Gruppenarbeit in Industrie und Verwaltung: Vorteile - Nachteile


Trabajo Escrito, 1993

89 Páginas


Extracto


Inhalt:

1. Wirtschaftskrise fördert Gruppenarbeit

2. Abgrenzung Einzelarbeit zur Gruppenarbeit

3. Effekte der Gruppenarbeit

4. Gruppendynamik und Effektivität

5. Vorteile der Gruppenarbeit

6. Nachteile der Gruppenarbeit

7. Vorteil-Nachteil-Diskussion

8. Optimierung der Gruppeneffektivität

1.) Wirtschaftskrise fördert Gruppenarbeit

Krisenzeiten sind Chancenzeiten - diese Redewendung ist inzwischen fast jedermann geläufig, seit die tief greifende Wirtschaftskrise ganz offensichtlich ist. Insbesondere im industriellen Bereich wird über Standortfragen offen gesprochen, jedoch nicht nur darüber. Auch die traditionelle Organisationslehre ist in den Verdacht geraten, die Misere mitverschuldet zu haben durch allzu starre Strukturen und bürokratische Ineffizienz.

Sogar massenhafter Einsatz von Computern bis hin zur künstlichen Intelligenz konnte den Knick nicht verhindern, und kann zurzeit keine Auswege aufzeigen.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass neue Wege gesucht werden, vor allem die Arbeit neu zu gestalten durch weitgehende überadditionelle Nutzung der Fähigkeiten des arbeitenden Menschen in Industrie und Verwaltung. Die Rezepte sind vielfältig, und reichen von Workshops, kontinuierlichen Verbesserungsprozessen, Lean Production bis zur guten alten Gruppenarbeit.

Gerade diese Themen sind in aller Munde, da im Moment unzählige Seminare dazu abgehalten werden, Fachartikel erscheinen und sogar die Tagespresse das Schlagwort aufgreift mit Slogans wie "Krise bringt Gruppenarbeit in Fahrt". Dabei ist Gruppenarbeit nicht grundsätzlich neu, und hatte bereits vor zwanzig Jahren in Schweden eine Blütezeit, bei uns im Lande jedoch nur eine gewisse Popularität mit einigen Prototypen, aber keine nennenswerte Verbreitung erlangt.

Die später öffentlich geförderten HdA-Projekte schließlich konnten Gruppenarbeit als Alternative zu den vorherrschenden tayloristischen Strukturen nicht etablieren. Vielmehr wurden erfolgreiche Ansätze und Experimente oftmals eingestellt, da es nicht gelang, das entscheidungsbefugte Wachstumsmanagement von organisatorischen und sozialpolitischen Notwendigkeiten zu überzeugen.

Auf der Ebene der Arbeitsgruppen, also den direkt betroffenen Arbeitnehmern, entstand sogar gelegentlich der Eindruck, dass von der Gruppenarbeit nur noch positivistisch gesprochen werden durfte; die Erwähnung von Nachteilen war praktisch ketzerisch.

Offenbar gab es - und gibt es noch - einen tief greifenden Konflikt zwischen Vertretern des Taylorsystems und der Humanisierungsbewegung, der vor allem zu Lasten der Betroffenen und der Sache, der Gruppenarbeit, ging.

Zwischenzeitlich wurde aber die Gruppenarbeit in der schwedischen Automobilindustrie und in Japan in den verschiedensten Formen weiterentwickelt, jedoch auch hierzulande bildeten sich vereinzelt neue Arbeitsformen unter Einbezug teilautonomer Gruppen heraus. Dieser Prozess der Diffusion von Gruppenarbeit in Industrie und Verwaltung ging sehr langsam vor sich, da bis in die neunziger Jahre der wirtschaftliche Druck fehlte. Dieser kam dann schlagartig durch Kumulation von Ursache und Wirkungen fehlgesteuerter ökonomisch-ökologischer Prozesse.

Im Rahmen einer gesamtwirtschaftlichen Perspektive erhält nun eine psychologisch orientierte Gruppenarbeit eine völlig neue Dimension mit einer schon fast überzogenen Gruppenarbeits-Euphorie. So berichtete Kämpfer in den VDI-Nachrichten im August 1993 von Gruppenarbeit bei VW. Einige Ergebnisse vorab zeigen folgendes:

- in der Kolbenvormontage stieg die Produktivität um 67 %
- die Zahl der Fehler ging im Monat um 36 % zurück
- im Motorenbau stieg die Leistung um 40 %
- die Vorgabezeit sank um 10 %
- die Rationalisierungsprojekte wurden rasend schnell durchgeführt.

