Politische Prozesse und organisationales Lernen: Wie Mikropolitik organisationales Lernen fördern kann


Seminar Paper, 2006

22 Pages, Grade: 2,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Mikropolitik

3. Organisationales Lernen

4. Konzepte des organisationalen Lernens
4.1 Argyris und Schön (1978): A Theory of Action Perspective
4.2 Coopey und Burgoyne (2000): Politics and Organizational Learning
4.3 Senge (1990): The Fifth Discipline

5. Gestaltungsempfehlungen
5.1 Ergebnisse aus den Konzepten
5.2 Instrumente

6. Zusammenfassung

1. Einleitung

In einer immer komplexer werdenden und sich schnell wandelnden Umwelt wurde organisationales Lernen schon seit längerem als ein Wettbewerbsvorteil der Zukunft erkannt[1]. Damit dieser Wettbewerbsvorteil aber auch zum Tragen kommt, muss die Organisation lernen fördern. Dabei wurden die zum Organisationsalltag gehörenden politischen Prozesse bisher in der Literatur zum organisationalem Lernen nicht ausreichend berücksichtigt. Und falls sie berücksichtigt wurden, dann wurden sie als störende Komponente identifiziert, die es zu minimieren gilt[2]. „Organizational politics thus remains a relatively neglected and somewhat marginal field“ (Burgonye/ Jackson 1997:58). Organisationale Politik wurde nur als störendes Beiwerk zum normalen Organisationsalltag gesehen[3], in dem Entscheidungen Idealerweise nach rationalen Gesichtspunkten getroffen werden sollten und Machtbeziehungen zwischen den Akteuren keine Rolle spielen sollten.

Ziel dieses Artikels ist es, auf diese politischen Prozesse aufmerksam zu machen und zu zeigen, in welchem Maße sie durchaus in der Lage sind, organisationales Lernen zu fördern. Auf der anderen Seite soll auch berücksichtigt werden, wie es gelingt, durch mikropolitisches Taktieren den Prozess des Lernens in Organisationen zu hindern. Die Methode um dieses Ziel zu erreichen ist eine kritische Untersuchung von ausgewählten Konzepten organisationalen Lernens. Sie werden auf ihre Sichtweise von kollektiven Lernprozessen in Verbindung mit politischen Taktiken der Akteure untersucht. Dort wo die Sichtweise zu undifferenziert ist, sollen weitere Überlegungen ansetzen. Die Vor- und Nachteile politischer Prozesse im Hinblick auf organisationales Lernen sollen dann herausgearbeitet und in konkrete Gestaltungsmöglichkeiten umgesetzt werden.

Der Artikel gliedert sich im Folgenden in eine Definition von Mikropolitik und politischen Prozessen[4] (Kapitel 2). Anschließend wird versucht, eine allgemeine Definition von organisationalem Lernen zu geben (Kapitel 3). Im 4. Kapitel werden ausgewählte Konzepte des organisationalen Lernens daraufhin untersucht, wie sie politische Prozesse berücksichtigen. Es geht um eine kritische Betrachtung der Konzepte im Hinblick auf Mikropolitik und Macht. Dabei werden verschiedene Aspekte herausgearbeitet, die zeigen, wie politische Prozesse Lernen hindern oder fördern können. Die Ergebnisse werden im 5. Kapitel gegenübergestellt. Aus den Überlegungen werden konkrete Gestaltungsempfehlungen abgeleitet, die politische Prozesse so ausgestalten, dass sie organisationales Lernen fördern. Zum Schluss folgt eine Zusammenfassung der Untersuchungen (Kapitel 6).

