Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Hintergründe der Theorie
2. System und Umwelt
3. Sinnsysteme
4. Beziehungen von Systemen zur Umwelt
5. Ausblick
1. Hintergründe der Theorie
Die Luhmanns Systemtheorie gilt neben Habermas’ Diskurstheorie momentan sicherlich als eine der wichtigsten makrosoziologischen Theorien. Luhmann hat Parsons handlungstheoretische Systemtheorie, die in ihren Grundlagen noch auf Max Weber fußt, zu einer hochkomplexen, ganz eigenen Kommunikationstheorie umgebaut.[1] Von Parsons schlichtem Renaissancebau hat Luhmann nur einige Mauern stehen gelassen. Sein Theoriebau hat die Mannigfaltigkeit des Barock. Luhmann hat seine Baumaterialen in vielen anderen Disziplinen zusammengeklaubt. So hat er die Phänomenologie, den Konstruktivismus, die Kybernetik, die Semiotik u. v. m. in seine Theorie eingeschmolzen. Auch seine Begrifflichkeit hat er oft aus anderen Disziplinen entlehnt, so „Autopoiesis“ aus der Biologie, „Differenz“ aus Logik und „Medien“ aus der Psychologie.
Dieses komplexe Theoriegebäude bildet in sich ein eigenes Sprachspiel. Das erschwert den Zugang zu dieser Theorie ungemein. Will man einen Begriff erläutern, muss man dazu wieder zwei Begriffe verwenden, die man auch erst wieder erläutern muss mit weiteren Begriffen...usw.
Eine weitere Schwierigkeit bei der Annäherung an diese Theorie ist die Größe des Gegenstandsbereichs, den sie erklären möchte. Die Systemtheorie „reklamiert für sich nie: Widerspiegelung der kompletten Realität des Gegenstandes. Auch nicht: Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Erkenntnis des Gegenstandes. Daher auch nicht: Ausschließlichkeit des Wahrheitsanspruchs im Verhältnis zu anderen, konkurrierenden Theorieunternehmungen. Wohl aber: Universalität der Gegenstandserfassung in dem Sinne, dass sie als soziologische Theorie alles Soziale behandelt und nicht nur Ausschnitte (wie z.B. Schichtung, Mobilität, Besonderheiten der modernen Gesellschaft, Interaktionsmuster etc.).“[2]
In Folge dieser Schwierigkeiten muss klar sein, dass meine Arbeit nicht den Anspruch haben kann, die Luhmann’sche Theorie umfassend und en Detail darzustellen. Wer diesen Anspruch verfolgt, ist mit den zwei Bänden „Die Gesellschaft der Gesellschaft“ und ihren knapp 1150 Seiten als Lektüre besser bedient. Hier kann ich nur in einige Grundbegriffe einführen.
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[1] Der frühe Luhmann ist noch Handlungstheoretiker. In seinen Arbeiten über Verwaltung in den 60er Jahren nimmt er dort Kommunikation noch als Sonderfall von Handlung an. Nach der Kritik an seiner Theorie durch Habermas 1971 baut Luhmann die Theorie grundlegend um. Er geht jetzt grundsätzlich von Kommunikationen als kleinstem Element von Vergesellschaftungen aus. Soziale Handlungen werden jetzt als Formen von Kommunikation erklärt. Zudem ersetzt er das Input-Output-Modell durch die Annahme von operativ-geschlossenen Systemen, die sich selber steuern. Daran ist auch eine neue Konzeption von Komplexität geknüpft. Die neue Fassung seiner Theorie legt er 1984 in seinen „Sozialen Systeme[n]“ erstmals vor. In den Folgejahren, verändert er die dort grundgelegten Axiome nicht mehr grundsätzlich, sondern differenziert die Anwendung seiner Theorie für viele Subsysteme aus. 1997´erschein sein Hauptwerk „Die Gesellschaft der Gesellschaft“ in zwei Bänden. In dieser Arbeit soll die Spätfassung der Theorie dargestellt werden.
[2] Luhmann (1984): S. 9.