Es sind demnach große Produktivitätssprünge realisiert worden, die Qualität wurde besser, der Aufwand wurde gesenkt. Einige Vorteile der Gruppenarbeit zeichnen sich ab - gibt es aber auch Nachteile?

Die Mitarbeiter formulierten dies etwa so:

- die Gruppe geht wesentlich brutaler mit ihren Mitgliedern um als die Meister
-mittlere Altersjahrgänge sind am schwersten zur Gruppenarbeit zu bewegen
-ein Problem ist der Kampf der Gruppe mit der Hierarchie
-wird das mittlere Management umgangen, sind Konflikte vorprogrammiert.

Die erwähnten Vor- und Nachteile sind sicherlich nicht zu verallgemeinern, doch kann man einige prinzipielle Probleme der Gruppenarbeit anhand dieser Veröffentlichungen diskutieren.

Die zentralen Fragen, die im Raum stehen lauten doch:

- Handelt es sich bei der beschriebenen Arbeitsform tatsächlich um etwas Ähnliches wie Gruppenarbeit?
- Sind die beschriebenen Nachteile und Vorteile nicht auf andere Effekte zurückzuführen, oder hätte eine andere Arbeitsform ähnliche oder bessere Effekte bewirkt?
- Gegen welche Arbeitsform können die Vorteile und Nachteile von echter Gruppenarbeit abgewogen werden?
- Sind die Vorteile und Nachteile nicht unter verschiedenen Interessengegensätzen abzuschätzen?
- Kann man vorhandene Vorteile verstärken und etwaige Nachteile dämpfen? Wie also wird Gruppenarbeit eingeführt und optimiert?
- vMüssen Nachteile der Gruppenarbeit nicht individuell begrenzt werden, um die Fehler des Taylorsystems zu vermeiden?

Einige Antworten sind schnell gefunden, bezogen auf neuere bekannt gewordene Anwendungen, denn

Arbeiterteams durchleuchteten ihre eigenen Arbeitssysteme, und griffen die Ideen der befragten Kollegen auf, Schulungen wurden durchgeführt.

Der Taktzwang wurde aufgehoben, jeder konnte nun das Band zum Weitertransport freigeben, die Qualitätskontrolle wurde in Eigenverantwortung durchgeführt.

Weichen und Puffer wurden am Band eingebaut, Kleinteile sofort montagegerecht angeliefert.

An Stellwänden wurden Planziele und erreichte Ergebnisse bekannt gegeben.

In einigen Fällen griffen Abteilungsleiter und höheres Management sowie bekannte Vorstandsmitglieder selbst mit ein.

Bürokratische Hemmnisse bei den technisch-organisatorischen Umstellungen wurden beseitigst und Veränderungen vom Vorstand direkt eingeleitet.

Hohe Ziele wurden vorgegeben und von allen akzeptiert, da allgemein bekannt war, dass der Markt nicht mehr wächst, und im Ausland besser und billiger gefertigt wird.

Freigesetzte Mitarbeiter wurden finanziell abgefunden, Lohneinbußen bei den verbleibenden Mitarbeitern durch höhere Leistung kompensiert.

Im Gegensatz zu früheren Jahren spielten die Betriebsräte mit bei einigen moderaten Forderungen, wie

Mitarbeiter mit Leistungseinschränkungen dürfen nicht aus Gruppenprojekten herausgedrängt werden,

Gruppen- und Teamsprecher dürfen nicht einseitig vom Management eingesetzt werden, und Managementkompetenz soll zu den Mitarbeitern nach unten verlagert werden.

Unschwer ist zu erkennen, dass nur teilweise Gruppenarbeitskonzepte mit anderen motivationsorientierten Organisationssystemen kombiniert, angewendet wurden, mit gleichzeitigen Anpassungen lediglich an den Stand der Technik und Organisation, die eigentlich längst hätten durchgeführt werden müssen.

Darüber hinaus ist sehr stark die vielfach jetzt akzeptierte Zielsetzung zu besserer Leistung, die starke Rolle der neuen Führungen, die offene Leistungsrückmeldung, die Toleranz der Betriebsräte und die relative finanzielle Absicherung der Mitarbeiter entscheidend gewesen, und vielfältige gruppendynamische Prozesse liefen reibungsloser ab als früher.

