Usability Grows Up? Der Usability-Markt im deutschsprachigen Raum zwischen Wachstum und kritischer Diskussion


Diplomarbeit, 2006

143 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einführung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Aufbau der Arbeit

2. Grundgedanken der Usability
2.1 Was ist Usability?
2.1.1 Web-Usability
2.1.2 Usability-Evaluation
2.1.3 Evaluationsmethoden
2.1.3.1 Expertenorientierte Evaluationsmethoden
2.1.3.2 Benutzerorientierte Evaluationsmethoden

3. Usability in der Kritik
3.1 Diskussionsperspektiven
3.1.1 Die klassischen Kontroversen
3.1.1.1 Das Nielsen-Phänomen
3.1.1.2 Design versus Usability
3.1.1.3 Der Methodenkonflikt
3.1.1.3.1 Anzahl der Testteilnehmer
3.1.1.3.2 Ziel eines Usability-Tests
3.1.1.3.3 Usability-Tests im speziellen Labor
3.1.1.3.4 Usability-Test versus Experten-Review
3.1.1.3.5 Usability-Problemlösungen
3.1.1.4 Fazit
3.1.2 Fachliche Qualifikation und Zertifizierung
3.1.2.1 Normen und Verordnungen
3.1.2.3 Akkreditierung von Prüflaboren
3.1.2.2 Zertifizierung von Usability
3.1.2.4 Zertifizierung von Usability-Experten
3.1.3 Betriebswirtschaftlicher Aspekt
3.1.4 Discount Usability Methods
3.2 Fazit

4. Der Usability-Markt im deutschsprachigen Raum
4.1 Anbieter von Usability-Dienstleistungen
4.1.1 Usability-Unternehmen im deutschsprachigen Raum
4.1.2 Analyse der Angebote
4.1.2.1 Methodik und Vorgehen
4.1.2.2 Angebotsspektrum
4.1.2.3 Auswertung der Angebote
4.1.2 Kompetenzkriterien für Anbieter
4.2 Universitäten und Fachhochschulen
4.3 Fachtagungen, Organisationen, Verbände
4.3.1 Verbände und Organisationen
4.3.2 Fachtagungen
4.3.3 Regionale Stammtische und Mailinglisten
4.4 Berufsbild und Ausbildungsmöglichkeiten
4.4.1 Berufsbild des Usability-Professionals
4.4.2 Ausbildungsmöglichkeiten
4.5 Trendfaktor Usability
4.6 Fazit

5. Indikatoren für den Erfolg der Usability- Branche
5.1 Usability als Erfolgsfaktor im e-Commerce
5.2 Usability und mobile Anwendungen
5.3 Internationale Usability-Studien
5.4 Demografische Entwicklungen
5.5 Usability weltweit

6. Schlussbetrachtung

7. Literaturverzeichnis

Anhang

Eidesstattliche Versicherung

Abstract

Die vorliegende Diplomarbeit beschäftigt sich mit Kritiken und Diskussionsperspektiven der Usability sowie mit der Usability-Branche im deutschsprachigen Raum. Das kommerzielle Wachstum der Usability-Branche steht den vielfältigen Diskussionen rund um Usability kontrovers gegenüber. Die Branche ist gefragt und wirtschaftlich rentabel. Innovative Ausbildungsmöglichkeiten und Berufsbilder, Verbände und Kongresse zeugen von der voranschreitenden Entwicklung des jungen Dienstleistungssektors. Die Entwicklung des Internets, die technischen Innovationen in Bezug auf mobile Anwendungen und die demografische Entwicklung sind weitere Indikatoren, die darauf hinweisen, dass die Usability-Branche gute Chancen hat, sich trotz der kritischen Diskussionen als beständige Komponente am Dienstleistungsmarkt zu etablieren.

Schlagwörter: Usability, Usability-Branche, Usability-Markt, Usability-

Dienstleistungen, Diskussion, Kritik, Usability-

Professional, Usability-Trend

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Jakob Nielsen

Abbildung 2: Gefundene Usability-Probleme in Abhängig- keit von der Anzahl der Testpersonen

Abbildung 3: Anzahl der gefundenen Usability-Probleme bei Molichs CUE-Studien

Abbildung 4: Aufbau eines Usability-Labors

Abbildung 5: Gefundene Usability-Probleme der CUE-4- Studien, unterteilt nach Expertenevaluation und Usability-Test

Abbildung 6: Usability-Experten zur Frage der Zertifizierung

Abbildung 7: Internetauftritt der Firma Hable Usability Consulting KEG

Abbildung 8: Dienstleistungsangebot auf der Website der Firma Hable Usability Consulting KEG

Abbildung 9: Internetauftritt der Firma Experience Park

Abbildung 10: Dienstleistungsangebot auf der Website der Firma Experience Park

Abbildung 11: Logo des deutschen Usability-Verbandes

Abbildung 12: Branchenzugehörigkeit der an der Umfrage Usability-Trend beteiligten Personen

Abbildung 13: Entwicklung der Domains seit 1994

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Normenübersicht nach Machete/Burmester

Tabelle 2: Usability-Dienstleister im deutschsprachigen Raum

Tabelle 3: Übersicht der Dienstleistungsangebote in der Analysephase

Tabelle4: Übersicht der Dienstleistungsangebote in der Evaluations- und der Implementierungsphase

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

„Keiner kann sich rühmen, dass er etwas ohne Menschen zu machen imstande ist.“

[Albert Einstein]

1. Einführung

Eine Eingabe in die Suchmaschine google am 29. Juni 2005 mit den Suchbegriffen ´usability engineering´ + beratung mit der Einschränkung der Suche auf Seiten in Deutsch, ergab 4.820 Treffer und elf Anzeigen [vgl. Hassenzahl 2005, S. 30]. Die Ein­gabe der selben Suchbegriffe, ebenfalls mit der Suchmaschine google, nur neun Monate später am 11. April 2006 ergab 18.000 Treffer[1]. Die Suchergebnisse haben sich innerhalb von neun Mo­naten vervierfacht. Dieses Ergebnis spricht dafür, dass Usability auch im deutschen Sprachraum inzwischen von einer rein wissen­schaftlichen Disziplin zu einer praxisorientierten Thematik ange­wachsen ist, die auch für die Wirtschaft zunehmend relevant wird. Die neu entstehenden Ausbildungsmöglichkeiten, die Vielzahl von Presseberichten, die wachsende Zahl der Agenturen und Unter­nehmen, die Usability in ihr Angebotsspektrum aufgenommen haben und nicht zuletzt auch die wachsende Anzahl der Men­schen, die mit dem Wort Usability tatsächlich etwas anfangen können, zeugen von dieser Entwicklung [Manhartsberger/Mu-sil 2002, S. 40].

Vor allem für das World Wide Web ist Usability, oder auch Nutzungsfreundlichkeit, zum Schlagwort und auch zum Qualitäts­merkmal geworden. Usability nimmt in der Internet-Economy eine wichtigere Stellung ein als in der traditionellen Wirtschaft. Benutzerfreundlichkeit ist im Web entscheidend. Der potenzielle Kunde erlebt zuerst die Usability eines Webauftrittes, bevor er sich darauf einlässt, die Website regelmäßig zu besuchen und über diese Website ein Produkt zu kaufen. [vgl. Nielsen 2001, S. 10]. Geringe Wiederbesuchsraten und damit zurückgehende Umsätze für Unternehmen hat viele Informationsmanager dazu bewogen, sich verstärkt mit Web-Usability zu beschäftigen [vgl. Jacobsen 2003].

