Der freie Volksstaat Württemberg in der Weimarer Republik


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2006

102 Pages, Note: 13 Punkte


Extrait


Inhaltsverzeichnis

B. Literaturverzeichnis

I. Allgemeine Darstellung des Landes

II. Meilensteine der Verfassungsgeschichte
1. Die Entstehung der Grafschaft Württemberg
2. Entwicklung der Grafschaft Württemberg im „heiligen römischen Reich deutscher Nation“ (962 bis 1806) zum Herzogtum über das Kurfürstentum hin zum Königreich
a) Die Grafschaft Württemberg
b) Das Herzogtum Württemberg
c) Das Kurfürstentum Württemberg
d) Das Königreich Württemberg
3. Das Königreich Württemberg als souveränes Mitglied des Rheinbundes(1806 – 1813)
4. Das Königreich Württemberg als souveränes Mitglied des Deutschen Bundes (1815 – 1866)
5. Die Zeit des Norddeutschen Bundes (1866 – 1870)
6. Die Entwicklung des monarchischen Bundesstaates Württemberg in den
48 Jahren des Deutschen Kaiserreiches (1871 bis November 1918)

III. Revolutionärer Umbruch 1918
1. Die Vorbereitungen in Württemberg
2. Die ersten Novembertage in Württemberg
3. Der Ausbruch der Revolution am 8. und 9. November
4. Bildung der provisorischen Regierung

IV. Die Verfassung des Freien Volksstaats Württemberg 1919 –1933
1. Entstehung der Verfassung
a) Das Deutsche Reich als Republik mit freistaatlichen Ländern vom November 1918 ab
b) Verfassung vom 26. April 1919 für den „freien Volksstaat Württemberg“ bzw. die an die Reichsverfassung angepasste endgültige „Verfassung Württembergs“ vom 25. September
2. Regierungssystem: Verhältnis von Parlament und Regierung
a) Die Beratung der Landesversammlung über die Frage der Ausgestaltung der obersten Staatsorgane
b) Das Einkammer – System
c) Der Landtag als Organ der Regierungsbildung – Wahl des Staatspräsidenten und Bildung des Staatsministeriums
d) Das vom Staatspräsidenten gebildete Staatsministerium „bedarf des Vertrauens des Landtages“ – Abberufungsbeschluss und Misstrauensvotum
e) Die Minister im Gefüge des Staatsministeriums – das System der Selbstständigkeit der Einzelminister
aa) Der Staatspräsident als Minister
bb) Die Rechtstellung der Minister
3. Gesetzgebung und Notverordnungen
a) Gesetzgebung durch den Landtag
b) Das Referendum und die Initiative – Übernahme der Gesetzgebung durch das Volk
c) Rechts- und Verwaltungsverordnungen
d) Das Notverordnungsrecht
4. Elemente direkter Demokratie
5. Grundrechte
6. Verfassungsgerichtsbarkeit
a) Besetzung und Aufgaben des Württembergischen Staatsgerichtshof
b) Anklagen von Ministern und Abgeordneten
c) Das Verfahren vor dem Staatsgerichtshof in sonstigen Angelegenheiten
7. Staat und Kirche
8. Wirtschaftsleben
a) Die Vergesellschaftung der Wirtschaft und Zwangsenteignung § 59 LV
b) Fideikommisse, Lehen- und Stammgüter – Enteignung
des Großgrundbesitzes § 60 LV
c) Allgemeiner Schutz der Berufstände § 61 LV

V. Die Entwicklung von Verfassungsurkunde und Verfassungswirklichkeit Württembergs: Verfassungsreformen und -konflikte bis 1933
1. Die Konsolidierung der politischen Verhältnisse 1920 bis
2. Regierungskrise und politischer Rechtsdruck
3. Die ruhigen Jahre bis
4. Neue politische Turbulenzen 1928 –1930
5. Der Niedergang des demokratischen Staates 1930 bis 1933

VI. Die Machtergreifung des Nationalsozialismus und die daraus resultierende Umgestaltung der Verfassung

VII. Auf den Trümmern des Hitlerreiches
1. Das Leben nach 1945: Entstehung des Landes Baden-Württemberg und die Verfassung von
a) Unter der amerikanischen und französischen Besatzungszone
b) Württemberg-Baden auf dem Weg zu einer Volksvertretung
c) Württemberg-Hohenzollern auf dem Weg zu einer Volksvertretung
d) Baden auf dem Weg zu einer Volksvertretung
e) Wendemarke „Frankfurter Dokumente“
f) Die Volksbefragung vom September 1950 als Orientierungsgrundlage
g) Die Badenfrage – Das Gesamtland Baden-Württemberg bleibt bestehen
2. Das Landeswappen

B. Literaturverzeichnis

Bauer, Ernst W/.Jooß, Rainer/Schleuning, Hans:

Unser Land Baden-Württemberg, Stuttgart 1986

Bazille, Wilhelm:

Die Verfassung Württembergs vom 25. September 1919, 5. Aufl., Stuttgart 1929

Burkhardt, Hermann/Frey, Gerhart/Kieß, RUdolf/

Noe, Hansjörg/Olbert, Günter/Raisch, Herbert/

Veithans, Helmuth:

Baden-Württemberg: Eine Heimat- und Landeskunde, Stuttgart 1988

Bihr, Wilhelm:

Der Württembergische Staatsgerichtshof, Weilheim a.d. Teck 1931

Borcherdt, Christoph:

Baden-Württemberg – eine geographische Landeskunde,

Darmstadt 1991

Das große Lingen Universal Lexikon: Bd. 20, Köln 1983

Dehlinger, Alfred:

Württembergs Staatswesen, 1. Band, Stuttgart 1951

Eschenburg, Theodor:

Die Entstehung Baden-Württembergs, in: Wehling, Hans-Georg (Hrsg.),

Baden-Württemberg – Eine politische Landeskunde, S. 41 – 64, Stuttgart 1975

Geier:

Das Inkrafttreten von Rechtsverordnungen in Württemberg, in:

Württembergische Zeitschrift für Rechtspflege und Verwaltung,

Band 17 (1924), S.85 – 87

Grube, Walter:

Der Stuttgarter Landtag 1457 – 1957 – von den Landständen

zum demokratischen Parlament, Stuttgart 1957

Grube, Walter:

Vogteien, Ämter, Landkreise in Baden-Württemberg,

1. Band – Geschichtliche Grundlagen, Tauberbischofsheim 1975

Gusy, Christoph:

Die Weimarer Reichsverfassung, Tübingen 1997

Haegele, Karl:

Regierungsbildung und Regierungskontrolle durch den Landtag,

Rottenburg a. Neckar 1930

Kauffmann, Carl:

Das System der Staatspräsidentschaft in Württemberg unter

Berücksichtigung der Verfassungen Preußens, Bayerns,

Sachsens und Badens, Tübingen 1928

Krummacher, Friedrich A.:

