Die Demokratie hat sich weiterentwickelt. Sie hat sich, bedingt durch die Ausdehnung der europäischen Gemeinschaft und der Globalisierung, auf weitere internationale Ebenen ausgedehnt, die eine plebiszitäre Selbstbestimmung des Volkes immer schwieriger werden lässt.
Das für und wieder von Plebisziten ist unter anderem Gegenstand dieser Arbeit. Ist direkte Demokratie tatsächlich die Lösung für die vermeintliche Politikverdrossenheit in der Bundesrepublik Deutschland oder nur die Forderung einer manipulierenden Minderheit? Sind Plebiszite eine Alternative zur jetzigen repräsentativen Form der Volksherrschaft? Anhand von ausgewählten empirischen Beispielen beschäftigt sich diese Arbeit mit Demokratisierungsproblemen in der Bundesrepublik und in der Europäischen Union.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung:
2. Grundlagen für Plebiszite: Die Standpunkte einzelner Demokratietheorien
2.1 Pluralistische Demokratietheorien
2.2 Partizipatorische Demokratietheorien
2.3 Direkte Demokratie
2.4 Plebiszite: Vor- und Nachteile, Verwendbarkeit
3. Demokratie in der EU
3.1 Grundlagen einer europäischen Demokratie
3.2 Demokratisierungsprobleme in der EU
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung:
Die Züge „moderner Demokratie“ erwuchsen zunächst aus den calvinistischen Glaubenskämpfen des 17. Jahrhunderts, insbesondere in Schottland, England und den Niederlanden, in denen die Gemeinde als Träger des religiösen und des politischen Lebens hervortrat, sodann aus den Lehren der Aufklärung, besonders aus ihren Anschauungen von der Freiheit und Gleichheit aller und von der normativen Bedeutung des vernünftigen Denkens des Einzelnen gegenüber Staat und Gesellschaft. Grundlegend wurden die Lehren Jean Jacques Rousseaus von der Volkssouveränität als ein unteilbares und unveräußerliches Recht des Volkes. Das Volk wird hier als Gemeinwesen aufgefasst, dessen Wille sich entweder als Mehrheitswille (französisch volonté de tous) oder als Gesamtwille (französisch volonté générale) äußert, der nur auf das allgemein Beste gerichtet ist und deshalb indirekt auch die Absichten abweichender Gruppen umfasst, sie folglich ebenfalls verpflichtet. Dieser Wille ist der „Souverän“ und oberste Gesetzgeber im Staat.
Nun versagt dieser Wille in heutiger Zeit zunehmend seinen Dienst und wird immer häufiger als Verdruss empfunden. Die Demokratie hat sich weiterentwickelt, sich auf weitere, vor allem durch die Ausdehnung der europäischen Gemeinschaft und die Globalisierung geprägte, internationale Ebenen, ausgedehnt, die eine plebiszitäre Selbstbestimmung des Volkes immer schwieriger werden lässt. Zum einen sind notwendige Handlungen für das Volk immer schwerer durchschaubar, zum anderen fehlt ein Wille zu informieren, sowie ein Wille informiert zu werden, wie sich am Beispiel des jetzigen „Reformschauspiels“ anschaulich verfolgen lässt. Der Wille zu einem höheren Mitbestimmungsrecht ist da und wird aktuell in sogenannten „Montagsdemonstrationen“ lautstark gefordert. Das für und wieder von Plebisziten soll unter andrem Gegenstand dieser Arbeit sein. Sind sie die tatsächliche Lösung für die Politikverdrossenheit in der BRD oder nur Forderungen einer manipulierenden Minderheit? Ist die direkte Demokratie eine Alternativen zur jetzigen repräsentativen Form der Volksherrschaft? Einige empirische Beispiele sollen Aufklärung darüber geben. Bestehen diese Fragen schon in den Grenzen der BRD, bestehen sie vermutlich auch außerhalb. Den Demokratisierungsproblemen der EU widmet sich der zweite Teil dieser Arbeit.