1.1 Problemstellung

Dem voranschreitenden Wachstum des Usability-Marktes stehen die seit Jahren anhaltenden kritischen Diskussionen rund um das Thema Usability gegenüber. Experten und Laien disku­tieren in Fachzeitschriften, im Web und in Vorträgen, ob, wie und warum Usability-Tests und Usability im allgemeinen nützlich sind oder nicht. Die vorliegende Diplomarbeit will beide Themenberei­che, sowohl den rasch wachsenden Usability-Markt als auch die kritischen Stimmen aufgreifen und näher beleuchten.

Der Haupttitel der Diplomarbeit Usability grows up? ist der Über­schrift eines Artikels von Aaron Marcus entnommen, der in der Fachzeitschrift Interactions erschienen ist [vgl. Marcus 2005]. Dieser Artikel gibt eine Debatte zwischen Eric Schaeffer, Präsident der Human Factors International (HFI) und Jared Spool, Präsident der User Interface Engineering (UIE) wieder, die die globale Entwicklung von Usability bzw. Usability-Testing aufgreift. Während Spool die Ansicht vertritt, dass mehr Usability-Experten und mehr Geld nicht unbedingt proportional höhere Usability versprechen, möchte Schaeffer Usability in größerem Umfang betreiben als bis­her, um den Ansprüchen von internationalen Unternehmen ge­recht zu werden. Die Diskussionsfelder innerhalb des Usability-The­mas sind vielfältig und reichen von den Testmethoden, über die Ergebnisberichte, Normen und Standards bis hin zur Debatte um die Zertifizierung von Usability-Professionals und die Frage, in wel­chem Maße Usability-Testing betrieben werden soll.

Dem gegenüber steht das Voranschreiten der Kommer­zialisierung von Usability. Die Wirtschaft hat das Potential von Usability für den Multimediamarkt, insbesondere für das Internet, entdeckt. Studien belegen, dass eine hohe Usability vor allem für den E-Commerce-Bereich von Vorteil ist [vgl. Theuner 2002]. Im deutschsprachigen Raum sind in den letzten Jahren immer mehr Anbieter von Usability-Leistungen am Markt erschienen. Viele In­ternetagenturen und -unternehmen haben das Thema bereits aufgegriffen und in ihr Portfolio aufgenommen. Es entstand in den letzten Jahren ein eigenständiges Berufsbild unter je nach Schwerpunktsetzung wechselnden Bezeichnungen wie Human Factors Specialist, Usability Consultant, Usability Engineer usw. [Harloff 2005 S. 45].

1.2 Zielsetzung

Die vorliegende Diplomarbeit soll aufzeigen, dass der noch junge Dienstleistungssektor Usability im deutschsprachigen Raum, trotz kritischer Diskussionen um Usability, gute Chancen aufweist, sich auch zukünftig erfolgreich als eigenständige Branche am Dienstleistungsmarkt zu etablieren.

Die Eigenschaften und Kennzeichen der Usability-Branche, die Besonderheiten und Vielfalt der angebotenen Dienstleistungen sowie die Entwicklung der Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten sollen zusammengetragen werden, um einen authentischen und umfassenden Blick auf den Usability-Markt im deutschsprachigen Raum zu werfen. Die Erarbeitung eines Überblicks über die wichtigsten Kritikpunkte der Usability und deren Diskussionen dient als Grundlage für eine transparente und kritische Sichtweise auf die Entwicklungen in dieser Branche.

Darüber hinaus sollen globale Indikatoren vorgestellt werden, die für die Zukunft dieses Dienstleistungssektors weisend sein können.

1.3 Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in fünf Teile bzw. fünf übergeordnete Kapitel. Die Einführung stellt den ersten Teil dar. Im zweiten Teil werden die Grundgedanken der Usability vorgestellt. Dafür sollen Definitionen vorgestellt sowie Me­thoden der Usability-Evaluation aufgezeigt werden. Danach werden im dritten Abschnitt auf der Grundlage von Fachliteratur die wichtigsten Diskussionspunkte der Usability aufgegriffen und disku­tiert.

Um einen Überblick über den Usability-Markt zu bekommen, werden im vierten Teil Unternehmen, die Dienstleistungen im Usability-Bereich anbieten, vorgestellt. Außerdem wird anhand von Literatur das Berufsbild eines Usability-Experten sowie Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten näher betrachtet. Eine Angebotsanalyse anhand der auf den Internetseiten von Usability-Dienstleistern offerierten Dienstleistungen der Unter-nehmen wird anschließend das Leis­tungsangebot der Usability-Branche skizzieren.

Im fünften Kapitel werden Indikatoren vorgestellt, die Hinweise darauf sein können, dass die Usability-Branche ein Markt mit Zukunft ist und durch die Diskussionen um die Notwendigkeit und die Verfahren der Usability nicht in seinem wirtschaftlichen Wachstum beeinträchtigt werden wird.

2. Grundgedanken der Usability

«Usability is the measure of the quality of the user experience when interacting with something–whether a Web Site, a traditional soft-ware application, or any other device the user can operate in some way or another» [Nielsen 1998, zit. nach Schweibenz/Thissen 2003, S. 41].

Bereits die Übersetzung des Wortes usability und auch das oben aufgeführte Zitat von Jakob Nielsen, amerikanischer Usabili­ty-Experte und Autor mehrerer Standwerke zum Thema Usability, lässt vermuten, dass sich hinter dem Begriff eine ganze Reihe von Ansätzen und Perspektiven verbergen [vgl. VON Gizycki 2002 S. 1]. Im Online-Wörterbuch Leo findet sich folgende Übersetzung für das englische Wort usability[2]: Bedienbarkeit, Brauchbarkeit, Benutzerfreundlichkeit sowie Nutzbarkeit.[3] Doch was versteckt sich genau dahinter, welche Reichweite hat Usability, woher kommt sie und wie wird sie interpretiert?

2.1 Was ist Usability?

Die internationale ISO-Norm 9241 definiert Usability, oder auch Gebrauchstauglichkeit, als die Effektivität, Effizienz und das Aus­maß der Zufriedenheit, mit denen bestimmte Benutzer spezifizierte Ziele in vorgegebenen Umgebungen erreichen [ISO 9241-11, zit. nach Manhartsberger/Musil 2001, S. 38]. Diese Definition der ISO-Norm von Usability ist allgemein gültig. Dabei liefert die Norm auch für die Begriffe Effektivität, Effizienz und Zufriedenheit allge­mein gültige Definitionen. Effektivität bedeutet:

«...die Genauigkeit und Vollständigkeit, mit der Benutzer ein be-stimmtes Ziel erreichen»[ISO 9241 – 11 96 Abschnitt „Definitionen“, zit. nach VON GIZYCKI 2002, S. 2].

Das bedeutet, dass einem Benutzer zunächst ein Bedürfnis bzw. eine Absicht unterstellt wird, ein bestimmtes Ziel, welches er ver­folgt. Ein effektives Produkt ermöglicht dem Benutzer, sein Ziel zu erreichen, unabhängig vom Aufwand den er betreiben muss, um dieses Ziel zu erreichen. Effizienz bedeutet, dass der Nutzer sein Ziel mit einem geringstmöglichen Einsatz erreichen kann:

«Der relevante Aufwand kann psychische oder physische Bean-spruchung, Zeit, Material oder monetäre Kosten enthalten»[ISO 9241 – 11 96 S. 8, zit. nach von Gizycki 2002 S. 3].

Mit der Zielerreichung soll der Nutzer ebenfalls zufrieden sein:

«Maße der Zufriedenheit beschreiben die Beeinträchtigungsfreiheit und die Akzeptanz der Nutzung. [...] Maße der Zufriedenheit können sich auf Einstellungen beziehen, ein Produkt zu benutzen, oder auf das Benutzerurteil über Aspekte wie Effizienz, Nützlichkeit und Lern­förderlichkeit» [ISO 9241 – 11 96 Abschnitt „5.3.4 Zufriedenheit“, zit. nach VON Gizycki 2002].

