In der jungen Geschichte des französischen Films ergaben sich zahlreiche Berührungspunkte zwischen Literatur und Film, wobei hier nicht Literaturverfilmungen gemeint sind, sondern die gegenseitige Annäherung von Neuem Film und Neuem Roman als ein reziprokes Verhältnis.
Nachdem die Nouvelle Vague den surrealistischen Film ablöste und die persönliche Perspektive in der realistischen Darstellung gegenüber dem absoluten Blick, also gegen das ′cinéma du papa′ postulierte, stellte sich auch bei den Nouveaux Romanciers die Frage, inwiefern die alte Literatur den neuen visuellen Möglichkeiten gerecht werden kann. Das ′cinéma du papa′ findet hier seine Entsprechung in dem Schriftsteller Honoré de Balzac, dessen traditionelle Erzählweise innerhalb einer kohärenten Handlungsstruktur von den Nouveaux Romanciers als ein geschlossenes System erkannt und unter den veränderten Bedingungen in den 60er Jahren bezüglich des Medienwechsels für obsolet erklärt wurde. Alain Robbe-Grillet, der Kopf dieser Gruppe von SchriftstellerInnen, zu denen auch Nathalie Sarraute (Fruits d′or, 1963) und Michel Butor (La modification, 1957) zählten, forderte in seiner theoretischen Schrift ′Pour un nouveau roman′ (1963) in erster Linie den radikalen Verzicht auf Bedeutsamkeit und Tiefe und das Anstreben einer Dominanz der wahrgenommenen Oberflächen (′apparance′), wodurch persönliche Elemente in Form des Imaginären Wirklichkeitscharakter gewinnen sollen. Statt einer Handlung nach traditionellem Muster entstand nun "(...)ein abruptes Nacheinander von aneinandergereihten Momentaufnahmen(...)" , ähnlich der Montagetechnik des Films. Ganz bewußt bedienten sich AutorInnen wie Marguerite Duras (Hiroshima mon amour, 1959) oder Alain Robbe-Grillet (La jalousie, 19 ) filmischer Mittel, "(...)daß sogar von ′Einfluß′ kaum mehr sinnvoll gesprochen werden kann, vielmehr (von) Konvergenz und Fusion der drei Medien Buch, Theater und Film(...)." Auch wandten sich beide später selbst dem Filmemachen zu. Hervorzuheben ist hier, daß, nachdem sich der Film Jahrzehnte lang des Ideenreichtums der Literatur bediente, nun umgekehrt die alte Literatur in ihrer Entwicklung durch den noch relativ jungen Film erweitert wurde. Die sog. ′textes bâtards′ bildeten somit die Schnittstelle zwischen Literatur und Film.
Als ′ciné-roman′ bezeichnet man in diesem Zusammenhang ein zwischen Roman und Drehbuch angesiedeltes Werk, das zugleich dem Regisseur als Transkription dient.
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Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Vorbemerkung zur Analyse
- III. L'année dernière à Marienbad
- 1. Inhalt
- 2. Analyse der Handlungsstruktur
- a) Das Schloßhotel
- b) Beginn der Überredung
- c) A, X und M
- d) X im Zimmer von A
- e) Das 'Draußen'
- f) A und M
- g) Die Entscheidung
- IV. Der Zeit-Begriff
- V. Schluß
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert den Film "L'année dernière á Marienbad" von Alain Resnais und beleuchtet die Verbindung zwischen Literatur und Film im Kontext der Nouvelle Vague und des Nouveau Roman. Sie untersucht die Gestaltungs- und Stilmittel des Films, insbesondere die Darstellung von Zeit und Erinnerung.
- Der Einfluss der Nouvelle Vague und des Nouveau Roman auf die filmische Gestaltung
- Die Analyse der Handlungsstruktur und die Bedeutung der Zeitlichkeit
- Die Verbindung zwischen visuellen Elementen und narrativer Struktur
- Die Rolle der Erinnerung und der subjektiven Wahrnehmung
- Der Film als ein autonomes Werk und seine Interpretation
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema ein und beleuchtet die Beziehung zwischen Literatur und Film in der französischen Kultur der 1960er Jahre. Sie stellt den Zusammenhang zwischen der Nouvelle Vague und dem Nouveau Roman sowie den Einfluss dieser Bewegungen auf den Film "L'année dernière á Marienbad" her.
Die Vorbemerkung zur Analyse skizziert den Hintergrund des Films und stellt den Regisseur Alain Resnais und seine Position innerhalb der Nouvelle Vague vor.
Kapitel III analysiert die Handlungsstruktur und die narrative Gestaltung des Films. Dabei werden die einzelnen Elemente der Handlung, wie die Orte, die Figuren und die Dialoge, im Kontext der Zeitlichkeit und der Erinnerung untersucht.
Kapitel IV befasst sich mit dem Zeit-Begriff und erläutert die Bedeutung von Zeitlichkeit in der filmischen Gestaltung des Werks.
Schlüsselwörter
Alain Resnais, Nouvelle Vague, Nouveau Roman, "L'année dernière á Marienbad", Film, Literatur, Handlungsstruktur, Zeit, Erinnerung, subjektive Wahrnehmung, visuelle Elemente, narrative Gestaltung, cinematographische Sprache.
- Arbeit zitieren
- Constanze Meier (Autor:in), 2000, Alain Resnais: L année dernière á Marienbad - mise en conscience, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6795