Soziale Ungleichheit im Bildungssystem


Hausarbeit, 2006

28 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I Theorie
1. theoretische Einleitung
2. Stand der Analysen
2.1. Bourdieu
2.2. Boudon/Goldthorpe
3. Pisa Studie 2000
3.1. Zusammenfassung der Ergebnisse im Bereich Lesekompetenz
3.2. Finnland als Spitzenreiter
3.3. Deutschland im Mittelfeld
4. Entwicklung der Hypothese

II. Praxis
5. Durchführung mittels SPSS und Regressionsanalyse
6. Hypothesenprüfung
7. Darstellung der Ergebnisse
8. Rückschluss und Fazit
9. Literaturverzeichnis

I Theorie

Die PISA-Studie hat ihren Namen nicht von der gleichnamigen Stadt und ihrem berühmten Turm, jedoch lassen sich einige Vergleiche zwischen dem schiefen Wahrzeichen Pisas und dem deutschen Bildungssystem herstellen. Das Kennzeichen des Pisaturmes ist seine schräge Lage, dieselbe Eigenschaft lässt sich auf deutsche Bildungsinstitutionen beziehen. So scheint seit der PISA-Studie 2000 die deutsche Bildung aus ihren Grundsätzen gerissen worden zu sein. Die Bevölkerung war nach Bekanntgabe der schlechten Ergebnisse deutscher Schüler entsetzt und forderte schnellsten Handlungsbedarf von der Regierung, um im internationalen Bildungsvergleich mithalten zu können. Reformen und allgemeines Umdenken im Bildungsverständnis könnten demnach eine weitere Verschlimmerung der Lage verhindern.

Daher gilt es in dieser Arbeit, in einem theoretischen Teil, die PISA- Studie 2000 vorzustellen, um anschließend in einem praktischen Teil eigene Untersuchungen darzubieten.

1. theoretische Einleitung

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) initiierte im Jahr 2000 die Internationale Schulleistungsstudie PISA. Diese Studie ist die größte und umfangreichste des internationalen Bildungssystems. Teilgenommen haben 32 Staaten unterschiedlichster Bildungshintergründe, dabei sind 28, Mitgliedsstaaten der OECD.

PISA steht für „Programme for International Student Assessment“ – ein Programm zur zyklischen Erfassung bestimmter Basiskompetenzen von 15-jährigen Schülern.[1] Die teilnehmenden Nationen bekommen dabei Auskunft über ihre Ressourcenausstattung und die Effizienz ihrer Bildungssysteme.

Primäre Aufgabe des Programms ist es, eine bildungspolitische Basis unter den teilnehmenden Ländern bezogen auf Bildungsziele zu schaffen. Des Weiteren sollen den Nationen in periodischen Abständen Prozess- und Ertragsindikatoren zur Verfügung gestellt werden, die für Entscheidungen zur Verbesserung der nationalen Bildungssysteme brauchbar sind. Das Hauptaugenmerk bei der PISA-Studie lag 2000 auf folgenden Indikatoren: Lesekompetenz (Reading Literacy), mathematische Grundbildung (Mathematical Literacy), naturwissenschaftliche Grundbildung (Scientific Literacy) und fächerübergreifende Kompetenzen (Cross-Curricular Competencies).[2]

Im Mittelpunkt der PISA–Studie 2000 steht die Frage, wie gut die Fähigkeiten der Jugendlichen, bezogen auf Kenntnisse und Fertigkeiten zur Bekämpfung realitätsnaher Herausforderungen, entwickelt sind. Dafür wurden im Frühsommer 2000 mehr als eine Viertel Million Schüler im Alter von 15 Jahren getestet. Für Deutschland bedeutete dies genau, dass 5000 Schüler an 219 Schulen getestet wurden, wobei die Auswahl der Schüler dem Zufallsverfahren überlassen war. Die PISA–Studie ist die erste Bildungsstudie die einen Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Status und Bildungsniveau herauszuarbeiten versucht. Dieser Zusammenhang wird, anhand von verschiedenen Berechnungen, im praktischen Teil dieser Arbeit beleuchtet.

