Die 2000er Grundrechtecharta der EU


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2002

24 Pages, Note: 2,3


Extrait


Gliederung

0. Einleitung

1. Die Idee und die Entstehung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union
1.1. Die Idee einer Grundrechtecharta
1.2. Die Entstehung der Grundrechtecharta

2. Die Zusammensetzung des Konvents zur Erarbeitung der Charta

3. Der Inhalt der Grundrechtecharta
3.1.1. „Würde des Menschen“
3.1.2. „Freiheiten“
3.1.3. „Gleichheit“
3.2.1. „Solidarität“
3.2.2. “Bürgerrechte“
3.2.3. „Justizielle Rechte“
3.3.„Tragweite der garantierten Rechte“

4. Schlussfolgerungen und Fazit

5. Bibliographie

0. Einleitung

Europa wächst zusammen. In diesem Ausspruch steckt eine seit den 1950ern andauernde Zusammenarbeit von jetzt 15 europäischen Staaten. Die enge Zusammenarbeit begann mit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, der sogenannten Montanunion und streckt sich bis heute über zahlreiche Politikfelder, die die inzwischen gegründete Europäische Union bearbeitet. Dazu gehören nicht nur wie die anfangs erwähnte Zusammenarbeit auf dem Gebiet Kohle und Stahl, sondern auch Politikbereiche wie die Landwirtschaft, die justitielle und polizeiliche Zusammenarbeit, aber auch der Versuch einer gemeinsam koordinierten Außen- politik.

In dem Bereich der EU-Gerichtsbarkeit besteht eine besonders intensiv ausgeprägte gesamteuropäische Aktivität. An dieser Stelle von einer bloßen intergouvernementalen, also zwischenstaatlichen, Zusammenarbeit zu sprechen, wäre nicht richtig. Der Europäische Gerichtshof, als reines supranationales Organ, welches die Möglichkeit hat, jenseits von politischen Richtungen und Parteien, wie im Europäischen Parlament, und jenseits von nationalem Gedränge, wie im Europäischen Rat oder der Europäischen Kommission, entscheiden kann, sei hier als Beispiel genannt. Auch der Versuch, durch einen Verfassungskonvent[1] einen Verfassungstext für die EU-Staaten zu entwerfen, deutet auf weit fortgeschrittene Gemeinsamkeiten innerhalb der EU.

Es wird also deutlich, dass die EU und damit große Teile West-, Süd-, und Nordeuropas und zukünftig vermutlich auch die Betrittskadidaten aus dem Mittel- und Osteuropäischen Raum nicht nur zu einem Wirtschaftsraum, sondern auch zu einem Rechtsraum zusammenwachsen. Innerhalb dieses Rechtsraumes sind nicht nur wirtschaftliche Werte der entscheidende Punkt. Eine gemeinsame ‚Wertegemeinschaft’ ist ebenfalls notwendig. Ich meine an dieser Stelle nicht nur die Werte, die eine Wirtschaftsordnung mitbestimmt, oder die durch einen bestimmten Kulturkreis bestimmt werden, sondern auch solche Werte, die einen gewissen allgemeingültigen Wert haben. Zunächst ist hier wohl die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948“[2] als allgemeinverbindliche „Wertgrundlage“ zu nennen. Diese Erklärung ist deshalb als eine solche Grundlage zu betrachten, da sie von allen UN-Mitgliedern getragen wird und somit kaum ein Land der Erde[3] von ihr ausgeschlossen ist, bzw. ihr nicht zugestimmt hat. Es ist also besonders wichtig, Menschen- bzw. Bürgerrechte bei dem

„Projekt EU“ nicht zu vergessen.

Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, proklamierten Europäisches Parlament,

der Europarat sowie die Europäische Kommission die „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“[4]. Diese Charta wurde auf dem Europäischen Rat von Nizza von den jeweiligen Präsidentinnen der drei genannten Organe unterzeichnet und proklamiert. Sie trat somit am 7. Dezember 2000 in Kraft.

