Reintegration von Soldaten und Vertriebenen des Bürgerkrieges in Angola


Mémoire (de fin d'études), 2005

102 Pages, Note: 1,1


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Fotoverzeichnis

Kartenverzeichnis

Abkürzungen und Begriffserläuterungen

Vorwort

1. Einleitung

2. Methoden

3. Darstellung des Untersuchungsraums
3.1 Die Untersuchungsregionen
3.2 Historischer Rahmen
3.3 Das Programm „Reintegration und lokale Entwicklung“

4. Zielgruppenanalyse Cachimbango
4.1 Naturraum
4.2 Historischer Hintergrund
4.3 Demographie
4.4 Ökonomische Situation
4.5 Wasserversorgung
4.6 Erziehung
4.7 Verkehrswege
4.8 NRO-Aktivitäten
4.9 Soziale und politische Struktur
4.10 Sicherheitslage
4.11 Gesundheit
4.12 Religion
4.13 Genderaspekte
4.14 Benachteiligte Gruppen
4.15 Demobilisierte
4.16 Handlungsempfehlungen

5. Zielgruppenanalyse Kommune Cuima
5.1 Naturraum
5.2 Das Dorf Acolongonjo
5.2.1 Historischer Hintergrund
5.2.2 Demographie
5.2.3 Ökonomische Situation
5.2.4 Wasserversorgung
5.2.5 Erziehung
5.2.6 Verkehrswege
5.2.7 NRO-Aktivitäten
5.2.8 Soziale und politische Struktur
5.2.9 Sicherheitslage
5.2.10 Gesundheit
5.2.11 Religion
5.2.12 Genderaspekte
5.2.13 Benachteiligte Gruppen
5.2.14 Demobilisierte
5.3 Das Dorf Cachidongo
5.3.1 Historischer Hintergrund
5.3.2 Demographie
5.3.3 Ökonomische Situation
5.3.4 Wasserversorgung
5.3.5 Erziehung
5.3.6 Verkehrswege
5.3.7 NRO-Aktivitäten
5.3.8 Soziale und politische Struktur
5.3.9 Sicherheitslage
5.3.10 Gesundheit
5.3.11 Religion
5.3.12 Genderaspekte
5.3.13 Benachteiligte Gruppen
5.3.14 Demobilisierte
5.3.15 Handlungsempfehlungen

6. Zielgruppenanalyse Quissequel
6.1 Naturraum
6.2 Historischer Hintergrund
6.3 Demographie
6.4 Ökonomische Situation
6.5 Wasserversorgung
6.6 Erziehung
6.7 Verkehrswege
6.8 NRO-Aktivitäten
6.9 Soziale und politische Struktur
6.10 Sicherheitslage
6.11 Gesundheit
6.12 Religion
6.13 Genderaspekte
6.14 Benachteiligte Gruppen
6.15 Demobilisierte
6.16 Handlungsempfehlungen

7. Resümee und Erkenntnisse

8. Portugiesische Zusammenfassung / Resumo em português

Literaturverzeichnis

Anhang

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Jahressummen des Niederschlags im Munizip Ganda

Tab. 2: Bevölkerungsstruktur des Dorfes Cachimbango

Tab. 3: Anzahl der Schüler in Cachimbango und Umland

Tab. 4: NRO-Aktivitäten in Cachimbango

Tab. 5: Registrierte Erkrankungen im Gesundheitsposten Cachimbango

Tab. 6: Anzahl der Demobilisierten und deren Angehörige im Munizip Ganda

Tab. 7: Bevölkerungsstruktur der Rückkehrer in der Kommune Cuima

Tab. 8: NRO-Aktivitäten in Acolongonjo

Tab. 9: Registrierte Erkrankungen im Gesundheitsposten Km25 im März 2004

Tab. 10: Anzahl der Demobilisierten und deren Angehöriger in der Kommuna Cuima

Tab. 11: Trinkwassergewinnung in Dörfern der Embala Fins

Tab. 12: Die traditionellen Autoritäten der Dörfer in der Embala Fins

Tab. 13: Bevölkerungsstruktur des Dorfes Quissequel

Tab. 14: Bevölkerungsstruktur des Bairro Cambondo

Tab. 15: NRO-Aktivitäten in Cachidongo

Tab. 16: Registrierte Erkrankungen im Krankenhaus Kibala im Jahr 2003

Tab. 17: Schulbildung der Demobilisierten im Munizip Kibala

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Traditionelle Entscheidungsstruktur im Dorf Cachimbango

Abb. 2: Traditionelle Entscheidungsstruktur im Dorf Acolongonjo

Abb. 3: Traditionelle Entscheidungsstruktur im Dorf Matanda

Abb. 4: Saisonaler Verlauf der Feldarbeit im Dorf Quissequel

Abb. 5: Traditionelle Entscheidungsstruktur im Dorf Quissequel

Abb. 6: Satellitenbild mit typischer Verteilung von Minen

Fotoverzeichnis

Foto 1: Erstellung einer Timeline im Dorf Cachidongo

Foto 2: Blick in die Ganda-Ebene von einem Inselberg

Foto 3: Junge beim Aufpassen auf die jüngeren Geschwister

Foto 4: Entminung in Cachimbango

Foto 5: Frauen bei der Herstellung von Maismehl (Fuba)

Foto 6: Aufteilung der Menschen nach Dorfzugehörigkeit für die PRA

Foto 7: Schule in Tchibungo

Foto 8: Verschiedene Minentypen und Blindgänger (UXO)

Foto 9: Kinder mit selbst gebautem Spielzeug

Foto 10: Altes Steingrab auf einem Inselberg bei Kibala

Foto 11: Kriegsschäden an einem Haus in Kibala

Kartenverzeichnis

Karte 1: Standorte der Zielgruppenanalysen in Angola

Karte 2: Skizze von Cachimbango

Karte 3: Cachimbango und Umgebung

Karte 4: Die Programmstandorte in Huambo

Karte 5: Acolongonjo und Umgebung

Karte 6: Cachidongo und Umgebung

Karte 7: Quissequel und Umgebung

Abkürzungen und Begriffserläuterungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Vorwort

Angola ist ein Land, das mein Interesse seit vielen Jahren gefangen hält. Lange schon hatte ich vor dieses Land zu bereisen, was jedoch aufgrund des immer wieder aufflammenden Bürgerkrieges nicht möglich war. Als sich mir schließlich die Möglichkeit bot nach dem Ende des Krieges, dort wissenschaftlich arbeiten zu können, war dies für mich die Erfüllung eines lange gehegten Traumes.