2. Grundlagen für Plebiszite: Die Standpunkte einzelner Demokratietheorien
Wenn Manfred G. Schmidt davon spricht, dass es ,,nicht nur eine Demokratie, sondern viele verschiedene Demokratien, nicht nur eine Demokratietheorie, sondern viele verschiedene Demokratietheorien gibt"(Schmidt 1995:19), so ist ihm genauso zuzustimmen, wie Giovanni Sartori, der die politische Demokratie als ,,notwendige Vorbedingung" für alle anderen möglichen Ausformungen der Demokratie, beispielsweise in der Industrie oder dem Kulturwesen, ansieht (vgl. Sartori 1997:21).In Anbetracht ihres Gegenstandes wird sich diese Arbeit dabei auf einige der moderneren poltischen Theorien beschränken, vor allem auf die pluralistische, die partizipatorische und die direkte Demokratietheorie, da sie im engeren Bezug zu Plebisziten und Bürgerbeteiligung stehen und zudem alles weitere den beabsichtigten Rahmen sprengen würde.
Neben der Unterscheidung zwischen normativen und deskriptiv-empirischen Demokratietheorien lässt sich noch einmal eine Differenzierung zwischen identitären und repräsentativen Demokratietheorien treffen. Dabei wird es für ein derartig großes (sowohl geographisch als auch demographisch) Gebilde wie die EU einleuchtend sein, dass eine Theorie, die Rousseau folgend eine Identität von Regierten und Regierenden fordert, nicht umsetzbar wäre. Die Arbeit wird sich also auf die repräsentativen Formen der Demokratie beschränken. Dennoch sollte es auch das Ziel solcher Modelle sein, über eine gewisse Identifikation des Bürgers mit dem Staat zu einer höheren Bürgerbeteiligung und damit zu einer größeren Legitimation des Systems sowie einer gewachsenen Legitimität der Entscheidungen zu führen. Als entscheidend dürften sich hierbei die Möglichkeiten der Meinungs- und Willensbildung herauskristallisieren.
Durch die Einigung auf das Repräsentationsmodell war es der Demokratie, unter anderem möglich, die Entwicklung von den Stadtstaaten zu den Flächenstaaten mitzugehen und somit war die Ausweitung der Demokratie auf beliebig große Staaten möglich. Allerdings ging dies gleichzeitig mit einer Begrenzung der Partizipationsmöglichkeiten der einzelnen Bürger einher.
Abschließend soll in diesem Kapitel noch darauf eingegangen werden, inwieweit Möglichkeiten einer direkten Demokratie umsetzbar wären.
2.1 Pluralistische Demokratietheorien
Politische Inhalte sind im wesentlichen auf Kooperation, Konflikt und Machtverteilung zwischen organisierten Interessen zurückzuführen. Dem Kritikpunkt an anderen Demokratietheorien, der Nicht-Anwendbarkeit auf vielgliedrige Gesellschaften wird hier Rechnung getragen, denn der Pluralismus an sich wird als ein normativer Begriff zur Kennzeichnung vielgliedrig organisierter Willensbildungsformen verwendet. Auch wird in diesem Modell die Macht durch das Recht und institutionelle Kontrollen und Gegengewichte gezähmt. Ziel ist die Verhinderung totalitärer Herrschaft und die Zügelung der Volkssouveränität, des Staates und der Gesellschaft. Das Leitmotiv ist also die Repräsentation der Wähler und deren pluralistisch gegliederter Sozialstruktur durch verantwortliche Repräsentanten. ,,Von daher kann auch nicht die Homogenisierung des Denkens und Wollens das Ziel aller Politik sein, sondern die möglichst vollständige Widerspiegelung (>Repräsentation<) der mannigfachen gesellschaftlichen Interessen- und Meinungsströmungen." (in Nohlen 1998:83)