Deutschland im ersten Weltkrieg, in: Siebecke, Horst (Hrsg.),

Deutschland im ersten Weltkrieg und zur Zeit der Weimarer Republik,

4. Aufl., Frankfurt am Main 1972, S.2-5

Landtag von Baden – Württemberg:

Ein Leitfaden zu Aufgaben und Geschichte des Landtags, 12. Aufl.,

Oktober 2004 Baden – Baden

Matz, Klaus-Jürgen:

Grundlagen und Anfänge von Baden-Württemberg 1948 – 1960,

in: Handbuch der baden-württembergischen Geschichte,

Schwarzmaier, Hansmartin/Schaab, Meinrad (Hrsg.),

Bd.4 – Die Länder seit 1918, S. 519 – 591, Stuttgart 2003

Menzel, Jörg:

Landesverfassungsrecht: Verfassungshoheit und Homogenität

im grundgesetzlichen Bundesstaat, Stuttgart 2002

Miller, Max:

Aus der Geschichte des Landes, in: Baden – Württemberg:

Porträt eines deutschen Landes. – Sonderausgabe –,

S.XIII – XX, Sigmaringen 1977

Miller, Max/Sauer, Paul:

Die württembergische Geschichte von der Reichsgründung bis heute,

Stuttgart 1971

Rooschüz, Gerhart:

Das württembergische Staatsministerium, Tübingen 1931

Sartorius, Carl:

Die Entwicklung des öffentlichen Rechts in Württemberg in den Jahren

1925 – 1931, in: JöR 20 (1932), S.168 – 194.

Sauer, Paul:

Württemberg in der Weimarer Republik, in: Handbuch der

baden-württembergischen Geschichte,

Schwarzmaier, Hansmartin/Schaab, Meinrad (Hrsg.),

Bd.4 – Die Länder seit 1918, S. 73 – 151, Stuttgart 2003

Sauer, Paul:

Württemberg in der Zeit des Nationalsozialismus, in: Handbuch der

baden-württembergischen Geschichte,

Schwarzmaier, Hansmartin/Schaab, Meinrad (Hrsg.),

Bd.4 – Die Länder seit 1918, S. 231 – 321, Stuttgart 2003

Schnabel, Thomas:

Geschichte von Baden und Württemberg 1900 – 1952, Stuttgart 2000

Schnabel, Thomas:

Württemberg zwischen Weimar und Bonn 1928 bis 1945/46,

Stuttgart 1986

Schmid, Oskar:

Beamtenstellung der parlamentarischen Minister in Württemberg,

in: Zeitschrift für die freiwillige Gerichtsbarkeit und die

Gemeindeverwaltung in Württemberg und Jahrbücher der

württembergischen Rechtspflege, Band 71, Stuttgart 1929, S. 209 - 222

Schmidt, Walther:

Die Landesverfassung – Besonderheiten und Entwicklung, in:

Wehling, Hans-Georg (Hrsg.), Baden-Württemberg –

Eine politische Landeskunde, S. 64 – 82, Stuttgart 1975

Schumacher, Martin:

M.d.L./Das Ende der Parlamente 1933 und die Abgeordneten der

Landtage und Bürgerschaften der Weimarer Republik in der Zeit des

Nationalsozialismus/Politische Verfolgung, Emigration und

Ausbürgerung 1933 – 1945, Bonn 1995

Schöntag, Wilfried:

Das Land Württemberg-Hohenzollern 1945-1952, in: Handbuch der

baden-württembergischen Geschichte,

Schwarzmaier, Hansmartin/Schaab, Meinrad (Hrsg.),

Bd.4 – Die Länder seit 1918, S. 441 – 477, Stuttgart 2003

von Blume, Wilhelm:

Die württembergische Verfassungsgesetzgebung des Jahres 1919,

in: Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart (1920), S. 170-179

Weller, Karl:

Die Staatsumwälzung in Württemberg 1918-1920, Stuttgart 1930

Weik, Josef:

MdL und Landtagsgeschichte von Baden-Württemberg 1945 – 1980,

2. Aufl., Stuttgart 1980

Der Freie Volksstaat Württemberg in der Weimarer Republik

I. Allgemeine Darstellung des Landes

Württemberg mit seiner Landeshauptstadt Stuttgart war ein Land des Deutschen Reichs auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Baden- Württemberg. Es ist von Bayern und Baden fast ganz umklammert; abseits bei Singen liegt noch der Hohentwiel.

Hohenzollern mit 1142 km² ist mit einem 91 km langen Streifen wie ein Keil tief eingesprengt.

Am Bodensee berührt es auf eine kurze Strecke von 22 km die Reichsgrenze gegen Österreich und der Schweiz.

Seit den Napoleonischen Kriegen im Gebiet unverändert war es mit 19 508 km² der drittgrößte Staat des Deutschen Reichs (= 4,14 % seiner Fläche; vor dem ersten Weltkrieg 3,61 %), der das an Einwohnerzahl größere Sachsen an Umfang um ein Viertel überragte und gleich groß wie die Provinz Westfalen war. Württemberg hatte 1925 über 2,5 Millionen Einwohner und eine Bevölkerungsdichte von 132 Einwohnern/km²[1].

Die größte Länge Württembergs beträgt 223 km und seine größte Breite 169 km.

Im Wechsel sind klar und scharf wie in keinem anderen Land, vier natürliche Landschaften ausgeprägt, die nach Bodenaufbau, Höhenlage und Witterung ganz ungleich sind:

An der Westgrenze baut sich 80 km lang und durchschnittlich 23 km breit, der nördliche Schwarzwald auf mit Wald bedeckten bis etwas über 1000m ansteigenden Höhen von 700 – 900 m.

Quer durch das Land von Südwesten nach Nordosten, von Tuttlingen bis ans Nördlinger Ries, zieht wie ein Wall die Kette der Schwäbischen Alb in einer durchschnittlichen Länge von 160 km und einer Breite von 40 km.

Die beiden Mittelgebirge berühren sich beinahe am Neckarursprung bei Schwenningen. In der Lücke zwischen ihnen beginnt und breitet sich keilförmig das Talgebiet des Neckarlandes aus, am oberen Neckar mit einer Meereshöhe von 350m – 450m, und im milden und warmen Unterland mit 170 – 480m, wo überall der Wein gedeiht.

Südlich der Donau erstreckt sich im Mittel 70 km lang und 50 km breit die Hochebene von Oberschwaben bis zum Bodensee, dem größten deutschen Binnensee. Im Südosten ragen noch die Ausläufer der Allgäuer Alpen mit[2].

Württemberg, ursprünglich Grafschaft, seit 1495 Herzogtum, stieg über das Kurfürstentum (1803) zum Königreich (1806) auf[3] und bestand als solches von 1815 – 1866 im Deutschen Bund und 1871 – 1918 im Deutschen Kaiserreich. Hernach 1918 – 1933 war es als freier Volksstaat in der Republik des Deutschen Reichs organisiert und schließlich 1933 – 1945 als Land im nationalsozialistischen Reich, bis es in dessen Zusammenbruch hineingerissen wurde[4].