Bevor jedoch auf die Praxis eingegangen werden kann, muss eine theoretische Grundlage zum Verständnis gegeben werden. Im Anschluss an diese Einleitung wird ein Überblick über den Stand der Analysen anhand verschiedener Kritiker aufgezeigt. Dabei wird speziell der Begriff des kulturellen Kapitals geklärt. Nach diesem Überblick wird dem Leser eine Übersicht über die PISA–Studie gegeben, wobei das Hauptaugenmerk auf der Lesekompetenz der Länder Finnland und Deutschland liegt. Den Übergang zum praktischen Teil der Arbeit bildet die Darstellung der Entwicklung der zu untersuchenden Hypothesen. Für eine korrekte Auswertung jener, müssen zuvor die Auswertungsverfahren erklärt werden. Nach einer ausführlichen Erläuterung folgt schließlich die Hypothesenprüfung und im Anschluss die Darstellung der gewonnenen Ergebnisse. Den Abschluss der Arbeit bildet ein Fazit.

2. Stand der Analysen

Schon lange herrscht unter den verschiedensten Kritikern eine Debatte über den Begriff des kulturellen Kapitals. Dabei greifen diese auf unterschiedliche Theorien zurück, welche, exemplarisch an Bourdieu und Boudon/Goldthorpe, unter diesem Punkt kurz gegenübergestellt werden. In meiner Arbeit verstehe ich unter dem Stand der Analysen, die aktuelle, kritische Auseinandersetzung der vorliegenden Vertreter mit dem Begriff des kulturellen Kapitals und der Ungleichheit im Bildungssystem. Den Anfang bildet der Soziologe Pierre Bourdieu, der den Begriff des kulturellen Kapitals in die Soziologie einführte.

2.1. Bourdieu

Pierre Bourdieu entwickelte das Konzept des kulturellen Kapitals, um soziale Ungleichheiten zu erklären. Dabei umfasst der Begriff des kulturellen Kapitals für ihn die Bildung, welche in sozialen Beziehungen eine Zweckmäßigkeit erfüllt.

Dieses Teilstück ist körpergebunden und wird in der Familie, die über unterschiedlich viel kulturelles Kapital verfügt, an die Kinder weiter gegeben. Gleichermaßen sieht er diese Kapitalform als Instrument von sozialem Reichtum. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Bourdieu unter kulturellem Kapital den individuellen Gehalt an Bildung und Wissen eines Jeden versteht. Dabei unterscheidet Bourdieu in seiner Kapitaltheorie folgende drei Formen von kulturellem Kapital:

- Inkorporiertes Kulturkapital

Darunter versteht Bourdieu die Internalisierung des Kulturkapitals im Rahmen des familiären Lebensstils.[3]

Erworbene Bildung wird als inkorporiertes Kapital zu einem Bestandteil der Person, also zu einem natürlichen Teil des Habitus.

Unter Habitus versteht Bourdieu kurz gefasst eine Handlungsgrammatik, die eigenes Handeln unbewusst strukturiert. So ist jedes Individuum durch eine objektive soziale Position und durch einen eigenen Lebensstil charakterisierbar. Der Lebensstil stellt dabei die individuelle Gestaltung des Lebens dar.[4] Da jedoch jedes Individuum unterschiedlich geprägt wurde in seiner Entwicklung, zum Bespiel durchs Elternhaus, ist diese Kapitalform von sozialer Ungleichheit gekennzeichnet.

- Objektiviertes Kulturkapital

Objektiviertes Kulturkapital stellt nach Bourdieu die Manifestation des inkorporierten, verinnerlichten Kulturkapitals in Form von Objekten dar. Zu diesen Objekten können zum Beispiel kulturelle Güter, Bilder oder Büchersammlungen zählen. Eine Voraussetzung für die Aneignung von objektiviertem Kapital ist das Vorhandensein von ökonomischem Kapital. Daher ist diese Kapitalform auf materieller Ebene übertragbar, nicht aber der Sinn für Kunst als Beispiel, dafür wird verinnerlichtes kulturelles Kapital benötigt.

- Institutionalisiertes Kulturkapital

Diese Kapitalform ist die Objektivierung des sozialen Kapitals in Form von legitimen Titeln und Stellen, wie zum Bespiel der schulische Titel einer Hochschule.[5] Ausschlaggebend für die Anhäufung von kulturellem Kapital ist verfügbares ökonomisches Kapital. Die Umwandlung vom ökonomischen Kapital in institutionalisiertes Kulturkapital setzt somit viel voraus. Jedoch zahlt sich diese Investition später durch höheres Einkommen oder bestimmte Privilegien wieder aus. Eine besondere Stellung nimmt diese Art des Kapitals ein, da es nicht übertragbar ist, wie das objektivierte Kulturkapital. Durch die Einführung von Titeln wird kulturelles Kapital jedoch austauschbar und vergleichbar.