Zudem ist die Absatzkrise allgegenwärtig sichtbar, und die Bedrohung von außen nicht nur latent wie in der 70er Jahren, sondern sehr real, so dass die Krise motivationsorientierte Konzepte fördert einschließlich der Gruppenarbeit.

Gleichzeitig wird das Problem deutlich, dass reine Gruppenarbeit wahrscheinlich selten existiert oder eingeführt wird, und dass Vorteile und Nachteile gleichsam aus einem Komplex von Effekten sorgfältig extrahiert und von anderen Erscheinungen abgegrenzt werden müssen.

2.) Abgrenzung Einzelarbeit zur Gruppenarbeit

Das logische Gegenteil der Gruppenarbeit ist auf den ersten Blick die Einzelarbeit - folglich ist ein Vergleich von Vorteilen und Nachteilen von Gruppenarbeit vordergründig auf die Einzelarbeit zu beziehen.

Diese einfache Grundannahme setzt aber voraus, dass zuerst definitorische Klarheit über Begriff und Wesen

- der Einzelarbeit und der
- Gruppenarbeit

sowie eventueller Zwischen- und Kombinationsformen geschaffen wird. Zuerst also:

- Was versteht man unter Einzelarbeit?

In der MLBO neuester Auflage wird, je nach dem, ob ein Mensch oder mehrere Menschen in einem Arbeitssystem zusammenwirken, folgendes definiert:

- "Einzelarbeit ist die Erfüllung der Arbeitsaufgabe im Arbeitssystem durch einen Menschen."

Als eingängige Beispiele sind angegeben: das Montieren eines Gerätes durch einen Mitarbeiter, Betätigen von Stellteilen einer Maschine durch eine Arbeitsperson, Schreiben eines Briefes durch eine Sekretärin.

Demgegenüber steht:

- "Gruppenarbeit ist die Erfüllung der Arbeitsaufgabe im Arbeitssystem durch mehrere Menschen."

Wiederum sind Beispiele aufgeführt, wie Bedienen einer Formmaschine durch zwei Personen, Transportieren eines schweren Gegenstandes durch mehrere Mitarbeiter, Instandsetzen einer Anlage durch mehrere Schlosser in Zusammenarbeit, zahnärztliche Behandlung durch Arzt und Assistentin.

Diese in arbeitswissenschaftlichen Bereichen anerkannte Begriffsbestimmung vermag aus arbeits- und organisationspsychologischer Sicht die Einzelarbeit von Gruppenarbeit nicht genügend abzugrenzen.

Denn welche Arbeit verrichtet der Monteur, wenn er alleine in einer großen Halle das Gerät montiert, oder alternativ montieren in der gleichen Halle weit entfernt und unabhängig parallel zueinander mehrere Personen Geräte des gleichen Typs, oder die Geräte werden am Fließband von einer Person in Einzelarbeit, jedoch seriell und abhängig von der vorhergehenden Arbeitsperson montiert? Handelt es sich noch um Einzelarbeit, oder beginnt, obwohl jeder für sich alleine arbeitet, schon die Gruppenarbeit, da doch offenbar mehrere Menschen in einem übergeordneten Arbeitssystem arbeiten?

Die MLBO führt dazu den Begriff des Mikroarbeitssystems als kleinstes Arbeitssystem und den des Makroarbeitssystems als übergeordnetes Arbeitssystem ein.

Beispiele hierfür sind ein einzelner Arbeitsplatz, Abteilungen oder gesamte Unternehmen oder Verwaltungen. Wie unschwer ersichtlich wird mit größer gewähltem Arbeitssystem eine Einzelarbeit immer seltener und unwahrscheinlicher, und Gruppeneffekte sicherlich immer häufiger, obwohl möglicherweise nur lose Beziehungen zwischen den Einzelarbeiten bestehen, die sich auf die Zugehörigkeit zu einer Abteilung, zu einem Betrieb und eventuelle Konkurrenz- oder Zusammenhaltsmotive beschränken.

Ähnlich steht es mit der in der MLBO genannten Gruppenarbeit, denn die bloße Erfüllung einer Arbeitsaufgabe in einem Arbeitssystem durch mehrere Menschen ist noch keine Gruppenarbeit oder gar Teamarbeit - hier hilft also die MLBO nicht weiter.

Transportieren zum Beispiel gelegentlich mehrere Personen einen schweren Gegenstand, der für eine Person zu schwer wäre, handelt es sich dann schon um Gruppenarbeit? Oder bildet sich bei einer zahnärztlichen Behandlung eines Patienten durch den Arzt und seine eventuell neue Assistentin schon ein Team oder eine Gruppe?