Das Volk Württembergs lässt sich in Schwaben und Franken gliedern. Zum weitaus größten Teil sind es Schwaben, auch Alemannen genannt, dessen Uradel fünf der bedeutendsten Herrscherhäuser entstammten, die Hohenstaufen, Welfen, Zollern, Habsburger und Zähinger. Durch die napoleonischen Kriege wurden im Norden und Nordosten des Landens Franken einverleibt, über deren einstige Stammesgrenze hinaus sich schon die Grafschaft Württemberg ausgebreitet hatte[5].

Die konfessionelle Gliederung des Landes ist durch seine Geschichte geprägt. So waren zwei Drittel der Bevölkerung evangelisch und 30, 9 % katholisch, was darauf zurückzuführen ist, dass das alte Herzogtum Württemberg seit der Reformation evangelisch war und die Anfangs des 19. Jahrhunderts eingegliederten Teile großteils katholisch. Die beiden Bekenntnisse sind nicht gleich über das Land verteilt, sitzen vielmehr zum weit überwiegenden Teil wie zur Zeit der Eingliederung in geschlossenen Gebieten. Hiernach ist vor allem das altwürttembergische Land evangelisch. Katholische Landesteile sind die vormals vorderösterreichischen Gebiete am oberen Neckar und in Oberschwaben sowie die ehemaligen standesherrlichen und Klostergebiete um Ellwangen und Neresheim[6].

In politischer Hinsicht herrschte in Württemberg genauso wie in Baden kein ausgeglichener verfassungspolitischer Dualismus zwischen Monarchie und Parlament. Vielmehr dominierten die monarchisch-bürokratisch-militärischen Staatsapparate innerhalb der konstitutionellen und bedingt rechtsstaatlichen Monarchie. Es gelang den liberalen Parteien und Honoratiorenparlamenten nicht, die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstehenden Massenparteien der Sozialdemokratie und des katholischen, konfessionell gebundenen Zentrums zu integrieren[7].

II. Meilensteine der Verfassungsgeschichte

1. Die Entstehung der Grafschaft Württemberg

Als im Lauf des 9. Jahrhunderts unter den Nachfolgern Karls des Großen die im 8. Jahrhundert zerschlagenen Stammesherzogtümer aufs Neue entstanden, trat auch der alte, nie ganz verschwundene Stammesname Schwaben wieder an Stelle des gleichbedeutenden Alamannien. Für dreieinhalb Jahrhunderte, das ganze Hochmittelalter hindurch, war das Herzogtum Schwaben der einheitliche politische Raum, in dem die Geschichte des größeren Teils Württembergs verlief. Sein fränkischer Nordteil gehörte zunächst zu dem 906 erstandenen Herzogtum Franken; doch schon ein Menschenalter später, 939, wurde hier die Herzogsgewalt durch Kaiser Otto den Großen wieder beseitigt und Franken fortan vom König unmittelbar verwaltet[8].

Drei Familien unter dem Hochadel des Südwestens erlangten eine besondere Bedeutung: die Staufer, die Welfen und die Zähinger[9].

Am erfolgreichsten erscheinen aus damaliger Sicht die Staufer, die als Herzöge von Schwaben seit 1079 und als deutsche Könige und Kaiser von 1138 bis 1268 in Schwaben den größten Einfluss erreichten[10]. Sie waren das Kaisergeschlecht, das von Mitte des 12. Jahrhunderts an ein Jahrhundert an der Spitze Deutschlands und Europas stand.

Württembergs Entstehung und erste Entwicklung ist besonders eng mit der fast zweihundertjährigen Geschichte des Herzogtums Schwaben unter den Hohenstaufen, ihrem Aufstieg, ihrer Blüte und ihrem Zusammenbruch verflochten[11]. Auf dem Hohenstaufen, dem hochragenden Vorberg der Schwäbischen Alb zwischen Göppingen und Gmünd, hatte es einen Punkt gewonnen, der nach dem Rems- und dem Neckartal schaute und damit an die großen Reichsstraßen anschloss, die für ihre südlich strebende Politik von größter Wichtigkeit waren[12].

So ist Württemberg die Schöpfung eines Fürstenhauses aus schwäbischem Geschlechts, genannt nach seiner 1819 abgebrochenen Stammburg Wirtemberc, die 1081 Konrad I. auf der Höhe des Neckartals zwischen Stuttgart und Eßlingen erbaute. Im hohenstaufischen Herzogtum Schwaben war Württemberg zuerst, von 1135 an, nur eine kleine Grafschaft[13].

2. Entwicklung der Grafschaft Württemberg im „heiligen römischen Reich deutscher Nation“ (962 bis 1806) zum Herzogtum über das Kurfürstentum hin zum Königreich

a) Die Grafschaft Württemberg

Zu der Zeit, bis zu welcher die zusammenhängende Geschichte des württembergischen Landes erforscht werden konnte war Württemberg eine Grafschaft des „heiligen römischen Reiches deutscher Nation (962 bis 1806)“. Dies war seit der am 2. Februar 962 in Rom erfolgten Krönung des deutschen Königs Otto des Großen ( 936 – 973) zum römischen Kaiser die Bezeichnung des Deutschen Reiches, das sich römisch nannte, weil damit die Nachfolge in die 476 erloschene Würde des römischen Kaisers und damit der Anspruch auf die Herrschaft über das christliche Abendland zum Ausdruck gebracht werden sollte. Heilig hieß das Reich, weil der Kaiser als weltliches Oberhaupt der Christenheit zugleich das heilige Amt eines Schirmvogtes der christlichen Kirche hatte[14].

Während der Grafschaft Württembergs war auch der Kaiserthron von Hohenstaufern besetzt. Angefangen bei Konrad III. (1139 – 1152), folgten Friedrich I. Barbarossa (1152 – 1190) und Friedrich II. (1215 – 1250) und schließlich Konrad IV. (1250 - 1254)[15].

Das Ende Konrads und des Hohenstaufenreichs, das an der feindseligen Haltung des Papsttums 1268 zerschellte war für Deutschland und besonders für Südwestdeutschland von tief greifender Bedeutung. Mit ihm sank auch das Herzogtum Schwaben endgültig dahin, welches das Rückgrat der Staufischen Reichsgestaltung bildete und in alle Schwankungen und Erschütterungen um den Kampf der Hohenstaufer gegen die Päpste um die Freiheit der Krone hineingezogen wurde[16].