Eine soziale Ungleichheit der Bildung zeigt sich nach Bourdieu in der Aufteilung der Gesellschaft in Klassen. Bourdieu erklärt diese Differenz mit der unterschiedlichen Verfügung über folgende Kapitalsorten:

- ökonomisches Kapital umfasst die materiellen Besitztümer
- soziales Kapital beschreibt die Summe der Beziehungen, die ein Mensch hat und funktioniert als
- symbolisches Kapital

Es wurde schon erwähnt, dass Bourdieu kulturelles Kapital zur Erklärung von sozialen Ungleichheiten einführte. Seine Theorie zu kulturellem Kapital wird häufig auch als Reproduktionstheorie bezeichnet. Diese Theorie formuliert die These, „dass sich kulturelles Kapital für Kinder höherer Statusgruppen besonders günstig auswirkt“.[6] Dabei geht er davon aus, dass Eltern höherer Schichten ihr kulturelles Kapital in zunehmendem Maß nutzen, um gewisse Vorteile an ihre Kinder weiterzugeben und damit ihre Laufbahn zu fördern.[7] So wird kulturelles Kapital von der Familie in die Schule übertragen und von den Kindern in Titel umgewandelt. Kinder hoher sozialer Herkunft fühlen sich nach Bourdieu´s Ansicht im Schulsystem eher zu Hause, als solche aus niedrigeren Schichten. Des Weiteren geht er davon aus, dass die Wertschätzung von Hochkultur und kulturelle Fähigkeiten, kurz kulturelles Kapital, von den Kindern zu Hause erworben wird. Auch nur diese, die schon über kulturelles Kapital von vornherein verfügen, können sich noch mehr aneignen.

Bourdieu geht hierbei von dem „Matthäus- Prinzip“ aus: „wer da hat, dem wird gegeben“.[8] Zusammenfassend kann über Bourdieu´s Reproduktionshypothese gesagt werden, dass durch die unbewusste Weitergabe von kulturellem Kapital an die Kinder, eine Monopolisierung von kulturellem Kapital stattfindet.

Eine entgegengesetzte Hypothese zu Bourdieus Prinzip entwickelte DiMaggio. Diese besagt, dass vor allem Kinder aus niedrigeren Schichten vom kulturellen Kapital der Eltern profitieren können. Kinder aus höheren Schichten, die hingegen schon über viel kulturelles Kapital verfügen, können sich nicht noch mehr Ressourcen aneignen. Weiterhin zeichnet diese Hypothese eine Demokratisierung von kulturellem Kapital aus, da sie für jeden zugänglich ist. Bezeichnet wird diese These von DiMaggio auch als Mobilitätstheorie.

Für DiMaggio kommt dabei nur ein Design in Frage, um die Beziehung zwischen dem kulturellem Kapital der Schüler und ihren Bildungsergebnissen im Einzelnen zu untersuchen, ein Panel-Design. Bei dieser Art der Befragung werden die gleichen Personen in regelmäßigen Intervallen über einen längeren Zeitraum entweder immer zum selben Thema oder über jeweils verschiedene Themen befragt. Ein Vorteil hierbei ist, dass das längerfristige Verhalten der Personen beobachtet werden kann.

2.2. Boudon/Goldthorpe

Diese beiden klassischen Vertreter gehen, anders als Bourdieu, von unterschiedlichen Herkunftseffekten in der Verbesserung der sozialen Schicht aus. Der „primäre Herkunftseffekt“ bezieht sich dabei auf schichtspezifische Unterschiede im kulturellem Hintergrund und deren Auswirkungen auf schulische Leistungen. Zu diesen Effekten zählen kognitiven Fähigkeiten wie zum Beispiel Sprachgewandheit, Allgemeinwissen oder Sozialkompetenz.

Bei dem „sekundären Herkunftseffekt“ handelt es sich um den Einfluss der sozialen Herkunft, der die Kinder in verschiedene Schultypen einteilt. Diese Schulwahlentscheidung wird von den Eltern vorgenommen, und kann durch die Rational-Choice-Theorie erklärt werden. Die Kosten- / Nutzenfunktion fließt auf gleiche Weise in ihre Entscheidungen mit hinein.

Dabei wägen die Eltern vor allem folgende Komponenten ab: Bildungskosten, Bildungsrendite und Erfolgswahrscheinlichkeit.[9] Bei allen drei Komponenten spielen soziale Herkunftsbedingungen eine entscheidende Rolle.