Mit Hilfe eines Produktes oder einer Maschine versucht ein Benutzer also, bestimmte Ziele effektiv, effizient und mit einem ge­wissen Maß an Zufriedenheit zu erreichen. Mit einer Maschine ist dabei nicht unbedingt ein Computer gemeint. Es kann ebenso ein Telefon oder eine Kaffeemaschine sein [vgl. Manhartsberger/ Musil 2001, S. 38]. Interaktive Produkte spielen in vielen Bereichen des täglichen Lebens eine wichtige Rolle, sei es bei der Arbeit, zu Hause, auf Reisen oder in der Freizeit. Folglich sind auch die Einsatzbereiche, in denen Usability eine Rolle spielen sollte, breit gefächert. Die I SO-Norm betont aber auch den Bezug zu den Benutzern, ebenso wie die oben zitierte Definition von Jakob Nielsen (1998), die den Nutzer in den Mittelpunkt stellt. Daraus folgt, dass Usability bedeutet, sich auf den Benutzer zu konzentrieren, denn benutzerfreundliche Produkte zu entwickeln, heißt die Benutzer zu verstehen [vgl. Schweibenz/Thissen 2003, S. 40ff].

Hassenzahl[4] (2005) beschreibt Usability als eine Qualität und stellt damit den betriebswirtschaftlichen Aspekt von Usability in den Mittelpunkt. Ein Mangel kann zu unerwünschten Kosten und Einbrüchen in der Kundenbindung führen. Hohe Qualität dagegen steigert Umsätze und Kundenloyalität [vgl. Hassenzahl 2005, S 26]. Dabei sollte Usability als Nutzungsqualität (Quality of Use) begriffen werden, da sich Usability um die Frage dreht, wie sich die Nutzung eines Systems durch eine bekannte Nutzergruppe und unter bekannten Bedingungen optimal gestal­ten lässt [vgl. MACHETE/Burmester 2003, S. 17]. Aber auch Hassenzahl (2005) betont die wichtige Rolle des eigentlichen Benutzers:

«Benutzer bauen beispielsweise Erwartungen an ein Produkt auf. Sie haben Gewohnheiten. Sie kennen vergleichbare Produkte. Und alles befindet sich quasi im „Kopf“ eines Benutzers und übt so seinen Einfluss auf die Passung zwischen Produkt und Benutzer aus»[Hassenzahl 2005, S. 27].

Erstmalig aufgetaucht ist Usability in den 70er Jahren. Psycho­logen begannen sich für die Gestaltung von Dialogsystemen zu interessieren. Um Systeme schneller und effizienter zu machen, wollten sie verstehen, was in den Köpfen von Benutzern der Host­systeme ablief, wie die Information verarbeitet wurde und wie die Menschen bei der Lösung von Problemen vorgingen. Ein Neben­produkt dieser Bewegung war die Beschäftigung mit der einfacheren Bedienung [vgl. Manhartsberger/Musil 2001, S. 32ff]. Was mit einer zunächst vornehmlich kognitionspsycholo­gisch orientierten Wissenschaft begann, entwickelte sich durch das rasante Voranschreiten technischer Möglichkeiten zur Inter­aktion mit computerbasierten Produkten, zu einem multidiszipli­nären Forschungsfeld mit vielen Facetten [vgl. Machete/Burmester 2003, S. 18].

2.1.1 Web-Usability

«Das Internet ist das perfekte Werkzeug, um dem Kunden mehr Macht zu geben» [Nielsen 2001, S. 9].

Usability nimmt in der Internet-Economy eine wichtigere Stel­lung ein als in der traditionellen Wirtschaft. Das Web, mit seiner ständig wachsenden Anzahl von Internetseiten, bietet dem Benutzer nicht nur eine größere Auswahl, sondern er macht zu­nächst Erfahrungen mit der Benutzerfreundlichkeit eines Webauf­trittes, bevor er diesen regelmäßig nutzt [vgl. SCHWEIBENZ/Thissen 2003, S. 14]. Ein Benutzer wird eine Internetseite nur dann regel­mäßig wieder benutzen, wenn er sich auf dieser Seite wohlfühlt, wenn er Nutzen aus dieser Seite ziehen kann und wenn er weiß, wie er diesen Nutzen erreichen kann. Für den Verkauf von Produk­ten über das Internet gilt dies umso verstärkter, da ein einmal ver­prellter potenzieller Kunde, welcher z. B. einen gewünschten Artikel nicht finden kann oder während eines Bestellvorgangs mit für ihn nicht erklärbaren Buttons, undurchsichtigen Handlungsab­läufen oder auch zu langen Wegen, die Bestellung frustriert ab­bricht, diese Seite nicht wieder besuchen wird. Qualität und Usability einer Website sind deshalb von großer Bedeutung für die Anbieter. Bestätigung dafür lieferte zum einen ein umfangreicher Usability-Test, den Gabriele Theuner, Professorin an der Fachhoch­schule Ludwigshafen, im Jahr 2000 durchgeführt hat. Sie testete die Usability der Webauftritte von acht Unternehmen mit 1450 Nutzern. Daraus zog sie das Fazit, dass Usability als ein Ausdruck des Grades an Kundenorientierung bezeichnet werden kann, denn für den Erfolg einer Website ist die Ausrichtung des Designs auf Nutzer wesentlich [vgl. Theuner 2000 S. 73]. Zum anderen machten aber auch die Unternehmen selbst positive Erfahrungen nach einer Verbesserung der Usability ihrer Web-Auftritte. Die Ab­lehnung vieler Webauftritte durch den User und damit sinkende oder gar fehlende Umsätze hat viele Firmen dazu bewogen, sich verstärkt mit Web-Usability zu beschäftigen. Man hat erkannt, dass höhere Usability im Normalfall mehr User und damit mehr Umsatz bedeutet [vgl. Volkmann/Lippert 2006].

2.1.2 Usability-Evaluation

Evaluation im Kontext der Usability ist die systematische Unter­suchung der Güte oder Verwendbarkeit eines Gegenstandes, wobei der Gegenstand ein Programm, ein Projekt oder ein Ma­terial sein kann [Sanders 1999, S. 25, 226 zit. nach Schweibenz/Thissen 2003, S. 38]. Dabei kann Evaluation in ver­schiedenen Formen betrieben werden. Man unterscheidet forma­tive und summative Evaluation. Von formativer Evaluation spricht man, wenn die Optimierung der Gestaltung im Vordergrund steht und dafür Daten gewonnen werden müssen. Die formative Eva­luation findet während des Designvorgangs statt. Die summative Evaluation dagegen findet nach der Entwicklung des Produktes statt und bewertet das fertige Produkt. Hier stehen Urteile und Ge­samteinschätzung im Vordergrund, während es bei der forma­tiven Evaluation um die Details und Verbesserungsmöglichkeiten geht [vgl. Burmester 2003, S. 98ff]. Weiterhin wird in ex­pertenorientierte oder auch analytische Methoden und die benutzerorientierte oder empirische Metho­den unterschieden [vgl. Burmester 2003, S. 99ff].

2.1.3 Evaluationsmethoden

Nachfolgend soll ein Überblick über die gebräuchlichsten Evaluationsmethoden, unterteilt in expertenorientierte und be-nutzerorientierte Methoden, gegeben werden. Auf Grund der Breite des Methodenspektrums erhebt die Ausführung nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr sollen wichtige und in der Praxis häufig angewandte Methoden vorgestellt und kurz erläu­tert werden.