Bei dem Untergang des Herzogtums Schwaben waren Württemberg und Habsburg die größten Gebietsherrschaften. Die württembergischen Grafen waren bestrebt, aus dem zerbröckelnden Reichsgut ihr Land auszudehnen. Sie stießen dabei auf die Gegnerschaft des Grafen von Habsburg, der, 1273 zum deutschen König gewählt, das Herzogtum Schwaben wieder aufrichten und zur Stärkung seiner Hausmacht an sein Land zu bringen suchte. Dies aber scheiterte am Widerstand der Grafen von Württemberg[17]. Deshalb lauerten die jeweiligen Herrscher des Hauses Habsburg auf jeden Anlass, das einstige Reichsgebiet für ihre Zwecke auszunützen, sich in die Angelegenheiten Württembergs einzumischen oder mit den habsburgischen Kronländern zu vereinigen[18].

b) Das Herzogtum Württemberg

Die Grafschaft Württemberg wurde 1495 Herzogtum, indem auf dem Wormser Reichstag 1495 Graf Eberhard im Bart durch Kaiser Maximilian I. zum Herzog erhoben wurde[19]. Dieser Akt vollzog sich nicht aus reiner Dankbarkeit für die Verdienste des Grafen Eberhard, sondern war vielmehr ein geplanter Zug des Kaisers. Denn bei der schwach gesicherten Nachfolge in Württemberg durfte Kaiser Maximilan I. den Rückfall des Herzogtums als Reichslehen erwarten. Auch die Bürgschaft des Kaisers für den Tübinger Vertrag von 1514 geschaffene württembergische Verfassung war ein Glied in der Kette dieser Bestrebungen[20]. Dieser Vertrag galt den Altwürttembergern bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts als eigentliche Verfassungsurkunde, als „Magna Charta“. Der Vertag sicherte dem Landtag das Recht auf Steuerbewilligung und eine Beteiligung an der Entscheidung über Krieg und Frieden zu, den Untertanen die „Grundrechte“ der freien Auswanderung und der Rechtssicherheit in Strafsachen. Kein Herzog durfte fortan die Regierung antreten, bevor er den Tübinger Vertrag nicht bestätigt hatte. Damit war ein Widerstandsrecht der Landstände anerkannt[21].

Für die Politik des Habsburger Hauses war der Schwäbische Bund und dessen Führung von großer Bedeutung, der 1487 auf Wunsch des Kaisers zwischen der bedeutendsten Rittervereinigung in Schwaben und den Reichsstädten gegen Friedensstörungen gegründet wurde. Württemberg trat dem Schwäbischen Bund 1488 bei[22]. Dieser vertrieb Herzog Ulrich 1519[23], welcher Nachfolger des durch förmlichen Landtagsbeschluss abgesetzten Herzog Eberhard II. war[24].

Württemberg wurde dann 14 Jahre lang vollkommen als Bestandteil der Habsburger Hausmacht und als österreichische Provinz unter scharfem Verbot der evangelischen Lehre regiert[25].

1517 veröffentlichte der Augustinermönch Martin Luther in Wittenberg seine 95 Thesen über den Ablass[26]. Den gebietsmäßig größten Zuwachs erhielt die evangelische Bewegung durch die Reformation Württembergs. Dabei kam Herzog Ulrich von Württemberg, welcher seit 1519 in seiner Grafschaft Mömpelgard lebte, in Basel mit der Reformation in Berührung[27]. 1533 wandten sich die im Schwäbischen Bund vereinigten Städte wegen der vom Kaiser bekämpften Reformation vom katholischen Herrn ab und der Bund löste sich auf[28]. Am 13.05.1534 gelang Ulrich mit Hilfe seines Vetters, des Landgrafen Philipp von Hessen, die Rückeroberung seines Landes, und die Reformation wurde eingeführt[29]. Einen Stillstand erfuhr die Ausbreitung der Reformation nach 1546/47. Der streng katholische Kaiser Karl V. besiegte die Protestanten im Schmalkaldischen Krieg und erzwang eine nur mäßig abgemilderte Rückkehr zum alten Glauben („Interim“)[30]. Doch schon 1522 wendete sich das Blatt wieder, und 1555 schlossen Lutheraner und Katholiken den Augsburger Religionsfrieden: Die weltlichen Obrigkeiten erhielten das Recht, nach eigenem Ermessen zwischen diesen beiden Konfessionen zu wählen; nur für die Reichsstädte waren Ausnahmen vorgesehen[31].

Ulrichs Sohn Herzog Christoph, gab dem Land die Große Kirchenordnung von 15.05.1559. Nachdem dessen Sohn Herzog Ludwig 1593 nach 25-jähriger Herrschaft kinderlos verstarb, ging die Herrschaft auf Friedrich I. aus der Seitenlinie Württemberg-Mömpelgard über. Seine Politik war darauf ausgerichtet, die Privilegien der Ehrbarkeit zurückzuführen und den Adel zu stärken. Dies und seine merkantilistische Wirtschaftspolitik weisen Friedrich klar als Vertreter des frühen Absolutismus aus[32]. Im Prager Frieden vom 24.01.1599 erreichte er, dass Württemberg wieder unmittelbares Reichslehen wurde. Doch behielt sich das österreichische Haus bis 1805 die Anwartschaft auf das Land bei einem etwaigen Aussterben des württembergischen Fürstenhauses[33].

Im Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1648) gewann die Sorge um die Vergrößerungssucht Habsburgs neue Nahrung. Der längste Krieg der deutschen Geschichte wurde durch das Eingreifen auswärtiger Mächte zu einem europäischen Krieg.

Ausgangspunkt war der Widerstreit der religiösen Bekenntnisse als Folge der Reformation. Auch im Südwesten standen sich katholische und protestantische Fürsten einander als Feinde gegenüber, die Katholiken unter Leitung des Herzogs Maximilan von Bayern (Kaiser, Bayern) in der „Liga“ vereint, die Protestanten (Kurpfalz, Baden-Durlach, Württemberg) in der „Union“[34]. Der Krieg begann 1618 mit dem Prager Fenstersturz[35].

In der Mitte der Regierungszeit Herzog Johann Friedrichs (1608-1628) begannen die Religionsstreitigkeiten Deutschlands in einen offenen Krieg auszubrechen, in dem Württemberg von allen deutschen Ländern am schwersten betroffen, an den Rand des Verderbens gebracht und fast völlig zerstört wurde. Es hatte unter Durchzügen, Einquartierungen, Plünderungen, Sammelverpflegung und Raub zu leiden. Nach der Niederlage des Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz am Weißen Berg bei Prag gegen Tilly den Feldherrn der katholischen Liga, floh Friedrich in die Niederlande. Mit der böhmischen Krone hatte er auch die Pfalz verloren[36].

1622 nach der Schlacht bei Wimpfen, trat 1626 die Pest (Hunger- und Flecktyphus) auf, an der in Württemberg 26 000 Menschen starben[37]. Doch das Elend wurde noch durch das vom Kaiser 1629 erlassene Restitutionsedikt weiter heraufbeschworen. Dieses sah vor, dass die Protestanten, alle kirchlichen Gebiete und Güter, die sie nach 1555 erworben hatten, zurückzugeben hatten. Als im Juli Graf Egon von Fürstenberg mit kaiserlichen Truppen, die aus Italien heimkehrten, Württemberg besetzte, blieb dieses ohne Hilfe[38].

