Die Auswirkungen der Fussball- Weltmeisterschaft 2006 auf die Volkswirtschaft Deutschlands

... und am Ende gewinnen immer die Deutschen


Scientific Study, 2006

31 Pages, Grade: 8,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung Vorwort

Inhaltsverzeichnis

1 Einführung

2 Charakterisierung der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM

3 Grundlagen der Analyse
3.1 Die Methode der Kosten-Nutzen-Analyse nach Kurscheidt
3.2 Induzierte Effekte durch die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM - die Abgrenzungsproblematik der Einflussfaktoren
3.2.1 Die Stadioninvestitionen
3.2.2 Öffentliche Investitionen
3.2.3 Tourismusausgaben
3.2.4 Das Nettoergebnis der Stadienbetreibung

4 Daten und Dynamik der Kosten-Nutzen-Analyse

5 Empirische Befunde

6 Bewertung und Einordnung der Ergebnisse

7 Kritische Würdigung

Literatur- und Quellenverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Verzeichnis der Anhänge

Zusammenfassung

Am 04. Juli 2006 um 23:02 sind auch die letzten Hoffnungen auf einen Finaleinzug der deut- schen Fußballnationalmannschaft bei der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM zunichte gemacht. Deutschland verliert das Halbfinale gegen Italien, kurze Zeit später wird Italien Fußball-Weltmeister. Der Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft ist verloren, doch mögli- cherweise konnte Deutschland beim volkswirtschaftlichen Wachstum einen Gewinn -durch die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM bewirkt - verzeichnen. Um die Auswirkungen dieser Sportgroßveranstaltung bemessen zu können, müssen zunächst durch die FIFA Fuß- ball-Weltmeisterschaft 2006TM bewirkte Einflussfaktoren bekannt sein. Im Anschluss an die Quantifizierung der Auswirkungen werden die Ergebnisse abschließend hinsichtlich ihrer Qualität bewertet.

FIFA Fußball-WeltmeisterschaftenTM gehören neben den Olympischen Spielen zu den SportMega-Events. Als solcher ist die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM Magnet eines internationalen Publikums. Ein wesentlicher Unterschied zu den Olympischen Spielen ist das hervorstechende Merkmal, dass die sozio-ökonomischen Auswirkungen sich nicht alleine auf einen regionalen Raum, sondern auf das gesamte Bundesgebiet beziehen.

Mit dem Wissen um die Charakteristika dieses Mega-Sport-Events können Einflussfaktoren definiert werden, die durch die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM induziert werden und sich auf die Volkswirtschaft Deutschlands auswirken. Für diese Untersuchung werden die Stadioninvestitionen in alle 16 Bewerberstadien, die öffentlichen Investitionen, die Ausgaben ausländischer Touristen und die Nutzenrückflüsse bzw. Betriebskosten aller 16 Bewerbersta- dien identifiziert.

Die Berücksichtigung aller 16 Bewerberstadien ist eine wesentliche Differenz im Vergleich zu der Analyse nach Kurscheidt. Dadurch ergeben sich erhöhte Stadioninvestitionen und er- höhte Nettoergebnisse der Stadionbetreibung. Weiterhin ist ein signifikanter Unterschied zu der Kurscheidt’schen Analyse die Berücksichtigung „echter“ öffentlicher Investitionen. Bei den Ausgaben ausländischer Touristen sind innerhalb beider Untersuchungen ähnliche Er- gebnisse vorhanden. Auswirkungen auf die deutsche Volkswirtschaft werden durch die Mul- tiplikatorwirkungen sowohl auf die Tourismusausgaben als auch auf sämtliche Investitionen verstärkt. Der wirtschaftlichen Erfolg des OK’s war zum Zeitpunkt dieser Untersuchung be- reits bekannt und musste im Gegensatz zu Kurscheidt nicht prognostiziert werden.

