Fast 32 Jahre lang war Indonesien unter dem Diktator Suharto eines der am stärksten zentralisierten Länder der Welt. Mit dem Rücktritt Suhartos war der erste Schritt getan, das Land einer Demokratisierung zu öffnen. Allerdings sah sich Indonesien, als ethnisch, religiös und sozial überaus heterogener Staat, der durchaus realistischen Gefahr des Zerfalls ausgesetzt. Die Probleme nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 1997 in Asien wurden größer und die Rufe in den äußeren Regionen nach Autonomie und Unabhängigkeit immer lauter. Die Diskussion um die zukünftige Staatsform ist bis heute noch nicht beendet. 1999 verabschiedete die indonesische Regierung die zwei Gesetze 22/1999 und 25/1999 zur regionalen Autonomie (Otonomi Daerah), welche im Januar 2001 in Kraft traten. Die damit eingeleitete Dezentralisierung ist Gegenstand dieser Arbeit. Es soll gezeigt werden, ob die Dezentralisierungsstrategie bezüglich einer Etablierung demokratischer Strukturen in Indonesien bisher erfolgreich verlaufen ist oder eventuell sogar Rückschritte beim Transformationsprozess zu verzeichnen sind: Ist Dezentralisierung ein geeignetes Mittel die Demokratisierung in Indonesien voranzutreiben?
Nach einer theoretischen Untersuchung von Dezentralisierung im Allgemeinen und der von ihr erhofften Auswirkungen, werden sowohl die Gesetze, als auch die politischen und gesellschaftlichen Prozesse in Indonesien seit dem Umbruch in einem empirischen Teil untersucht und anhand der theoretischen Erkenntnisse ausgewertet.
Das Ergebnis dieser Arbeit könnte, unter Berücksichtigung der zahlreichen Besonderheiten Indonesiens, Aufschlüsse darüber geben, ob die Dezentralisierungsstrategie auch anderen Ländern zu einer Demokratisierung verhelfen kann.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Dezentralisierung und Demokratisierung in der Theorie
2.1 Definition und Operationalisierung des Demokratiebegriffs
2.2 Das Konzept der Dezentralisierung
2.2.1 Administrative Dezentralisierung
2.2.2 Fiskalische Dezentralisierung
2.2.3 Politische Dezentralisierung
3 Die Gesetze 22/1999 und 25/1999 und ihre Implementation
3.1 Das Gesetz 22/1999
3.2 Das Gesetz 25/1999
3.3 Die Implementationsphase
4 Zum gegenwärtigen Stand der Dezentralisierung
4.1 Administrative Dezentralisierung
4.2 Fiskalische Dezentralisierung
4.3 Politische Dezentralisierung
5 Dezentralisierung in Indonesien – ein Fazit
6 Literatur
1 Einleitung
Fast 32 Jahre lang war Indonesien unter dem Diktator Suharto eines der am stärksten zentralisierten Länder der Welt. Als aufgrund zahlreicher Proteste und Demonstrationen, die sich teilweise zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen entwickelten, der Druck auf das autoritäre Regime immer größer wurde, trat Suharto am 21. Mai 1998 zurück. Damit war der erste Schritt getan, das Land einer Demokratisierung zu öffnen. Allerdings sah sich Indonesien, als ethnisch, religiös und sozial überaus heterogener Staat, der durchaus realistischen Gefahr des Zerfalls ausgesetzt. Die Probleme nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 1997 in Asien wurden größer und die Rufe in den äußeren Regionen nach Autonomie und Unabhängigkeit immer lauter. Die Diskussion um die zukünftige Staatsform ist bis heute noch nicht beendet. 1999 verabschiedete die indonesische Regierung die zwei Gesetze 22/1999 und 25/1999 zur regionalen Autonomie (Otonomi Daerah), welche im Januar 2001 in Kraft traten. Die damit eingeleitete Dezentralisierung ist Gegenstand dieser Arbeit. Es soll gezeigt werden, ob die Dezentralisierungsstrategie bezüglich einer Etablierung demokratischer Strukturen in Indonesien bisher erfolgreich verlaufen ist oder eventuell sogar Rückschritte beim Transformationsprozess zu verzeichnen sind: Ist Dezentralisierung ein geeignetes Mittel die Demokratisierung in Indonesien voranzutreiben?
Nach einer theoretischen Untersuchung von Dezentralisierung im Allgemeinen und der von ihr erhofften Auswirkungen, werden sowohl die Gesetze, als auch die politischen und gesellschaftlichen Prozesse in Indonesien seit dem Umbruch in einem empirischen Teil untersucht und anhand der theoretischen Erkenntnisse ausgewertet.
Das Ergebnis dieser Arbeit könnte, unter Berücksichtigung der zahlreichen Besonderheiten Indonesiens, Aufschlüsse darüber geben, ob die Dezentralisierungsstrategie auch anderen Ländern zu einer Demokratisierung verhelfen kann.