Der Höhepunkt war schließlich die Schlacht am 06.09.1634 bei Nördlingen, der blutigsten und für die Entscheidung folgenschwersten Schlacht des ganzen Krieges, in der von 6000 kämpfender württembergischer Landmiliz 4000 fielen. Sie hatte auch den Eintritt Frankreichs in den Krieg zur Folge, das die europäische Politik beherrschte. Diese zielte darauf, die für Frankreich so nützliche Zersplitterung Deutschlands in zwei Parteien, die evangelische und die katholische, und damit dessen Ohnmacht aufrechtzuerhalten und das Haus Habsburg in seinem Nachbarland Spanien und in Deutschland zu schwächen[39].

Württemberg wurde ein Tummelplatz von feindlichen und verbündeten Kriegshorden, von Österreichern, Bayern, Spaniern, sowie von Schweden, Sachsen und Franzosen[40].

Von 444 000 Einwohnern, die Württemberg 1622 hatte, waren 1639 nur noch 97 000 und 1641 nur noch 48 000 vorhanden[41].

Erst der Westfälische Friede vom 14.10.1648 machte dem Krieg ein Ende. Er rettete Württemberg samt Mömpelgard[42].

Kaum hatte sich Württemberg nach dem Dreißigjährigen Krieg wieder erholt, wurde das erschöpfte Land von neuem länger als 30 Jahre fast ununterbrochen in die Erbfolgekriege Ludwigs XIV. von Frankreich (1643-1715) hineingezogen und von fremden Herren, insbesondere von den französischen, verwüstet: zuerst 1672 im Krieg gegen Holland, dann 1688 beim Kampf des Reiches gegen die Türken, ferner 1692, 1693, und zuletzt im spanischen Erbfolgekrieg 1701-1714.

Darauf folgte eine Friedenszeit in Württemberg, welche schnell durch denn polnischen Erbfolgekrieg zwischen Österreich und Frankreich (1733-1735), sowie dem österreichischen Erbfolgekrieg (1740-1748) zwischen den Franzosen und den Bayern, beendet war[43].

c) Das Kurfürstentum Württemberg

Es schlossen sich weitere Kriege und Besetzungen Württembergs an bis schließlich in den französischen Revolutionskriegen im Wege des Friedens von Luneville vom 09.02.1800 das ganze linke Rheinufer an Frankreich abgetreten wurde[44]. Als Entschädigung erlangte Herzog Friedrich (1797 bis 1816) im Jahr 1803 neben einem ansehnlichen Gebietszuwachs die Kurwürde[45]. Um das neue Land von der Einflussnahme und der Mitregierung der Landstände freizuhalten, fasste Kurfürst Friedrich von Württemberg die Neuerwerbungen in einem eigenen Land Neuwürttemberg mit Sitz der Zentralbehörden in Ellwangen zusammen[46].

d) Das Königreich Württemberg

Nach dem über Österreich errungenen Sieg des Franzosenkaisers erhielt Württemberg im Pressburger Frieden vom 26.12.1805 die Erhebung zum Königreich, wodurch Friedrich von Württemberg die volle Souveränität erlangte[47]. Damit konnte er die altwürttembergische Verfassung aufheben und das alte und neue Kurland mit dem erneuten Gebietszuwachs zum Königreich staatlich vereinen[48].

Am 6. August 1806 legte der letzte deutsche Kaiser Franz II., der bereits am 18.08.1804 den Titel eines Erbkaisers von Österreich angenommen hatte, die Würde eines deutschen Kaisers nieder und nannte sich Franz I., Kaiser von Österreich. Das Deutsche Reich hatte aufgehört zu bestehen[49].

Damit war Württemberg vom deutschen Staatsverband gelöst und aus einem Lehen des alten Reichs ein souveräner und außenpolitisch unabhängiger Staat geworden[50].

Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches 1806 gingen in Südwestdeutschland alle landständischen Verfassungen und Vertretungen unter. Nach der Umgestaltung der südwestdeutschen Landkarte durch Napoleon gab es anstelle des einstigen Ländergewirrs nur noch vier Staaten: das Königreich Württemberg, das Großherzogtum Baden und die beiden hohenzollerischen Kleinfürstentümer. Alle vier waren zunächst absolutistische Staaten[51].

3. Das Königreich Württemberg als souveränes Mitglied des Rheinbunds (1806 – 1813)

Der Preis für Napoleons Geschenke war der Beitritt zum Rheinbund, einem lockeren Staatenbündnis mit der Hauptaufgabe der Heerespflicht gegen Napoleon[52]. Ihm gehörten zuletzt sämtliche deutsche Fürsten an mit Ausnahme von Österreich, Preußen, Braunschweig und Kurhessen[53]. Als Glieder dieses Bundes vom 12. Juli 1806 durfte Württemberg und Baden alle übrigen gräflichen und fürstlichen Herrschaftsgebiete, allein die sich besonderer Protektion erfreuenden hohenzollerischen Fürstentümer ausgenommen, sich einverleiben. 1809/10 erlangte Württemberg durch Erwerb neuer Gebiete und Gebietsaustausch seine endgültige Größe. Das Land hatte sich in Gebiet und Einwohnerzahl verdoppelt. Landeshauptstadt war Stuttgart. Württemberg wurde nach straff uniformem und einheitlichem Muster, auch im Kirchenbereich organisiert. Alle Klöster und Einrichtungen der alten Reichskirche wurden aufgehoben. Die Stände wurden abgeschafft; das absolutistische System unterdrückte alle freiheitlichen Regungen[54].

König Friedrich sagte sich 1813 wieder vom Rheinbund los, da die vom Kaiser von Frankreich, dem Protektor des Rheinbunds, übernommene Gegenbedingung der Beschützung des Königreichs ganz außer Acht gelassen wurde und sich die Heere der verbündeten Mächte näherten[55].

4. Das Königreich Württemberg als souveränes Mitglied des Deutschen Bundes (1815 – 1866)

Nach Napoleons Sturz 1814, zu welchem ein Frontwechsel von badischen und württembergischen Truppen beigetragen hatte, wurde die Neuordnung der staatlichen Verhältnisse Europas auf dem Wiener Kongreß 1814/15 beraten[56]. Die Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815 schuf den Deutschen Bund (1815-1866) unter dem Vorsitz des österreichischen Kaisers, dessen Mitglied das Königreich Württemberg als souveräner Staat bis 1866 war[57].

Die Bundesakte verpflichtete die Staaten eine landständische Verfassung einzuführen. Um dem nach dem Gang der Verhandlungen zu erwartenden Zwang von außen zuvorzukommen, hatte König Friedrich schon zu Anfang des Jahres auf den 15. März 1815 eine allgemeine Ständeversammlung einberufen, um ihr eine nach seinen Weisungen ausgearbeitete Verfassung zur Annahme zu übergeben. Da die Württemberger sich keine Verfassung aufoktroyieren lassen, vielmehr pochend auf das „gute alte Recht“ eine solche mit dem Landesherrn vereinbaren wollten, kam eine Landesverfassung in Württemberg erst unter König Wilhelm zustande – sein Vater Friedrich starb am 30.10.1816. Am 25. September 1819 wurden im Ordenssaal des Ludwigsburger Schlosses zwischen den Ständen und dem König die Urkunden der vereinbarten Verfassung ausgetauscht. Inzwischen waren die Nachbarstaaten Bayern und Baden mit ihren Verfassungen vom 26. Mai bzw. 22. August 1818 vorangegangen[58].