Für die vorliegende Betrachtung ist deswegen zu ergänzen:

- Einpersonenarbeit ist als isolierte, repetive Arbeit eines Menschen in einem Mikroarbeitssystem zu verstehen.

Dies entspricht im Wesentlichen der tayloristischen Variante der Arbeit in einer Form, die in der Praxis kaum noch existiert, und lediglich als Vergleichsmaßstab herangezogen werden soll, um Vorteile und Nachteile der Gruppenarbeit zu erkennen. Die Einpersonenarbeit ist gleichsam die notwendige Bedingung für die schon zitierte

- Einzelarbeit, die als qualifizierte Arbeit eines Menschen in einem Mikroarbeitssystem, das mit einem anderen System interagieren kann und das schon auf neuere Formen der Arbeitsorganisation zurückgreift - als hinreichender Bedingung - gesehen werden muss.

Diese Art der Einzelarbeit ist schon auf motivationstheoretischen Modellen der Arbeitspsychologie aufgebaut und vollzieht die Abkehr vom Taylorismus, und steht in gewisser Konkurrenz zur Gruppenarbeit.

Ebenfalls lediglich notwendig als Voraussetzung zur Gruppenarbeit ist

- die Mehrpersonenarbeit, da eine Gruppe zwangsläufig aus mehreren Personen besteht.

Insofern ist die MLBO-Definition der Gruppenarbeit damit unvollständig, da wesentliche Elemente der Gruppenarbeit nicht enthalten sind. Insbesondere kann die Mehrpersonenarbeit auf Addition der Einpersonenarbeit oder auch der Einzelarbeit aufgebaut sein, und bildet damit schon ein besonderes Makroarbeitssystem. Auch hiermit muss die Gruppenarbeit verglichen werden, wenn man ihre Vorteile und Nachteile erkennen und bewerten will.

Ein besonderes Problem der additiven Mehrpersonenarbeit liegt in der Verwechslungsgefahr als Pseudogruppenarbeit, die sicherlich auch Effekte bewirken kann gegenüber der

- echten Gruppenarbeit oder auch Teamarbeit als Form der Gruppenarbeit.

Dies zeigt schon die Definition in der MLBO auf, und auch viele neue Arbeitsformen basieren auf Pseudogruppenarbeit.

Damit wird förmlich die Frage provoziert:

Was versteht man in der Sozialpsychologie unter Gruppenarbeit?

Schon früh hat Hofstätter die "Gruppe als eine Anzahl von Organismen" bezeichnet, "deren Verhalten einer gegenseitigen Beeinflussung unterliegt".

Franke schreibt: "Als Gruppe gilt in der Regel eine überschaubare und nach außen hin abgrenzbare Menge von Personen, die für eine gewisse Zeit miteinander agieren, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen".

In der Sozialpsychologie gelten nach Rosenstiel folgende Bestimmungsgrößen, um eine Ansammlung von Personen eine Gruppe in letzterem Sinne nennen zu können: "Zwei oder mehr Personen, deren Gesamtzahl aber so gering ist, dass jede Person mit jeder anderen direkten Kontakt ausüben kann; das tatsächliche Auftreten solcher Interaktionen muss ein gewisses Mindestmaß überschreiten; die Aufrechterhaltung dieser Kontakte über eine längere Zeitspanne hinweg; ein gemeinsames Wollen oder Tun mit Normen und Verhaltensregeln; ein Zugehörigkeitsgefühl bei den Mitgliedern zur Gruppe."

Allen Gruppenprozessen liegen also Interaktion und Kommunikation zwischen den Mitgliedern zugrunde. In der Literatur werden weitere ausführliche Gruppendefinitionen gebracht, so bei Heeg, Thomas, Esser, und im Lehrbrief Arbeits- und Sozialpsychologie.

Einige Hinweise sind noch wichtig zu formellen und informellen Gruppen:

In Organisationen werden Personen für gewöhnlich bestimmten Abteilungen zugerechnet. Gruppen, die sich aus der organisatorischen Gliederung bzw. dem Organisationsplan ergeben, heißen formelle Gruppen, wie zum

Beispiel: In der Werkstattfertigung ergeben sich durch die Art der Anordnung der Betriebsmittel und den Materialdurchlauf sowie die organisatorische Zuordnung von bestimmten Personen zur Werkstatt formelle Gruppenbeziehungen und dementsprechend eine formelle Gruppe.

