Die Kaliningrader Sonderwirtschaftszonen der letzten 15 Jahre im Vergleich


Presentation (Elaboration), 2006

20 Pages, Grade: 2,5


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die freie Wirtschaftszone „Jantar“
2.1 Das Gesetz
2.2 Gründe für das Scheitern der feien Wirtschaftszone Jantar

3. Das Gesetz „Über die Sonderwirtschaftszone im Kaliningrader Gebiet“
3.1 Das Gesetz
3.2 Bewertung des Gesetzes „Über die Sonderwirtschaftszone im Kaliningrader Gebiet“

4. Ein dritter Anlauf mit neuen Schwerpunkten für die Sonderwirtschaftszone

5. Bewertung des neuen Gesetzes, der aktuellen Situation und Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Nicht erst seit dem politischen Umbruch in der Sowjetunion, herbeigeführt durch die Perestroika-Bewegung, und die darauf folgende Abspaltung der baltischen Staaten, besitzt Kaliningrad einen Sonderstatus unter den russischen Gebieten. Dieser ist sicherlich nicht ausschließlich durch die Tatsache zu erklären, dass Kaliningrad durch die neue politische Ordnung zu einer Enklave, bzw. einer Exklave Russlands geworden ist. Die Gründe für die Sonderstellung Kaliningrads sind selbstverständlich auch auf historischer Ebene zu suchen. Früher Hauptstadt Ostpreußens und Residezstadt der preußischen Monarchie, wurde sie nach 1945 Teil der Sowjetunion. Die deutsche Bevölkerung wurde fast vollständig vertrieben oder umgesiedelt und es fand eine staatlich gelenkte Ansiedlung sowjetischer Bürger und Bürgerinnen statt. Zudem wurde das Gebiet als militärischer Vorposten Russlands zum militärischen Speergebiet erklärt. Die gesamte Industrieansiedlung war dadurch stark auf militärische Belange ausgerichtet. Erst im Zuge der Perestroika-Bewegung wurde das Speergebiet aufgehoben und wieder frei zugänglich. Diese politische Instrumentalisierung des Gebietes hatte weit reichende politische, gesellschaftliche und auch wirtschaftliche Folgen für das gesamte Gebiet. Die Auswirkungen sind bis heute präsent.

Nachdem Kaliningrad zu einer Enklave geworden ist, musste Moskau auf die wirtschaftlichen Probleme, welche sich durch diese besondere Situation ergaben, reagieren. Die Folgen waren insbesondere die Einrichtung verschiedener Sonderwirtschaftszonen für das Kaliningrader Gebiet. Rückblickend kann behauptet werden, dass die russische Wirtschaftspolitik sich diesbezüglich in erster Linie durch Inkonstanz auszeichnete.

Schwerpunkt dieser Arbeit wird es sein, die verschiedenen freien Wirtschaftszonen und Sonderwirtschaftszonen zu beschreiben und auch kritisch zu bewerten sowie Gründe für das Scheitern einzelner Regelungen zu suchen. Abschließend wird in sehr knapper Form zudem die neue Situation Kaliningrads geschildert und analysiert, in der sich das Gebiet durch die EU-Erweiterung von 2004 befindet.

2. Die freie Wirtschaftszone „Jantar“

Nachdem Kaliningrad 1991 die einzige gemeinsame Grenze zum russländischen Mutterland durch die Unabhängigkeit Litauens verloren hatte, dauerte es nicht lange bis erste Politiker die Einrichtung einer Sonderwirtschaftszone für dieses Gebiet einforderten. Die Notwendigkeit war offensichtlich:

Durch den Verlust der territorialen Verbindung mit dem Mutterland musste Kaliningrad wirtschaftlich auf eigenen Beinen stehen. Die nun zu erwartenden Schwierigkeiten bei dem Zugang zu einem so großen Markt, wie ihn das Mutterland besaß, ist nur ein Aspekt, welcher den berechtigten Anlass zu der Vermutung gab, dass Kaliningrad in wirtschaftlicher Hinsicht vor schwierigen Zeiten stand.

2.1 Das Gesetz

Nachdem bereits 1990 erste Wissenschaftler und Fachleute die Einrichtung einer Sonderwirtschaftszone empfahlen[1], folgte die Regierung der russländischen Föderation unter Präsident Boris Jelzin dieser Empfehlung bereits 1991. Am 25. September jenen Jahres wurde nach langen und zahlreichen Diskussionen der Beschluss gefasst in Kaliningrad die „Freie Wirtschaftszone Jantar“[2] einzurichten.[3] Die Euphorie war zunächst außerordentlich: Es wurde vom „Hongkong Russlands“[4] und vom „Hongkong an der Ostsee“[5] gesprochen.