So kam im Zeitalter der Restauration, als selbst die Großmächte Österreich und Preußen noch keine Verfassungen hatten, den süddeutschen Landtagen gesamtdeutsche Bedeutung zu, weil nur hier der Gedanke der staatsbürgerlichen Freiheit parlamentarische Wortführer fand. Als einzige unter den Landesverfassungen jener Zeit war die württembergische von 1819 kein oktroyiertes Gnadengeschenk des Monarchen, sondern ein auf Vertrag gegründetes Dokument[59].

Bis zur Julirevolution 1830 war in Württembergs Landtag eine verfassungsmäßige, wenn auch ziemlich eingeschränkte Teilnahme des Volkes an der Regierung in neuzeitlicher Form zugelassen. In diesen Parlamenten wurde über die Freiheitsrechte der Staatsbürger diskutiert, kamen Übergriffe der Regierung und Verwaltung zur Sprache, wurden soziale und wirtschaftliche, ebenso kirchliche und kulturelle Fragen behandelt[60].

Die Landesparlamente in Karlsruhe und Stuttgart wirkten als Vorbilder für das erste gesamtdeutsche Parlament: die Frankfurter Nationalversammlung von 1848/49; ihnen kam eine wesentliche Bedeutung für die Herausbildung des föderalistischen Systems in Deutschland zu. Auf der einen Seite symbolisierten die südwestdeutschen Landtage das partikularistische Element, auf der anderen Seite übernahmen sie zeitweise die Rolle von Vorkämpfern für die deutsche Einheit[61].

Mit der Einberufung des Vorparlaments Ende März 1848 und der Wahl der deutschen Nationalversammlung, die am 18. Mai 1848 zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammentrat, richteten sich alle Blicke nach Frankfurt am Main. Das parlamentarische Geschehen in den Ländern trat in den Hintergrund.

Württemberg entsandte seine fähigsten politischen Köpfe in die Frankfurter Paulskirche. Die Nationalversammlung rang in langen und stürmischen Debatten um die Grundrechte des deutschen Volkes, die sie am 27. Dezember 1848 schließlich verabschiedete.

Das Problem der deutschen Einheit entschied die Nationalversammlung im Sinne einer kleindeutschen Lösung, nachdem sich Österreich nicht bereit gefunden hatte, seine staatliche Einheit zugunsten eines deutschen Nationalstaates aufzugeben. Am 27. März 1849 beschloss die Versammlung die künftige Reichsverfassung und wählte den preußischen König zum Kaiser der Deutschen. König Friedrich Wilhelm IV. lehnte jedoch die ihm angebotene Kaiserkrone ab.

Das Werk der Paulskirche war gescheitert.

Mit diesem Scheitern fand sich die demokratisch-republikanische Linke nicht ab. In mehreren deutschen Ländern brachen Aufstände aus[62].

In Württemberg wurde 1849/50 versucht, auf gesetzmäßigem parlamentarischem Weg eine zeitgemäße Revision der Verfassung von 1819 durchzusetzen. Doch die drei verfassungsberatenden bzw. -revidierenden Landesversammlungen scheiterten sämtlich an der ihnen gestellten Aufgabe. Ihr Festhalten an der Frankfurter Reichsverfassung lief den Intentionen des Königs zuwider, der politisch in vorrevolutionäre Bahnen zurücklenkte. Um der harten Konfrontation ein Ende zu bereiten, griff König Wilhelm I. schließlich zum Mittel des Staatsstreichs: Er setzte einseitig das von ihm gemeinsam mit den Ständen erlassene großzügige Wahlrecht vom 1. Juli 1849 außer Kraft und schuf damit die Voraussetzungen für die Restaurierung der alten Ständeversammlung[63].

Trotz des Scheiterns des Frankfurter Paulskirchenwerkes brachte die „Revolution“ für Deutschland und Württemberg dauerhafte Ergebnisse. Erhalten blieb die Entlastung des Bauernstandes und teilweise die entstandenen modernen Formen parteipolitischen Lebens; zudem als Aufgabe für den Landtag die Lösung der weiterhin bestehenden Probleme des Verfassungslebens und darüber hinaus das Hoffen und Harren auf eine deutsche Einigung. Eine späte Frucht der Revolution von 1848 war in der Regierungszeit König Wilhelms die Neuregelung des Verhältnisses zwischen Staat und katholischer Kirche[64].

Ein Einschnitt in die Geschichte Württembergs brachte das Jahr 1866. Es kam zum Ausbruch des Krieges um die Vorherrschaft des Deutschen Bundes zwischen Preußen und Österreich[65]. Wie in den meisten deutschen Mittelstaaten galt die Sympathie der Stuttgarter Regierung und der überwiegenden Mehrheit im Landtag wie im Volk Österreich. Der preußische Sieg von Königgrätz am 3. Juli 1866 entschied ebenfalls gegen Österreichs Verbündetet, auch gegen Württemberg, dessen Truppen drei Wochen danach im Gefecht bei Tauberbischofsheim unterlagen[66].

Am 14. Juni 1866 erklärte Preußen den Deutschen Bund für aufgelöst und forderte zugleich die süddeutschen Staaten zur Bildung eines neuen Bundes auf. Am 17. Juni schied Österreich aus dem Bund aus. Der Bundestag löste sich auf. Statt einer Einheit war Deutschland in drei Teile gespalten: Österreich, Norddeutscher Bund und süddeutsche Staaten ohne Bund und Bindung[67].

Durch den Prager Endfrieden vom 23. August 1866 erkannte der Kaiser von Österreich die Auflösung des bisherigen Deutschen Bundes sowie die Unabhängigkeit und das Recht der süddeutschen Staaten an, völkerrechtliche Verträge mit auswärtigen Staaten zu schließen. Damit erlangte Württemberg wieder volle Staatshoheit und Unabhängigkeit[68].

5. Die Zeit des Norddeutschen Bundes (1866 – 1870)

Württemberg und die anderen süddeutschen Staaten hatten mit Preußen ein geheimes Schutz- und Trutzbündnis geschlossen, durch das sie sich verpflichteten, im Kriegsfall ihre volle Kriegsmacht einzusetzen und ihre Truppen dem Oberbefehl des preußischen Königs zu unterstellen.

Am 1. Juli 1867 trat der Norddeutsche Bund ins Leben, mit dem das vergrößerte Preußen die Führung der Nation übernahm und sich die Bundesstaaten zu einer neuen Einheit zusammenschlossen. Mit den süddeutschen Staaten war er wirtschaftlich durch das Band des Deutschen Zollvereins verbunden, für dessen Gesetzgebung ein gesamtdeutsches Parlament gebildet wurde.