Mein Interesse an afrikanischen Ländern portugiesischer Sprache und unter diesen insbesondere Angola, entspringt vor allem der Gegebenheit, dass ich einen Großteil meiner Kindheit und frühen Jugend in Portugal verbracht habe. Da ich damals mit meinen Eltern im Einzugsgebiet von Lissabon wohnte, kam ich schon früh mit angolanischen Immigranten in Kontakt und meine Neugier für diese Kultur, die sich auf so markante Weise von der portugiesischen unterschied, wuchs mehr und mehr. Freundschaften mit Angolanern und deren Beschreibungen der Schönheit und des kulturellen Reichtums ihrer Nation aber auch der menschlichen Tragödien, die sich dort in den letzten Jahrzehnten abgespielt hatten, verstärkten meine Sympathie für dieses Land schon in jungen Jahren.

Auch in Berlin habe ich angolanische Bekannte, deren Schilderungen des Bürgerkrieges mich sehr bewegen. Viele wurden bereits als Kinder zu Soldaten gemacht und mussten an unvorstellbaren Grausamkeiten teilnehmen oder diese mit ansehen. Viele ihrer Verwandten wurden getötet und die Familienstrukturen in den Wirren des Krieges zerrissen. Jedoch auch hier in Deutschland befinden sie sich als Flüchtlinge in einer auswegslosen Situation. Viele Angolaner leben seit über einem Jahrzehnt in Deutschland, ohne die Möglichkeit sich ihren Unterhalt selbst zu verdienen oder sich weiterzubilden. So erwarten viele von ihnen mittellos nun ihre Abschiebung in eine ungewisse Zukunft in einem zerstörten Land nach dem Bürgerkrieg.

Die Motivation, meine Arbeit über ein Thema der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) zu schreiben, entsprang der Hoffnung, hierdurch einen kleinen Beitrag zum Wiederaufbau des Landes leisten zu können. Zudem ist die EZ mein fachlicher Schwerpunkt und ich hatte bereits durch vorangegangene Praktika in der Zentrale der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) in Eschborn und in einem Projekt in Honduras Erfahrungen in diesem Bereich sammeln können.

Auf den Gedanken, mich in meiner Arbeit mit der Problematik von Flüchtlingen und Vertriebenen auseinander zusetzen, kam ich jedoch eher zufällig, als ich am Prüfungskolloquium von Prof. Dr. Ellenberg und Prof. Dr. Schröder teilnahm, in dessen Rahmen Jean-Daniel Nkundineza seine Dissertation über Umweltdegradation infolge kriegerischer Auseinandersetzungen in den Auffangregionen von Flüchtlingen in der Côte d´ Ivoire und in Guinea vorstellte.

Die Herangehensweise an das Thema der vorliegenden Arbeit ist ein Kompromiss zwischen meinen eigenen Vorstellungen und den Bedürfnissen des GTZ-Programms sowie des angolanischen Projekt-Partners vor Ort.

An dieser Stelle möchte ich Herrn Christoph Franke von der GFA Terra Systems GmbH für seine freundliche Unterstützung in allen organisatorischen und fachlichen Fragen danken, die maßgeblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen hat. Herr Frank Faiss (GTZ) hat mir durch fachliche Diskussion und logistische Unterstützung Beistand geleistet. Herr Eduardo Martins vom Instituto de Reintegração Sócio-Profissional dos Ex-Militares (IRSEM) half mir bei der organisatorischen Planung und der Schaffung von Kontakten in den Provinzen. Herr Stefan Jurdzik (GTZ) war mir behilflich bei logistischen Engpässen.

Ferner hat die freundliche und gute Zusammenarbeit mit der Munizipal-Administration von Ganda sowie dem lokalen IRSEM-Beauftragten Herrn Pedro Bernardo, dem Vizeadministrator von Kaála, Herrn Isaac Beu, dem Vizeadministrator von Cuima, Herrn Faustino Capingala, und dem Vizeadministrator von Kibala, Herrn Joaquim Virgilio Gomes diese Arbeit erst ermöglicht.

Weiterhin haben mich alle Mitarbeiter des Programms Reintegration und lokale Entwicklung sowie die Mitarbeiter der IRSEM-Zentrale in Luanda und des IRSEM-Provinzbüros in Benguela tatkräftig unterstützt. Axel Schwätter, und Marian Kaiser förderten durch viele hilfreiche Diskussionen das Gelingen dieser Arbeit. Ihnen allen möchte ich meinen Dank aussprechen.

Schließlich danke ich Herrn Prof. Dr. Ludwig Ellenberg und Herrn Prof. Dr. Bodo Freund für ihre Anregungen und die Unterstützung, die sie meiner Arbeit zukommen ließen.

Die Häufigkeit der in dieser Diplomarbeit auftretenden Anglizismen ist auf die gängige Sprachpraxis in der EZ zurückzuführen.