Die formelle Gruppe ist also bewusst geplant und im Hinblick auf die Aufgabenerfüllung gestaltet. Bei vielen formellen Gruppen handelt es sich allerdings nicht um eine Arbeitsgruppe im vorher erläuterten Sinne, z. B. bei einer Anzahl von Mitarbeitern an einem Fließband ohne wesentliche Interaktion.

Die Beziehungen, welche die informellen Gruppen begründen, orientieren sich primär an persönlichen Wünschen und Sympathiegefühlen. zum Teil aber auch an konkreten Zielen, z. B. Informationsaustausch. In realen Arbeitssituationen beobachtet man, dass neben der formellen Gruppenbeziehung zwischen bestimmten Personen organisationsunabhängige Kontakte als informelle Beziehungen auftreten, die zu sehr einflussreichen Gruppenbildungen führen können. Teilweise haben die informellen Gruppen mehr Einfluss auf das Verhalten ihrer Mitglieder als die sie umgebende Organisation. Die Unterscheidung in formelle und informelle Gruppen wird in der Literatur aber häufig angegriffen, weil formelle und informelle Beziehungen oft miteinander eng verwoben sind, so dass kaum eine klare Trennung möglich erscheint.

Man sollte sich dennoch darüber im Klaren sein, dass die formelle Gruppe gleichsam die arbeitsorganisatorischen Voraussetzungen bildet, und durch die informellen Beziehungen erst die "echte" Arbeitsgruppe entsteht.

Eine echte Arbeitsgruppe ist nunmehr eine interagierende Mehrpersonenarbeitsorganisation, die an einer Arbeitsaufgabe orientiert ist, die es zu erfüllen gilt.

Die gestellte Frage kann nunmehr beantwortet werden:

- Gruppenarbeit ist die Erfüllung von Arbeitsaufgaben in Arbeitssystemen durch eine Gruppe, wobei natürlich eine echte Gruppe gemeint ist.

Ersetzt wurde also das falsche Wortbild "mehrere Menschen" durch den Begriff der vorerwähnten Gruppe mit allen formellen und informellen sowie interagierenden Beziehungen - selbstverständlich ist eine gewisse qualifizierte Gruppenarbeit Gegenstand der weiteren Überlegungen.

Noch ein Wort zum Team, das oft als Synonym für eine besonders gut und harmonisch funktionierende kleine Arbeitsgruppe gebraucht wird. Hier stammt eine Zusammenfassung der Begriffe von Forster, zitiert bei Heeg:

"Unter einem Team soll eine kleine, funktionsgegliederte Arbeitsgruppe mit gemeinsamer Zielsetzung, relativ intensiven wechselseitigen Beziehungen, einem ausgeprägten Gemeinschaftsgeist sowie einem relativ starken Gruppenzusammenhalt unter den Mitgliedern und damit einer spezifischen Arbeitsform verstanden werden".

Arbeitsgruppen sind also wichtige Bestandteile von Organisationen; man kann sie als intermediäre Einheiten zwischen Organisation und Person betrachten. Jeder Organisationsteilnehmer ist Mitglied einer oder mehrerer Gruppen; dabei ist noch zwischen planmäßig gebildeten und spontan entstandenen Arbeitsgruppen zu unterscheiden, wobei letztere selten sind und gelegentlich unterbunden werden.

Gruppenarbeit ist also nicht als einfache Addition von Personen und ihren spezifischen Motivationen zu begreifen, sondern als eigenständige sozialpsychologische Arbeitsform mit speziellen Interaktionsprozessen und deren Gruppendynamik, und eigenständig von der Person abgehobenen, intersubjektiven Phänomenen, wie Gruppennormen und -standards. Diese gruppenspezifischen Strukturen und Prozesse sind nicht nur auf das Verhalten der Mitglieder von nachhaltigem Einfluss, indem Gruppensanktionen erlassen werden und dadurch konformes Verhalten erzwungen wird, sondern auch für Zielerreichung und das Verhalten anderer Arbeitsgruppen sowie der Gesamtorganisation in Industrie und Verwaltung.

3.) Effekte der Gruppenarbeit

Schon Gailbraith stellte fest, dass die Arbeit im Industriesystem "Gruppenarbeit" ist, dementsprechend wurden erste Gruppenarbeitsexperimente im Industriebereich durchgeführt. In der Verwaltung sind demgegenüber noch wenige Anwendungen erkennbar.