2. Mikropolitik

Mikropolitik wird nach Ortmann und Küpper als „organisationale Innenpolitik“ (Ortmann 1992:18) verstanden. Es geht um politisches Handeln in Organisationen. Untersucht wird, wie nichtökonomische Entscheidungen um Macht und Ressourcen getroffen werden. Die Organisation wird als soziales System von Handlungen aufgefasst. Der Akteur bestimmt das organisationale Handeln. Überlegungen zur Strategie des Akteurs bilden die Grundlage zur Analyse von Organisationsphänomenen und sind Ausgangspunkt dieser theoretischen Sichtweise[5]. Neuberger (1995) unterscheidet acht Merkmale der Mikropolitik, die auch der im Rahmen dieser Arbeit verwendeten Definition zugrunde liegen sollen. Zu diesen Merkmalen gehören die Akteursperspektive und Handlungsorientierung, Interessendurchsetzung, Intersubjektivität, Macht, Dialektik der Interdependenz, Legitimation, Zeitlichkeit und Ambiguität[6]. In der Organisation als System koordinierter Handlungen ist die individuelle Person der Akteur, sein Verhalten determiniert die Handlungen, nicht die Zwänge des Systems. Politische Situationen kennzeichnen sich durch Interaktion verschiedener Akteure, die versuchen ihre Interessen durchzusetzen. Dabei entstehen je nach Situation verschiedene intersubjektive Beziehungen zwischen den handelnden Personen. Diese interpersonalen Beziehungen können den Ausgang des Geschehens verändern, da nicht mehr rationale Überlegungen im Zentrum stehen, sondern subjektive Einstellungen gegenüber anderen Personen die Entscheidung beeinflussen. Zentrales Merkmal der politischen Prozesse sind sodann Machtasymmetrien zwischen den Handelnden. Macht ist keine auf eine Person festgeschriebene Eigenschaft, sondern soziales Handeln, da eine Beziehung zwischen zwei Parteien immer Austausch und gegenseitige Anpassung voraussetzt[7]. Nicht berücksichtigt werden hier materielle Ressourcen, mit deren Hilfe ebenfalls Macht ausgeübt werden kann. Sie spielen hier keine Rolle, da nur Entscheidungssituationen untersucht werden, bei denen es zu Interaktionen, bzw. enger gefasst: zu Gesprächen kommt. Macht definiert sich nach Crozier/ Friedberg über die Kontrolle von Unsicherheitszonen (z.B. durch einen Informationsvorsprung oder Positionsmacht), durch die ein Akteur den Handlungsspielraum eines anderen Individuums einschränken kann und sich so einen Vorteil in der Verhandlungsbeziehung verschafft. Die Unsicherheitszone muss dabei einen Bezug zum Verhandlungsproblem, bzw. zur Tauschbeziehung haben um Relevanz zu erlangen.[8] Dialektik der Interdependenz bedeutet, dass Macht nicht absolut und dauerhaft auf eine Person festgeschrieben ist, sondern auf Gegenseitigkeit beruht und jeder bestimmte Machtzonen kontrollieren kann. Unter einer dialektischen Auseinandersetzung wird außerdem eine Synthese aus These und Antithese durch Kommunikation verstanden. Legitimation ist die Grundlage dafür, das politische Prozesse im Rahmen von gesellschaftlich legitimierten Werten und Normen ablaufen können, die das Verhalten einschränken und keinen willkürlichen Machtkampf zulassen. Die Zeitlichkeit besagt, dass es keine dauerhaft gültigen Gesetzmäßigkeiten gibt, nach denen gehandelt wird. Ambiquität bedeutet, dass nicht die vollständigen Informationen zur Verfügung stehen um eine rationale Entscheidung zu treffen und es zu Mehrdeutigkeiten und Widersprüchen kommen kann. Diese Widersprüche und Mehrdeutigkeiten können in politischen Prozessen von den Akteuren bewusst erzeugt werden, in dem sie Informationen zurückhalten[9].

Zusammengefasst werden hier solche Entscheidungssituationen untersucht, bei denen Akteure verschiedene, widerstreitende Interessen unter Machtasymmetrien bei gegenseitiger Abhängigkeit und unter Ambiguität durchzusetzen versuchen.