Um die Lesbarkeit des Textes zu erhöhen, wird in dieser Arbeit bei Personenbezeichnungen mitunter die männliche Form verwandt. Diese Bezeichnungen erfassen jedoch weibliche und männliche Personen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Karte 1: Standorte der Zielgruppenanalysen in Angola (Kartengrundlage: U. S. Central Intelligence Agency)

1. Einleitung

Projekte der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) müssen sich unter anderem zwei großen Herausforderungen stellen. Zum einen der detaillierten Kenntnis der Menschen und Verhältnisse in ihrem Wirkungsbereich und zum anderen der Fähigkeit, sich an die dort stattfindenden Veränderungsprozesse anzupassen. Aus diesen Prämissen heraus wurden im Zusammenspiel von Entwicklungstheorie und -praxis Instrumente entwickelt, die Entwicklungshelfer in die Lage versetzten sollen, solchen Herausforderungen gerecht zu werden. Unter diesen Instrumenten hat sich die Zielgruppenanalyse als ein effektives Werkzeug zur Schaffung einer Datenbasis für Projekte der EZ etabliert (vgl. BMZ 1999, S. 2). Die Zielgruppenanalyse stellt jedoch kein starres Instrument der Datensammlung dar, sondern ist vielmehr eine Herangehensweise, die an den zeitlichen Rahmen, die personellen Ressourcen, die örtlichen Gegebenheiten und die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung angepasst werden muss. Mittels der Zielgruppenanalyse kann ein differenziertes Bild der vom Projekt berührten Personen geschaffen sowie Aussagen zu deren sozialer Struktur und den ökonomischen Gegebenheiten gemacht werden (vgl. Brendel 1998, S. 2). Sie befähigt dazu, tatsächliche oder potentielle Konflikte aufzuzeigen, spezielle Problemfelder gesondert anzusprechen und mittels der gesammelten Daten konkrete Handlungsempfehlungen für ein Projekt zu erarbeiten (vgl. Osterhaus, Schäfer, 1999, S. 16). Die Schaffung einer solchen Datenbasis ist die Voraussetzung für spätere Anpassungen an Veränderungen sowie für Planung, Evaluierung und Monitoring eines Projektes.

Nach dem Ende des Bürgerkrieges in Angola drängt derzeit ein Großteil der über 4 Millionen Vertriebenen sowie Flüchtlinge, Soldaten und Demobilisierten mit ihren Familien zurück in ihre Heimatgebiete, wo sie der schwierige Prozess der sozialen und produktiven Reintegration erwartet. Diese Post-Bürgerkriegssituation stellt besondere Anforderungen an ein EZ-Vorhaben. Enorme Migrationsbewegungen der Betroffenen erschweren die Planung, die militärisch geprägten staatliche Institutionen haben oft abweichende Prioritäten und die weite Verbreitung von Minen behindern den Zugang zu großen Landesteilen. Die Gesundheitssituation im Lande ist fatal und lokal auftretende Hungersnöte verhindern oft den Übergang von der Nothilfe zur strukturbildenden Entwicklungszusammenarbeit.

Das Ziel des Programms „Reintegration und lokale Entwicklung / Angola“ der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) ist die „…Reintegration von Vertriebenen, Flüchtlingen und Demobilisierten auf der Grundlage längerfristiger lokaler Entwicklungskonzepte unter der Leitung funktionsfähiger lokaler Verwaltungen“ (siehe GTZ, 2002b, S. 2). Für ein Projekt dieser Art und in einem derartigen Umfeld ist aufgrund der sich schnell verändernden Ausgangsbedingungen die Feststellung des Status Quo von besonderer Wichtigkeit. Hierbei ist es notwendig, eine Zielgruppenanalyse durchzuführen, die neben der Schaffung einer Datenbasis für das Projekt einen speziellen Fokus auf eventuelle schwelende Konflikte in einer Gegend mit solch konfliktgeladener Vergangenheit legen kann.

Die Richtlinien für die Analyse wurden gemeinsam mit den Verantwortlichen des GTZ-Programms und dem lokalen Programmpartner Instituto de Reintegração Sócio-Profissional dos Ex-Militares (IRSEM) erarbeitet. Sie beinhalten als Zielsetzung neben der Erhebung von Baselinedaten und der Identifikation von eventuellen Konflikten insbesondere die Erfassung der sozialen und traditionellen Strukturen der Zielgruppe und die Beschreibung der ökonomischen Situation. Ferner sollten Ziele und vorrangige Probleme der Bevölkerung und speziell der besonders benachteiligten Mitglieder der Gemeinschaft aufgezeigt werden. Es wurde weiterhin vereinbart, dass in der Studie die Möglichkeiten einer besseren partizipativen Einbindung der Bevölkerung erforscht und eine Strategie für das Programm mit konkreten Vorschlägen für das zukünftige Vorgehen erarbeitet werden sollte. Die Analyse wurde in drei Projektstandorten in unterschiedlichen Provinzen durchgeführt, von denen sich einer kurz vor der Implementierungsphase und die beiden weiteren noch in der Planungsphase befanden. Die Standorte liegen in den drei Provinzen Angolas, die am stärksten von den Auswirkungen des Krieges in Mitleidenschaft gezogen wurden und nun eine entsprechend große Menge an Rückkehrern wieder aufnehmen müssen. Diese Regionen gehörten einst zu den produktivsten Gegenden Angolas und sind landwirtschaftlich ergiebiger als der trockene Küstenstreifen.

Um die Programmplanung an die Realität im Projektgebiet anzupassen und zu entscheiden, welche Aktivitäten vorzugsweise durchgeführt sollten, musste zunächst die aktuelle Situation im Projektgebiet detailliert dargestellt werden. Ziel der Analyse war es daher diese entscheidungsrelevanten Informationen zu liefern.