Zwei Rechengrößen erfassen die wirtschaftlichen Auswirkungen der FIFA FußballWeltmeisterschaft 2006TM. Der diskontierte Nettonutzen und die Nettogegenwartswerte. Auffällig beim Vergleich der Nettonutzen sind die erheblichen Unterschiede zu den Ergebnissen von Kurscheidt. Die Nettogegenwartswerte beschreiben unter günstigen Rahmenbedingungen einen nachhaltigen Wohlfahrtszuwachs von knapp 5,5 Mrd. € in 2015, unter ungünstigen Rahmenbedingungen jedoch volkswirtschaftliche Verluste von insgesamt mehr als 2,2 Mrd. € bis zum Jahr 2015. Ergebnisse anderer Studien erlauben die Unterstellung günstiger Annahmen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung unter der Restriktion günstiger Rahmenbedingungen können als absolut valide bezeichnet werden.

Die Variablen Zeit und Mittel, veranlassen zu kritischen Auseinandersetzung mit dieser Untersuchung. Ebenso lässt sich die Abgrenzungsproblematik und die subjektive Erfassung der Einflussfaktoren nicht eindeutig lösen. Die Wahl des Zeitpunktes der Untersuchung kann mithin als durchaus frühzeitig betrachtet werden.

Vorwort

Dieser Bericht entstand im Rahmen des Moduls: Individual Topics. Die Themenwahl des Berichts war den Studierenden freigestellt und lediglich dadurch eingeschränkt, dass das Thema einen Bezug zum Studiengang aufzuweisen hat.

Dadurch wurde ich in die glückliche Position versetzt, ein Thema zu wählen, mit dem ich mich identifizieren kann. Eine gerade vergangene FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM hat ganz Deutschland begeistert. Nie zuvor habe ich solch eine euphorische Stimmung erle- ben dürfen, nie zuvor hat Deutschland seinen Nationalstolz so offen gelebt wie während der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM. Auch wenn Deutschland eine schmerzliche Halbfi- nalniederlage gegen Italien hinnehmen musste - ich selber war zu dem Zeitpunkt des Aus- scheidens in den Dortmunder Westfalenhallen - hat Deutschland dennoch durch diesen Event profitiert. Sei es durch den neu entdeckten Nationalstolz oder durch den Imagegewinn einer ganzen Nation.

Dieser Bericht versucht die Frage zu beantworten, ob die Volkswirtschaft Deutschland durch die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM auch zu den Gewinnern gezählt werden kann. Ich hoffe, Sie haben beim Lesen dieses Berichts genauso viel Spaß, wie es mir Spaß bereitet hat, das Thema zu bearbeiten und oben genannte Frage zu beantworten. Mein besonderer Dank gilt der deutschen Fußballnationalmannschaft für eine tolle Turnierleistung, für die Ini- tialzündung oben beschriebener Stimmung und für die Beeinflussung meinerseits hinsichtlich der Themenwahl. Ich habe eine Motivation wiederentdeckt, die ich lange Zeit vermisst habe.

Christian Hilscher Straelen, 15. November 2006

1 Einführung

„Fußball ist ein Spiel, bei dem 22 Mann 90 Minuten einem Ball hinterherlaufen, und am Ende gewinnen immer die Deutschen.“1

Es ist Mittwoch, der 04. Juli 2006, 23:00 Uhr: Die zweite Spiel-Hälfte der Verlängerung neigt sich dem Ende, die Zuschauer vor dem heimischen Fernseher, auf den zahlreichen Public-Viewing-Plätzen und die wenigen Glücklichen, die sich in dem Besitz einer Karte befinden, erwarten das Elfmeterschießen. Nichts kann die deutsche Mannschaft jetzt noch von dem Einzug ins Finale abhalten. Das Elfmeterschießen kennt nur einen Sieger: Deutschland. Das wissen die Italiener spätestens seit dem Elfmeterkrimi der deutschen FußballNationalmannschaft gegen Argentinien.