2.1.3.1 Expertenorientierte Evaluationsmethoden

Bei expertenorientierten Evaluationsmethoden erfolgt die Evaluation, wie der Name schon sagt, durch Usability-Experten, die den Benutzer simulieren und ihre Interaktion mit dem Produkt analysieren. Dabei bewerten sie das Produkt bzw. die Benutzerschnittstelle anhand eines vorgeschriebenen Prüfvor­gehens nach bestimmten Kriterien [vgl. Schweibenz/Thissen 2003, S. 74ff]. Die folgenden Methoden zählen zu den verbrei­tetsten expertenorientierten Evaluationsmethoden:

Heuristische Evaluation:

Anhand bestimmter anerkannter Prinzipien der Usability, so genannten Heuristiken, überprüft eine Gruppe von Gutachtern, in­wieweit die Benutzerschnittstelle eines Produktes mit den Heu­ristiken übereinstimmt. Die Kriterien werden im Vorfeld abge­sprochen. Um eine unabhängige und unbeeinflusste Prüfung zu gewährleisten, bewertet jeder Experte in einer vorgeschriebenen Vorgehensweise die festgelegten Kriterien für sich alleine. Der Vorteil der Heuristischen Evaluation liegt in der unabhängigen Prü­fung jedes Experten. Dadurch kann eine Vielzahl von Problemen aufgedeckt werden. Nachteilig ist, wie bei allen experten­orientierten Testmethoden, die Untersuchung durch Experten und nicht durch zielgruppenspezifische Benutzer [vgl. Burmester 2003, S. 101 ff].

Cognitive Walkthrough:

Anhand von Aufgabenszenarien wird ein interaktives Produkt daraufhin überprüft, ob es leicht zu erlernen ist. Hintergrund sind theoretische Annahmen über das Erlernen einer Software durch Exploration. Experten durchlaufen vorgegebene Handlungsab­läufe, die dokumentiert werden und darauf überprüft werden, ob diese von den Benutzern verstanden werden können. Die Beto­nung des Cognitive Walkthrough liegt auf der leichten Erlern­barkeit der Bedienung eines Produkts [vgl. Burmester 2003, S. 103].

Formale Usability Inspection:

Die formale Usability Inspection verbindet Elemente der Heuris­tischen Evaluation und des Cognitive Walkthroughs. Bei dieser Me­thode muss ein Team von vier bis acht Experten bestimmte Schritte in einer bestimmten Abfolge einhalten. Das Produkt, die Zielgruppe sowie deren Aufgaben werden zunächst genau analysiert. Heuristiken und Modelle der Aufgabenbearbeitung dienen als Grundlage. Die notwendigen Aktivitäten sind genau zu

dokumentieren. Jeder Experte führt die Prüfung für sich alleine durch. Im Anschluss werden die Ergebnisse zusammengetragen [vgl. Burmester 2003, S. 104].

2.1.3.2 Benutzerorientierte Evaluationsmethoden

Die benutzerorientierten Methoden ziehen die eigentlichen Be-nutzer eines Produktes in die Evaluation mit ein. Dadurch zählen diese Me­thoden zu den aufwändigsten, aber auch zu den kost-barsten Me­thoden [Schweibenz/Thissen 2003, S. 118]. Die nachfolgend auf­geführten und kurz erläuterten Methoden zählen zu den benutzerorientierten Evaluationsmethoden:

Benutzerbefragung mit Fragebögen:

Fragebögen dienen entweder der summativen Evaluation oder der Feststellung, ob eine Software generell bestimmten Krite­rien entspricht. Daneben werden Fragebögen oftmals auch im Anschluss von Usability-Tests eingesetzt, um subjektive Meinungen zum Produkt oder zur Website zu bekommen [vgl. Burmester 2003, S. 107]. Einer der bekanntesten Fragebögen für die Evalua-tion von Software und Webangeboten ist der Isonorm-Fragebo­gen, der an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) Berlin entwickelt wurde. Die insgesamt 35 Einzelfragen bestehen jeweils aus einer positiven und einer nega­tiven Aussage, die mit Hilfe einer Skala mit sieben Stufen von sehr negativ (---) über unentschieden (-/+) bis sehr positiv (+++) be­wertet werden. Der Vorteil dieses Fragebogens liegt im geringen Zeitaufwand und darin, dass er erprobt und methodisch abge­sichert ist. Daneben kann er in elektronischer Form als Datei an Benutzer verschickt werden oder auch mittels einer Online-Version direkt im Internet oder Intranet bearbeitet werden. Der Nach­teil des Fragebogens liegt darin, dass aufgrund der allgemeinen Frageformulierungen keine konkreten Probleme gefunden werden können [vgl. Schweibenz/Thissen 2003, S. 119ff].

Fokusgruppen-Interviews mit Benutzern:

Fokusgruppen-Interviews sind Gruppendiskussionen, die sich besonders gut dazu eignen, bestimmte Vorstellungen, Wahr­nehmungen und Meinungen einer potenziellen Zielgruppe eines Produktes zu erheben. Dabei wird die Diskussion von einem ge­schulten Moderator begleitet, der den Ablauf der Diskussion steuert, sich aber nicht am Gespräch beteiligen darf. Der ange­strebte Ablauf der Diskussion wird im Voraus festge­legt. Die Teil­nehmer sollten in Bezug auf die Zielgruppe so re­präsentativ wie möglich sein. Grundsätzlich werden mehrere Fokusgruppen-In­terviews zu einem Thema durchgeführt, um möglichst repräsenta­tive Aussagen zu erhalten. Die Interviews werden dokumentiert, z. B. durch Audio- oder Videoaufzeich­nungen bzw. durch Proto­kollierung, und anschließend ausge­wertet [vgl. Schweibenz/ Thissen 2003, S. 119ff].

Card Sorting:

Mit dem so genannten Card Sorting testet man die Struktur einer Website. Einer kleinen Gruppe von Benutzern werden Karten vorgelegt, die jeweils mit einem Begriff der Struktur der Website beschrieben sind. Dabei werden alle Begriffe auf eine eigene Karte geschrieben. Diese sollen dann von den Benutzern in Kate­gorien gruppiert werden und für jede Kategorie sollen Überbegrif­fe vorgeschlagen werden. Ziel ist es, eine Struktur zu finden, die den meisten Benutzern sinnvoll erscheint. Eine andere Möglichkeit ist, den Benutzern Aufgaben zu stellen. Sie sollen unter den Begrif­fen, denjenigen auswählen, unter dem sie auch auf der Website suchen würden [vgl. Jacobsen 2005, S. 263].

Usability-Test im Labor:

Die klassische Methode der Usability-Evaluation leitet sich aus der psychologischen Forschung her und ist eine aufwendige und komplexe Methode. Die Teilnehmer sind zielgruppenspezi­fische Benutzer, die Aufgaben am Produkt, z. B. einer Website oder einem Mobiltelefon, lösen. Dabei werden sie beobachtet und das individuelle Verhalten - das was die Benutzer tun und sagen - wird aufgezeich­net. Die so ge­wonnenen Daten werden analysiert, Probleme benannt und Änderungen vorgeschlagen. Die Erkenntnisse werden in einer ausführlichen Dokumentation bzw. in einem Bericht festgehalten. Die Aus­wahl der Probanden sowie die Auswahl der Aufgaben ist von entscheidender Rolle, denn die Testsituation muss so real wie möglich gestaltet werden. Die Durchführung ist aufwendig und zeit- bzw. kostenintensiv. Die Tests finden in technisch sehr gut aus­gestatteten Laboren statt, wo nicht nur die Probanden und ihre Aussagen aufgezeichnet werden können, sondern auch die Mausbewe­gungen auf dem Bildschirm. Im Umgang mit den Testpersonen ist besonderes Einfühlvermögen nötig. Ihnen muss klar sein, dass nicht sie getestet werden, sondern das Produkt. Der Vorteil des Usability-Tests im Labor ist der direkte Einblick in die Interaktion eines Benutzers mit einem Produkt. Im Gegensatz zu Fragebögen und Gruppendiskussionen wird das Verhalten der Benutzer mit dem Produkt in Echtzeit beurteilt. Dennoch ist der Test im Labor nur eine Simulation der Realität [vgl. Schweibenz/Thissen 2003, S. 119ff]. Die Technik macht es allerdings bereits möglich, dass Benutzer Websites von ihrem Arbeitsplatz aus bzw. von ihrem privaten PC von zu Hause aus testen. Ein Vorteil dieser neuen Technik ist, dass Pro-banden sich eher zum Testen bereit er­klären [vgl. Sirvaluse 2006]. Der Nachteil hier liegt darin, dass nicht auf die so genannte Thinking Aloud Methode zurückgegrif­fen werden kann, die beim klassischen Test im Labor eingesetzt wird. Dabei werden die Probanden aufgefordert, ihre Gedanken und die Gründe für ihre jeweiligen Schritte beim Bearbeiten der Aufgaben laut zu äußern. Dadurch wird die Vorgehensweise der Testpersonen nachvollziehbar und die dabei auftretenden Pro­bleme beim Umgang mit dem Produkt deutlich gemacht [vgl. Schweibenz/Thissen 2003, S. 119ff].