3. Organisationales Lernen

Die wissenschaftlichen Theorien zu organisationalem Lernen sind vielfältig und uneinheitlich. Ein gemeinsamer Grundkonsens besteht immerhin darin, dass organisationales Lernen ein kollektiver Lernprozess ist, der aus mehr als der Summe der individuellen Lernprozesse besteht[10]. Eine geeignete Zusammenfassung findet sich bei Probst/ Büchel (1998), die unter dem Prozess eine Veränderung der organisationalen Wissensbasis verstehen, die zu einer gesteigerten Problemlösungs- und Handlungskompetenz der Organisation führt[11]. Diese Definition soll auch hier verwendet werden. Das Lernen dabei nicht immer zwingend zu einer Verbesserung der Problemlösungskompetenz führt (es kann auch „Falsches“ gelernt werden) wird hier vernachlässigt, da aus einer praktischen Perspektive nur positives Lernen zu einer gesteigerten Effizienz der organisationalen Routinen führt und die politischen Prozesse nur in diesem Fall positiv oder negativ auf die Problemlösungskompetenz wirken können.

Die organisationale Wissensbasis, die sich verändern muss, damit die Organisation lernt, kann über die Wissensspirale (vgl. Abb. 1) beschrieben werden. Dabei wird zwischen implizitem und explizitem Wissen unterschieden. Implizites Wissen ist an eine Person gebunden und bezeichnet das, was diese Person „gelernt“ hat (z.B. Kniffe die man durch langjährige Erfahrung im Umgang mit einer bestimmten Maschine erlernt hat). Explizites Wissen hingegen ist losgelöst von Personen und ist in „expliziter“ Form (z.B. als Bedienungsanleitung oder Datenbank) prinzipiell allen Mitgliedern der Organisation zugänglich. Die Organisation lernt, wenn implizites Wissen von Person zu Person weitergegeben wird (Sozialisation), wenn implizites Wissen „aufgeschrieben“ wird (Externalisierung), wenn explizites Wissen neu verknüpft wird (Kombination) oder wenn das ausformulierte Wissen von Personen verinnerlicht wird (Internalisierung)[12]. Da diese Arbeit politische Prozesse in Verbindung mit organisationalem Lernen untersucht, werden hier nur diese Dimensionen betrachtet, bei denen mikropolitische Taktiken eine Rolle spielen. Diese setzen Interaktion voraus. Sie können sich nur in Handlungen konstituieren und betreffen deshalb stets mehr als eine Person. Bei der Untersuchung, wie politische Prozesse organisationales Lernen fördern können, sind auf Grund dessen nur solche Lernprozesse zu betrachten, bei denen Interaktion stattfindet. Konkret ist das bei der Sozialisation der Fall, bei der implizites Wissen direkt von Person zu Personen übertragen wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Veränderung der organisationalen Wissensbasis[13]