In dieser trügerischen Gewissheit des sicheren Sieges geschieht das Unmögliche: in der 122. Spielminute erzielt Fabio Grosso mit einer Bogenlampe in die linke Ecke unhaltbar für Lehmann das 1:0 für Italien - mitten in das Herz einer ganzen Fußballnation. Totenstille im Stadion, Totenstille in ganz Deutschland - von den wenigen Tifosi abgesehen. Das 2:0 für Italien durch Alessandro del Piero zwei Minuten später begräbt auch die letzten Hoffnungsschimmer der noch verbliebenen Optimisten. Das Spiel ist aus. Und mit diesem Spiel endet der Traum des wiederholten Titelgewinns nach 1974 im eigenen Land.

Mit berauschendem Fußball eroberte die deutsche Mannschaft während des Turniers die Herzen einer ganzen Nation. Die Euphorie während des Turniers war einzigartig, nur der Gewinn des Weltmeisterschaftstitels hätte diese unvergessliche und unvergleichliche Stimmung noch weiter steigern können. Doch Gary Lineker sollte zum Entsetzen aller Fans der deutschen Elf Unrecht behalten. Am Ende gewannen nicht die Deutschen...

... oder doch? „Fußball is’ auf’m Platz“2und „Wirtschaft findet in der Wirtschaft statt“3. Auch wenn die Chance auf den Titel im eigenen Land nunmehr unwiderruflich verloren ge- gangen ist, stellt sich die Frage, inwieweit (die Volkswirtschaft) Deutschland durch die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM möglicherweise an Wachstum gewinnen konnte. Die vor- liegende Untersuchung verfolgt im Wesentlichen drei Ziele: Zum einen analysiert diese Un- tersuchung solche Einflussfaktoren, die durch die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM induziert werden und sich auf das volkswirtschaftliche4Wachstum auswirken. Zum anderen wird versucht, dass Wirtschaftswachstum unter günstigen und ungünstigen Rahmenbedin- gungen zu quantifizieren. Als drittes Ziel erfolgt die Bewertung der Ergebnisse hinsichtlich der Qualität.

„Statistik? Welche Statistik stimmt schon? Statistisch gesehen ist jeder vierte Mensch Chine- se, aber hier spielt gar kein Chinese mit.“5Dem Motto dieses Zitates folgend sind eine Viel- zahl von Studien zu den volkswirtschaftlichen Auswirkungen der FIFA Fußball- Weltmeisterschaft 2006TM veröffentlicht worden. Die Aussagen über Auswirkungen der FI- FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM auf die Volkswirtschaft Deutschland sind in etwa so zahlreich wie die Studien selber.

Die hohe Anzahl an unterschiedlichen Ergebnissen hat im Wesentlichen drei Ursachen: Zu- nächst ist zu berücksichtigen, dass das Spektrum an Ergebnissen sich dadurch begründet, dass den jeweiligen Studien unterschiedliche Prognosemodelle zur Berechnung der gesamtwirt- schaftlichen Auswirkungen vorliegen, was sich letzten Endes in den benannten unterschiedli- chen Ergebnissen manifestiert. Als zweite Ursache muss angeführt werden, dass durch die Subjektivität der Autoren die Fragestellung, welche Impulswirkung tatsächlich durch die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM hervorgerufen wird und welche Impulswirkung durch Substitutionseffekte wieder nivelliert wird, verschieden beantwortet wird. Und die drit- te Ursache für die Vielzahl an Ergebnissen resultiert aus den Zeitpunkten der Untersuchung. Ein Großteil dieser Studien ist bereits im Vorfeld der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM erschienen. Dementsprechend können die durch die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM induzierten Wachstumsimpulse lediglich prognostiziert werden.

Diese drei Ursachen beeinflussen auch den Gang der vorliegenden Untersuchung. Bei der Wahl des Prognosemodells wird auf die Kosten-Nutzen-Analyse6nach Kurscheidt7zurück- gegriffen. Die KNA wird von der Mehrheit der Sportökonomen als das am besten geeignete Modell zur Bewertung von Sportgroßveranstaltungen beurteilt. In der vorliegenden Untersu- chung wird versucht - nach bestem Wissen und Gewissen - alle für die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM relevanten Einflussfaktoren zu identifizieren. Aufgrund des Zeitpunktes dieser Untersuchung (Stand: Oktober 2006) kann eine Reihe von Daten, die in anderen Studien prognostiziert werden mussten, nun exakt er- mittelt werden. Aufgrund der schon durch die Verwendung des Prognosemodells gegebenen Nähe zu der Untersuchung nach Kurscheidt, wird ein Vergleich der empirischen Befunde beider Untersuchungen angestrebt.