Grundsätzlich ist bei allen Methoden die Bewertung der Schwe­re von Usability-Problemen wichtig. Schwerwiegende Probleme, die einen möglichen Benutzer zum Aufgeben zwingen, müssen schnellstens behoben werden, während kleinere Designfeinheiten, die keine unmittelbaren Abbruchreaktionen beim Benutzer her­vorrufen, auch später noch behoben werden können. Oftmals werden experten- und benutzerorientierte Verfahren in der Praxis miteinander kombiniert, um so unterschiedliche Schwachstellen zu finden und ein Verfahren mit dem anderen zu ergänzen. Der Vorteil der Kombination liegt darin, das mit beiden Verfahren un­terschiedliche Probleme gefunden werden können. Daneben wird, bevor eine aufwändigere benutzerorientierte Evaluation durchgeführt wird, oftmals zu expertenorientierten Methoden ge­griffen, um im Vorfeld bereits offensichtliche Schwächen zu er­mitteln und beheben [vgl. Burmester 2003, S. 100].

Die Ergebnisse von analytischen bzw. expertenorientierten Test­methoden hängen stark vom Evaluator ab, z. B. von der Qualifi­kation als Usability-Experte und der Kenntnis des jeweiligen Nutzungskontextes. Daher wird häufig empfohlen mehrere Evaluatoren einzusetzen, um diese Einflussfaktoren auszuglei­chen [vgl. Burmester 2003, S. 100].

Trotz der Vielzahl an Testmethoden sind den Tests Grenzen gesetzt. Diskutiert wird beispielsweise seit Jahren darüber, wie viele Testpersonen bei einem Usability-Test im Labor nötig sind, um aus­sagekräftige Ergebnisse zu erzielen. Das nachfolgende Kapitel 3 beschäftigt sich mit den größten Diskussionspo­tenzialen und stellt die wichtigsten Diskussionsfelder heraus.

3. Usability in der Kritik

Eine immer wieder aufkeimende Diskussion in der Usability-Branche dreht sich um die Frage, was Usability eigentlich ist: Eine Wissenschaft oder zählt Usability zum Ingenieurwesen? Eine in­teressante Frage, auf die es wahrscheinlich nie eine endgültige Antwort geben kann, denn ohne die Wissenschaft und ihre Er­kenntnisse könnten Ingenieure ihre Arbeit kaum durchführen. Ihre Entscheidungen beruhen auf den Daten der Wissenschaft [vgl. Sauro 2004, S. 32]. Aus welcher Perspektive man es auch be­trachtet, Kritik an Usability ist reichlich vorhanden. Das nach­folgende Kapitel wird Diskussionspotenzial in den verschiedenen Segmenten der Usability aufgreifen. Sowohl die Usability als Ge­samtheit als auch einzelne Themenbereiche, wie die Methodiken der Usability-Evaluation, die Normen und Zertifizierungsansätze so­wie betriebswirtschaftliche Aspekte bieten Wissenschaft und Laien hinreichend Diskussionsmöglichkeiten.

3.1 Diskussionsperspektiven

Eine Übersicht über verschiedene Diskussionen zum The­ma Usability ist in der einschlägigen Literatur nicht zu finden. Um eine Struktur der Kritikpunkte zu gewährleisten, wurden vier Kategorien gebildet. Zunächst wurde die Kategorie Klassische Kontroversen gebildet. Hierunter fallen diejenigen Diskussions­punkte, die seit einigen Jahren immer wieder in der wissen­schaftlichen Literatur auftauchen und die auch Einzug in Inter­netforen, private Home­pages und weniger fachspezifische Zeit­schriften gehalten haben. Die zweite Kategorie beschäftigt sich mit den formalen Aspek­ten von Usability und Usability-Tests. Hierzu zählt der Umgang mit Nor­men, Anforderungen an Usability-Verfahren sowie Zertifizierungs- und Akkreditierungsverfahren. Aus dem Blickwinkel der Betriebs­wirtschaftslehre betrachtet die Kategorie drei die Usability-Themenbereiche. Da die Diskussionen rund um die Discount Usability Methods alle anderen Kategorien mehr oder weniger mit ein­schließen, wurde eine eigene Kategorie für dieses Thema ge­bildet.

3.1.1 Die klassischen Kontroversen

Unter den klassischen Kontroversen sollen diejenigen Kontrover­sen verstanden werden, die bereits seit einigen Jahren be­stehen und immer wieder im Internet, in Fachzeitschriften, in Fo­ren und in Fachbüchern aufgegriffen werden. Zu den klassischen Kontrover­sen zähen die umstrittenste Persönlichkeit der Usability-Branche, Ja­kob Nielsen ; die Diskussion, ob Usabili­ty und Design sich aus­schließen oder nicht und der Methoden­konflikt, d. h. die Kontroversen, die mit der Auswahl, Aus­wertung und dem Einsatz von Evaluationsmethoden einherge­hen.

3.1.1.1 Das Nielsen-Phänomen

Einer der bekanntesten, meistzitiertesten und gleichzeitig umstrittensten Experten im internationalen Usability-Bereich ist J a­kob Nielsen [vgl. Abb. 1].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Jakob Nielsen

(Quelle: NIELSEN 2006c)

Will man über Usability diskutieren, gehört er eindeutig zu den beliebtesten Diskussionsthemen. Nielsen ist Autor mehrerer Stan­dardwerke zum Thema Usability[5] und hat sich als einer der Ersten mit dem Thema Web-Usability auseinander gesetzt. Der Ex-Soft-ware-Ingenieur bei der Firma Sun Microsystems betreibt mittlerweile ein sehr erfolgreiches Be­ratungsunternehmen[6] [vgl. Schweibenz/Thissen 2003, S. 66]. 1994 verfasste er seine erste Stu­die über die Nutzbarkeit von Websites der Firmen Hewlett Packard, IBM, Microsoft, Sun und Time Warners. Die Studie zeigte die große Bedeutung einer gu­ten Usability für das damals noch recht junge WWW auf und forderte eine effektive und nutzerge­rechte Bedienung.

Nielsen begleitet die Entwicklung des Internets mit allen seinen neuen Techniken kritisch und publiziert 14täglich seine Alertbox (www.useit.com/alertbox), in der er Usability-Themen aufgreift und diskutiert [vgl. Schweibenz/Thissen 2003, S. 66ff].