Aus diesem Faktum ergibt sich die These, dass die GRC ein fördernder Beitrag zum Grundrechtsschutz auf dem Gebiet der EU ist. Hieraus wiederum ergeben sich Fragen, die beantwortet werden müssen. So z.B., ob die GRC einen rechtsverbindlichen Status hat, oder welche Ziele sie verfolgt. Die wichtigste und somit die zentrale Frage allerdings, ist die, ob die GRC ein gelungener Beitrag zur Sicherung und Verbesserung der grund- und menschenrechtlichen Situation in der EU ist oder doch Mängel aufweist, die einen solchen Schutz in Frage stellen könnten.

Demnach ist auch diese Hausarbeit, die sich mit eben jener „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ beschäftigt, wie folgt unterteilt.

Es folgt unter erstens zunächst die Entstehung der Idee zu einer Grundrechtecharta, sowie ein Überblick des Werdeganges der GRC ausgehend von dem EGV[5] bis hin zum Europäischen Rat von Nizza. Anschließend werde ich unter zweitens die Beteiligten und somit die „Gründungsväter und –mütter“ näher beleuchten.

Im Anschluss erfolgt unter drittens, die Punkte 3.1.1. bis 3.3. einschließend, eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Abschnitten und Artikeln der GRC. Die Ausführlichkeit der Analyse und Bewertung steht in Einklang mit der Bedeutung der jeweiligen Artikel aus meiner Sicht.

Im Schluss dieser Arbeit, unter Punkt vier wird dann das Fazit zu ziehen sein, ob die Ausarbeitung der Charta ein Erfolg war und ob somit die zentrale Frage positiv oder negativ zu beantworten ist.

1.Die Idee und die Entstehung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union

1.1. Die Idee einer Grundrechtecharta

Die Maxime des Grund- und Menschenrechtschutzes ist bereits seit der Gründung der Europäischen Union sowie ihrer Vorgängerorganisationen ein Grundpfeiler ihres Handelns. So findet sich im Artikel 6 Abs. 2 des EU-Vertrages folgender Satz: „Die Union achtet die Grundrechte, wie sie in der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben“.[6] Nicht nur im EU-Vertrag finden sich Hinweise bzw. Forderungen, die ein Schutz von Grund- und Menschenrechten fordern bzw. vorschreiben. Auch im EGV sind Artikel verankert, die einen solchen Schutz zum Inhalt haben. So ist in Artikel 12 EGV ein erster Ansatz eines Diskriminierungsverbotes zu finden. Allerdings beschränkt sich dieser „nur“ auf ein Diskriminierungsverbot auf Grund einer bestimmten Staatsangehörigkeit. Weitergehend nimmt Artikel 13 zu diesem Punkt Stellung.

In ihm wird es in einem Verfahren, welches dem Rat[7] erlaubt, auf Vorschlag der Europäischen Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlamentes, „Vorkehrungen ... (zu) ... treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen.“, möglich, gegen Diskriminierung gesetzlich vorzugehen.

Es lassen sich noch viele weitere Beispiele finden, die belegen, dass die Idee eines Grundrechtschutzes in den Gründungsverträgen der EU verankert ist.

An dieser Stelle sei nochmals auf die „Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten“[8] vom 4. November 1950 verwiesen. Bereits dort werden ‚klassische’ Grundrechte wie die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit im Artikel elf, das Recht auf freie Meinungsäußerung im Artikel zehn oder das Recht auf freie Ausübung einer Religion im Artikel neun festgeschrieben. Auch im EGV, wie oben schon angerissen, finden sich ebenfalls Grundfreiheiten und –rechte. Neben ‚klassischen’ Rechten wie der Freizügigkeit[9], finden sich vor allem soziale Grundrechte verankert.