Kapitel 2: Charakterisierung der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM beschreibt den Event-Charakter der Sportgroßveranstaltung. In Kapitel 3: Grundlagen der Analyse wird zu- nächst das Prognosemodell der Kosten-Nutzen-Analyse vorgestellt und im Anschluss wird versucht, alle relevanten durch die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM induzierten Ein- flussfaktoren auf das wirtschaftliche Wachstum zu benennen. Kapitel 4: Daten und Dynamik der Kosten-Nutzen-Analyse erklärt die Daten, auf denen diese Untersuchung basiert und ver- gleicht die Daten mit denen von Kurscheidt. Die Differenzen sowohl der Einflussfaktoren als auch der Daten - jeweils im Vergleich zu Kurscheidt - führt in der Konsequenz zu differen- zierten Untersuchungsergebnissen, dargestellt in Kapitel 5: Empirische Befunde. Durch die Bewertung der Ergebnisse in Kapitel 6: Bewertung und Einordnung der Ergebnisse wird die Qualität der zuvor ermittelten Ergebnisse untersucht. Kapitel 7: Kritische Würdigung schließt den Bericht.

2 Charakterisierung der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM

FIFA Fußball-WeltmeisterschaftenTM sind Sportgroßveranstaltungen und zählen - wie die Olympischen Sommer- und Winterspiele auch - zu den sogenannten Sport-Mega-Events. Es entspricht dem Charakter derartiger Veranstaltungen, dass diese Sport-Mega-Events überall auf der Welt in genau der gleichen Art und Weise nach den gleichen Regeln ausgerichtet werden können. Sport-Mega-Events sind weder abhängig von der lokalen Kultur noch dem politischen bzw. wirtschaftlichen System.

FIFA Fußball-WeltmeisterschaftenTM werden in dem regelmäßigen Turnus von vier Jahren ausgetragen. Insbesondere aufgrund der Neuregelung, dass bei der Vergabe der FIFA Fuß- ball-WeltmeisterschaftTM jeder Kontinent nur noch alle 20 Jahre einen Austragungsort be- heimatet, ist die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM für Deutschland ein einmaliges Er- eignis. Dass eine FIFA Fußball-WeltmeisterschaftTM in einem ähnlich kurzen Intervall von 32 Jahren (Zeitraum zwischen der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 1974TM und der FIFA Fuß- ball-Weltmeisterschaft 2006TM) wiederholt in Deutschland stattfindet, ist nahezu ausgeschlos- sen. Vielmehr noch ist es sogar äußerst unwahrscheinlich, dass die Generation der heute 20- 30jährigen nochmals zu Lebzeiten eine FIFA Fußball-WeltmeisterschaftTM im eigenen Land erleben wird.

FIFA Fußball-WeltmeisterschaftenTM sind Magnet eines internationalen Publikums und finden globale Beachtung. Eine bedeutende Besonderheit der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM und ein wesentlicher Unterschied zu den Olympischen Spielen ist das hervorstechende Merkmal, dass das Turnier über das ganze Land verteilt in verschiedenen Städten stattfindet, sodass eine ganze Nation an der Ausrichtung beteiligt ist. Dadurch beschränken sich die faktischen sozio-ökonomischen Auswirkungen nicht alleine auf einen regionalen Raum. Zwar sind auch bei der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM regional-lokal hauptsächlich die Spielorte betroffen, allerdings sind diese über das gesamte Bundesgebiet verteilt und im Gegensatz zu den lokal ausgerichteten Mega-Events (Olympische Spiele, Weltausstellung EXPO) finden ungleich größere Transportbewegungen statt8.