Aus der wissenschaftlichen Usability-Literatur ist Nielsen kaum wegzudenken. In bisher jedem Buch über Usability, dass für diese Arbeit gelesen wurde, ist er zitiert worden. Doch auch leise Töne zwischen den Zeilen können den aufmerksamen Leser auf die Spur der Kritiker von Nielsen führen. Autoren wie Schweibenz und Thissen (2003) betrachten den Usability-Guru auch mit kri­tischen Augen:

«Nicht immer basieren diese Artikel (aus Nielsens Alertbox, d. Verf.) auf Forschungsergebnissen oder führen ihre Belege an. Zuweilen wir­ken sie auch wie Statements, die durch die dahinter stehende Persönlichkeit sicherlich ein gewisses Gewicht haben. In der letzten Zeit ist zu beobachten, dass sich die Web Site von Nielsen mehr und mehr kommerzialisiert. Mehr und mehr interessante Studien werden nur noch gegen eine Gebühr zur Verfügung gestellt» [Schweibenz/ Thissen 2003, S. 68].

Vor allem aber wird im Internet über ihn diskutiert. Nielsen machte sich durch seine laute, öffentliche und radikale Kritik an namen­haften Websites sowie Kritik an aufdringlich eingesetzten und schwer benutzbaren Multimedia-Techniken, wie z. B. Flash, vor allem bei Webdesignern unbeliebt. Die setzen auf die Emotionali­tät der Markenbildung und damit auf verstärktes Einbeziehen der Zielgruppe mit einer E-Business-Seite und einem Thema, wenn sich der Inhalt und die Funktionsweise einer Internetseite nicht sofort erschließen lässt [vgl. Puscher 2005].

Immer wieder für gehässige Bemerkungen und Aufregung sorgt die eigene Internetseite von Jakob Nielsen, www.useit.com. In einigen Foren wird behauptet, dass die Seite sogar eine ab­schreckende Wirkung hat und dass das eben auch Usability ist.[7] Diese Reaktion auf Nielsens Website ist kein Einzelfall. Er selbst lässt sich davon wenig beeindrucken:

«Die meisten finden, dass die Site noch aus der „ersten Phase“ der Web-Entwicklung stammt und dies doch nicht mehr zeitgemäß ist. Ich antworte diesen Leuten immer, dass es jene Phase nie gegeben hat. Meine Site soll Lesern Informationen liefern, und das tut sie perfekt. Die Seiten sind leicht auszudrucken, und das ist für meine Zielgruppe sehr wichtig» [Nielsen 2005, zit. nach PUSCHER 2005].

Nielsens strenge Usability-Regeln für Webauftritte, die die Anwender in den Mittelpunkt stellen und die Nutzbarkeit von Web­auftritten in den Vordergrund rücken, werden inzwischen ebenfalls von anderen Experten, wie z. B. Jared Spool[8] (2002), kri­tisch betrachtet. Spool bemängelt, dass die Regeln nie empirisch überprüft wurden und in den meisten Fällen ohne Verifizierung aufgestellt wurden [vgl. Spool 2002]:

«What´s most interesting is that the guideline´s publishers never present any evidence that following it will actually improve the site»[Spool 2002].

Trotz der Kritik an Nielsens Aussagen oder an seiner Website, ist er aus der Usability-Szene nicht wegzudenken. Seine umstrittene Persön­lichkeit machte das Forschungsgebiet Usability populär. Er hat eine große Fangemeinde, die seine Sprüche lieben und er hat viele Gegner, die seine Bücher und Webauftritte auseinander nehmen und ist somit eine Art Star in der Usability-Branche. Er war der Wegbereiter und hat mit dafür gesorgt, dass der Begriff Usability außerhalb der Fachwelt kein Fremdwort mehr ist. Auch die Diskussion, ob Design und Usability sich gegenseitig ausschließen, hat er mit geprägt, wie der nach­folgende Abschnitt zeigen wird.

3.1.1.2 Design versus Usability

Die Frage die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist, ob schö­ne Dinge benutzbarer sind als andere, die im ästhetischen Sinne als nicht schön wahrgenommen werden. Usability-Experten kri­tisieren, dass viele Designer von Websites die ästhetischen Aspek­te in den Vordergrund stellen und damit die Funktionalität und die Nutzerfreundlichkeit von Websites stark vernachlässigen. Sie fordern möglichst schlichte, wenig grafik- und medienintensive Gestaltung für schnelle Orientierung und geringe Ladezeiten, die Beachtung etablierter Standards wie die linksseitige Navigations­leiste oder blaue, unterstrichene Textlinks sowie die Vermeidung neuer Technologien, soweit deren Verwendung einen Teil der Nutzer ausschließt. Diese Forderungen stellen für Designer und Webdesigner Einschränkungen dar, die sie sich nicht bereitwillig auferlegen. Das ist durchaus verständlich, denn Design bedeutet für Webdesigner immer noch die Schaffung eines ästhetischen Mehrwerts durch die innovative Verwendung gestalterischer Formen. Durch Beachtung von Konventionen entstehe Mono­tonie; Innovationen und Kreativität werden verhindert [vgl. Wieser 2004].

Unterstützung erhalten die Designer durch Studien[9], die be­legen, dass es eine hohe Korrelation zwischen der vom Benutzer wahrgenommenen Ästhetik und der von den Benutzern angenommenen Benutzungsfreundlichkeit des Produktes gibt. Dabei wird von einer so genannten scheinbaren Usability gesprochen. Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass es ein mögliches Zusammenspiel zwischen Ästhetik und Usability gibt, das bisher vernachlässigt wurde [vgl. Schweibenz/Thissen 2003 S. 47ff]. Auch die kognitionstheoretischen Ansätze sprechen für die Designer. Aus der Sicht der Kognitionstheorie ruft ein schönes Design positive Emotionen hervor und fördert so die Kreativität bei der Lösung von Aufgaben. Kognition bedeutet das Verfolgen von Zielen durch das Erlernen, Verarbeiten und Vergessen von Wissen [vgl. Herczeg 1994].

Werden bei der Gestaltung einer Website emotionale Aspekte berücksichtigt, kann dies durchaus entscheidend für das Urteil des Benutzers über die Inhalte sein.

«Für die Usability ist Ästhetik ein nicht unwesentliches Kriterium. Ein äs­thetisches Design wirkt vertrauenerweckend. Die Benutzer erwarten von ästhetisch designten Seiten mehr als von dilettantisch wirkenden Seiten» [Manhartsberger/Musil 2002, S. 108].

Usability-Experten fordern trotzdem eine strenge Umsetzung der Usability-Regeln und betonen, dass die leichte Benutzbarkeit einer Website ein sehr wichtiger Faktor für ein positives Nutzererlebnis sei und dass auch innerhalb von Gestaltungsregeln genügend Möglichkeiten für gestalterische Freiheiten bestehe.

Die Diskussion um das Design von Websites wird wohl noch einige Runden überstehen müssen, denn das Verhalten der Benutzer ist sehr komplex. Und diese Komplexität gilt es zu ver­stehen und zu unterstützen. Es kommt stets darauf an, welches Ziel ein einzelner Benutzer verfolgt und in welchem Maße und wie effizient und effektiv dieser eine Benutzer sein Ziel erreicht. Und im Endeffekt ist es die Website, die diese Zielkomplexität am besten unterstützt, die gewinnt [vgl. Manhartsberger/Musil 2001, S. 346]. Das dabei auch Emotionalität und der Spaß eine wichtige Rolle spielen, ist inzwischen erwiesen und auch Jakob Nielsen ge­steht ein, dass Usability-Tests zukünftig auch emotionale Re­aktionen der Nutzer stärker berücksichtigen müssen [vgl. Wieser 2004]. Doch dazu muss Spaß als Qualitätsziel betrachtet werden. Das wiederum heißt, dass man Spaß definieren muss und darüber nachdenken sollte, wie Spaß gemessen werden kann [vgl. Hartwig/Hassenzahl 2005, S. 151].

