Depopularisierung von Städten und die ökonomischen Konsequenzen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Formen der Depopularisierung

3. Folgen der Depopularisierung
3.1 Wachstum
3.2 Arbeitslosigkeit
3.3 Konsum
3.4 Humankapital
3.5 Wohnungsmarkt
3.6 Kommunale Finanzen
3.7 Städtische Versorgungsfunktion und Infrastruktur

4. Fazit

Literaturverzeichnis

Grafik: Bevölkerungsentwicklung Ostdeutscher Städte

1. Einleitung

„Der Club der wachsenden Gemeinden wird kleiner und kleiner werden.“[1] Diese Einschätzung von Heinrich Mäding zeigt, dass eine Analyse der Konsequenzen von schrumpfenden Städten nötig ist. Die Bearbeitung dieses Themas ist von besonderer Aktualität, da dieses Phänomen in massiver Weise seit den Pestwellen des 14. Jahrhunderts und den verheerenden Bevölkerungsverlusten im 30jährigen Krieg in Mitteleuropa nicht mehr so akut war wie es heutzutage in Ostdeutschland ist. Am stärksten betroffen waren dabei in den letzten Jahren Städte in der Größenordnung von 100.000-200.000 Einwohnern mit einer monostrukturellen Wirtschaft. Gera, Rostock, Halle und Schwerin verloren im Zeitraum von 1990 bis 2005 über 20% ihrer Einwohner.[2]

Man kann jedoch nicht pauschal für alle ostdeutschen Städte eine Stadtschrumpfung feststellen. Regionen wie das obere Elbtal oder das Osterzgebirge weisen durchaus positive Tendenzen auf.[3] Für die Verlierer-Regionen ist dies jedoch umso dramatischer, weil es gerade im Osten Deutschlands nicht nur eine Konkurrenz zwischen Städten um kaufkräftige und gut ausgebildete Einwohner gibt, sondern auch um Fördermittel. Falls vom Gießkannenprinzip abgegangen wird und zunehmend Regionen wie Dessau, Dresden, Halle, Leipzig gefördert werden, bleiben dementsprechend weniger Mittel für die restlichen Städte des Ostens übrig.

Unter Depopularisierung von Städten versteht man das Sinken der Bevölkerungszahl innerhalb der politischen Grenzen einer Stadt. Aus statischer Sicht zählt jeder Einwohner zur Bevölkerung einer Stadt, der dort seinen ersten Wohnsitz gemeldet hat. Bewusst habe ich es vermieden, die Arbeit unter den Titel „Schrumpfende Städte“ zu stellen; denn in der Literatur umfasst dies mehr als nur eine Abnahme der Bevölkerung.

Es soll eine Konzentration auf die ökonomischen Wirkungen einer schrumpfenden Bevölkerung auf eine Stadt erfolgen. Dabei ist es bisher umstritten, ob diese a priori als negativ bezeichnet werden können.[4] Diese Arbeit wird den Standpunkt vertreten, dass in der Summe negative ökonomische Konsequenzen zu erwarten sind. Auf Handlungsempfehlungen wird dabei weitestgehend verzichtet, um den Rahmen dieser Hausarbeit nicht zu sprengen.[5] Aus dem gleichen Grund werden auch die sozialen und ökologischen Komponenten nicht näher untersucht werden, obwohl sie für eine umfassende und nachhaltige Betrachtung notwendig wären.

2. Formen der Depopularisierung

Ziel dieser Arbeit soll es sein, zu zeigen, dass die ökonomischen Konsequenzen eines Bevölkerungsverlustes einer Stadt ganz entscheidend davon abhängen, durch welche Form die Depopularisierung erfolgt ist. Dabei wird prinzipiell zwischen drei verschiedenen Formen unterschieden:

I. Ein negativer Saldo der interregionalen Migration

Der dominante Grund hierfür ist eine bessere ökonomische Perspektive oder überhaupt die Aussicht auf einen Arbeitsplatz in der neuen Region. Dabei ist nicht die absolute Entwicklung entscheidend, sondern wie die Stadt sich im Vergleich zu anderen Gebieten des Landes ökonomisch entwickelt. Ein solcher Umzug innerhalb des Staatsgebiets wird durch nur geringfügige bürokratische, sprachliche und soziokulturelle Restriktionen begünstigt. Schon die Existenz einer Lehrstelle in einer anderen Region kann ausreichen, um den Umzug eines Bürgers zu verursachen. Wenn dies politisch gewollt ist, kann dieser Saldo durch Internationale Migration – also Zuwanderung – verbessert werden; denn auch Ostdeutschland hat im internationalen Vergleich durch seinen Wohlstand eine Anziehungskraft.

Die Bevölkerungsverluste in der Dekade nach der Wende sind insbesondere auf die Anziehungskraft des Westens zurückzuführen. Nur jeder fünfte Arbeitsplatz konnte in Ostdeutschland nach der Wende erhalten werden.[6] In den letzten fünf Jahren vergrößerte sich der ökonomische Rückstand zu Westdeutschland sogar wieder. Die Arbeitslosenquote stieg vom 1,95fachen auf das 2,3fache Niveau des Westens.[7]

II. Ein negativer Saldo in der Migration mit dem Umland

Dieses auch unter dem Begriff Suburbanisierung bekannte Phänomen muss streng getrennt werden von der Form I; denn die Arbeits- und Kaufkraft der umziehenden Personen geht für die Stadt nicht in vollem Maße verloren. Begünstigt wurde dieser Prozess in Ostdeutschland durch die erhöhte individuelle Mobilität und verbesserte Verkehrsinfrastruktur nach der Wende. Laut DDR-Statistik hatte 1989 nur die Hälfte der Haushalte ein Auto.[8] Es gab auch im Vergleich zum Westen einen Nachholbedarf ein eigenes Heim zu erwerben, weil dieses in der sozialistischen DDR systembedingt nicht begünstigt wurde. Nach der Wende förderte die Regierung ein solches Verhalten jedoch durch Eigenheimzulagen.

Eine Stadt verliert aber nur dann Einwohner, wenn sie nicht innerhalb der Stadtgrenzen preiswerte, attraktive Flächen zur Bebauung von Einfamilienhäusern frei geben kann. Die attraktiven Altbauten in den Altstädten wurden in Ostdeutschland oft auf Grund unklarer Eigentumsverhältnisse nicht rechtzeitig saniert und wurden von Förderungsprogrammen von Seiten der Regierung nicht im gleichen Maße gefördert wie Neubauten.[9]

III. Demographische Form

Bei einer Geburtenrate unter dem für die Reproduktion benötigtem Wert von 2,1 Kindern pro Frau wird eine Stadt langfristig an Bevölkerung verlieren. Hinzu kommt, dass der Altersdurchschnitt mittelfristig steigen wird und gekoppelt mit längeren Lebenserwartungen der Anteil der arbeitenden Bevölkerung schrumpft. Wenn parallel dazu noch Netto- Abwanderungsverluste in andere Regionen bestehen, dann altert erstens die Bevölkerung noch schneller, weil der Altersdurchschnitt der Abwanderer voraussichtlich unter dem der zurückbleibenden Bevölkerung ist. Zweitens wird durch den Umzug junger Familien auch noch das Potential für Nachwuchs geschwächt. Dieses wird in Ostdeutschland zusätzlich dadurch belastet, dass es in der Ost-West Wanderung im Saldo einen Überschuss an Frauen gibt und in der West-Ost-Wanderung einen Überschuss an Männern, dass führt dazu dass sich das Geschlechterverhältnis im Ungleichgewicht befindet.[10]

Für viele ostdeutsche Städte sind alle drei Formen parallel anzutreffen, wenn auch in unterschiedlich starker Ausprägung. Zunehmend an Bedeutung gewinnen wird für die ostdeutschen Städte die gesunkene Geburtenrate, die 1994 bei 0,77 lag, dem niedrigsten je registrierten Wert in der Welt. Seitdem wurde selbst das niedrige Niveau Westdeutschlands von 1,4 Geburten pro Frau nie erreicht.[11] Diese lässt sich ebenfalls auf die unsichere ökonomische Perspektive zurückführen. Auch in Russland und Bulgarien ist mit dem Ende des Sozialismus ein starker Geburtenrückgang einhergegangen.[12] Es scheint als wären die Arbeitsplatz- und sonstige Garantien, die das sozialistische System bot, dem Kinderwunsch förderlich gewesen.