3 Grundlagen der Analyse

3.1 Die Methode der Kosten-Nutzen-Analyse nach Kurscheidt

Bei der KNA handelt es sich um eine bewährte Methodik zur Analyse von staatlichen Ausgabeprogrammen oder öffentlichen Großprojekten. Sportökonomen befürworten zunehmend die Kosten-Nutzen-Analyse als die am besten geeignete Methode zur Entscheidungsstützung bei Großveranstaltungen.9

Die KNA ist eine gesellschaftliche Investitionsrechnung bzw. -analyse. Die KNA ermöglicht die Entscheidungsfindung auf rationaler Ebene durch Berücksichtigung der Ressourcenallokation nach dem Opportunitätskostenprinzip und ökonomischen Wohlfahrtskriterien. „Sie fußt auf einer flexiblen, klaren Analysestruktur zur Klassifizierung der Projektwirkungen in direkte vs. indirekte sowie tangible10vs. intangible Kosten und Nutzen, wodurch die KNA sowohl qualitative wie quantitative Wirkungen gleichermaßen in einem geschlossenen methodischen Rahmen berücksichtigt.“11

Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich auf die Analyse der quantifizierbaren Wir- kungen. Aussagen über die qualitativen Auswirkungen der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM sollen anderen Autoren vorbehalten bleiben. Zur quantitativen Bewertung der Aus- wirkungen wird zum einen der diskontierte Nettonutzen pro Periode abgebildet (siehe auch: Kapitel 5: Empirische Befunde). Dieser erfasst den Saldo aus Kosten und Nutzen zu einem bestimmten Zeitpunkt. Zum anderen findet die Kennziffer des Nettogegenwartswertes12Be- rücksichtigung. Der NGW beschreibt alle positiven wie negativen Effekte der FIFA Fußball- Weltmeisterschaft 2006TM in einer einzigen monetären Größe. Die Kennziffer ermittelt sich aus dem Aufsummieren aller diskontierten Nettonutzen für einen vorab definierten Planungs- horizont.

Grundlage der Untersuchung nach Kurscheidt war die Fragestellung der Befürwortung bzw. Ablehnung der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM, im Wesentlichen im Hinblick auf gesamtwirtschaftliche Aspekte. Zum jetzigen Zeitpunkt stellt sich diese Frage nicht mehr. Die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM ist Geschichte. Die vorliegende Untersuchung versucht nunmehr - insoweit dieses drei Monate nach Ende der FIFA Fußball- Weltmeisterschaft 2006TM möglich ist - eine volkswirtschaftliche Erfolgsbewertung vorzu- nehmen. Es ist zu berücksichtigen, dass es sich hierbei explizit um einen Versuch handelt. Dieser Versuch wird nach bestem Wissen und Gewissen durchgeführt. Aufgrund von Ab- grenzungsproblematiken (siehe auch: Kapitel 3.2: Induzierte Effekte durch die FIFA Fußball- Weltmeisterschaft 2006TM - die Abgrenzungsproblematik der Einflussfaktoren) und der Tat- sache, dass einige Auswirkungen aufgrund des jetzigen, frühen Zeitpunktes noch nicht be- stimmt sondern lediglich prognostiziert werden können, kann es sich bei dieser Untersuchung schlichtweg um einen Versuch handeln.

Auch ist es nicht Bestandteil dieses Berichtes, die Kosten-Nutzen-Analyse kritisch zu be- trachten. Die KNA ist methodisch nicht unantastbar, darauf soll der Vollständigkeit halber hingewiesen werden. Wesentlicher Kern der vorliegenden Untersuchung ist jedoch die Identi- fizierung eines im Vergleich zu Kurscheidt zusätzlichen Einflussfaktors (siehe auch: Kapitel

3.2.2: Öffentliche Investitionen). Dieser zusätzliche Faktor führt zu signifikant unterschiedli- chen Ergebnissen was die Quantifizierung der wirtschaftlichen Auswirkungen beider Analy- sen anbelangt. Um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten, ist das gleiche Analysemodell zu verwenden. Diese Untersuchung hat nicht zum Gegenstand, verschiedene Analysemodelle zu vergleichen und zu bewerten. Weiterhin gilt - wie bereits zuvor ange- merkt - die KNA zunehmend als die beste Methode zur Entscheidungsunterstützung bei Großprojekten.