3.1.1.3 Der Methodenkonflikt

Die Usability-Evaluationsmethoden bieten ganz unterschied­liche Diskussionsthemen. Die Studie Comparative Usability Evalua­tion (CUE) wurde von Rolf Molich erstmals 1998 in die Wege gelei­tet. Seine Studien untersuchten, ob Usability-Ergebnisse reprodu­zierbar sind und wie sie in der Praxis durchgeführt werden. Er testete mit insgesamt fünf Studien die Qualität von Usability-Tests, indem er mehrere professionelle Usability-Experten aus den USA und Europa unabhängig voneinander dieselbe Website auf Usability untersuchen ließ [vgl. Molich 2005a].

Rolf Molich, Gründer und Geschäftsführer einer Dänischen Usability-Consulting-Agentur, entwickelte 1990 zusammen mit Ja­kob Nielsen die Methode der Heuristischen Evaluation. Für seine erste CUE-Studie im März 1998 ließ er vier professionelle Teams ein Windows -Kalenderprogramm (Tasktimer for Windows) testen. Zwei Teams stammten aus den USA, ein Team aus Irland und eines aus England. Für die zweite Studie im Dezember 1998 beauftragte er neun Teams die Website www.hotmail.com zu testen. Von diesen neun Teams bestanden sieben Teams aus professionellen Experten und zwei Teams aus Studenten. Im August 2001 fand die dritte CUE-Studie statt. Elf dänische Usability-Spezialisten führten ein Experten-Review der Website www.avis.com durch. Für diese Studie wurden keine Benutzer einbezogen. Für die vierte CUE-Studie im März 2003 beurteilten siebzehn professionelle Teams die Usability der Website www.hotelpenn.com. Neun Teams benutzten die Usability-Test-Methode und acht Teams den Experten-Review. Die fünfte und bisher letzte CUE-Studie fand im September und Oktober 2005 statt. Dafür testeten dreizehn professionelle Teams die Usability vom IKEA PAX Raumplaner für Kleiderschränke. Fünf Teams benutzten die Usability-Test-Methode und acht Teams den Experten-Review [vgl. Molich 2005a].

Die Teams erstellten jeweils einen Usability-Bericht. Diese Berich­te wurden von Molich und seinem Team ausgewertet und unter­sucht. Dabei stellten sie gravierende Unterschiede zwischen den Berichten innerhalb einer jeden Studie fest. Die Ergebnisse wiesen vor allem in der Wahl und Verwendung der Methoden, in der Wahl von Testaufgaben, im Abfassen von Testaufgaben und im Inhalt und Aussehen der Testberichte große Unterschiede auf [vgl. Molich 2005a]. Daneben fiel die Gesamtzahl der gefundenen Usability-Probleme sehr hoch aus. Die Usability-Probleme der dritten CUE-Studie beliefen sich auf insgesamt 340 gefundene Probleme. Molich fasste seine Ergebnisse in einem Vortrag[10] zu­sammen und betrachtete dabei kritisch die fünf verbreitetsten Mythen über Usability-Testing. Nachfolgend sollen diese fünf Mythen die Grundlage für die Konfliktbetrachtung im Themenbe­reich der Evaluationsmethoden darstellen.

3.1.1.3.1 Anzahl der Testteilnehmer

Mythos 1:

Fünf Testteilnehmer reichen aus, um 85% der Usability Probleme eines Produktes zu finden. [Molich 2005b]

Die Anzahl der Testpersonen die notwendig sind, um einen Usability-Test durchzuführen, wird in der Literatur widersprüchlich angegeben. Manhartsberger und Musil (2002) raten zu mindes­tens zwölf Testpersonen [vgl. Manhartsberger/Musil 2002, S. 319]. Jacobsen (2005) dagegen hält drei bis fünf Testpersonen für ausreichend, um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu kommen [vgl. JaCobsen 2005, S. 256]. Auch Jakob Nielsen, der in einer em­pirischen Studie zwei Produkttests miteinander verglich, um her­auszufinden, wie sich das Verhältnis zwischen der Anzahl der Test­personen und den entdeckten Problemen verhält, empfiehlt fünf Testpersonen. Nielsen verglich die Anzahl der Testpersonen mit dem prozentualen Anteil der gefundenen Probleme und dem prozentualen Anstieg, der mit einer zusätzlichen Testperson erzielt wurde. Dabei stellte er fest, dass die Steigerung an Usability-Proble­men für jede weitere Testperson geringer war [vgl. Abb. 2][vgl. Schweibenz/Thissen 2003, S. 132].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Gefundene Usability-Probleme in Abhängigkeit von der Anzahl der Testpersonen

(Quelle: NIELSEN 2000)

Rolf Molichs (2005) CUE-Studien kamen zu anderen Ergeb­nissen. Die Zahl der Probleme, die nur von einem Team gefunden wurden, war hoch. Auch die Anzahl von ernsten Problemen war sehr hoch. Er schloss daraus, dass, falls noch mehr Teams involviert gewesen wären, die Anzahl der Probleme noch wesentlich ge­stiegen wäre [vgl. Abb. 3] [vgl. Molich 2005a]. Da die Tests von unterschiedlichen Teams mit unterschiedlichen Testpersonen durchgeführt wurde und dabei eine hohe Anzahl verschiedener Usability-Probleme gefunden wurde, kann geschlussfolgert werden, dass fünf Benutzer nicht ausreichen, um 85 % der Usabili­ty-Probleme zu finden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3 : Anzahl der gefundenen Probleme bei Molichs CUE-Studien

(Quelle: MOLICH 2005b)

Molich (2005) geht davon aus, dass die Anzahl der Test­teilnehmer vom Zweck der Tests abhängt. Wenn der Zweck des Tests politisch ist, also lediglich aufzeigen soll, was ein Usability-Pro­blem ist oder die Methodik vorgeführt werden soll, dann reichen zwei bis drei Testteilnehmer aus. Fünf bis acht Testteilnehmer empfiehlt er, wenn eine Website für ein Redesign getestet werden soll. Um alle ernsten Probleme zu finden sind viele Testteilnehmer, d. h. mehr als 50, und mehrere unabhängige Testverläufe nötig [vgl. Molich 2005b].

Inzwischen ist die Kontroverse in eine neue Runde gegangen. Nielsen (2006) bleibt weiterhin bei seiner These, dass fünf Testper­sonen ausreichen. Am 26.06.2006 veröffentlichte er in seiner Alert­box einen Artikel mit dem Titel: „Quantitative studies: How many users to test?“. Der Artikel beschäftigte sich mit der Berechnung und Analyse der Standard-Abweichung[11], um herauszufinden, wie viele Testpersonen bei quantitativen Studien zu empfehlen sind:

«Based on the above analysis, my recommendation, is to test 20 users in quantitative studies. [...] You can usually run a qualitative stu­dy with 5 users, so quantitative studies are about 4 times as expensive»[Nielsen 2006].

Damit hat Nielsen seinen Standpunkt weiter gefestigt, wenn auch nicht begründet. Er berechnete die Anzahl der Testpersonen für eine quantitative Studie und relativierte zwar seine Behauptung damit ein wenig, warnte aber gleichzeitig vor quantitativen Stu­dien, da diese sehr teuer wären [vgl. Nielsen 2006]. Gleichzeitig empfiehlt er weiterhin fünf Testpersonen für eine qualitative Studie, schränkt seine Aussage allerdings durch die Formulierung usually ein.