2. Methoden

Die partizipative Zielgruppenanalyse ist ein Instrument, das dem primären Ziel der EZ, der Armutsminderung, dienlich ist. Sie ist „…ein Paket von Diagnose- und Analyseinstrumenten, die es erlauben, die aktuelle Situation im Projektgebiet detailliert darzustellen, so dass auf diese Weise die richtigen Entscheidungen für die weitere Projektarbeit getroffen werden können“ (siehe Brendel, 1998, S. 3). Die Zielgruppenanalyse ist ein ganzheitlicher Ansatz, der die Möglichkeit bietet, die Multikausalität von Armut insbesondere auch unter Gender-Aspekten zu erfassen (vgl. Engelhardt-Wendt, Schörry-Klinger, 2001, S. 4). Die Wahl der Methoden und die Festlegung der einzelnen Durchführungsschritte werden im Wesentlichen durch die zur Verfügung stehenden finanziellen und personellen Ressourcen sowie den zeitlichen Handlungsrahmen und das Erkenntnisziel des Projektes bestimmt (vgl. Brendel, 1998, S. 3).

Die verfügbaren personellen wie finanziellen Mittel für die vorliegende Studie waren gering und der zeitliche Rahmen knapp, was eine Anpassung der geplanten Aktivitäten erforderte. Nach der Durchsicht der Projektdokumente und der Erfassung bereits vorhandener Daten, Studien und Sekundärliteratur sowie Gesprächen mit den Projektverantwortlichen wurde gemeinsam mit der Partnerorganisation des Programms, IRSEM, die Erkenntnisziele der partizipativen Zielgruppenanalysen erarbeitet und die hierfür in Frage kommenden Zielgruppen sowie die personelle und logistische Unterstützung bestimmt. Hierbei wurde vereinbart, die Zielgruppenanalyse in Bezug zu den vom Projekt festgelegten Indikatoren durchzuführen, anhand denen zukünftig Fortschrittskontrollen des Programms durchgeführt werden. Überdies kam es zu Treffen mit Mitarbeitern mehrerer nationaler NROs sowie Mitarbeitern der Programme der Europäischen Union und der Weltbank. Auch erfolgte ein vorbereitender Kurzaufenthalt in einem der Programmstandorte im Dorf Cachimbango, bei dem erste Kontakte geknüpft und logistische und organisatorische Fragen geklärt wurden.

Im Hinblick auf den knapp bemessenen zeitlichen Rahmen war es sinnvoll, Methoden anzuwenden, die in relativ kurzer Zeit einen großen Informationsgewinn versprachen. Dabei erforderten die vereinbarten Richtlinien, dass sowohl Instrumente der qualitativen als auch der quantitativen Datenerhebung eingesetzt werden. Die hierfür geeignetsten Methoden sind Participatory Rapid Appraisal (PRA), teilnehmende Beobachtung sowie strukturierte und semi-strukturierte Interviews.

PRA ist ein Instrument, das weniger auf die Erhebung exakter Zahlen ausgerichtet ist, als vielmehr auf die Erfassung komplexer sozialer und sozioökonomischer Zusammenhänge. Im Vergleich zu konventionellen Erhebungen lassen sich mittels der PRA-Werkzeuge schnell und mit geringem Kostenaufwand Informationen über Lebensbedingungen und Ressourcen einer Zielgruppe gewinnen (vgl. Schönhuth, Kievelitz, 1993, S. 2). Hierbei wird besonderer Wert auf die partizipative Einbindung der lokalen Bevölkerung gelegt. Bei der vorliegenden Zielgruppenanalyse kamen mit unterschiedlichem Erfolg verschiedene PRA-Instrumente zum Einsatz. Diese wurden anhand bereits bekannter Gegebenheiten vor Ort, wie beispielsweise der hohen Analphabetenrate, ausgewählt und angepasst.

Ein PRA-Werkzeug, das außerordentlich gut eingesetzt werden konnte war die Erstellung von so genannten Timelines (Zeitrahmenleisten). Hierbei wird gemeinsam mit der Zielgruppe ein wichtiges Ereignis in der kollektiven Erinnerung bestimmt. Von diesem ausgehend werden sukzessive weitere wichtige Ereignisse in der Geschichte der Gemeinschaft erschlossen, um so eine historische Einordnung des Projektes vornehmen und den geschichtlichen Hintergrund des Dorfes aus der Sicht seiner Bewohner erfassen zu können (vgl. Schönhuth, Kievelitz, 1993, S. 67). Durch die Verwendung von Symbolen oder Gegenständen als Markierungspunkte auf der Zeitlinie konnten hierbei auch die große Zahl der Analphabeten an der Durchführung der Methode teilnehmen und das Instrument in allen drei Zielgebieten mit ähnlichem Erfolg angewendet werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Foto 1: Erstellung einer Timeline im Dorf Cachidongo; Herr Capingala übersetzt in Umbundu

Weiterhin kamen Wohlstands-Ranglisten (auch Wealth Ranking oder soziale Stratifizierung genannt) zum Einsatz. Hierbei wird zunächst die Bevölkerung in einzelne Haushalte aufgeteilt und diese werden symbolisch dargestellt. Anschließend werden Schlüsselinformanten darum gebeten, die Symbole in Wohlstands-Kategorien einzuordnen und diese zu erklären (vgl. Chambers, 1992, S. 17). Die Methode fand wenig Anklang bei den Zielgruppen, da der ökonomische Unterschied im Vergleich der einzelnen Haushalte als so gering erachtet wurde, dass es den Schlüsselinformanten als sinnlos erschien ein Ranking vorzunehmen. Die Erstellung von Problem-Ranglisten, die auf ähnliche Weise erarbeitet wurden, war hingegen erfolgreich.