3.2 Induzierte Effekte durch die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM - die Abgrenzungsproblematik der Einflussfaktoren

Damit die wirtschaftlichen Auswirkungen der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM ermit- telt werden können, müssen die Charakteristika der Veranstaltung hinlänglich bekannt sein. Dieses Wissen um die Merkmale dieses Sport-Mega-Events ermöglichen eine Differenzie- rung der wirtschaftlichen Effekte in die Kategorien: durch die FIFA Fußball- Weltmeisterschaft 2006TM induziert bzw. nicht-induziert. Des Weiteren muss beachtet wer- den, dass einige Wirkungen nur teilweise der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM zuzu- rechnen sind.

„Es treten außerdem mittelbare ökonomische Wirkungen auf, deren genaue Quantifizierung mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist. Hierzu zählen vor allem Ausgaben der Touristen, insbesondere die Ausgaben der ausländischen Touristen. Von den Konsumausgaben der Inländer sind eher geringe bis keine gesamtwirtschaftlichen Effekte zu erwarten, da diese vor allem durch Substitutionsprozesse determiniert werden. Zu berücksichtigen sind weiterhin Verdrängungseffekte, etwa bei den Konsumausgaben oder beim Tourismus, aber auch induzierte Einkommen aus Multiplikatorwirkungen.“13

Nach Kurscheidt lassen sich drei Einflussfaktoren auf die wirtschaftlichen Auswirkungen bestimmen: „(1) die Höhe der Stadioninvestitionen in der Prä-Event-Phase14, (2) die Ausga- ben ausländischer Touristen in der Präsenzphase, (3) das (oft negative) Nettoergebnis der Stadienbetreibung in der Post-Event-Phase.“15Im Folgenden werden die einzelnen Einfluss- faktoren erläutert. Zusätzlich wird noch ein weiterer Einflussfaktor definiert: öffentliche In- vestitionen im Zusammenhang mit der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM. Der Ein- flussfaktor: Höhe der Stadioninvestitionen wird korrigiert und die notwendige Korrektur- maßnahme wird erläutert. Einflussfaktoren, deren Höhe, Wirkungsweise oder auch deren Zusammenhang zur FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM eher vage denn abgesichert er- scheinen, werden in der nachfolgenden Betrachtung vernachlässigt - mit Ausnahme der pri- vaten Investitionen. Im Gegensatz zu allen weiteren vernachlässigten Faktoren, ließen sich die privaten Investitionen noch am ehesten als Einflussfaktor ausmachen. Der Vollständigkeit halber werden die vernachlässigten Faktoren an dieser Stelle genannt - für weitere Informati- onen siehe auch: Kapitel 7: Kritische Würdigung. Nicht berücksichtigt werden: ein möglicher Produktivitätsverlust16sowie ein möglicher positiver Einfluss durch Imagegewinn17.

3.2.1 Die Stadioninvestitionen

Von zunächst 20 interessierten Städten haben sich letztendlich 16 potentielle Austragungsorte dem DFB18gegenüber verpflichtet, im möglichen Fall einer Ausrichtung der FIFA FußballWeltmeisterschaft 2006TM ein FIFA-gerechtes Stadion und eine FIFA-gerechte Stadioninfrastruktur vorweisen zu können. Diese Verpflichtung dem DFB gegenüber erfolgt im Mai 1999 im Rahmen der Bewerbung um die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM in Deutschland. Das Vergabeverfahren der FIFA datiert die Bekanntgabe der letztendlich verbleibenden zwölf Austragungsorte allerdings erst auf den Spätsommer 200219. Als Konsequenz aus diesem Verfahren sind für vier Stadien Investitionen zu berücksichtigen, obwohl diese keine Austragungsorte der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten 2021222324