Inwieweit Gruppenarbeit anwendbar ist, hängt sicherlich von den Arbeitsaufgaben in Mikro-/ Makroarbeitssystemen der Industrie und Verwaltung ab. Bevor eine kurze Auswahl von Gruppenarbeitsprojekten zusammengestellt wird, sind die grundsätzlichen Arbeitsaufgaben zu diskutieren, die in Industrie und Verwaltung typisch sind, wobei die früher häufig gebrauchte Typisierung in

- geistige und körperliche Arbeit oder dispositive und objektbezogene Arbeit

zugunsten des Modells von Laurig aufgegeben werden sollten.

Danach gliedert man menschliche Arbeit auf in

- energetische Arbeit, und zwar als muskuläre oder sensumotorische Arbeit, wie Erzeugung und Anwendung von Menschenkraft oder Koordination von Bewegungen des Menschen, z. B. Transporttätigkeiten, Montagetätigkeiten, Bedienung von Maschinen.
- Informatorische Arbeit als reaktive Arbeit, kombinatorische Arbeit und schöpferische Arbeit, wie Informationsumsetzung in Reaktion, Umsetzen von Eingangs- und Ausgangsinformationen, Erzeugen - Kreieren - von neuen Information, z. B. Kontrolltätigkeiten, Verwaltungsarbeit, Sprachübersetzung, Planen, Konstruieren, Gestalten.

Alle nur denkbaren Arbeiten und Tätigkeiten lassen sich in diese Typologie einordnen, sofern man bereit ist, die in beliebiger Anzahl zur Verfügung stehenden Mischformen zu bilden. In jedem Typ sind Elemente sowohl körperlicher als auch geistiger Art vorhanden, wenngleich in sehr unterschiedlichen Anteilen.

Mittels solcher Klassifikationen lassen sich Tätigkeiten beschreiben, einordnen und auf Gruppenarbeitsmöglichkeiten hin analysieren.

So ist offensichtlich, dass bei muskulärer Arbeit wie heben eines schweren Gegenstandes leicht Gruppenarbeit möglich ist. Die sensumotorische Tätigkeit eines Kraftfahrers oder die Kontrollarbeit an einer Textilwarenschaumaschine sind eher Einzelarbeiten. Dagegen kann sensumotorische Arbeit wie Montagen, kombinatorische Arbeit wie schöpferische Arbeit als Gruppenarbeit gestaltet werden. Weitere Beispiele der Gruppenarbeit sind in der MLBO aufgeführt, allerdings nicht erschöpfend.

Prinzipiell gibt es nicht zwingend Arbeiten, die nur als Einzelarbeit oder Gruppenarbeit ausführbar sind, denn vielfach werden diverse Mischformen eingesetzt:

Um die vielfältigen realen Einsatzformen der Gruppenarbeit genauer fassen zu können, wird im folgenden eine Gliederung von Heeg verwendet, in der Arbeitsgruppen nach ihren Aufgaben unterschieden werden. Danach lassen sich fünf Typen differenzieren:

- Führungsgruppen bzw. kollegiale Führungsgremien, in denen mehrere Vorgesetzte oberer Leitungsgremien zusammenarbeiten.
- Beratungsgruppen, deren Aufgabe sich auf die Entscheidungsvorbereitung konzentriert.
- Projektgruppen, die vorübergehend für komplexe Vorhaben zusammengestellt werden.
- Ausführungsgruppen, d.h. Arbeitsgruppen im engeren Sinne, z. B. Montagegruppen oder Entwicklungs- und Konstruktionsteams.
- Lern- und Problemlösegruppen, die neben ihrer eigentlichen Arbeitstätigkeit bestimmte Probleme ihres Arbeitsbereiches reflektieren.

Führungs- und Beratungsgruppen werden aufgrund ihrer Beschränkung auf Führungskräfte im weiteren Verlauf dieser Arbeit ausgegliedert. Projektgruppen weisen Parallelen zu Lern- oder Problemlösegruppen auf. Da die Mitglieder von Projektgruppen jedoch meist höheren Hierarchieebenen angehören bzw. über ausgesprochene Spezialqualifikationen verfügen, werden auch sie in dieser Arbeit nicht weiter behandelt. Relevant für die Bearbeitung der Themenstellung erscheinen vor allem Ausführungsgruppen sowie Lern- und Problemlösegruppen. Sie sollen daher im Folgenden genauer betrachtet werden.