Die Arbeit mit Wirkungs-Flussdiagrammen erwies sich insgesamt als sehr effektiv. Bei diesem Instrument wird von einem Problem oder einem Ereignis ausgegangen und durch Anregungen der Zielgruppe dessen Konsequenzen erforscht (vgl. Schönhuth, Kievelitz, 1993, S. 68). Auch das Problembaum-Instrument, das dazu dient die Wurzeln eines Problems zu erkunden, konnte nutzbringend eingesetzt werden. Vor allem die Multikausalität von Armut und Hunger und die Komplexität derer Auswirkungen konnte auf diese Weise gut erfasst werden.

Ferner wurden Trend-Analysen verwendet, mit denen Änderungen in der Bevölkerungszahl, der Sicherheitssituation, der Gesundheitssituation, der Ernährungssicherheit und der Verlässlichkeit der Wasserversorgung über die vergangenen acht Jahre hinweg erfasst werden sollten. Hierfür wurden Tabellen erstellt, in denen die Bevölkerung die einzelnen Punkte jeweils in Abständen von zwei Jahren mit Noten bewerten sollte. Das Konzept der Bewertung einer Situation mit (Schul-) Noten stiftete jedoch Verwirrung. Auch nachdem das System etwas vereinfacht wurde und die Noten durch die Bewertungen „gut“, „neutral“ und „schlecht“ ersetzt wurden, hatten die Zielgruppen oft erhebliche Probleme, sich beispielsweise die Situation der Wasserversorgung vor acht Jahren in Erinnerung zu rufen, so dass die Trend-Analysen nur bedingt für die Studie ausgewertet werden konnten.

Der Einsatz von Chapati- oder Venn-Diagrammen war von mäßigem Erfolg. Mit Hilfe dieser Diagramme soll die Bedeutung verschiedener Institutionen für die Befragten und der Wandel ihrer Wichtigkeit dargestellt werden (vgl. Chambers, 1992, S. 17). Zwar wurden meist mehrere Institutionen benannt, jedoch entstand der Eindruck, dass die Zielgruppen es in manchen Dörfern als unangemessen empfanden über einen etwaigen Bedeutungsverlust der drei Schüsselinstitutionen (Religion, traditionelle und staatliche Autorität) in deren Anwesenheit Auskunft zu geben.

Neben den PRA-Instrumenten kamen auch strukturierte und semi-strukturierte Interviews zum Einsatz. Der Vorteil des semi-strukturierten Interviews ist, dass es sich durch seinen weniger festgelegten, nicht standardisierten Aufbau aus sich selbst heraus entwickeln kann und sich hierbei neue Fragenbereiche aus den Antworten der Befragten erschließen können (vgl. Moris, Copestake, 1993, S. 13). Die hierfür entwickelten Fragen dienten dabei mehr als Konversationsgerüst, das die Gespräche in die vorgesehenen Bahnen lenken sollte. Dieser Interviewtyp fand bei der Erhebung qualitativer Daten Verwendung und wurde mit großem Erfolg angewandt. Zur Ermittlung von quantitativen Daten wurde auf strukturierte und standardisierte Interviewtechniken zurückgegriffen. Die Befragungen wurden in Form von Gemeindeinterviews, Gruppeninterviews, Schlüsselinformanteninterviews und Einzelinterviews durchgeführt, wobei die Methode der direkten Beobachtung als Kontrollinstrument für die Befragungsresultate ausgewählt wurde. Die Interviews wurden mit Hilfe eines MiniDisc-Recorders sowie eines kleinen Originalkopf-Mikrofons aufgezeichnet und in der Regel noch am selben Abend transkribiert. Die Technik des Aufnehmens der Interviews wurde ausgewählt, um den Interviewfluss nicht durch das fortwährende Aufschreiben von Notizen zu unterbrechen.

Die aus der Ethnologie stammende Methode der teilnehmenden Beobachtung wurde angewandt, um durch die Teilnahme am täglichen Leben der Dorfgemeinschaften ein möglichst ganzheitliches Bild der Zielgruppe wiedergeben zu können, wobei die anschließende Auswertung der Feldnotizen eine wichtige Ergänzung zu den Ergebnissen der anderen Instrumente lieferte. Zudem konnten hierbei ebenfalls die Ergebnisse der Interviews gegengeprüft werden.

Es ist derzeit so gut wie unmöglich, gesicherte Zahlen zur Situation in Angola zu erhalten. Dies betrifft besonders die ländlichen Gebiete, wo eine allgemeine statistische Unzuverlässigkeit herrscht. Zum Teil ist dies einer institutionellen Schwäche der Statistik geschuldet, die auf Munizipalebene besonders ausgeprägt ist. Hier mangelt es häufig sowohl an hinreichend ausgebildetem Personal als auch an statistischen Abteilungen in den Munizipal-Verwaltungen. Zum anderen sind große Landesteile und besonders auch einzelne abgelegene Kommunen kommunikativ oder verkehrstechnisch nur schwer erreichbar. Überdies erschwert insbesondere die Menge und enorme Dynamik der aktuellen Migrationsbewegungen die Möglichkeit aktuelles und genaues Datenmaterial zu erlangen.[1] Ein weiterer Unsicherheits-Faktor sind interessengeleitete Zahlenangaben. Tatsächlich ist davon auszugehen, dass viele Zahlen über bedürftige Bevölkerungsgruppen sowohl auf staatlicher Seite[2] als auch bei NROs zu hoch liegen, da diese ihre Zielgruppen tendenziell eher größer darstellen, um zusätzliche Unterstützung einzuwerben oder die bisherigen Mittel zu sichern (vgl. GTZ, 2002b, S. 9). Auch mit den in dieser Studie genannten Zahlen sollte daher vorsichtig umgegangen werden, insbesondere wenn sie über den lokalen Rahmen hinausgehen.