Tabelle 1: Stadioninvestitionen der 16 Bewerberstädte

(Vgl.: Kurscheidt, veröffentlicht im Internet (Abfrage 31.10.2006 um 13:05), eigene Berechnung)

Zwar ist anzumerken, dass viele Projekte bzgl. des Ausbaus der Stadioninfrastruktur bereits in Planung waren oder aufgrund der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM lediglich vorgezogen worden25. Dennoch kann festgehalten werden, dass die Stadioninvestitionen durch das anstehende Mega-Sport-Event induziert worden sind.

Auf der einen Seite lässt sich aus der Ligazugehörigkeit der Vereine eine mögliche Investiti- on ohne Nutzung durch die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM ableiten. Es kann davon ausgegangen werden, dass besonders solche Vereine, die nicht der 1. Fußball-Bundesliga angehören (Stand: April 2002), die in Tabelle 1: Stadioninvestitionen der 16 Bewerberstädte genannten Investitionen nicht getätigt hätten. Auf der anderen Seite sind die Mindestanforde- rungen an die Austragungsorte der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM im Vergleich zu der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 1998TM in Frankreich nochmals erhöht worden. Bei- spielsweise werden nur noch Stadien mit einer Sitzplatzkapazität von 40.000 Zuschauern zur Austragung von Vorrundenspielen zugelassen. 1998 lag diese Mindestanforderung bei 30.000 Zuschauern.26Selbst wenn Profi-Fußballvereine den Ausbau des Stadions und der ange- schlossenen Infrastruktur in Erwägung gezogen hätten - auch ohne die Möglichkeit, sich als Spielstätte für die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM bewerben zu können - bleibt es fraglich, ob der mögliche Um- bzw. Ausbau des Stadions den hohen Anforderungen der FIFA-Regularien entsprochen hätte. Und drittens ist anzumerken, dass die Dimension der Investitionen in den Ausbau des Stadions - zusätzlich zu dem gerade genannten Aspekt - dadurch an Größe gewinnt, dass der DFB die Bewerberstädte geradezu dazu drängt, das „ak- tuellste und beste, was auf dem Markt ist“27zu bauen, „...,egal ob er [die Bewerberstadt; Anm. d. Verf.] dann dabei ist oder nicht.“28Aus diesen drei genannten Gründen, können die Stadioninvestitionen als durch die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM induziert angese- hen werden.

„Ob Mailand oder Madrid, Hauptsache Italien“29. Eine differenziertere Betrachtungsweise als die von Herrn Möller ist für die Untersuchung unabdingbar. Der wesentliche Unterschied der vorliegenden Untersuchung im Vergleich zu der KNA nach Kurscheidt ist die Berücksichtigung aller 16 Bewerberstadien bei der Berechnung der Stadioninvestitionen. Wie der vorherige Abschnitt zeigt, sind die Stadionausbauten größtenteils durch die FIFA FußballWeltmeisterschaft 2006TM bewirkt worden. Folglich wäre es nur falsch, die Summe der Investitionen für die vier von dem OK nicht berücksichtigten Austragungsorte bei der Berechnung des wirtschaftlichen Erfolges nicht mit einzubeziehen.

3.2.2 Öffentliche Investitionen

Unter öffentlichen Investitionen werden solche Investitionen verstanden, die vom Staat im Zusammenhang mit der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM initiiert werden. Innerhalb dieser Untersuchung werden lediglich die „’echten’ zusätzlichen Investitionen“30berücksich- tigt. Im Zusammenhang mit der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006TM plant der Staat mit Investitionen von insgesamt 4-5 Mrd. €31.

[...]


1Frei nach Gary Lineker, ehem. engl. Fußball-Nationalspieler: „Football is a simple game; 22 men chase a ball for 90 minutes, and at the end the Germans always win”.

2Sepp Herberger, ehem. Trainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft (1936-1942 und 1950-1964). Fußball-Weltmeister 1954.

