Karl Philipp Moritz untertitelte seinen Anton Reiser als psychologischen Roman, doch lässt er sich ebenso, und die Forschung tut dies auch in vielen Fällen, als Theaterroman bezeichnen. Dafür gibt es mehrere Gründe: zum einen handelt es sich bei Anton Reiser um „[…] die Geschichte eines von der Theaterleidenschaft besessenen jungen Menschen […]“1; die Bezeichnung als Theaterroman ist demnach inhaltlich gerechtfertigt. Damit beschreibt er ein für die damalige Zeit typisches Phänomen. Es herrschte nämlich eine generelle Theatromanie in der Bevölkerung, die unter anderem auch in GoethesWilhelm Meisterihren Ausdruck findet. Catholy sieht weiterhin, dass sich sogar die Struktur des Romans durch das Theatermotiv ergibt, so endet dieser nämlich, wenn Antons Traum von der Schauspielerei durch die Auflösung der Speichschen Truppe ein Ende nimmt.
Auch der Titel weist schon auf das Theater hin. Einerseits beinhaltet der Nachname Antons den Aspekt des Reisens, der für Schauspieler im 18. Jahrhundert typisch war, da es sich zunächst ausschließlich um Wandertruppen handelte. Außerdem veröffentlichte 1681 ein Geistlicher namens Anton Reiser die Schrift Theatromania, oder Die Wercke der Finsterniß in denen öffentlichen Schau-spielen,die sich eindeutig gegen das Theater und die Schauspielerei richtet. Wenn es sich hier auch um eine negative Haltung zum Theaterspiel handelt, so ist der grundsätzliche Bezug zu selbigem jedoch nicht von der Hand zu weisen. Es ist zunächst überraschend, dass eine das Theater diffamierende Schrift Anton Reiser als Namensgeber diente, wo dieser dem Theater offensichtlich geradezu euphorisch gegenüber eingestellt zu sein scheint. Doch äußert sich in der Titelwahl nicht die Haltung Antons zur Schauspielerei, sondern die zunächst schwankende und sich später als negativ herausstellende des Autors. In dieser sich verändernden Einstellung zeigt sich Moritz’ Zwiespalt zwischen zwei Epochen und ihren unterschiedlichen Denkweisen bezüglich des Theaters.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Die Situation des Theaters in Deutschland zur Zeit Anton Reisers
- III. Theater als Zufluchtsort in Karl Philipp Moritz' Anton Reiser
- III.1 Kindliches Spiel und Kindheit als erste schauspielerische Erfahrungen
- III.2 Lektüreerlebnisse als „Theater im Kopf“
- III.3 Religion als geistliches Theater
- III.4 Schauspielerberuf als Erfüllung der Träume?
- IV. Antons Scheitern als Schauspieler
- V. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit untersucht die Rolle des Theaters im Leben des Protagonisten Anton Reiser in Karl Philipp Moritz' gleichnamigem Roman. Sie beleuchtet, wie das Theater als Zufluchtsort für Anton Reiser fungiert, und analysiert die verschiedenen Formen der Theaterbegegnung im Laufe seines Lebens.
- Die Bedeutung des Theaters in der deutschen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts
- Antons Kindheitserfahrungen und seine ersten Begegnungen mit dem Theater
- Die Rolle der Lektüre und der Religion in der Entwicklung von Antons Theaterleidenschaft
- Antons Traum vom Schauspielerberuf und seine Versuche, diesen zu verwirklichen
- Antons Scheitern auf der Bühne und die Gründe dafür
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik des Romans als Theaterroman und in die Bedeutung des Theaters im Leben von Anton Reiser ein. Sie beleuchtet die allgemeine Theatromanie der Zeit und diskutiert die unterschiedlichen Perspektiven auf das Theater in der Forschung.
Kapitel II beleuchtet die Situation des deutschen Theaters zur Zeit Anton Reisers. Es beschreibt die unterschiedlichen Theaterformen und die Rolle der Wandertruppen im damaligen Theaterleben.
Kapitel III analysiert die verschiedenen Formen der Theaterbegegnung in Antons Leben. Es behandelt seine kindlichen Spiel- und schauspielerischen Erfahrungen, seine Lektüreerlebnisse als "Theater im Kopf" und die Rolle der Religion als geistliches Theater.
Kapitel IV befasst sich mit Antons Scheitern als Schauspieler und analysiert die Gründe dafür. Es untersucht die Hindernisse, die Anton auf seinem Weg zum Schauspielerberuf begegnet, und die Auswirkungen seines Scheiterns auf sein Leben.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Themen Theaterleidenschaft, Autobiografie, Theaterroman, Schauspielkunst, Wandertruppen, deutsche Theatergeschichte des 18. Jahrhunderts, Karl Philipp Moritz, Anton Reiser, Zufluchtsort, Kindheit, Lektüre, Religion, Scheitern.
- Citar trabajo
- Jonas Ole Langner (Autor), 2006, Theater als Zufluchtsort in Karl Philipp Moritz' Anton Reiser, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67707