Die Ausführungsgruppen als älteste Form der Arbeitsgruppen sind bei Esser ausführlich behandelt. Sie ergeben sich meist aufgrund von Verhandlungen zwischen Unternehmensführung und Arbeitnehmervertretern, und dienen der laufenden Abwicklung planmäßiger Produktions- und Verwaltungstätigkeiten.

Die Gruppenmitglieder erhalten eine ganzheitliche Arbeitsaufgabe zur Verantwortung. So kann es zweckmäßig sein, die Qualitätsverantwortung in diese Gruppe hineinzugeben, die Material- und Termindisposition im Rahmen der Werkstattsteuerung zu übertragen, die Wahl der Lage der Erholungsphasen der Gruppe zu überlassen, und die Aufteilung der Arbeit auf die einzelnen Gruppenmitglieder ebenfalls von der Gruppe selbstverantwortlich vornehmen zu lassen. Der Grad dieser Selbststeuerung ist von internen und externen Einflüssen abhängig und wird von Betrieb zu Betrieb und Gruppe zu Gruppe unterschiedlich sein.

Die Zielsetzungen werden in der Literatur wie folgt beschrieben:

- Erweiterung und Bereicherung des Arbeitsinhaltes und von Handlungsspielräumen,
- Qualifikationssteigerung und Qualitätsverbesserung sowie
- technisch-wirtschaftliche Ziele.

Die Aufgaben von Lern- und Problemlösegruppen umfassen die Identifikation, Analyse und Lösung von Problemen, welche die Gruppenmitglieder bei ihrer konkreten Arbeitsausführung selbst entdecken. Darüber hinaus kann es Aufgabe der Gruppe sein, die ausgewählte Lösung selbst umzusetzen und den Erfolg zu überwachen. Lern- und Problemlösegruppen können weiter differenziert werden in Werkstattzirkel, Qualitätszirkel, Lernstatt, Problemlösegruppen und teilautonome Gruppen.

Die Ziele, die mit Lern- und Problemlösegruppen erreicht werden sollen, lassen sich in den Bereichen Technologie, Arbeitsorganisation sowie innerbetrieblicher Kooperation und Personalentwicklung zuordnen. In technologischer Hinsicht werden Verbesserungen der Produktqualität sowie eine Steigerung der Produktivität angestrebt. Arbeitsorganisatorische Ziele betreffen vor allem eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern sowie die Kooperation auf der ausführenden Ebene.

Unter die Ziele der Personalentwicklung lassen sich insbesondere die Steigerung der Arbeitsmotivation, die vermehrte Identifikation der Arbeitnehmer mit ihrer Arbeit sowie die Erhöhung von fachlichen, methodischen und sozialen Qualifikationen subsummieren. Gefördert wird in jedem Fall die Motivation der Mitarbeiter, sich mit ihren Arbeitsaufgaben stärker auseinanderzusetzen. Unterschiedlich sind jedoch die Prioritäten in den Zielsetzungen verteilt, so dass die konkrete Umsetzung praktisch immer mit betriebsspezifischen Strategien verbunden ist.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Ziele von Lern- und Problemlösegruppen ein breites Spektrum umfassen.

Eine Ausdehnung der genannten Zielbereiche stellen selbststeuernde Gruppen dar. Das Kernelement dieses deutlich in Richtung umfassender Beteiligung gehenden Konzeptes ist die Delegation der Entscheidungskompetenz für alle Alltagsfragen in der Gruppe. Erst wenn übergeordnete Zusammenhänge tangiert werden, sind Abstimmungsmechanismen mit dem Management zu entwickeln. Die Verbreitung partizipativer Konzepte ist allerdings in der betrieblichen Realität noch sehr eingeschränkt.

Der Verbreitungsgrad von Gruppenarbeit nimmt aber zu durch

- verschärften internationalen Konkurrenzdruck
- gestiegene Flexibilitätsforderungen
- erhöhte Ansprüche der Mitarbeiter an die Arbeit.

Vom Management werden denn auch die angenommenen produktivitätssteigernden Wirkungen der Gruppenarbeit begrüßt, sowie die positiven Effekte der japanischen Qualitätszirkel gefürchtet.

Dies wirft die Frage auf, welche Effekte die Gruppenarbeit wirklich hat, und ob diese Vorteile oder Nachteile mit sich bringen?