Ziel der Einrichtung dieser freien Wirtschaftszone war es, das Territorium sowohl für russische, als auch für ausländische Investoren attraktiv zu machen und so Wirtschaftskraft in der Region aufzubauen. Dies sollte durch folgende, besonders liberale Vorteile geschehen:

„ - die Gewinnsteuer sollte für produzierende Betriebe im Laufe von fünf Jahren gestundet werden;
- für exportierende Betreibe sollte die Gewinnsteuer um 50 Prozent reduziert werden;
- im Gebiet produzierte Waren wurden von Ausfuhrzöllen befreit;
- für den Gebrauch in Kaliningrad importierte Waren wurden zehn Jahre lang von Einfuhrzoll und Mehrwertsteuer befreit;
- die oberste Zollbehörde war nicht berechtigt, ohne Abstimmung mit der Kaliningrader Administration Normative für den Warenverkehr von und nach Kaliningrad zu erlassen.“[6]

Diese freie Wirtschaftszone im Nachhinein als Erfolg zu bewerten, wäre übertrieben, wenn auch ein kleiner wirtschaftlicher Aufschwung herbeigeführt wurde. 1994, also rund drei Jahre nachdem die die Sonderwirtschaftszone „Jantar“ eingerichtet wurde, waren es immerhin 689 Firmen mit ausländischer Beteiligung, welche im Kaliningrader Gebiet registriert waren. 518 davon waren so genannte Jointventures mit russischen Unternehmen.[7] Doch just zu dem Zeitpunkt, zu dem eine beginnende Konjunktur festgestellt werden konnte, wurde jene Sonderwirtschaftszone von der russischen Regierung um Boris Jelzin überraschenderweise wieder aufgelöst. Die meisten Unternehmen, welche sich in den vorangegangenen drei Jahren dazu durchgerungen hatten in Kaliningrad zu investieren, verließen das Land daraufhin wieder.[8]

2.2 Gründe für das Scheitern der feien Wirtschaftszone Jantar

Auch wenn offensichtlich ist, dass es sicherlich unvorteilhaft für die Entwicklung des Gebietes war, dass jene freie Wirtschaftszone so abrupt und unerwartet aufgelöst wurde, kann man dennoch ebenso wenig behaupten, dass die wirtschaftliche Entwicklung Kaliningrads mit diesen Regelungen auf dem richtigen Weg gewesen wäre. Die Anzahl der sich in diesem Zeitraum im Gebiet angesiedelten Unternehmen blieb doch stark hinter den Erwartungen zurück, welche 1991 noch durch Schlagwörter wie die des „russischen Hongkongs“ zum Ausdruck gebracht wurden. Die Gründe dafür sind vielfältig und an dieser Stelle sicherlich nur ansatzweise zu erörtern.

Als Hauptgrund muss die politische Situation Russlands zu jener Zeit genannt werden. Nach dem Zerfall der Sowjetunion gab es viele verschiedene Schauplätze extremster politischer Veränderungen. Das Augenmerk wurde deshalb vermutlich nicht in dem Maße auf die Entwicklung Kaliningrads gerichtet, wie es für das Gebiet von Nöten gewesen wäre. Die Privatisierung der Wirtschaft war in vollem Gange, Politiker und Wirtschaftsbosse kannten sich aus alten Zeiten und kooperierten auf einer Ebene, welche sich nicht mit marktwirtschaftlichen Grundregeln vereinbaren lässt und ehrliche Geschäftsleute hatten unter eben jenen Vorraussetzungen zu leiden.[9] Bei der Privatisierung der Wirtschaft wurde sich ebenfalls allzu selten an die Spielregeln gehalten und der Ablauf der Privatisierung verselbstständigte sich in gewisser Weise[10]. Dies war zwar keineswegs ein Kaliningrader Phänomen, sondern im gesamten Russland zu beobachten, führte jedoch dazu, dass ausländische Investoren im Kaliningrader Gebiet zu diesem Zeitpunkt nicht unbedingt in dem Maße willkommen geheißen wurden, wie es der Gesetzentwurf zur freien Wirtschaftszone mit seinen liberalen Vorzügen zunächst vermuten lässt. Schließlich konnte außenstehenden Geschäftsleuten immer auch die Rolle eines unabhängigen Beobachters dieses Transformationsprozesses zugeschrieben werden. Weiterführend war sogar denkbar, dass ausländische Investoren mit ihrem Kapital in die Privatisierung selbst eingriffen und sich dabei begehrenswerte Anteile der zu privatisierenden Wirtschaft sicherten.[11] Auch dies war von den ortsansässigen und involvierten Politikern sowie Geschäftsleuten natürlich nicht erwünscht. Heike Dörrenbacher spricht diesbezüglich von einer „hohen Rechtsunsicherheit und ambivalenten Haltung der russische Regierung gegenüber ausländischen Investoren“[12]