3. Darstellung des Untersuchungsraums

Angola zeichnet sich wie kaum ein anderes Land durch eine enorme Diskrepanz zwischen einem beachtlichen Reichtum an Rohstoffen einerseits und einer in Armut lebenden Bevölkerungsmehrheit andererseits aus. Das Verhältnis zwischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf und Human Development Index (Index der menschlichen Entwicklung - HDI) liegt bei 38 Rangplätzen im internationalen Vergleich. Dies verweist auf ein weiteres soziales und wirtschaftliches Problem des Landes, das in einer großen Kapitalkonzentration in wenigen Händen besteht. Laut UNDP (Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen) verfügten 1998 10 % der reich­sten Familien über 45 % des Gesamteinkommens und die 50 % Ärmsten über 14 %. Neuere Daten zur Einkommensverteilung existieren nicht, jedoch ist bisher keine grundlegende Trendwende zu verzeichnen.

3.1 Die Untersuchungsregionen

Der geomorphologische Aufbau Angolas wird im Wesentlichen von Randstufenzonen im Küstenbereich und einer zentral gelegenen, von West nach Ost verlaufenden Wasserscheide, der Lunda-Schwelle bestimmt (siehe Karte 1). Diese trennt das Kalaharibecken und die Flusssysteme des Cunene und Sambesi im Süden und Südosten vom nördlich gelegenen Kongobecken. Die Schwelle ist Teil ausgedehnter Hochflächen (Planaltos), die in der Provinz Huambo Höhen von bis zu 2620 m erreichen (siehe Kuder, Möhlig, 1994, S. 20). Die untersuchten Regionen Cachimbango, Acolongonjo und Quissequel befinden sich in Bereichen des Randschwellengebietes und des Hochlandes, die zum südafrikanischen präkambrischen Kontinentalsockel gehören (vgl. Kuder, 1971, S. 11 u.13).

In den untersuchten Gegenden trifft man an Bodentypen vor allem auf tropische Roterden (Ferrasole), tiefgründig verwitterte Böden, die einen mit Eisen- und Aluminiumoxiden angereicherten Bu-Horizont aufweisen. Diese Roterden, die hier aus Graniten und Gneisen hervorgehen, sind in den Ebenen alte, stark degradierte Tonböden mit niedriger natürlicher Fruchtbarkeit und dadurch begrenzten landwirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten (siehe Jessen, 1936, S. 341). Als weitaus fruchtbarer erweisen sich die Böden am Fuße der Randschwellen und Inselberge.

Die untersuchten Gebiete liegen in unterschiedlichen klimatischen Regionen. Während das Dorf Cachimbango und das Dorf Quissequel gemäß Köppen-Klassifikation in gemäßigt feuchtem Klima liegen und gebietsweise jahreszeitlich trocken sind (Cwa), herrscht in der Kommune Cuima ein gemäßigt feuchtes Klima (Cwb) (vgl. Kuder, 1971, S. 95). Die Regenzeit dauert von Oktober bis April an und die meist als starke Gewitterregen niedergehenden Niederschläge erreichen in Cuima mittlere Jahreswerte von rund 1500 mm, während sie in Cachimbango bei ca. 1300 mm und in Quissequel bei ca. 1100 mm liegen (vgl. Kuder, Möhlig, 1994, S. 27). Die Menge des jährlichen Niederschlages ist jedoch starken Schwankungen ausgesetzt.

Ursprünglich bestand die Vegetation in der Ganda-Ebene um Cachimbango aus hohem Trockenwald und auch die Region um Quissequel war mit Trockenwald bestanden, der hier in Baum- und Gehölzsteppen mit hohem Gras überging (vgl. Jessen, 1936, S. 119 u. 289). Heutzutage trifft man in beiden Gebieten jedoch fast ausschließlich auf Hochgrassavannen, die durch regelmäßige Brandrodungen baumfrei gehalten werden. Eine Ausnahme bilden die Berghänge, wo sich immergrüne Galeriewälder halten, die nur schwerlich gerodet werden können. In Cuima war die natürliche Vegetation einstmals regengrüner Trockensavannenwald (vgl. Jessen, 1936, S. 209), der heute durch anthropogenen Einfluss größtenteils in eine Buschsavanne mit lockerem Baumbestand umgewandelt wurde.

In Angola leben verschiedene ethnische und linguistische Gruppen. Die Mehrheit dieser ethnischen Gemeinschaften gehört zu den Bantugruppen, so auch in den Untersuchungsregionen. Die nicht zu den Bantus gehörenden Gruppen sind ethnische Minderheiten und in Angola kaum vertreten. Die Bewohner der untersuchten Standorte Cachimbango und der Kommune Cuima gehören der Umbundu sprechenden Gruppe der Ovimbundu an, die in Angola am stärksten vertreten ist. Die Einwohner von Quissequel sind Teil der zweitgrößten Bevölkerungsgruppe Angolas, der Kimbundu.

3.2 Historischer Rahmen

Die Besiedelung Angolas durch die Portugiesen begann im Jahr 1575 und ihre Kontrolle über das Land hielt fast durchgängig bis 1975 an. Der Kampf für die Unabhängigkeit nahm im Jahr 1961 seinen Anfang, als das Movimento Popular de Libertação de Angola (MPLA) ein Gefängnis in Luanda angriff (vgl. Hodges, 2001, S. 8). Bereits im darauf folgenden Jahr begann eine zweite nationalistische Bewegung, die Frente Nacional de Libertação de Angola (FNLA), im Nordwesten Angolas einen Guerillakampf gegen die Kolonialmacht zu führen. Im Jahr 1966 drang die MPLA erstmalig, mit militärischer Unterstützung durch die UdSSR, vom Kongo aus in die Exklave Cabinda und von Sambia aus ins östliche Angola ein (vgl. Hodges, 2001, S. 8). Um dieselbe Zeit bildete sich eine dritte nationalistische Kraft, die União Nacional para a Independência Total de Angola (UNITA), die von der Regierung Rhodesiens unterstützt wurde.

