Title
Berufsfindung als zentrale Aufgabe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen
College
University of Frankfurt (Main)  (Fachbereich Wirtschaftswissenschaften)
Course
Seminar zum Thema "Jugendliche und junge Erwachsene im Übergang zum Berufsleben"
Grade
1,7
Author
Year
2006
Pages
23
Catalog Number
V67230
ISBN (eBook)
9783638601962
ISBN (Book)
9783656798071
File size
2500 KB
Language
German
Keywords
Berufsfindung, Aufgabe, Jugendlichen, Erwachsenen, Seminar, Thema, Jugendliche, Erwachsene, Berufsleben
Quote paper
Alexandra Anna-Maria Gewiese (Author), 2006, Berufsfindung als zentrale Aufgabe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67230

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