Als am 18. Juli 1870 die Kriegserklärung Frankreichs in Berlin eintraf, welches die deutsche Einheit zu verhindern suchte, sahen die süddeutschen Staaten den Bündnisfall als gegeben an[69].

Während des siegreichen Krieges gegen Frankreich unterzeichnete Württemberg zusammen mit Bayern als letzte den Vertag von Versailles über den Beitritt zum Deutschen Reich in Berlin am 25. November 1870, einen Tag nach der Reichstagseröffnung[70].

6. Die Entwicklung des monarchischen Bundesstaates Württemberg in den 48 Jahren des Deutschen Kaiserreiches ( 1871 bis November 1918 )

Am 1. Januar 1871 wurde das Königreich Württemberg ein Bundesstaat des Deutschen Reiches. Es verlor zwar den Charakter eines selbstständigen Staatswesens, aber es behielt seine eigene Staatspersönlichkeit innerhalb des Reichs und seiner Verfassung. Da vom Reich her die konservativen Kräfte auch im deutschen Süden gestärkt wurden, trug dies zur Stabilität der damals nicht sonderlich gut repräsentierten konstitutionellen Monarchie bei[71]. Die dem Vertrag zugrunde liegende Verfassung wurde durch die Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871 ersetzt, die mit geringfügigen Änderungen in Kraft blieb bis zum Ausbruch der deutschen Revolution im November 1918[72].

Als am 18. Januar 1871 im Schloß in Versailles König Wilhelm von Preußen zum deutschen Kaiser proklamiert wurde, weckte dies große Begeisterung in Württemberg. Bei dieser Feier, dem eigentlichen Reichgründungsakt im Bewusstsein der Deutschen, ließ sich König Karl durch den Thronfolger, seinen Neffen Prinz Wilhelm vertreten, wohnte dagegen der Unterzeichnung der Präliminarien des Friedensvertrags mit Frankreich am 26. Februar 1871 im kaiserlichen Hauptquartier bei; der Friede wurde am 10. Mai 1871 in Frankfurt geschlossen. Durch die Reichsverfassung erhielt Württemberg wie Sachsen im Bundesrat, der Vertretung der 25 bzw. 26 Bundesstaaten einschließlich des Reichslands Elsaß-Lothringen, vier von 58 Stimmen; von den 382 (später 397) Abgeordneten, die nach dem allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrecht in den Reichstag gewählt wurden, gehörten zu Württemberg 17, je einer auf durchschnittlich 100 000 Einwohner[73].

Schon die zwischen dem Norddeutschen Bund und den süddeutschen Staaten vereinbarten Verträge beanspruchten als Zuständigkeiten des Reichs nur, was vom Standpunkt der preußisch-deutschen Gesamtpolitik unbedingt notwendig erschien, also vorzüglich die auswärtige Politik und die Landesverteidigung. Alles andere, insbesondere Justiz, die innere Verwaltung, das Kirchen- und Schulwesen und die Eisenbahnen, blieb Angelegenheit der Bundesstaaten. Zudem waren den süddeutschen Staaten noch gewisse Reservatrechte belassen, Württemberg weniger als Bayern, doch mehr als Baden und Sachsen, im besondern die eigene Verwaltung des Post- und des Telegraphenwesens sowie der Fortbezug der Bier- und Branntweinsteuer[74].

[...]


[1] Das große Lingen Universal Lexikon, Bd. 20, S.6102.

[2] A. Dehlinger: Württembergs Staatswesen, 1. Bd., S. 5ff.

[3] H. Burkhardt/G. Frey/R. Kieß/H. Noe/G. Olbert/H. Raisch/H. Veithans, Baden-Württemberg: Eine Heimat- und Landeskunde, S.319.

[4] A. Dehlinger: Württembergs Staatswesen, 1. Bd., S. 8.

[5] A. Dehlinger: Württembergs Staatswesen, 1. Bd., S. 11ff.

[6] A. Dehlinger: Württembergs Staatswesen, 1. Bd., S. 13f.

[7] Landtag von Baden-Württemberg: Ein Leitfaden zu Aufgaben und Geschichte des Landtags, 12. Aufl. 2004, S. 102.

[8] M. Miller, Aus der Geschichte des Landes, in: Baden – Württemberg: Porträt eines deutschen Landes, Sonderausgabe, Sigmaringen 1977, S. XIII (XVf.).

[9] H. Burkhardt/G. Frey/R. Kieß/H. Noe/G. Olbert/H. Raisch/H. Veithans, Baden-Württemberg: Eine Heimat- und Landeskunde, S. 299.

[10] M. Miller, Aus der Geschichte des Landes, in: Baden – Württemberg: Porträt eines deutschen Landes, Sonderausgabe, Sigmaringen 1977, S. XIII (XVI).

[11] A. Dehlinger, Württembergs Staatswesen, 1. Bd., S.33.

[12] H. Burkhardt/G. Frey/R. Kieß/H. Noe/G. Olbert/H. Raisch/H. Veithans, Baden-Württemberg: Eine Heimat- und Landeskunde, S. 305.

[13] A. Dehlinger: Württembergs Staatswesen, 1. Bd., S.8.

[14] W. Bazille, Die Verfassung Württembergs vom 25. September 1919, S.1f.

[15] A. Dehlinger: Württembergs Staatswesen, 1. Bd., S.34.

[16] A. Dehlinger: Württembergs Staatswesen, 1. Bd., S.35.

[17] M. Miller, Aus der Geschichte des Landes, in: Baden – Württemberg: Porträt eines deutschen Landes, Sonderausgabe, Sigmaringen 1977, S. XIII (XVII).

[18] A. Dehlinger, Württembergs Staatswesen, Bd.1, S. 39.

[19] W. Bazille, Die Verfassung Württembergs vom 25. September 1919, S. 2f.

[20] A. Dehlinger, Württembergs Staatswesen, Bd.1, S. 39f.

[21] Landtag von Baden-Württemberg: Ein Leitfaden zu Aufgaben und Geschichte des Landtags, 12. Aufl. 2004, S. 95.

[22] Das große Lingen Universal Lexikon, Bd. 20, S.6102.

[23] A. Dehlinger, Württembergs Staatswesen, Bd.1, S.40.

[24] Eberhard II. war Nachfolger des 1496 verstorbenen Eberhard im Bart (1457 – 1496), welcher am 11.11.1495 die 1.Landesordnung erließ. In seinem Testament hatte er vorgesehen, dass seinem Nachfolger ein „Regimentsrat“ als Art Vormundschaft an die Seite gesetzt werden sollte. Eberhard II. war jedoch so verschwenderisch, dass nach zweijähriger Misswirtschaft die Landstände ihm die Pflicht kündigten und er durch förmlichen Landtagsbeschluss abgesetzt wurde; näher dazu: A. Dehlinger, Württembergs Staatswesen, Bd.1, S.57ff.

[25] A. Dehlinger, Württembergs Staatswesen, Bd.1, S.61.