Ungeachtet der Bemühungen dieser nationalistischen Bewegungen behielt Portugal das Land fest unter seiner Kontrolle, bis im Jahr 1974 das Movimento das Forças Armadas (MFA) in Lissabon die Macht ergriff und verkündete, in Zukunft auf die Kolonien Portugals zu verzichten. Ein Jahr danach unterzeichneten Portugal, die MPLA, die FNLA und die UNITA das Alvor-Abkommen, das eine repräsentative Übergangsregierung schaffen sollte. Diese Regierung kollabierte jedoch kurz darauf, als jede der angolanischen Fraktionen versuchte noch vor der Erklärung der Unabhängigkeit ihre Vormachstellung zu sichern (vgl. Heywood, 2000, S. 184). Es kam zum Bürgerkrieg, der einen Massen-Exodus von ca. 340 000 portugiesischen Siedlern zufolge hatte und damit fast der gesamten technischen und Verwaltungs-Expertise. Hierauf folgte unmittelbar eine ökonomische Krise.

Zeitgleich eskalierte der bewaffnete Konflikt durch die Einmischung ausländischer Kräfte in das Kriegsgeschehen, wobei FNLA und UNITA von Südafrika, den Vereinigten Staaten und Zaire und die MPLA von Kuba unterstützt wurden (vgl. Götz, 2002, S. 85). Am Unabhängigkeitstag (11. November 1975) war die Kontrolle über Angola aufgeteilt: Die MPLA unter der Führung von Agostinho Neto hatte Luanda und andere städtische Gebiete unter ihrer Kontrolle, während Jonas Savimbis UNITA, mit ihrem Machtzentrum in Huambo, große Teile des ländlichen Südens und Ostens hielt. Nach dem Kollaps der FNLA im Jahr 1976 brachte die MPLA schrittweise den Großteil des Landes unter ihre Kontrolle (vgl. Hodges, 2001, S. 10).

Ein erster Versuch den Frieden wiederherzustellen begann im Dezember 1988, als Angola, Kuba und Südafrika die New York-Abkommen unterzeichneten, in welchen sich die ausländischen Mächte verpflichteten ihre Truppen aus Angola abzuziehen. Wenige Jahre später, im Mai 1991, unterzeichneten die MPLA und die UNITA das Abkommen von Bicesse in Portugal, demzufolge Wahlen der Legislative und des Präsidenten abgehalten werden sollten. Als jedoch abzusehen war, dass Jonas Savimbi die erste Runde der Präsidentschaftswahlen gegen José Eduardo dos Santos (der nach Netos Tod als dessen Nachfolger eingesetzt wurde) verlieren würde, zog er das Land wieder in den Krieg (vgl. Heywood, 2000, S. 216).

Nachdem die UNITA unter dem Deckmantel des Bicesse-Abkommens die Möglichkeit gehabt hatte sich zu reorganisieren und wiederzubewaffnen, war sie nun dazu in der Lage, große Teile des Landes zu besetzen und für die Regierungstruppen unzugänglich zu machen. Als sie bei einer Belagerung von Kuito große Verluste hinnehmen musste ging sie jedoch wieder in die Defensive. Als Antwort auf den Bruch des Friedensabkommens beschlossen die Vereinten Nationen (UN) 1993 den Waffen- und Kraftstoffhandel der UNITA mit Sanktionen zu belegen (siehe Hodges, 2001, S.16).

Im November 1994 kam es zu einem zweiten Versuch Frieden zu schaffen, als MPLA und UNITA die Lusaka-Abkommen unterschrieben, unter denen sich die UNITA verpflichtete, ihre Soldaten zu demobilisieren und einer Regierung der Einheit und Versöhnung beizutreten. Diese Regierung wurde im April 1997 gebildet, im Kontext eines friedenssichernden UN-Einsatzes, der bis zu 7500 Soldaten umfasste (vgl. Hodges, 2001, S. 15). Die Demobilisierung wurde initiiert und gegen Ende 1998 waren bereits mehr als 175 000 Soldaten demobilisiert. Trotz dieser Fortschritte vermied es der UNITA-Führer Savimbi jedoch nach Luanda zu kommen und kleinere Kämpfe an Nebenschauplätzen hielten an.

Im Dezember 1998 wurde das Lusaka-Abkommen hinfällig, als wieder heftigere Kampfeshandlungen aufflammten und Mitte des Jahres 1999 hatte die UNITA ihre Kontrolle über den Großteil des Landes zurückerobert. Im September desselben Jahres eroberten die Regierungstruppen Savimbis Hauptquartiere in Bailundo und Andulo. Mitte 2000 war eine neue Patt-Situation erreicht, in der die UNITA als eine geschwächte aber beharrliche Guerillagruppe auftrat, die kontinuierlich die ländlichen Gebiete destabilisierte (vgl. Hodges, 2001, S. 18).

Am 22. Februar 2002 töteten Regierungstruppen Jonas Savimbi bei einem Gefecht in der Provinz Moxico und nach mehreren Wochen zäher Verhandlungen unterzeichneten die beiden Kriegsparteien am 4. April 2002 ein Waffenstillstandsabkommen. Das Abkommen umfasst unter anderem folgende Punkte: 1. die Verabschiedung eines Amnestie-Gesetzes für alle während des Konflikts begangenen Kriegsverbrechen; 2. die Integration von 5047 UNITA Ex-Kombattanten in die angolanischen Streitkräfte (FAA) und die nationale Polizei; 3. die Demobilisierung der übrigen UNITA-Streitkräfte (FMU) innerhalb eines festgelegten Zeitplans (vgl. HRW, 2003, S. 5). In weiteren Verhandlungen willigte die Regierung ein, mittelfristig ebenfalls 33000 Mitglieder der FAA zu demobilisieren.

