In der archaischen Zeit sorgte die „große Kolonisation“ innerhalb einer relativ kurzen Zeit – man geht etwa vom Zeitraum 750 bis 500 v. Chr. aus1 – für eine vergleichsweise weite Streuung von griechischen Kolonien im Mittelmeerraum. Südgallien, Süditalien, und Sizilien waren während dieser Wanderungsbewegung vor allem die Ziele der griechischen Siedler.
Einen beeinflussenden Faktor bei Koloniegründung stellte das Orakel von Delphi dar. Etliche Zeugnisse von „Gründungsorakeln“ sind in den Werken Herodots enthalten. Primär geht es in dieser Hausarbeit um die Diskussion, welchen Einfluss das delphische Orakel auf die ersten literarisch erfassbaren Gründungen hatte. Unter Berücksichtigung der oben genannten Quelle und ausgewählter Forschungsliteratur soll die Funktion des Orakels von Delphi im Kontext der überlieferten Gründungsberichte genauer untersucht werden.
Betrachtet man die Forschungsmeinungen zu diesem Thema, so stellt man fest, dass trotz mannigfaltigen Veröffentlichungen immer noch eine rege Kontroverse geführt wird.
So weisen Fontenrose und Londey darauf hin, dass fast alle Gründungsorakel Erfindungen seien, welche im Nachhinein in die Gründungsberichte gesetzt wurden, um den Gründungen einen „göttlichen“ Rahmen zu verleihen. Andere Historiker, wie Rohrbach, sind der Meinung, dass die Kolonisation an sich ein Akt des Opferns an Delphi und die Orakel der Pythia bloßer Ausdruck sakraler Bedürfnisbefriedigung seien. Ferner herrscht, vor allem in der älteren Forschung, die Meinung vor, dass Delphi eine „Kolonisationsagentur“ gewesen sei.
Delphi wurde dabei sowohl die Rolle des Informationszentrums, als auch die einer Instanz zur Kolonisationssteuerung zuerkannt. Wie sich daran bereits erkennen lässt, ist also sowohl die historische Glaubwürdigkeit der Orakel an sich als auch einen Schritt weiter gehend deren Intention strittig.
In der Seminararbeit geht es nun darum, in den in den Historien Herodots enthaltenen Gründungsberichten Hinweise auf die tatsächliche Rolle des Orakels zu ermitteln und die Orakel auf ihre historisch Auswertbarkeit hin zu untersuchen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Gründungsorakel in den Historien Herodots in ihrem Kontext – Zentrale Kolonisationssteuerung durch das Orakel oder reine Erfindung?
- Abschlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Einfluss des delphischen Orakels auf die Gründung griechischer Kolonien im archaischen Zeitalter. Sie analysiert die in Herodot überlieferten Gründungsorakel und diskutiert die kontroversen Forschungsmeinungen zur Rolle Delphis als zentrale Kolonisationssteuerung oder bloßer Erfinder von nachträglichen Legitimationen.
- Rolle des delphischen Orakels bei der griechischen Kolonisation
- Analyse der Gründungsberichte in Herodots Historien
- Kontroverse um die historische Glaubwürdigkeit der Orakelsprüche
- Bedeutung des Oikisten und anderer Akteure im Kolonisationsprozess
- Vergleichende Betrachtung verschiedener Gründungsberichte
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der griechischen Kolonisation im archaischen Zeitalter (ca. 750-500 v. Chr.) ein und beschreibt die geographische Ausbreitung der Kolonien im Mittelmeerraum. Sie hebt die Bedeutung des Orakels von Delphi als beeinflussenden Faktor bei der Koloniegründung hervor und skizziert die kontroversen Forschungspositionen bezüglich des Einflusses des Orakels: von der reinen Erfindung nachträglicher Legitimationen bis hin zur aktiven Steuerung der Kolonisation durch Delphi als „Kolonisationsagentur“. Die Einleitung benennt die Forschungsliteratur, auf die sich die Arbeit stützt und formuliert die zentrale Forschungsfrage nach dem Einfluss des Orakels auf die ersten literarisch erfassbaren Gründungen.