Ein weiterer Grund für die Erfolglosigkeit der freien Wirtschaftszone ist in der ineffektiven Verwaltung zu suchen. Verschiedene Behörden mit unterschiedlichen Kompetenzen konkurrierten untereinander um machtpolitische Aspekte.[13] Grenz- und Verwaltungsorgane zeichneten sich durch ein hohes Maß an Korruption aus, was dazu führte, dass Waren zumeist illegal und somit zollfrei in-. und exportiert wurden. Eine auf marktwirtschaftlichen Aspekten fußende Buchhaltung existierte in den meisten Unternehmen nicht und kaum ein Unternehmen machte auf dem Papier Gewinne, um so die Steuern zu umgehen.[14] Die besonderen Vergünstigungen der freien Wirtschaftszone, welche u. a. auf die Verminderung der Gewinnsteuer sowie auf die Befreiung von der Import- und Exportzöllen abzielten, waren somit überflüssig, da sie in der Realität überhaupt nicht benötigt wurden.

Ein grundsätzlich anderes strukturelles Defizit in der Verwaltung ist auf anderer Ebene zu suchen: Erfahrungen und Untersuchungen zu diversen Sonderwirtschaftszonen haben gezeigt, dass Zonen am effektivsten arbeiten können und damit einhergehend am erfolgreichsten sind, die von den lokalen Behörden eingerichtet und verwaltet werden und die zuständige Zentralregierung zu den einzelnen Vorschlägen lediglich ihr Einverständnis zu geben hat .[15] Auch dieser für den Erfolg einer Sonderwirtschaftszone offensichtlich sehr bedeutende Aspekt, war in der freien Wirtschaftszone Jantar nicht gegeben. Denn es war die russische Zentralregierung, welche die gesetzlichen Vorgaben für diese Zone schuf und die lokale Administration lediglich mit den Verwaltungsaufgaben beauftragte, welche diese ebenfalls nicht zufrieden stellend gewährleisten konnte.

Noch ein weiterer Grund für die Erfolglosigkeit der freien Wirtschaftszone ist in den infrastrukturellen Gegebenheiten zu suchen. Heike Dörrenbacher beschreibt an Hand des Beispieles der Infrastruktur überzeugend, wie vermeintliche Vorteile des Gebietes sich später als Nachteil entpuppten. So habe 1992 das „Komitee zur Entwicklung der Sonderwirtschaftszone Jantar“ die infrastrukturellen Gegebenheiten als Vorteil der Region gegenüber anderen Regionen genannt. De facto seien die Häfen, Flughäfen und Straßen jedoch in einem so schlechten Zustand gewesen, dass sie sich später als Nachteil herausstellten.[16] Des Weiteren sei die gesamte Infrastruktur, auf militärische Belange ausgerichtet gewesen.[17] Dies ist nicht verwunderlich, da Kaliningrad doch lange Zeit militärisches Speergebiet gewesen ist. Diese Infrastruktur in einer Studie dann jedoch als wirtschaftlichen Vorteil zu nennen, entsprach nicht den Gegebenheiten.

Heike Dörrenbacher macht in dieser Studie, welche bei der Einrichtung der freien Wirtschaftszone als Grundlagenstudie verwendet wurde, einen Grund für ihre fehlende Funktionalität aus. Nicht nur die Infrastruktur, sondern auch andere Aspekte, wie z.B. das bestehende Investitionsklima und andere vermeintliche komparative Vorteile seien in ihr viel zu positiv bewertet wurden.[18]

Abschließend bleibt festzuhalten, dass eine auf marktwirtschaftliche Bedingungen ausgerichtete Sonderwirtschaftszone keinen Erfolg haben konnte, da wirkliche marktwirtschaftliche Bedingungen zu dieser Zeit nur in geringstem Ausmaß existierten. Des Weiteren bleibt zu erwähnen, dass natürlich Moskau die entscheidenden Impulse für das Scheitern gab, indem sie die Bedingungen für diese freie Wirtschaftszone diktierten, der lokalen Administration keine Möglichkeit für Nachbesserungen gaben und zudem die freie Wirtschaftszone äußerst überraschend wieder auflösten, als diese gerade anfing, erste wirtschaftliche Erfolge zu verbuchen.