Der Lernprozess kann innerhalb der Organisation auf verschiedene Lernhindernisse stoßen. Wie zuvor definiert ist Lernen eine Veränderung der organisationalen Wissensbasis. Diese Veränderung wird dann verhindert, wenn Wissen bewahrt bleibt. Um zu Lernen muss Wissen „verlernt“ werden. Das Verlernen wird jedoch durch verschiedene Faktoren innerhalb der Organisation gehemmt[14]. Diese Faktoren sind organisationale defensive Muster, Normen, Privilegien und Tabus und Informationspathologien. Die organisationalen defensiven Muster sich nach Argyris/ Schön[15] verantwortlich für beschränkte Lernsysteme. Diese Muster sind Strategien der Akteure die dazu dienen, sich vor bedrohenden Situationen, vor begangenen Fehlern oder Gesichtsverlust zu schützen (z.B. durch Verzerrungen, Auslassungen, „so tun als sei nichts geschehen“ oder Leugnen). Sie verhindern ein Lernen auf der höheren Ebene des double-loop learnings oder deutero learnings[16], da versucht wird an alten Werten und Normen festzuhalten, damit die Verschleierung der Fehler nicht aufgedeckt werden kann. Normen, Privilegien und Tabus stellen ebenfalls Lernbarrieren dar. Normen sind gewohnte Verhaltensmuster, die relativ schwer zu ändern sind und oft die Entstehung von Neuem verhindern (z.B. Formen der Anrede, Kleidung, Verhaltensweisen in bestimmten Situationen). Das Ändern von Privilegien und Tabus stößt ebenfalls auf Widerstände und ist oft mit Spielen um den Machterhalt verbunden. Informationspathologien führen zu unzureichenden Informationen bei Entscheidungssituationen. Dies wiederum hindert den Lernvorgang. Die Informationspathologien kommen zustande, in dem der Informationsfluss innerhalb der Organisation gehindert wird. Organisationsmitglieder halten Informationen aus taktischen, machtpolitischen Erwägungen zurück[17].

[...]


[1] Probst/ Büchel 1998:3ff

[2] Coopey 2000:869f, Esterhazy-Smith 1999:5f

[3] Burgonye/ Jackson 1997:58

[4] die Begriffe Mikropolitik und politische Prozesse werden in dieser Arbeit synonym verwendet. Mikropolitik ist „organisationale Innenpolitik“ (vgl. Definition Kapitel 2) und beschreibt die in der Organisation ablaufenden politischen Prozesse.

[5] Crozier/ Friedberg 1993:39

[6] Neuberger 1995:22

[7] Crozier/ Friedberg 1993:39ff

[8] Crozier/ Friedberg 1993:39ff

[9] vgl. zu den Merkmalen Neuberger 1995:22ff

[10] Probst/ Büchel 1998:19f, Felsch 1999:89

[11] Probst/ Büchel 1998:17

[12] Nonaka 1991:97ff

[13] in Anlehnung an Nonaka/ Takeuchi 1997:84. Die Spirale wurde nicht eingezeichnet, da hier nur das Feld der Sozialisation von Relevanz ist, nicht die weitere Wissensübertragung

[14] zum Verlernen und den Lernhindernissen siehe Probst/ Büchel 1998:73ff

[15] Argyris/ Schöne in Probst/ Büchel 1998:74

[16] die verschiedenen Ebene des Lernens werden im Kapitel 4.1 vorgestellt

[17] Probst/ Büchel 1998:74ff

Excerpt out of 22 pages

Details

Title
Politische Prozesse und organisationales Lernen: Wie Mikropolitik organisationales Lernen fördern kann
College
University of Constance
Course
Management des Wandels
Grade
2,3
Author
Year
2006
Pages
22
Catalog Number
V68210
ISBN (eBook)
9783638606844
ISBN (Book)
9783638672665
File size
503 KB
Language
German
Notes
In einer sich schnell wandelnden Umwelt wurde organisationales Lernen schon seit längerem als ein Wettbewerbsvorteil der Zukunft erkannt. Damit dieser Wettbewerbsvorteil aber auch zum Tragen kommt, muss die Organisation lernen fördern. Dabei wurden die zum Organisationsalltag gehörenden politischen Prozesse und Machtspiele bisher oft als störend idendifiziert. Ziel dieses Artikels ist es zu zeigen,in welchem Maße diese Prozesse durchaus in der Lage sind, organisationales Lernen zu fördern.
Keywords
Politische, Prozesse, Lernen, Mikropolitik, Lernen, Management, Wandels
Quote paper
Christian Vögtlin (Author), 2006, Politische Prozesse und organisationales Lernen: Wie Mikropolitik organisationales Lernen fördern kann, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68210

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Title: Politische Prozesse und organisationales Lernen: Wie Mikropolitik organisationales Lernen fördern kann



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