3. Folgen der Depopularisierung

Da sich die Bevölkerungsverluste nicht auf einzelne Stadtgebiete konzentrieren, sondern in den meisten Städten, die vom Bevölkerungsrückgang betroffen sind, auch die meisten Viertel Bevölkerungsverluste zu verzeichnen haben, führt dies zu einer Schrumpfung der Stadt. Damit ist also nicht ein verkleinertes Stadtgebiet gemeint, sondern der Rückgang der Nutzungsdichte und des Ausnutzungsgrads der städtischen Fläche.[13]

Eine klare Trennung von Ursache und Wirkung fällt bei diesem Thema schwer. Es ist unmöglich festzustellen, ob eine Stadt schrumpft und deswegen das Wachstum der Wirtschaft stagniert, oder ob die Schrumpfung der Wirtschaft zu einer Abwanderung von Einwohnern führt. Hinzu kommt, dass das Wirtschaftswachstum wiederum auch Einflüsse auf das Wachstum der Bevölkerung hat, denn ein hohes Wirtschaftswachstum führt zu optimistischeren Zukunftsaussichten die eine geburtenförderliche Wirkung haben.[14]

Deshalb erscheint eine Einteilung in ursächliche und abhängige Folgeprozesse, wie Lang/Tenz[15] sie vorgenommen haben, sinnvoll.

Grafik 1[16]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


[1] Aus Mäding, Heinrich: Schrumpfung als Herausforderung an eine künftige Stadtpolitik, S. 5

[2] Zahlen aus: http://www.citypopulation.de/Deutschland_d.html.

[3] Siehe Grafik im Anhang.

[4] Franz, Peter: Sind schrumpfende Städte gleichbedeutend mit einer schrumpfenden Wirtschaft?.

[5] Siehe hierzu: Gans; Schmitz-Veltin: Handlungsempfehlungen des ARL-Arbeitskreises “Räumliche Auswirkungen des demographischen Wandels“.

[6] Weidner, Silke: Stadtentwicklung unter Schrumpfungsbedingungen , S. 27.

[7] Statistische Daten aus: http://www.pub.arbeitsamt.de/hst/services/statistik/detail/a.html.

[8] Steiner, Andre: Von Plan zu Plan, S. 218.

[9] Lang, Thilo; Tenz, Eric: Von der schrumpfenden Stadt zur Lean City, S. 79.

[10] Beck, Grit, Wandern gegen den Strom: West-Ost Migration in Deutschland , S. 99.

[11] Bevölkerung – Fakten – Trends – Ursachen – Die wichtigsten Fragen, S. 22.

[12] Lang/Thenz, S. 78.

[13] Weidner, S. 19.

[14] Franz, Sind schrumpfende Städte gleichbedeutend mit einer schrumpfenden Wirtschaft? S. 9.

[15] Lang, Thilo; Tenz, Eric: Von der schrumpfenden Stadt zur Lean City.

[16] Grafik angelehnt an Lang/Tenz, S. 98.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Depopularisierung von Städten und die ökonomischen Konsequenzen
Hochschule
Universität Mannheim
Veranstaltung
Stadtökonomie
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
18
Katalognummer
V68774
ISBN (eBook)
9783638611428
Dateigröße
1160 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Depopularisierung, Städten, Konsequenzen, Stadtökonomie
Arbeit zitieren
Lars Weddige (Autor:in), 2006, Depopularisierung von Städten und die ökonomischen Konsequenzen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68774

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Depopularisierung von Städten und die ökonomischen Konsequenzen



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden