[...] Galt die Jugendtragödie nach seiner schriftlichen Publikation 1891 lediglich als Pornographie, so wurde sie nach ihrer Uraufführung fünfzehn Jahre später in Berlin als Warnung vor einer entnaturierten Gesellschaft gesehen. Mit der Verbreitung der Sexuallehre Freuds fand zunächst die Behauptung, Jugendliche und auch Kinder, besäßen eine Sexualität, Schritt für Schritt Anerkennung in der Gesellschaft. Auch die verbreitete Doppelmoral der Erwachsenen, welche in der Wilhelminischen Ära die für Männer erfahrbaren Möglichkeiten der käuflichen Triebbefriedigung außerhalb der Ehe tolerierten, wurde mit Begin des 20. Jahrhundert enttarnt und kritisiert. Das Stück Frühlings Erwachen stellte in der öffentlichen Meinung die Folgen der Prüderie und sexuellen Unterdrückung für die Adoleszierenden dar. Diese Folgen wurden zunächst als Perversionen der sexuellen Norm wahrgenommen, welche in der naturfernen Erziehung der Jugendlichen begründet lägen. Die Literaturkritik sah in den sexuellen Handlungen der Adoleszierenden entartete Sexualität, die aus der Verschweigungshaltung der bürgerlichen Gesellschaft resultierte. In Anbetracht der Tatsache, dass Wedekind auf dem neuesten Stand der zeitgenössischen Sexualpsychologie gewesen ist, stellt sich die Frage, inwiefern auch die soziologischen Aspekte der Adoleszenz in seiner Tragödie umgesetzt wurden. Da bis heute nicht geklärt ist, ob Wedekind von Freud lernte oder gleichzeitig mit ihm zu den selben Schlussfolgerungen über die Sexualität von Jugendlichen kam, ist es nicht Bestandteil dieser Arbeit, herauszufinden, ob seine Ausführungen auf ihm bekannten wissenschaftlichen Vätern basiert. Im Zentrum dieser Arbeit soll die Frage stehen, welche Phänomene der männlichen Sozialisation im Stück Erwähnung finden und inwiefern sie durch den aktuellen Forschungsstand wissenschaftlich belegbar sind. Die Beschränkung auf die männliche Sozialisation erfolgt auf der Basis, dass die männlichen Jugendlichen zunächst zahlreicher sind als die weiblichen und dass wesentlich mehr Szenen eine rein männliche Gruppe oder ein männliches Paar darstellen. Um die sexuellen Aspekte der männlichen Sozialisation hinreichend analysieren zu können, müssen zuvor Rahmenbedingungen wie der einzuübende Geschlechtshabitus und der Einfluss der Peer Group auf die sexuellen Erlebnisse erläutert werden. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Aneignung des männlichen Geschlechtshabitus
- Peer Groups
- Der männliche Geschlechtshabitus
- Risikohandeln
- Die Schülerrolle
- Sexuelle Aspekte der männlichen Sozialisation
- Der Abhängigkeits-Autonomie Konflikt
- Heterosexualität und Gewalt
- Homosexualität als Lösung
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die Darstellung der männlichen Sozialisation in Frank Wedekinds Frühlings Erwachen. Sie untersucht, welche Phänomene des männlichen Erwachsenwerdens im Stück gezeigt werden und inwieweit diese durch den aktuellen Forschungsstand wissenschaftlich belegbar sind.
- Die Rolle von Peer Groups in der Adoleszenz
- Die Aneignung des männlichen Geschlechtshabitus
- Der Konflikt zwischen Abhängigkeit und Autonomie
- Die Darstellung von Sexualität und Gewalt
- Die Bedeutung von Homosexualität in der männlichen Sozialisation
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Kontext von Wedekinds Frühlings Erwachen dar und führt in die Thematik der sexuellen Aspekte der männlichen Sozialisation ein.
Das Kapitel "Die Aneignung des männlichen Geschlechtshabitus" analysiert die Rolle von Peer Groups und die Herausforderungen, die männliche Jugendliche bei der Konstruktion ihrer Geschlechtsidentität erfahren.
Im Kapitel "Sexuelle Aspekte der männlichen Sozialisation" werden die verschiedenen Facetten der sexuellen Entwicklung im Stück beleuchtet, darunter der Konflikt zwischen Abhängigkeit und Autonomie, die Darstellung von Heterosexualität und Gewalt sowie die Bedeutung von Homosexualität in der männlichen Sozialisation.
Schlüsselwörter
Männliche Sozialisation, Geschlechtshabitus, Peer Groups, Frühlings Erwachen, Frank Wedekind, Sexualität, Adoleszenz, Abhängigkeits-Autonomie Konflikt, Heterosexualität, Gewalt, Homosexualität.
- Quote paper
- Ines Ramm (Author), 2006, Sexuelle Aspekte der männlichen Sozialisation in Frank Wedekinds Frühlings Erwachen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67604