Ein weiterer Vorteil der pluralistischen Demokratietheorie ist, dass sie von einer Wandelbarkeit der Präferenzen der Individuen ausgeht, diese also nicht als fixiert annimmt. Kritisch zu beurteilen ist allerdings ihre, wie Schmidt es formuliert, ,,eigentümliche Blindheit gegenüber den Defiziten und der Achillesferse der Demokratie." (Schmidt 1997:159) Diese resultiert aus ihrer Gegenüberstellung mit dem totalitaristischen Kommunismus und Nationalsozialismus und bewirkt nicht zuletzt eine gewisse Unschärfe des ,,Waffengleichheitsprinzips" (ebd.): Die pluralistische Demokratietheorie geht zwar davon aus, dass zur Erfüllung des Gleichheitsprinzips unterschiedlicher Interessen, sich der liberale zum sozialen Rechtsstaat entwickeln wird, jedoch bleibt die hier zugrunde liegende These unscharf und entspricht nicht unbedingt der beobachtbaren Realität: ,,Die Politik hört auf alle und folgt deshalb keiner Stimme uneingeschränkt. Die Pluralismuskonzeption unterstellt mithin ein Kräftegleichgewicht, welches die Funktionalisierung des politischen Handelns im Dienste einer gesellschaftlichen Teilmacht ausschließt." (in Nohlen 1998:85)
2.2 Partizipatorische Demokratietheorien
Bei diesen Modellen wird die Beteiligung der Bürger als ein Eigenwert angesehen und damit geht es um die Maximierung der Partizipationschancen. Zum einen soll es zu einer Erweiterung des Kreises und der Beteiligung der Stimmberechtigten kommen, zum anderen sollen verallgemeinerungsfähige Interessen aufgedeckt werden. Dabei referiert Schmidt auf Dahl, der davon ausgeht, dass nur die partizipatorische Demokratie das Gegengewicht zu der durch Internationalisierung und Globalisierung aufkommenden undemokratischen Verfassung darstellen könne. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Typen von Partizipation werden generell unter politischer Beteiligung alle Tätigkeiten verstanden, ,,die Bürger freiwillig mit dem Ziel unternehmen, Entscheidungen auf den verschiedenen Ebenen des politischen Systems zu beeinflussen." (in Nohlen 1998:521) Dabei kann noch zwischen einer ,,generalisierten Handlungsvollmacht (wie etwa bei Wahlen)" (ebd.:522) oder eben Formen der direkten Partizipation in Bezug auf spezifische Entscheidungen unterschieden werden. Jedenfalls gehen diese Modelle davon aus, dass die politischen Präferenzen der Bürger nicht von vornherein gegeben sind, sondern in einem Interaktionsprozess mit anderen Mitgliedern der Gesellschaft oder dem politischen System entstehen. Demzufolge könnten erhöhte Partizipationsmöglichkeiten für die Bürger zu einer breiteren Konsensfindung führen und damit Gemeinschaft stärken: ,,Tatsächlich vergrößert Bürgerbeteiligung die Macht der Gemeinschaften und verleiht ihnen eine moralische Kraft, die andere nicht partizipatorische Herrschaftsformen selten erreichen." (Barber 1994:38)
Die Diskussions-, Beteiligungs- und Mitentscheidungsmöglichkeiten des Individuums sollen erweitert werden, wobei hier ein sehr positives Bild der politischen Kompetenzen bereits des durchschnittlichen Bürgers vorliegt, denn dieser sei nach der Theorie zu ungleich mehr und besserer Beteiligung als bisher befähigt, bzw. könne er durch angemessene Organisation des Willenbildungsprozesses dazu in die Lage versetzt werden. Die partizipatorische Demokratie setzt auf eine argumentative Auseinandersetzung ihrer Bürger. Somit gelten als die ausschlaggebenden Variablen für den Partizipationsgrad der Bürger deren sozioökonomischer Status, sowie Alter und Geschlecht.
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- Arbeit zitieren
- Katrin Schulze (Autor:in), 2004, Demos contra Demokratie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67778
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