3. Das Gesetz „Über die Sonderwirtschaftszone im Kaliningrader Gebiet“

Nachdem die „freie Wirtschaftszone Jantar“ 1995 überraschend von der Moskauer Regierung um Boris Jelzin aufgelöst wurde, war offensichtlich, dass es eine neue und andere Lösung für die wirtschaftlichen Nachteile des Kaliningrader Gebietes geben musste. Nur ein Jahr später wurde daher das Gesetz „Über die Sonderwirtschaftszonen im Kaliningrader Gebiet“ erlassen. Dieses Gesetz trat am 22. Januar 1996 in Kraft. Es besteht aus vielen verschiedenen Verordnungen und Erlassungen, welche teilweise auch zu späterer Zeit erweitert wurden.[19] Diese Erweiterungsgesetze übertrafen in der Anzahl alle vergleichbaren Gesetze für andere russische Regionen und konnten dennoch die ihnen zu Grunde liegenden Probleme kaum beseitigen.[20]

[...]


[1] Stein, Stephan: Aufstieg, Fall und Neuanfang – Zehn Jahre Sonderwirtschaftszone in Kaliningrad, in: Osteuropa – Die Zukunft Kaliningrads – Konfliktschichten und Kooperationsfelder, 53. Jahrgang, Heft 2-3, 2003, S.353

[2] „Jantar“ bedeutet übersetzt „Bernstein“

[3] Stein, 2003, S. 354

[4] „Kaliningrad wollte 1991 das Hongkong Russlands werden“, Artikel vom 07.04.2005 in Kaliningrad-Aktuell, nachzulesen unter: http://www.aktuell.ru/kaliningrad/lexikon/sonderzone/kaliningrad_wollte_1991_das_hongkong_russlands_werden_1.html

[5] Stein, 2003, S.353

[6] Stein, 2003, S.354

[7] ebd.

[8] ebd., S.354f

[9] ebd., S.355

[10] vgl.: Freeland, Chrystia: Sale of the century – The inside story of the Russian revolution, 2000

[11] Stein, 2003, S.357f

[12] Dörrenbacher, Heike: Sonderwirtschaftszonen im Transformationsprozeß Rußlands : politische und ökonomische Erfolgsfaktoren und Erfolgshemmnisse am Beispiel der Sonderwirtschaftszone Jantar' im Kaliningrader Gebiet, 1995, S.164f

[13] Stein, 2003, S.356

[14] ebd., S.355f

[15] Kraus, Willy: Sonderwirtschaftszonen in einer sich globalisierenden Welt: Zur aktuellen Situation der russischen Exklave Kaliningrad, 2002, S.14f

[16] Dörrenbacher, Heike, 1995, S.163

[17] ebd.,.S.176

[18] ebd., S.163; eine ausführliche Auflistung der positiven und negativen Vorraussetzungen für die freien Wirtschaftszone Jantar findet sich bei Dörrenbacher in dem Kapitel 4.3: Weitere Erfolgsfaktoren und Erfolgshemmnisse für die Sonderwirtschaftszone Jantar im Kaliningrader Gebiet, S.161-197, sie unterscheidet dabei externe (Moskau-bezogene) und interne (Kaliningrad-bezogene) Faktoren

[19] Stein, 2003, S.358

[20] Timmermann, Heinz: Kaliningrad – Eine Pilotregion für die Gestaltung der Partnerschaft EU – Rußland?, in: Osteuropa, 51. Jahrgang, Heft 9/2001, S.1054

Excerpt out of 20 pages

Details

Title
Die Kaliningrader Sonderwirtschaftszonen der letzten 15 Jahre im Vergleich
College
University of Bremen
Course
Königsberg wird zu Kaliningrad - Mythen, Feindbilder und Interessen der sowjetischen Nachkriegspolitik
Grade
2,5
Author
Year
2006
Pages
20
Catalog Number
V67683
ISBN (eBook)
9783638604543
ISBN (Book)
9783656770985
File size
485 KB
Language
German
Notes
Auf Grund der Aktualität der Arbeit und fehlender russischer Zeitungen und Zeitschriften zu diesem Thema, wird außergewöhnlich häufig auf Internetquellen (Online-Zeitungen aus dem Kaliningrader Gebiet) als Referenz verwiesen.
Keywords
Kaliningrader, Sonderwirtschaftszonen, Jahre, Vergleich, Königsberg, Kaliningrad, Mythen, Feindbilder, Interessen, Nachkriegspolitik
Quote paper
Ingo Schultz (Author), 2006, Die Kaliningrader Sonderwirtschaftszonen der letzten 15 Jahre im Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67683

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Title: Die Kaliningrader Sonderwirtschaftszonen der letzten 15 Jahre im Vergleich



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