Es wird also deutlich, dass die Idee und der Gedanke, einen grundrechtlichen sowie menschenrechtlichen Schutz innerhalb der EU zu gewähren, nicht erst mit der 2000er Grundrechtecharta Zugang in die Union fand. Woran es jedoch einem ‚zusammenwachsenden’ Europa, sprich der EU, trotz alledem bis 2000 mangelte, war eine EU-Erklärung zu diesem Thema. Denn ein eigene, umfassende Erklärung war bisher nicht gemacht worden. Sicherlich verleihen Konventionen wie die EMRK einen gewissen Schutz und geben auch eine Grundlage auf diesem Politikfeld, ersetzen allerdings nicht eine Erklärung eines Gebildes, das einen Verfassungstext für sich und seine Mitglieder anstrebt. In diesem Wissen also, entstand der Drang, eine eigene Erklärung zu proklamieren.

Eingedenk dessen, schlussfolgerte der Vorsitz des Europäischen Rates von Köln[10], „dass im gegenwärtigen Entwicklungsstand der Europäischen Union die auf der Ebene der Union geltenden Grundrechte in einer Charta zusammengefasst und dadurch sichtbarer gemacht werden sollten.“ Auch sollte „die überragende Bedeutung der Grundrechte und ihre Tragweite für die Unionsbürger sichtbar (...) veranker[t]“ werden, so die Schlussfolgerungen des Vorsitzes weiter.[11] EMRK, überlieferte Rechte aus den nationalen Verfassungen der Mitgliedstaaten, Europäische Sozialcharta, Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer[12], sowie auch Grundrechte, die nur Bürger der Europäischen Union genießen, sollten sich in der GRC wiederfinden. Die Aufgabe dieser Ausarbeitung wurde einem Konvent übertragen, auf dessen Zusammensetzung ich später eingehen werde.[13]

1.2. Die Entstehung der Grundrechtecharta

Um den enggesteckten Zeitplan auch organisatorisch einzuhalten, der den Dezember 2000 als Endpunkt vorgab, sollten bereits während des Europäischen Rates im finnischen Tampere am 15./16. Oktober 1999 Beschlüsse gefasst werden, die eine Umsetzung des ‚Unternehmens Grundrechtecharta’ im Zeitplan sichern sollten. Hier wurde daraufhin beschlossen, wie der Konvent zur Erarbeitung der GRC zusammengesetzt werden sollte, aber auch Richtlinien, wie seine Arbeit erfolgen soll. Mit den Beschlüssen von Tampere also begann der Konvent seine Arbeit. Während des Treffens von Biarritz vom 13. und 14. Oktober 2000, beschäftigte sich

Nicole Fontaine, Präsidentin des Europäischen Parlamentes, mit dem Thema GRC und sagte zur Eröffnung unter anderem, dass eine solche Charta nicht rein „deklaratorischer Art“ sein dürfe. Wenn es so sein sollte, bestehe die Gefahr, dass die EU in ihrer Funktion als „Hüterin der Grundrechte“ geschwächt würde, so Fontaine.[14] Schließlich wurde der Vorschlag des erarbeitenden Gremiums am 2. Dezember 2000 von ihm selbst angenommen. Nur elf Tage später stimmte der Rat von Biarritz ohne Gegenstimme oder Enthaltung dem Entwurf zu.

Nun bedurfte die Grundrechtecharta noch der Zustimmung des Europäischen Parlaments, sowie der Zustimmung der Europäischen Kommission. Auch diese erfolgte am 14. November 2000 bzw. am 6. Dezember 2000. Ihre endgültige Gültigkeit erlangte die GRC allerdings erst am 7. Dezember 2000 während des Europäischen Rates von Nizza.

Allerdings muss an dieser Stelle eingefügt werden, dass das hehre Ziel, welches Nicole Fontaine in Biarritz formulierte, noch immer nicht Realität ist. Die Grundrechtecharta ist bis heute nicht Bestandteil der rechtsgültigen Verträge der Europäischen Union und somit in diesem Rahmen nicht rechtsgültig.