Seitdem wurde das Waffenstillstandsabkommen nicht mehr gebrochen. Die FMU wurde am 2. August 2002 formell aufgelöst und die ehemaligen Kombattanten werden derzeit mit ihren Familien von den Provinz-Behörden aus den Demobilisierungslagern in die von ihnen zur Wiederansiedlung bestimmten Gegenden transportiert. Dies geschieht unter Aufsicht einer zivilen Behörde, dem Nationalen Komitee für sozioökonomische Wiedereingliederung von Demobilisierten und Vertriebenen (Comissão Nacional de Reintegração Social e Produtiva dos Desmobilizados e Deslocados - CNRSPDD) (siehe GTZ, 2002b, S. 67).

3.3 Das Programm „Reintegration und lokale Entwicklung“

Während des Bürgerkrieges in Angola wurde fast einem Drittel der Gesamtbevölkerung[3] aus ihren Ursprungsgebieten vertrieben. Hinzu kommen 400.000 angolanische Flüchtlinge in den Nachbarländern Demokratische Republik Kongo, Sambia und Namibia sowie in Südafrika (vgl. GTZ, 2002b, S. 9).

Viele dieser Personen und eine große Zahl ehemaliger Soldaten, die derzeit teilweise noch auf ihre Demobilisierung warten, kehren nun nach der Beendigung des Krieges, in ihre Ursprungsgebiete zurück. Die Rückkehrer befinden sich in der prekären Situation, dass ihre Ernten oft nicht ausreichen, um ein Leben auf Subsistenzniveau zu führen. Ferner können Grundbedürfnisse wie der Zugang zu sauberem Trinkwasser oder gesundheitlicher Versorgung von vielen gegenwärtig nicht befriedigt werden. Das Ausbildungsniveau der ländlichen Bevölkerung ist allgemein niedrig und die Analphabetenrate sehr hoch.

Von der Regierung erfordert es große Bemühungen, die minimalen Voraussetzungen für eine Wiederansiedlung zu schaffen, nachdem im Inneren des Landes auf lokaler Ebene keine Strukturen mehr existieren, die die Grundversorgung der Demobilisierten, Flüchtlinge, Vertriebenen und ihrer Familien sicherstellen können. Die angolanische Regierung ist bei der Bewältigung dieser Probleme auf auswärtige Unterstützung angewiesen.

Das GTZ-Programm „Reintegration und lokale Entwicklung“ schließt an die 1996, bzw. 1997 begonnenen Vorgängervorhaben „Reintegration“ und „Kommunale Begleitmaßnahmen“ an. Die Durchführung der Projektaktivitäten war aufgrund der Sicherheitslage vor dem Friedensabkommen nur in begrenztem Ausmaß möglich. Erst im April 2002 konnten mit dem Friedensschluss die geplanten Aktivitäten in den Projektgemeinden nach und nach wieder aufgenommen werden (siehe GTZ, 2004, S. 6).

[...]


[1] Zwar werden von Verwaltungsstellen und NROs oft bis auf die letzte Stelle genaue Zahlen herausgegeben, jedoch erscheint es dem Autor rätselhaft, wie solch genaue Angaben in der derzeitigen Situation systematisch erfasst werden können.

[2] Der Grund hierfür liegt insbesondere im Wettbewerb um Sonderfördermittel zwischen den Ministerien sowie zwischen den verschiedenen Provinzen und Gemeinden.

[3] UN-Angaben zufolge gibt es in Angola derzeit 4,1 Mio. Vertriebene. Eine Zahl, die 30,7 % der Gesamtbevölkerung entspricht und den weltweit höchsten Prozentsatz intern Vertriebener darstellt.

Fin de l'extrait de 102 pages

Résumé des informations

Titre
Reintegration von Soldaten und Vertriebenen des Bürgerkrieges in Angola
Université
Humboldt-University of Berlin  (Geographisches Institut)
Note
1,1
Auteur
Année
2005
Pages
102
N° de catalogue
V68237
ISBN (ebook)
9783638594349
ISBN (Livre)
9783638711685
Taille d'un fichier
3231 KB
Langue
allemand
Annotations
Nach dem Ende des Bürgerkrieges in Angola drängen 4 Mio. Flüchtlinge, Soldaten u. Demobilisierte mit Familien zurück in ihre Heimatgebiete, wo sie der schwierige Prozess der sozialen und produktiven Reintegration erwartet. Diese Post-Bürgerkriegssituation stellt besondere Anforderungen an ein Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit. Die vorliegende Arbeit ist eine Zielgruppenanalyse für das Reintegrationsprojekt der GTZ in Angola. Ziel: Schaffung einer Datenbasis, Soziale Wirkungsanalyse, Abg..
Mots clés
Reintegration, Angola, Bürgerkrieg, Internally Displaced Persons, Vertriebene, Lokale Entwicklung, GFA AGRAR, GTZ, Technische Zusammenarbeit, Soldaten, Ex-Kombattanten, Zielgruppenanalyse, IDPs, PRA, Participatory Rural Appraisal, RRA, Rapid Rural Appraisal, Ex-Soldaten, MPLA, UNITA, Benguela, Huambo, Cuanza Sul
Citation du texte
Jochen Zimmermann (Auteur), 2005, Reintegration von Soldaten und Vertriebenen des Bürgerkrieges in Angola, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68237

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