[26] E. Bauer/R. Jooß/H. Schleuning, Unser Land Baden-Württemberg, S.160.

[27] H. Burkhardt/G. Frey/R. Kieß/H. Noe/G. Olbert/H. Raisch/H. Veithans, Baden-Württemberg: Eine Heimat- und Landeskunde, S. 307.

[28] A. Dehlinger, Württembergs Staatswesen, Bd.1, S.61.

[29] Das große Lingen Universal Lexikon, Bd. 20, S.6102.

[30] E. Bauer/R. Jooß/H.Schleuning, Unser Land Baden-Württemberg, S.163.

[31] H. Burkhardt/G. Frey/R. Kieß/H. Noe/G. Olbert/H. Raisch/H. Veithans, Baden-Württemberg: Eine Heimat- und Landeskunde, S. 307.

[32] A. Dehlinger, Württembergs Staatswesen, Bd.1, S.62f.

[33] A. Dehlinger: Württembergs Staatswesen, Bd.1, S.41.

[34] H. Burkhardt/G. Frey/R. Kieß/H. Noe/G. Olbert/H. Raisch/H. Veithans, Baden-Württemberg: Eine Heimat- und Landeskunde, S. 313.

[35] 23.05.1618 – Böhmische Adlige warfen die Statthalter von König Ferdinand aus einem Fenster der Prager Burg; diese überlebten den Sturz aus 17 m Höhe.

[36] H. Burkhardt/G. Frey/R. Kieß/H. Noe/G. Olbert/H. Raisch/H. Veithans, Baden-Württemberg: Eine Heimat- und Landeskunde, S. 313.

[37] A. Dehlinger: Württembergs Staatswesen, Bd.1, S.65.

[38] E. Bauer/R. Jooß/H. Schleuning, Unser Land Baden-Württemberg, S.176.

[39] A. Dehlinger, Württembergs Staatswesen, Bd.1, S.66.

[40] W. Bazille: Die Verfassung Württembergs vom 25. September 1919, S.2f.

[41] A. Dehlinger, Württembergs Staatswesen, Bd.1, S.69.

[42] E. Bauer/R. Jooß/H.Schleuning, Unser Land Baden-Württemberg, S.178.

[43] A. Dehlinger, Württembergs Staatswesen, Bd.1, S. 56.

[44] A. Dehlinger, Württembergs Staatswesen, Bd.1, S.108.

[45] W. Bazille: Die Verfassung Württembergs vom 25. September 1919, S.3.

[46] M. Miller/P.Sauer, Die württembergische Geschichte von der Reichsgründung bis heute, S.14.

[47] Das große Lingen Universal Lexikon, Bd. 20, S.6102.

[48] W. Grube, Vogteien, Ämter, Landkreise in Baden-Württemberg, Bd.1 – Geschichtliche Grundlagen (Stuttgart 1975), S.72.

[49] W. Bazille, Die Verfassung Württembergs vom 25. September 1919, S.2f.

[50] A. Dehlinger, Württembergs Staatswesen, Bd.1, S.116.

[51] Landtag von Baden-Württemberg: Ein Leitfaden zu Aufgaben und Geschichte des Landtags, 12. Aufl. 2004, S. 98.

[52] W. Bazille, Die Verfassung Württembergs vom 25. September 1919, S.3.

[53] A. Dehlinger, Württembergs Staatswesen, Bd.1, S.115.

[54] M. Miller/P.Sauer, Die württembergische Geschichte von der Reichsgründung bis heute, S.14f.

[55] A. Dehlinger, Württembergs Staatswesen, Bd.1, S.116f.

[56] H. Burkhardt/G. Frey/R. Kieß/H. Noe/G. Olbert/H. Raisch/H. Veithans, Baden-Württemberg: Eine Heimat- und Landeskunde, S. 319.

[57] W. Bazille, Die Verfassung Württembergs vom 25. September 1919, S.3f.

[58] M. Miller/P.Sauer, Die württembergische Geschichte von der Reichsgründung bis heute, S.15.

[59] Landtag von Baden-Württemberg: Ein Leitfaden zu Aufgaben und Geschichte des Landtags, 12. Aufl. 2004, S. 98.

[60] M. Miller/P.Sauer, Die württembergische Geschichte von der Reichsgründung bis heute, S.16f.

[61] Landtag von Baden-Württemberg: Ein Leitfaden zu Aufgaben und Geschichte des Landtags, 12. Aufl. 2004, S. 102.

[62] Landtag von Baden-Württemberg: Ein Leitfaden zu Aufgaben und Geschichte des Landtags, 12. Aufl. 2004, S. 104.

[63] Landtag von Baden-Württemberg: Ein Leitfaden zu Aufgaben und Geschichte des Landtags, 12. Aufl. 2004, S. 106.

[64] M. Miller/P.Sauer, Die württembergische Geschichte von der Reichsgründung bis heute, S.18.

[65] A. Dehlinger, Württembergs Staatswesen, Bd.1, S.151.

[66] M. Miller/P.Sauer, Die württembergische Geschichte von der Reichsgründung bis heute, S.29.

[67] A. Dehlinger, Württembergs Staatswesen, Bd.1, S.148.

[68] A. Dehlinger, Württembergs Staatswesen, Bd.1, S.152.

[69] A. Dehlinger, Württembergs Staatswesen, Bd.1, S.152.

[70] M. Miller/P.Sauer, Die württembergische Geschichte von der Reichsgründung bis heute, S.30.

[71] M. Miller/P.Sauer, Die württembergische Geschichte von der Reichsgründung bis heute, S.34.

[72] W. Bazille, Die Verfassung Württembergs vom 25. September 1919, S.4f.

[73] M. Miller/P.Sauer, Die württembergische Geschichte von der Reichsgründung bis heute, S.34.

[74] W. Bazille, Die Verfassung Württembergs vom 25. September 1919, S.5.

Fin de l'extrait de 102 pages

Résumé des informations

Titre
Der freie Volksstaat Württemberg in der Weimarer Republik
Université
University of Würzburg
Cours
Verfassungsrechtsgeschichtliches Seminar
Note
13 Punkte
Auteur
Année
2006
Pages
102
N° de catalogue
V68834
ISBN (ebook)
9783638611657
ISBN (Livre)
9783638736404
Taille d'un fichier
823 KB
Langue
allemand
Mots clés
Volksstaat, Württemberg, Weimarer, Republik, Verfassungsrechtsgeschichtliches, Seminar
Citation du texte
Corinna Moser (Auteur), 2006, Der freie Volksstaat Württemberg in der Weimarer Republik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68834

Commentaires

  • Pas encore de commentaires.
Lire l'ebook
Titre: Der freie Volksstaat Württemberg in der Weimarer Republik



Télécharger textes

Votre devoir / mémoire:

- Publication en tant qu'eBook et livre
- Honoraires élevés sur les ventes
- Pour vous complètement gratuit - avec ISBN
- Cela dure que 5 minutes
- Chaque œuvre trouve des lecteurs

Devenir un auteur