Dazu hatten schon früher Coch und French ein Feldexperiment mit industriellen Arbeitsgruppen durchgeführt. Nachdem diese Studie in mehrfacher Hinsicht interessant ist, soll näher darauf eingegangen werden:

- In einer Textilfirma stand eine grundlegende Änderung der Arbeitsorganisation an. Man bildete zwei Experimentier- und eine Kontrollgruppe, und differenzierte die Art und Weise, in der der Änderungsprozess vorbereitet und durchgeführt wurde, derart, dass eine unterschiedliche Partizipation der Gruppenmitglieder am Entscheidungsprozeß erfolgt.

Die erste Gruppe, die als Kontrollgruppe fungierte, partizipierte überhaupt nicht am Änderungsprozess. Die Produktionsabteilung plante die technischen Änderungen des Arbeitsvollzuges und setzte den Akkordstandard neu fest. Ein Gruppentreffen wurde abgehalten, der Gruppe wurde mitgeteilt, dass Änderungen der Arbeitsorganisation aus Kostengründen erforderlich seien. Die Änderungen und die Art der Berechnung der neuen Akkordsätze wurden von Arbeitsingenieuren erklärt. Hier lag also ein Vorgesetztenverhalten vor, das sehr stark autoritär ausgerichtet war.

Die zweite Gruppe wurde zusammengerufen, bevor Änderungen durchgeführt wurden. Die Notwendigkeit einer Änderung des Änderungsprozesses wurde im Einzelnen erklärt und anhand des betroffenen, sich schlecht verkaufenden Produktes demonstriert. Die Gruppe erzielte über die Notwendigkeit der Änderung Einmütigkeit. Das Management präsentierte sodann einen 6-Punkte-Plan zur Durchführung der Änderung, der unter anderem vorsah, zunächst aus der sehr großen Gruppe einige Arbeiter auszuwählen, die für die Änderungen vorweg ausgebildet werden sollten. Es waren diese ausgewählten Arbeiter, die dann in speziellen Zusammenkünften Vorschläge für die Änderungen einbrachten, die Art der Berechnung der Akkordsätze mitbestimmten, also vollkommen in den Gesamtprozess einbezogen wurden. Die Ergebnisse wurden dann der gesamten Gruppe in einem zweiten Treffen präsentiert, und die ausgewählten Arbeiter trainierten die übrigen im Hinblick auf die neuen Arbeitsoperationen.

Der Führungsstil, der hier angewandt wurde, war also stark kooperativ, bezog sich aber nur auf einen Teil der Gruppe. hier lag Partizipation durch Repräsentation vor.

Die dritte Gruppe wurde wie die zweite Gruppe behandelt, man hat sie jedoch so klein gewählt, dass eine totale Partizipation aller Gruppenmitglieder am Entscheidungsprozeß möglich war, und sie wurde zudem noch in zwei Untergruppen gegliedert.

Für alle drei Gruppen wurde sodann die Entwicklung der Produktivität in den nächsten Wochen verfolgt und aufgezeichnet.

Nach einem Arbeitsabfall in den ersten Tagen bei allen drei Gruppen stieg die Produktivität der dritten Gruppe schnell an und lag über der der beiden anderen Gruppen, aber auch über der früheren Produktivität. Auch bei der zweiten Gruppe zeigte sich ein Produktivitätsanstieg, die langfristige Leistung pendelte sich aber in etwa auf dem alten Niveau ein. Die erste Gruppe mit autoritärer Führung erreichte dagegen nicht einmal ihr altes Produktivitätsniveau und lag damit weit unter dem Output der übrigen beiden besser motivierten Gruppen.

[...]

Final del extracto de 89 páginas

Detalles

Título
Gruppenarbeit in Industrie und Verwaltung: Vorteile - Nachteile
Universidad
University of Hagen  (Institut für Psychologie)
Autor
Año
1993
Páginas
89
No. de catálogo
V69110
ISBN (Ebook)
9783638612661
Tamaño de fichero
664 KB
Idioma
Alemán
Notas
von Studienbetreuer Dipl.-Psych. xxx vom 21.10.1993: "Eine wirklich tolle Arbeit, der eigentlich nichts hinzuzufügen ist" Die Arbeit enthält ein umfangreiches Literaturverzeichnis - Fussnoten im Text sind jedoch nicht enthalten (Anm. der Red.)
Palabras clave
Gruppenarbeit, Industrie, Verwaltung, Vorteile, Nachteile
Citar trabajo
Dipl.-Ing. Reinhard Bäckmann (Autor), 1993, Gruppenarbeit in Industrie und Verwaltung: Vorteile - Nachteile, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69110

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