Die Gründungsorakel in den Historien Herodots in ihrem Kontext – Zentrale Kolonisationssteuerung durch das Orakel oder reine Erfindung?: Dieses Kapitel analysiert die in Herodots Historien überlieferten Gründungsberichte, insbesondere die Gründung Kyrenes. Es untersucht die Rolle der Orakelsprüche in diesen Berichten, die verschiedenen Akteure (Oikist, Siedler, Metropolis) und die Motivationen zur Auswanderung (Überbevölkerung, Missernten). Der detaillierte Gründungsbericht Kyrenes wird herangezogen, um die unterschiedlichen Überlieferungen (eine von der Metropolis, eine von der Apoikie) und deren Bedeutung zu beleuchten. Der Fokus liegt auf der Analyse der Orakelsprüche im Kontext der jeweiligen Erzählung und der Frage nach deren Intention – waren sie tatsächlich lenkend oder lediglich nachträgliche Rechtfertigung für die Gründungen?
Schlüsselwörter
Griechische Kolonisation, archaisches Zeitalter, Orakel von Delphi, Herodot, Historien, Gründungsorakel, Oikist, Kyrene, Kolonisationssteuerung, sakrale Legitimation, Forschungsgeschichte.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Die Rolle des delphischen Orakels bei der Gründung griechischer Kolonien
Was ist das Thema dieser Arbeit?
Die Arbeit untersucht den Einfluss des delphischen Orakels auf die Gründung griechischer Kolonien im archaischen Zeitalter. Im Fokus steht die Analyse der in Herodot überlieferten Gründungsorakel und die Diskussion um deren historische Glaubwürdigkeit: Stellte Delphi eine zentrale Kolonisationssteuerung dar oder handelte es sich lediglich um nachträgliche Legitimationen?
Welche Quellen werden verwendet?
Die Hauptquelle ist Herodots Historien, insbesondere die darin enthaltenen Gründungsberichte. Die Arbeit bezieht sich außerdem auf relevante Forschungsliteratur zur griechischen Kolonisation und zum delphischen Orakel.
Welche Aspekte werden im Detail behandelt?
Die Arbeit analysiert die Rolle des delphischen Orakels, die in den Gründungsberichten beschriebenen Akteure (Oikisten, Siedler, Metropolis), die Motive für die Kolonisation (Überbevölkerung, Missernten etc.) und vergleicht verschiedene Gründungsberichte. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem Gründungsbericht von Kyrene mit seinen unterschiedlichen Überlieferungen.
Welche Forschungsfrage steht im Mittelpunkt?
Die zentrale Forschungsfrage lautet: Welchen Einfluss hatte das Orakel von Delphi auf die ersten literarisch erfassbaren Gründungen griechischer Kolonien?
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Hauptkapitel ("Die Gründungsorakel in den Historien Herodots in ihrem Kontext – Zentrale Kolonisationssteuerung durch das Orakel oder reine Erfindung?") und eine Abschlussbetrachtung.
Was ist die Kernaussage des Hauptkapitels?
Das Hauptkapitel analysiert die in Herodots Historien überlieferten Gründungsberichte, insbesondere den von Kyrene, um die Rolle der Orakelsprüche und deren Intention zu untersuchen. Es wird diskutiert, ob die Orakelsprüche tatsächlich lenkend wirkten oder nur nachträgliche Rechtfertigungen für die Gründungen darstellten.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Griechische Kolonisation, archaisches Zeitalter, Orakel von Delphi, Herodot, Historien, Gründungsorakel, Oikist, Kyrene, Kolonisationssteuerung, sakrale Legitimation, Forschungsgeschichte.
Welche kontroversen Forschungsmeinungen werden diskutiert?
Die Arbeit diskutiert die kontroversen Meinungen zur Rolle Delphis: von der aktiven Steuerung der Kolonisation durch Delphi als „Kolonisationsagentur“ bis hin zur reinen Erfindung nachträglicher Legitimationen.
- Citar trabajo
- Simon Tewes (Autor), 2006, Die Gründungsorakel in den Historien Herodots in ihrem Kontext - Zentrale Kolonisationssteuerung durch das Orakel oder reine Erfindung?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67949