An dieser Stelle kritisieren Boudon und Goldthorpe Bourdieu´s kulturelle Reproduktionshypothese. Indem sie davon ausgehen, dass Bildungsentscheidungen aus der ökonomischen Lage der Eltern hervorgehen, widersprechen sie Bourdieu. Dieser vertritt insbesondere die Meinung, dass die Bildungsentscheidungen der Eltern von den kulturellen Gegebenheiten im Elternhaus und der Schichtzugehörigkeit abhängig sind.

Goldthorpe fasst die dargestellten Herkunftseffekte in zwei typische Strategien zusammen. Zum einen in die Strategie von oben, damit ist die Dienstklasse gemeint, bei der die Eltern alles auf die Bildung der Kinder setzen, um somit den Statuserhalt zu sichern. Zum anderen in die Strategie der Arbeiterklasse, der unteren Schichten, die eher einen mittleren Bildungsweg für ihre Kinder wählen, die aber dennoch für Aufstiegsmöglichkeiten offen sind.[10] Der Boudon/Goldthorpe Ansatz stellt, laut Michal Vester, eine hohe Leistungsfähigkeit dar, was in der PISA-Studie deutlich wurde.

3. Pisa Studie 2000

Ein grober Überblick über die Grundlagen der PISA Studie konnte in der Einleitung gewonnen werden. An dieser Stelle werden die Methoden, Ergebnisse sowie zwei unterschiedliche Schulsysteme der Studie vorgestellt. Eine so genannte Neuerung der PISA-Studie ist die Untersuchung von fächerübergreifenden Kompetenzen. In dem ersten Zyklus der Studie 2000 wurden dafür wichtige Voraussetzungen selbstständigen Lernens analysiert, wie zum Beispiel Lernstrategien oder außerschulische Interessen.

Den Schwerpunkt in der Studie 2000 bildete die Lesefähigkeit, auf die in dieser Arbeit explizit eingegangen wird. An dieser Stelle muss geklärt werden, welcher Definition von Lesekompetenz der PISA Studie 2000 unterliegt. „Lesekompetenz wird als ein wichtiges Hilfsmittel für das Erreichen persönlicher Ziele als Bedingung für die Weiterentwicklung des eigenen Wissens und der eigenen Fähigkeiten und als Voraussetzung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verstanden.“[11] Dabei werden die Fähigkeiten der Schüler untersucht, Sätze und Texte zu lesen und im Textzusammenhang verstehen zu können.

[...]


[1] Vgl. „Die Pisa-Studie (2000)“. Verfügbar über: http://www.bildungsserver.de/zeigen.html?seite=1270. Datum des Zugriffs: 13.03.2006.

[2] Vgl. „Lernen für das Leben: Erste Ergebnisse der internationalen Schulleistungsstudie Pisa 2000“. Verfügbar über: http://www.pisa.oecd.org/dataoecd/44/31/33691612. S.16. Datum des Zugriffs: 13.03.2006.

[3] Vgl. Georg, Werner. „Kulturelles Kapital und Statusvererbung“. S.126.

[4] Vgl. Korte, Hermann (2004): „Soziologie“. Konstanz: UVK Verlag. S.136.

[5] Vgl. Georg, Werner. „Kulturelles Kapital und Statusvererbung“. S.127.

[6] Vgl. De Graaf, Paul; De Graaf, Nan Dirk: „Hoch- und populärkulturelle Dimensionen kulturellen Kapitals: Auswirkungen auf den Bildungsstand der Kinder“. S.152.

[7] Vgl. ebd., S.148.

[8] Vgl. ebd., S.149.

[9] Vgl. Vester, Michael: „Die ständische Kanalisierung der Bildungschancen. Bildung und soziale Ungerechtigkeit zwischen Boudon und Bourdieu“. S.16.

[10] Vgl. Vester, Michael: „Die ständische Kanalisierung der Bildungschancen. Bildung und soziale Ungerechtigkeit zwischen Boudon und Bourdieu“. S.17.

[11] Vgl. „Pisa 2000: Die Studie im Überblick“. S.7. Verfügbar über: http://www.mpib-berlin.mpg.de/en/Pisa/newweb/PISA_im_Ueberblick.pdf, Datum des Zugriffs: 15.03.2006.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Soziale Ungleichheit im Bildungssystem
Hochschule
Universität Konstanz
Note
2
Autor
Jahr
2006
Seiten
28
Katalognummer
V68308
ISBN (eBook)
9783638609524
Dateigröße
504 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Soziale, Ungleichheit, Bildungssystem
Arbeit zitieren
Nina Hanisch (Autor:in), 2006, Soziale Ungleichheit im Bildungssystem, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68308

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Soziale Ungleichheit im Bildungssystem



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden