Man stelle sich einen Studierenden der Film- und Medienwissenschaft vor,
der vor die Aufgabe gestellt wird, Hitchcocks Film PSYCHO einer eingehenden
Analyse, im Hinblick auf Aufbau und Struktur, zu unterziehen. Man
stelle sich weiter vor, dass dieser Film-Betrachter selbst vom Aufbau und
der Struktur dieses Films, wie der Kinobesucher, in einen Sog gezogen
wird und Teil des Films wird, so dass er auf die Idee verfällt nun einzelne
Filmbilder zwei-dimensional auszudrucken, zu untersuchen und ihnen somit
den filmischen Raum zu entziehen, der ihn vorher doch bezwang und
absorbierte. Weiter wäre vorstellbar, dass dieser Betrachter nun endlich
die nötige Distanz gefunden hätte, die zu einer analytischen Sicht des
Films gehört, wenn wissenschaftliche Arbeit gefordert wird. Was würde
man dagegen annehmen, wenn diese gedruckten Einzelbilder aus dem
Film ähnliche Effekte und Affekte auslösten wie das räumliche Filmbild,
ähnliche Assoziationen, Gedanken, Emotionen? Sicher könnte man diese
Auswirkungen auf die frühere Rezeption zurückführen, auf die Ikonografie
PSYCHOS und die unzähligen Symbole und Zeichen, die zum kommunikativen Gedächtnis der modernen Gesellschaft gehören, wie Micky Maus und
Pop-Art als Archetypus eines kommunikativen Systems verstanden werden,
das Nachbilder an Vorbildern misst und versucht sie zuzuordnen, so
als ob das Wiedererkennen am Bilderlesen den Hauptantrieb darstellt.
Für diese Arbeit wird es wichtig sein, Ergebnisse der Apparatus-Debatte in
Bezug auf den Zuschauer und seinen Realitätseindruck sowie seine Regressionsarbeit
zu berücksichtigen und sie im zweiten Teil in der Analyse
PSYCHOS auf ihren Nutzen hin zu bewerten.
Der Verfasser der vorliegenden Arbeit, der Studierende, war lange Zeit
bemüht überhaupt eine Angriffsfläche für PSYCHO zu finden, die es vermag
all diese Befunde in einem homogenen Ganzen zu integrieren. Viele
Ansätze und Methoden erwiesen sich als zu steril und eigenartig leblos
(Semiotik), um dem Thema gerecht zu werden. Den Anspruch der Semiotik,
den Zeichenbegriff der Sprache auch auf den Film zu übertragen und
ihn in ein strukturalisiertes Regelwerk mit fast mathematischen Entsprechungen
zu überführen, erwies sich Ende der sechziger Jahre als misslungenes
Unterfangen. Das Problem der „Segmentierung“ des Films in kleinste
sich von einander abgrenzende Einheiten, schien beim Film auf Probleme
zu stoßen, im Gegensatz zur Sprache und Schrift.[...]
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- 1 EINLEITUNG
- 1.1 METHODE DER FILMANALYSE
- 1.2 PSYCHO IM KONTEXT
- 1.3 ERLÄUTERUNG ZUR UNTERSUCHUNGSPRAXIS
- 2 KÖRPER-INNERVATIONEN ZUR UNBEWUSSTEN WAHRNEHMUNG IN HITCHCOCKS PSYCHO
- 2.1 DER SPIEGEL ALS METAPHER UND ALLEGORIE IN HITCHCOCKS PSYCHO
- 2.1.1 Die Spiegel-Bilder
- 2.1.1.1 Der Spiegel im Hotelzimmer
- 2.1.1.2 Der Kosmetik-Spiegel
- 2.1.1.3 Der Spiegel in Marions Appartement
- 2.1.1.4 Der Rück-Spiegel
- 2.1.1.5 Der Spiegel im Waschraum
- 2.1.1.6 Der Spiegel in der Motel-Rezeption
- 2.1.1.7 Der Spiegel und der Detektiv
- 2.1.1.8 Der Spiegel in Zimmer 1
- 2.1.1.9 Die Spiegel der Spiegel
- 2.2 DAS BILD-IM-BILD
- 2.2.1 Das Bild im Hotel
- 2.2.2 Caroline’s Bilder
- 2.2.3 Marions Bilder
- 2.2.4 Familienbilder
- 2.2.5 Schicksalsbilder
- 2.2.6 Normans/Mutters Bilder
- 2.3 EDWARD HOPPERS BILDER
- 2.3.1 Hotelzimmer
- 2.3.2 Büro
- 2.4 BILDFORMAT, KASCH UND SCHWARZ-WEIß
- 2.4.1 Kasch
- 2.4.1.1 Marions Kasch
- 2.4.1.2 Normans Kasch
- 2.4.1.3 Marion und Norman
- 2.4.2 Die Schwarz-Weiß-Wahl
- 2.4.2.1 Hotelzimmer
- 2.4.3 Vertikal-Horizontal
- 2.5 MIMIK UND GESTIK
- 2.5.1 Das diabolische Lächeln
- 2.5.2 Linke Hand/rechte Hand
- 2.6 DAS KURZ-ZEITBILD
- 2.6.1 Mahl
- 2.6.2 Stuhl
- 2.6.3 Kenn-Zeichen
- 2.6.4 Norman
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der unbewussten Wahrnehmungsebene des Zuschauers in Alfred Hitchcocks Film „Psycho“. Sie analysiert verschiedene filmische Mittel, die Hitchcock einsetzt, um den Zuschauer in eine somatisch-affektive Rezeption des Films zu versetzen.
- Die Bedeutung des Spiegels als Metapher und Allegorie in „Psycho“
- Die Analyse von Bildern und Gemälden im Film, die als Vor-, Jetzt- und Nachbilder dienen
- Der Einfluss von Bildformat, Kasch und Schwarz-Weiß auf die Wahrnehmung des Zuschauers
- Die Bedeutung von Mimik und Gestik, insbesondere im Hinblick auf Normans Persönlichkeitsspaltung
- Die Rolle von Kurz-Zeitbildern, die dem Zuschauer eine intensive, aber unbewusste Wahrnehmung des Films ermöglichen
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Der erste Teil der Arbeit widmet sich der Einleitung und der Methodik der Filmanalyse. Es werden verschiedene Ansätze zur Interpretation von „Psycho“ vorgestellt und die eigene Methodik, die sich auf die Analyse von Einzelbildern und ihre Wirkung auf den Zuschauer konzentriert, erläutert.
Der zweite Teil der Arbeit befasst sich mit dem Spiegel als Metapher und Allegorie in „Psycho“. Anhand von zahlreichen Filmbeispielen wird die Funktion des Spiegels als Medium der Selbstreflexion, als Ausdruck von Angst und als Zeichen der Verdopplung der Persönlichkeit analysiert.
Im dritten Teil werden die Bilder und Gemälde in „Psycho“ untersucht. Die Analyse konzentriert sich auf die Bedeutung von Vorbildern, Jetztbildern und Nachbildern sowie auf den Einfluss der Bilder auf die narrative Struktur des Films.
Der vierte Teil befasst sich mit den filmischen Mitteln des Bildformats, des Kasch und der Schwarz-Weiß-Wahl. Die Bedeutung dieser Elemente für die visuelle Wahrnehmung des Zuschauers wird anhand von konkreten Beispielen aus „Psycho“ erläutert.
Im fünften Teil wird Mimik und Gestik in „Psycho“ analysiert, insbesondere im Hinblick auf Normans Persönlichkeitsspaltung. Anhand von einzelnen Filmbeispielen wird gezeigt, wie Hitchcock den Zuschauer durch die Wahl von Mimik und Gestik unbewusst auf die Doppelbödigkeit der Figur Normans hinweist.
Der sechste Teil befasst sich mit der Bedeutung von Kurz-Zeitbildern in „Psycho“. Anhand verschiedener Filmbeispiele wird gezeigt, wie Hitchcock den Zuschauer durch den Einsatz von kurzen, flüchtigen Bildern in einen regressiven, kontemplativen Zustand versetzt und so die unbewusste Wahrnehmung des Films intensiviert.
Der letzte Teil der Arbeit bietet eine abschließende Aussicht auf die Erkenntnisse der Analyse und reflektiert die Bedeutung des Körpers und der unbewussten Wahrnehmung in der Filmanalyse.
Schlüsselwörter (Keywords)
Die Schlüsselwörter dieser Arbeit umfassen die unbewusste Wahrnehmung, die somatisch-affektive Rezeption, die „Bildwissenschaft“, der Spiegel als Metapher und Allegorie, Bilder als Vor-, Jetzt- und Nachbilder, Bildformat, Kasch, Schwarz-Weiß, Mimik, Gestik, Kurz-Zeitbilder, „Psycho“, Alfred Hitchcock, die „Apparatustheorie“, der Körper, und der Film als „Kino der Sensationen“.
- Quote paper
- Jose Franco-Pereira (Author), 2001, INNERVATIONEN - Zur unbewussten Wahrnehmungsebene in Alfred Hitchcocks PSYCHO, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6806