2. Die Zusammensetzung des Konvents zur Erarbeitung der Charta

Die Zusammensetzung des Konventes, so die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Nicole Fontaine, solle eine „ausgewogene“ Zusammensetzung der drei wichtigsten EU-Organe sein. Weiter fordert sie jedoch, dem Europäischen Parlament, sowie auch den nationalen Parlamenten einen verstärkten Einfluss zu gewähren. Ebenfalls sollen gesellschaftliche, d.h. nicht-gouvernementale Organisationen, sowie andere zivilgesellschaftliche Gruppen in die Erarbeitung des Inhaltes der GRC eingebunden werden.[15] Die Forderung besonders auf die Mitwirkung von Europäischen bzw. nationalen Parlamenten, sowie zivilgesellschaftlicher Organisationen zu achten, verleiht der GRC eine Art demokratische Legitimation. Nicht nur durch Anhörung und Beteiligung dieser Gruppen, sondern auch durch die relativ offene Art und Weise, wie der Konvent arbeitete, im Gegensatz zu sonstigen Entscheidungen, mit öffentlicher Beteiligung und nicht hinter verschlossenen Türen, bewiesen die verantwortlichen Entscheidungsträger Bürgernähe und den Versuch, Transparenz während Entscheidungsfindungen zu üben. So war es z.B. Möglich, den Stand der Erarbeitung jeder Zeit via Internet zu verfolgen.

Dass eine solche Öffentlichkeit an der Erarbeitung beteiligt war, lässt sich schließlich an Hand der letztendlichen Zusammensetzung erkennen. Die ‚Vertreter des Volkes’, also angehörige der genannten Parlamente, stellten mit 46 von 62 ( plus fünf Mitglieder des Präsidiums) die Mehrheit der an der Erarbeitung beteiligten Personen. Dazu wurden noch Abgesandte des Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, des Ausschusses der Regionen, des Wirtschafts- und Sozialausschusses, des Europarates, sowie ein Bürgerbeauftragter als Beobachter an der Erstellung der Grundrechtecharta beteiligt. Die Präsidentschaft oblag dem ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog.

[...]


[1] Der Europäische Verfassungskonvent; beschlossen auf dem EU-Gipfel im belgischen Laeken, im Dezember 2001

[2] Bundeszentrale für politische Bildung(Hrsg.);Menschenrechte. Dokumente und Deklarationen; 3., aktualisierte Auflage; Bonn 1999

[3] 189 Mitglieder der UNO; siehe Microsoft Encarta 2002; Stichwort Vereinte Nationen: 6. Geschichte

[4] GRC

[5] Vertrag über die Europäische Gemeinschaft

[6] Läufer, Thomas (Hrsg.); Vertrag von Amsterdam. Texte des EU-Vertrages und des EG-Vertrages mit den deut- schen Begleitgesetzen, Bonn 2000

[7] Rat; vgl. a.a.O.; Art. 7 EGV

[8] EMRK

[9] z.B. Art. 62 EGV Abs. 1

[10] 3. und 4. Juni 1999

[11] nachzulesen unter www.europarl.eu.int/summits/kol_2.htm

[12] wie in Art. 136 EGV beschrieben

[13] Der Konvent zur Erarbeitung der GRC konstituierte sich im Dezember 1999 und löste sich nach Vollendung seiner Arbeit selbst auf

[14] www.europarl.eu.int/summits/biat_de.htm; N. Fontaine in einer Rede auf dem Europäischen Rat von Biarritz

[15] Rede von Nicole Fontaine, Präsidentin des Europäischen Parlaments, zur Eröffnung des Europäischen Rats von Tampere vom 15./16. Oktober 1999

Fin de l'extrait de 24 pages

Résumé des informations

Titre
Die 2000er Grundrechtecharta der EU
Université
Free University of Berlin  (Otto-Suhr-Institut)
Cours
Proseminar - Zur Kritik politischer Urteilskraft
Note
2,3
Auteur
Année
2002
Pages
24
N° de catalogue
V6872
ISBN (ebook)
9783638143448
ISBN (Livre)
9783638639682
Taille d'un fichier
407 KB
Langue
allemand
Mots clés
Grundrechtecharta, EU, Menschenrechte, Grundrechtskatalog, Bürgerrechte, Charta der Grundrechte, Konvent
Citation du texte
Stefan Kägebein (Auteur), 2002, Die 2000er Grundrechtecharta der EU, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6872

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