Die Literaturlage zeigte sich aufgrund der Aktualität des Themas noch nicht sehr umfangreich. Wichtig für diese Arbeit waren neben den Arbeiten von Marco Bünte und Jan-Michael Bach, die in einigen Regionen Indonesiens jeweils umfangreiche Feldforschung zu diesem Thema betrieben haben, vor allem Arbeits- und Seminarpapiere aus dem Umfeld internationaler Organisationen. Primärliteratur wurde lediglich anhand einiger ausgewählter Gesetzestexte hinzugezogen. Bis auf einige Ausnahmen wurden die Ereignisse bis Mitte 2004 berücksichtigt. Eine Analyse der Prozesse darüber hinaus, besonders auch über die Veränderungen der politischen Verhältnisse unter Präsident Susilo Bambang Yudhoyono, hätten den Rahmen dieser Arbeit gesprengt und bleiben für weitere Forschung offen.
2 Dezentralisierung und Demokratisierung in der Theorie
2.1 Definition und Operationalisierung des Demokratiebegriffs
Demokratisierung wird gemäß eines heutzutage breiten Konsenses als adäquater Beitrag zur Entwicklung armer, vielfach autoritär geprägter Staaten gesehen. So schreibt Schuck:
Trotz der beschriebenen Bedenken im Hinblick auf einen Universalitätsanspruch erscheint ein demokratisches Staatswesen jedoch am ehesten in der Lage zu sein, Grundbedürfnisse zu befriedigen und Menschenrechte zu schützen. In keiner anderen Regierungsform ist die Möglichkeit der Kontrolle staatlichen Handelns so ausgeprägt, die sich nicht nur in einer verwaltungsorganisatorischen horizontalen und vertikalen Gewaltenteilung zeigt, sondern auch den Wahlberechtigten die Möglichkeit gibt, Politikern das Mandat zu entziehen.[1]
Deshalb wird die Demokratisierung Indonesiens in dieser Arbeit als wünschenswert vorausgesetzt. Um den Erfolg der Dezentralisierungsstrategie in Indonesien im Hinblick auf eine Demokratisierung messen und bewerten zu können braucht man eine geeignete Definition, bzw. einen operationalisierbaren Demokratiebegriff. Es sollen sozusagen Kriterien festgelegt werden, anhand derer sich die Messung und Bewertung vornehmen läßt. Christoph Schuck benutzt dafür die acht von Robert Dahl formulierten institutional guarantees, d.h. die demokratischen Institutionen der Gesellschaft:
1. freedom to form and join organisations,
2. freedom of expression,
3. right to vote,
4. eligibility for public office,
5. right of political leaders to compete for support,
6. alternative sources of information,
7. free and fair elections and
8. institutions for making government politics depend on votes and other expressions of preferences.[2] Er ergänzt sie noch um vier weitere, seiner Meinung nach, gerade im Hinblick auf Indonesien, besonders notwendige Punkte:
9. horizontale Gewaltenteilung,
10. zivile Kontrolle des Militärs,
11. Minderheitenschutz und
12. Formen sozialer Gerechtigkeit.[3]
Um nun eine stabile Form der Demokratie zu erreichen, sollten möglichst alle zwölf genannten Punkte verwirklicht werden, d.h. es ist wichtig, dass die Demokratisierung nicht nur halbherzig durchgeführt wird und z.B. nur formal, d.h. auf dem Papier existiert, da sonst labile Formen der Demokratie drohen. Von zentraler Bedeutung ist auch die Transfermethodik der demokratischen Grundvoraussetzungen, wobei die kulturellen Besonderheiten eines Landes eine entscheidende Rolle spielen. Um eine stabile Form der Demokratie zu ermöglichen
muss es als unabdingbar angesehen werden, dass der eigentliche Antrieb für eine Demokratisierung von den Menschen des betroffenen Landes selbst ausgeht.[4]
2.2 Das Konzept der Dezentralisierung
Bei dem Versuch den Begriff Dezentralisierung zu definieren trifft man auf einige Schwierigkeiten, da es in Wissenschaft und Praxis bislang keine einheitliche Dezentralisierungsdefinition gibt. Allgemein lässt sich der Begriff der Dezentralisierung als Sammelbegriff kennzeichnen, der sich auf verschiedene Vorgänge
der Verlagerung von Zuständigkeiten vom Zentralstaat auf untergeordnete Ebenen der gebietskörperschaftlichen Staatsorganisation[5] bezieht.
