Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Status des Naturgesetzes
2.1 Begriffsklärung
3 Locke und die Naturgesetze
3.1 Möglichkeit einer Naturwissenschaft
3.2 Parallelen zwischen Lockes Gedanken über die Moral und seiner Sicht der Naturgesetze
4 Beweisbarkeit von Moral und Naturphilosophie
4.1 Erkenntnis der Naturgesetze
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
In seinem anlässlich des Wolfenbütteler Locke-Symposiums im Jahre 1979 verfassten Essay "Locke, Law, and the Laws of Nature" thematisiert G. A. J. Rogers die menschliche Erkenntniskraft auf dem Gebiet von Moral und Naturphilosophie bei John Locke. Im Zentrum seiner Ausführungen steht der logische Status der Moral- und Naturgesetze: den Ausgangspunkt bildet die Frage, ob es sich hierbei um notwendige oder kontingente Wahrheiten handelt.
Von grundlegender Bedeutung für die Erörterung dieses Problems ist eine Beleuchtung der theologischen, epistemologischen und moralphilosophischen Aspekte von Lockes Werk.
2 Status des Naturgesetzes
2.1 Begriffsklärung
Die moralischen Sätze werden ebenso wie das natürliche Recht bei Locke überwiegend formal abgehandelt: er diskutiert nicht ihren Inhalt, sondern fragt nach den Arten moralischer Aussagen und dem Weg der Ideen bei ihrem Zustandekommen.
Die Moral, die, soweit sie auf göttlicher Setzung beruht, zugleich das Gesetz der Natur ist, bildet für Locke die Grundlage für ein friedliches Zusammenleben der Menschen sowie für Handel und Gewerbe, Wissenschaft und Kunst.
Die Sätze der Moral sind gemischte Modi, d.h. sie sind die Kombination einfacher Ideen aus verschiedenen Seinsbereichen. Dieser Status der moralischen Ideen als gemischte Modi hat den großen Vorteil, dass die mit ihnen gebildeten Aussagen unbezweifelbare Sicherheit zulassen, da sie ebenso wie die mathematischen Begriffe von uns geschaffene Urbilder bzw. Archetypen sind, mit denen Aussagesysteme nach mathematischem Vorbild erstellt werden können.
Locke vertritt somit die Ansicht, Moral sei beweisbar. Dies scheint zu implizieren, dass die Gewissheit und Wahrheit vieler moralischer Sätze unabhängig ist von der Existenz Gottes, was jedoch wiederum in Widerspruch zu Lockes Behauptung steht, ohne Gott gebe es keine Moral.
Die erste Behauptung Lockes lautet: "Moralische Gesetze sind ebenso fähig zur Gewissheit wie die Gesetze der Mathematik."
Er liefert dafür folgende Begründung:
'Gewissheit' ist für Locke die Wahrnehmung der Übereinstimmung oder Nicht-Übereinstimmung unserer Ideen. Bei der 'Demonstration' erkennt der Geist ebenfalls die Übereinstimmung und Nicht-Übereinstimmung unserer Ideen, aber nicht mehr unmittelbar, sondern durch vermittelnde Vorstellungen, die er miteinander vergleichen muss und somit erst auf diskursivem Wege Erkenntnis erlangt. Die vermittelnden Vorstellungen dienen hier als Beweise, daher die Bezeichnung 'Demonstration'.[1]
Da moralische Ideen ebenso wie mathematische archetypischen Charakter haben und deshalb adäquate Ideen sind, produziert ihre Übereinstimmung oder Nicht-Übereinstimmung sicheres Wissen. Analog zur Abstraktion mathematischer Abhandlungen von realen geometrischen Figuren abstrahieren die moralischen Begriffe vom praktischen Leben der Menschen.
Die Sätze der Moral sind für Locke demzufolge ebenso beweisbar wie mathematische Sätze.
Dieser These folgt nun jedoch seine zweite Behauptung, ohne Gott gebe es keine Moral. Rogers führt hierzu folgendes Beispiel an:
"Es ist die Pflicht der Eltern, ihre Kinder zu behüten."
Locke zufolge kann eine solche Pflicht nur durch ein Gesetz festgelegt werden, und ein Gesetz erfordert immer auch eine gesetzgebende sowie belohnende und bestrafende Instanz, nämlich Gott.
Wahre Moral kann man Lockes Ansicht nach nur erfassen, wenn man die von Gott aufgestellten Grundsätze einer deduktiven Ethik kennt.
[...]
[1] Vgl. Hirschberger, J. Geschichte der Philosophie, Bd. II, S. 210.