3Günter Rexrodt, Bundesminister für Wirtschaft von 1993 - 1998.

4Wenn im Folgenden von wirtschaftlich, volkswirtschaftlich, gesamtwirtschaftlich ect. (...) die Rede ist, bezieht sich diese Aussage stets auf die Volkswirtschaft der Bundesrepublik Deutschland.

5 Werner Hansch bei der Kommentierung des Länderspiels Frankreich - Deutschland.

6Im Folgenden auch KNA genannt.

7 Kurscheidt, veröffentlicht im Internet (Abfrage 31.10.2006 um 13:05).

8 Vgl.: Kurscheidt, veröffentlicht im Internet (Abfrage 31.10.2006 um 13:05).

9Vgl.: Kurscheidt, veröffentlicht im Internet (Abfrage 31.10.2006 um 13:05).

10Messbar. Analogisch bedeutet der Begriff: intangible - nicht messbar.

11Kurscheidt, veröffentlicht im Internet (Abfrage 31.10.2006 um 13:05).

12 Im Folgenden auch NGW genannt.

13Richter, veröffentlicht im Internet (Abfrage 31.10.2006 um 13:20).

14Anm. d. Verf.: Der Zeitbezug der einzelnen Phasen wird im weiteren Verlauf der Untersuchung definiert.

15Kurscheidt, veröffentlicht im Internet (Abfrage 31.10.2006 um 13:05).

16Klebs, veröffentlicht im Internet (Abfrage 31.10.2006 um 14:45).

17 O.V., veröffentlicht im Internet (Abfrage: 31.10.2006 um 14:10).

18Anm. d. Verf.: Deutscher Fußball Bund.

19Vgl.: Dietl / Pauli, veröffentlicht im Internet (Abfrage 31.10.2006 um 13:25).

20Die Bewertung der „WM-Reife“ beruht auf Prognosen, die das Verhältnis von den technischen Anforderungen der FIFA zu internationalen Standards auf die deutschen Stadien überträgt.

21Angaben in Mio. €, Stand: 13. April 2002.

22Für 2006 geplante Sitzplatzkapazität, Stand: 13 April 2002.

23Anm. d. Verf.: Die Ligazugehörigkeit bezieht sich auf die lokal ansässigen Profi-Fußballvereine. BL = 1. Bundesliga, 2. BL = 2. Bundesliga, RL = Regionalliga, OL = Oberliga. Stand: Zeitpunkt der OK-Entscheidung, d. h. 15. April 2002.

24 Anm. d. Verf.: Organisationskomitee.

25Richter, veröffentlicht im Internet (Abfrage 31.10.2006 um 13:20).

26Vgl.: Dietl / Pauli, veröffentlicht im Internet (Abfrage 31.10.2006 um 13:25).

27DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt

28DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt

29Andreas Möller, ehem. Deutscher Fußballnationalspieler und Weltmeister 1990.

30Bargel, veröffentlicht im Internet (Abfrage: 31.10.2006 um 13:15).

31 Vgl.: Bargel, veröffentlicht im Internet (Abfrage: 31.10.2006 um 13:15).

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Details

Title
Die Auswirkungen der Fussball- Weltmeisterschaft 2006 auf die Volkswirtschaft Deutschlands
Subtitle
... und am Ende gewinnen immer die Deutschen
College
Fontys University of Applied Sciences Venlo
Grade
8,0
Author
Year
2006
Pages
31
Catalog Number
V68999
ISBN (eBook)
9783638612319
ISBN (Book)
9783638673143
File size
628 KB
Language
German
Notes
Niederländisches Notensystem Qualität der Arbeit nachweislich zertifiziert.
Keywords
Auswirkungen, Fussball-, Weltmeisterschaft, Volkswirtschaft, Deutschlands
Quote paper
Christian Hilscher (Author), 2006, Die Auswirkungen der Fussball- Weltmeisterschaft 2006 auf die Volkswirtschaft Deutschlands, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68999

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