Um den Begriff etwas näher zu spezifizieren, sollten verschiedene Definitionen für variierende Zielsetzungen formuliert werden. In der Literatur lassen sich mittlerweile Schwerpunktsetzungen auf Aspekte von Demokratisierung und Verantwortlichkeit als wesentliche Beiträge beim Dezentralisierungsprozess identifizieren.[6] Der wissenschaftliche Diskurs hat bisher zur Einteilung des Dezentralisierungskonzeptes in eine administrative, eine fiskalische und eine politische Dimension geführt. Die einzelnen Dimensionen lassen sich allerdings nicht völlig isoliert voneinander betrachten, sondern überlappen sich zum Teil beträchtlich. Modellhaft lassen sich der a) administrativen Dezentralisierung eine bessere, d.h. effizientere Verwaltung, der b) fiskalischen Dezentralisierung die Förderung des Wirtschaftswachstums und der c) politischen Dezentralisierung eine Konsolidierung der Demokratie als theoretisch konstruierte Auswirkungen zuordnen.[7] Aufgrund der Relevanz für die Fragestellung werden im Folgenden die administrative und fiskalische Dezentralisierung im Vergleich zur politischen nur knapp behandelt.
2.2.1 Administrative Dezentralisierung
Bei näherer Betrachtung versteht man unter administrativer Dezentralisierung die Übertragung von Verantwortung über Planungs-, Management- und Finanzaspekte vom Zentrum an die Lokalregierungen, aber auch an andere Einrichtungen und Organisationen der unteren Ebenen.[8] Eine Gliederung der administrativen Dezentralisierung in die drei Unterteilungen Dekonzentration, Delegation und Devolution geht auf die Begriffsdefinition von Dennis A. Rondinelli und G. Shabbir Cheema zurück.[9] Für diese Arbeit ist vor allem der Begriff der Devolution von Bedeutung, da diese Art der administrativen Dezentralisierung am meisten mit der politischen Dezentralisierung verknüpft ist.[10]
2.2.2 Fiskalische Dezentralisierung
Fiskalische Dezentralisierung bezieht sich auf die Notwendigkeit von ausreichenden Einnahmequellen für die Lokalregierungen und private Organisationen um ihre Aufgaben effektiv ausführen zu können. So sollen die Haushalte regionaler Einheiten gestärkt werden und gleichzeitig auch eine Übertragung der finanziellen Verantwortlichkeit stattfinden um die effiziente Verwendung der Mittel zu garantieren. In der Installation von Verantwortlichkeitsmechanismen besteht wiederum der Zusammenhang zur politischen Dezentralisierung, da ohne eine gewisse Rechenschaftspflicht Korruptionsvorgänge auf lokaler Ebene zur mangelnden Effizienz beitragen können.[11]
2.2.3 Politische Dezentralisierung
Politische Dezentralisation befasst sich vor allem mit der Transformation politischer Systeme. Sie sieht eine Übertragung politischer Macht von der Zentralregierung auf die Lokalregierungen vor, die den lokalen Parlamenten und damit den Einwohnern in der jeweiligen Region gegenüber rechenschaftspflichtig sind.[12] Dadurch sollen die Partizipationschancen und die Repräsentation der Bürger im Allgemeinen und vor allem auch benachteiligter Gruppen erhöht werden, wodurch wiederum die Legitimität des Systems gestützt würde.[13] Anhand der Wirkungen, welche der Dezentralisierung zugeschriebenen werden, könnte man eventuell sogar soweit gehen, politische Dezentralisierung mit Demokratisierung gleichzusetzen. Zumindest aber lässt sich die politische Dezentralisierung als wichtiges Element zur Unterstützung von Demokratisierungsprozessen bezeichnen.
Damit reicht das breite Spektrum der mit der Dezentralisierung assoziierten Vorteile über Gewährung und Wahrung von Menschenrechten, erhoffte ökonomischen Impulse in Wirtschaft und Staat, Verringerung von Wanderbewegungen, soziokulturelle Identifizierungseffekte, ethnische und religiöse Befriedigungseffekte, Umweltwirkungen bis zu einer effizienten, bürgerfreundlichen Verwaltung hinaus.[14]
[...]
[1] Schuck (2003): 31.
[2] Vgl. Dahl, Robert (1971): Polyarchy, Participation and Opposition, New Haven + London, zitiert in: Schuck (2003): 24.
[3] Vgl. Schuck (2003): 25.
[4] Schuck (2003): 35-38.
[5] Thibaut (2002): 143.
[6] Vgl. Bach (2003): 14.
[7] Vgl. Bünte (2003): 33.
[8] Vgl. Cohen und Peterson (1999): 24.
[9] Vgl. Bach (2003): 16.
[10] Aus Platzgründen soll hier nicht näher darauf eingegangen werden. Für nähere Erläuterungen zu der Unterteilung des Begriffs der administrativen Dezentralisierung vgl.: Bünte (2003): 36f.
[11] Vgl. Bünte (2003): 39.
[12] Vgl. Cohen und Peterson (1999): 22.
[13] Vgl. Bünte (2003): 40.
[14] Prasojo (2003): 63.
- Arbeit zitieren
- Moritz Teriete (Autor:in), 2005, Dezentralisierung in Indonesien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69090
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