3.1.1.3.2 Ziel eines Usability-Tests

Mythos 2:

Das Hauptziel eines Usability-Tests ist Usability-Probleme zu finden. [Molich 2005b]

Soll ein Produkt daraufhin evaluiert werden, inwieweit es ver­bessert werden könnte, so stellt sich die Frage danach, was eigentlich gesucht wird. Auch Manhartsberger und Musil (2002) stellen sich diese Frage und antworten wie folgt:

«Hauptzweck eines Usability-Tests ist nicht die Bewertung der Usability der Site, sondern in erster Linie sollen die Usability-Probleme aufge­deckt und Lösungsansätze gefunden werden» [Manharts-berger/Musil 2002, S. 318].

Diese Meinung ist in der Fachliteratur vorherrschend. Ziel eines Usability-Tests ist es, Probleme aufzudecken, die den User beim Umgang mit dem Produkt behindern. Molich (2005) sieht das anders. Er ist der Ansicht, dass die politischen Ziele eines Usability-Tests sehr viel wichtiger sind als das traditionelle Fehlersuchen. Po­litische Ziele sind für ihn in erster Linie die Aufklärung, von z. B. Kollegen, darüber, dass Usability ein reales Problem ist und dass es Methoden gibt, Usability-Probleme zu finden [vgl. Molich 2005a].

Dies erscheint an dieser Stelle allerdings etwas unpassend, da die politischen Ziele, die Molich für einen Usability-Test vorsieht, z. B. die Aufklärung von Kollegen, für gewöhnlich bereits vor dem Test geschehen sein sollten. Ein Kunde der von der Maßnahme eines Usability-Tests nicht überzeugt ist, wird sich schwerlich darauf einlassen. Daher ist dieser Mythos ein wenig aus der Luft gegriffen und nur eingeschränkt als diskussionsbedürftig zu betrachten.

3.1.1.3.3 Usability-Tests im speziellen Labor

Mythos 3:

Ein Usability-Test erzielt bessere Ergebnisse, wenn er in einem Usability-Labor, d. h. in zwei bis drei speziell eingerichteten Testräu­men, durchgeführt wird. [Molich 2005b]

Der Usability-Test im Labor mit Benutzern leitet sich aus der psychologische Forschung ab und ist eine sehr komplexe Metho­de. Sie gilt deshalb als teuer und aufwendig. Allerdings hat ein Usability-Labor den Vorteil, dass die Hürde für das Ausführen von Produkttests relativ gering ist, wenn man bereits über solch ein La­bor verfügt [vgl. Schweibenz/Thissen 2003, S. 130].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Aufbau eines Usability-Labors

(Quelle: Molich 2005b)

Molich (2005) argumentiert, dass es keinerlei Daten gibt, die belegen, dass ein Usability-Labor bessere Resultate erzielt als eine passende Videoaufstellung in zwei normalen Konferenzräumen. Daneben ist es kostspielig, ein Usability-Labor einzurichten oder zu mieten.

Einen weiteren kritischen Aspekt zeigen Schweibenz und Thissen (2003) auf. Der Produkttest findet im Labor und somit in einer künstlichen Umgebung statt, in der sich die Testpersonen anders verhalten als in einer realen Situation. Um diesen Laboreffekt zu erzielen, reicht bereits die Anwesenheit eines oder mehrerer Beobachter aus. Durch die technische Ausstattung des Labors mit Videokameras, verspiegelten Beobachtungsfenstern etc., wird der Effekt vermutlich noch verstärkt. Ob und in welchem Maße die Testverläufe und die Testergebnisse dadurch beeinflusst wer-den, muss noch erforscht werden [vgl. Schweibenz/Thissen 2003, S. 158].

3.1.1.3.4 Usability-Test versus Experten-Review

Mythos 4:

Usability-Tests sind besser als Experten Reviews [Molich 2005b]

Die Frage, ob benutzerorientierte oder expertenorientierte Un­tersuchungsmethoden effektiver sind, wurde in verschiedenen Studien untersucht. Dumas & Redisch (1994) kommen zu dem Schluss, dass Produkttests mit Benutzern mehr Usability-Probleme aufdecken und mehr einzigartige Probleme identifizieren als andere Evaluationsmethoden. Legt man die Kosten pro ge­fundenes Problem zu Grunde, sind diese Tests außerdem wirt­schaftlicher, obwohl sie mehr Zeit in Anspruch nehmen. Produkt­tests im Labor besitzen eine hohe Überzeugungskraft, weil sie tat­sächliche Nutzer im Umgang mit dem Produkt zeigen [vgl. DUMAS/REDISH 1994, zit. nach Schweibenz/Thissen 2003, S. 78ff].

[...]


[1]Die Eingabe erfolgte durch die Verfasserin am 11. April 2006, 15:43 Uhr mit den Suchbegriffen „´usability engineering`+ beratung“ unter Verwendung der Suchmaschine „google“ sowie der Angabe, die Suche nur auf Deutsch zu beschränken.

[2]auch useability.

[3]Leo-Wörterbuch: online. URL: <http://dict.leo.org/>, Eingabe des Begriffes „usability“ erfolgte durch die Verfasserin am 12. Mai 2006.

[4]Dipl.-Psych. Marc Hassenzahl, Mitarbeiter der TU Darmstadt, Institut für Psychologie und Usability-Consultant sowie Vizepräsident des German Chapter der UPA (Usability Professionals Association).

[5]Nielsen Jakob: Designing Web Usability. Indianapolis, US: New Riders Publishing, 1999; Nielsen, Jakob: Designing Web Usability: the Practice of Simplicity. Indianapolis, US: New Riders Publishing 2000.

[6]Nielsen gründete zusammen mit Donald Normen die Usability-Beratungsfirma Nielsen Normen Group.

[7]Forum der Website Dr. Web, URL: <http://www.drweb.de/weblog/weblog/?p=46>, zit. 07.07.2006.

[8]Jared M. Spool: President User Interface Engeneering / Autor von „Web Site Usability – A Designer´s Guide“.

[9]Gemeint sind die Studie von Masaaki Kurosu und Kaori Kashimura am Hitachi Design Center 1995 und die Studie von Noam Tractinsiky an der Ben-Gurion-Universität in Israel 1997 [Schweibenz / Thissen 2003 S. 47ff.].

[10]Molich, Rolf: Fünf Mythen über Usability-Testing. Vortrag. 2005-11-08, 17.00 Uhr, Konrad-Zuse-Hörsaal, Universität Hamburg, Fachbereich Informatik.

[11]Die Standard-Abweichung ist ein Maß für die Streuung der Werte einer Zufallsvariable um ihren Mittelwert [vgl. WIKIPEDIA 2006]. Nielsen analysierte mit Hilfe der Normalverteilung 1520 Messungen der Benutzerleistung (Zeit pro Aufgabe) bei 70 verschiedenen Aufgaben, um herauszufinden, wie viele Testpersonen bei quantitativen Studien nötig sind.

Ende der Leseprobe aus 143 Seiten

Details

Titel
Usability Grows Up? Der Usability-Markt im deutschsprachigen Raum zwischen Wachstum und kritischer Diskussion
Hochschule
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
143
Katalognummer
V67688
ISBN (eBook)
9783638587402
ISBN (Buch)
9783656792475
Dateigröße
1634 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die vorliegende Diplomarbeit beschäftigt sich mit Kritiken und Diskussionsperspektiven der Usability sowie mit der Usability-Branche im deutschsprachigen Raum. Die Arbeit bieten eine Überblick über die wichtigsten Diskussionspunkte und analysiert unter anderem die Dienstleistungsangebote von insgesamt 35 Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum, die Dienstleistungen im Usabilitybereich anbieten.
Schlagworte
Usability, Grows, Usability-Markt, Raum, Wachstum, Diskussion
Arbeit zitieren
Dipl.-Mediendokumentarin Nicole Petrucela (Autor:in), 2006, Usability Grows Up? Der Usability-Markt im deutschsprachigen Raum zwischen Wachstum und kritischer Diskussion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67688

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