„Die V.N. reflektiert über Minnedichtung in Gestalt einer Minnedichtung.“
Die Werke, die sich mit Literatur auseinandersetzen, sind fast so zahlreich wie die Literatur selbst. Ihre Verfasser möchten mehr darüber erfahren, was Literatur ist und wie sie entsteht. Dichtung wird oft von Nachdenken über Literatur, große Dichter oder das Dichten an sich begleitet. Eine besondere Form dieser Auseinandersetzung stellt die Vita Nova dar. Als eine sich selbst prüfende Liebesdichtung ist sie "das erste Beispiel einer Selbstdarstellung des sprachlichen Kunstwerks in den volkssprachlichen Literaturen.“
Die Vita nova wurde aus vielen, sehr unterschiedlichen Blickwinkeln interpretiert. Die vorliegende Arbeit behandelt dieses Werk als einen metapoetischen Text, als eine Dichtung über die Dichtung. Um die Vita Nova nach metapoetischen Gesichtspunkten behandeln zu können, bedarf es zuerst einer Definition von Metapoetik, die den Gegenstand der Arbeit festlegt. Anschließend werden der formelle Aufbau und die Erzählsituation der Vita Nova behandelt und die verschiedenen Stationen der Dichtung vorgestellt, die das Ich des Werkes in seiner dichterischen Entwicklung durchlebt. Dabei wird näher auf die damals fortschrittlichste Form der Liebesdichtung, den Dolce stil novo, eingegangen, an den sich die Vita Nova anlehnt. Dies alles bildet die Grundlage der Metapoetik und ist für die richtige Bewertung des Werkes unter metapoetischen Aspekten äußerst wichtig. Der Hauptteil der Arbeit beschäftigt sich mit den metapoetischen Aussagen in der Vita nova und versucht, sie zu interpretieren und miteinander in Verbindung zu bringen. Indem nicht nur einzelne Textstellen präsentiert werden, bleibt die Geschichte als solches erhalten. Ziel der Arbeit ist es, die metapoetischen Aussagen unabhängig von ihrer Ausprägung in einem Gesamtzusammenhang zu sehen und so herauszustellen, was die Vita Nova in Bezug auf die Dichtkunst zu vermitteln beabsichtigte.
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung: dichtung über dichtung
2. grundlagen der metapoetik in der VIta nova
2.1. Definition der Metapoetik
2.2. Struktureller Aufbau
2.3. Bewusstwerdensprozess der Dichtung
3. Stationen der Dichtung
3.1.1. Dichten im Dolce stil novo
3.1.2. Dichten im Stile della loda
3.1.3. Elegisches Dichten
4. FAzit: Dantes Vision einer neuen dichtungsform
5. LITERATURVERZEICHNIS
1. Einleitung: dichtung über dichtung
„Die V.N. reflektiert über Minnedichtung in Gestalt einer Minnedichtung.“[1]
Die Werke, die sich mit Literatur auseinandersetzen, sind fast so zahlreich wie die Literatur selbst. Ihre Verfasser möchten mehr darüber erfahren, was Literatur ist und wie sie entsteht. Dichtung wird oft von Nachdenken über Literatur, große Dichter oder das Dichten an sich begleitet. Eine besondere Form dieser Auseinandersetzung stellt die Vita Nova dar. Als eine sich selbst prüfende Liebesdichtung ist sie "das erste Beispiel einer Selbstdarstellung des sprachlichen Kunstwerks in den volkssprachlichen Literaturen.“[2]
Die Vita nova wurde aus vielen, sehr unterschiedlichen Blickwinkeln interpretiert. Die vorliegende Arbeit behandelt dieses Werk als einen metapoetischen Text, als eine Dichtung über die Dichtung. Um die Vita Nova nach metapoetischen Gesichtspunkten behandeln zu können, bedarf es zuerst einer Definition von Metapoetik, die den Gegenstand der Arbeit festlegt. Anschließend werden der formelle Aufbau und die Erzählsituation der Vita Nova behandelt und die verschiedenen Stationen der Dichtung vorgestellt, die das Ich des Werkes in seiner dichterischen Entwicklung durchlebt. Dabei wird näher auf die damals fortschrittlichste Form der Liebesdichtung, den Dolce stil novo, eingegangen, an den sich die Vita Nova anlehnt. Dies alles bildet die Grundlage der Metapoetik und ist für die richtige Bewertung des Werkes unter metapoetischen Aspekten äußerst wichtig. Der Hauptteil der Arbeit beschäftigt sich mit den metapoetischen Aussagen in der Vita nova und versucht, sie zu interpretieren und miteinander in Verbindung zu bringen. Indem nicht nur einzelne Textstellen präsentiert werden, bleibt die Geschichte als solches erhalten. Ziel der Arbeit ist es, die metapoetischen Aussagen unabhängig von ihrer Ausprägung in einem Gesamtzusammenhang zu sehen und so herauszustellen, was die Vita Nova in Bezug auf die Dichtkunst zu vermitteln beabsichtigte.
2. grundlagen der metapoetik in der VIta nova
2.1. Definition der Metapoetik
Ein Text ist dann metapoetisch zu interpretieren, wenn darin Beispiele zu finden sind, die sich auf die Dichtung, auf die Kunst des Dichtens oder auf bestimmte poetische Stile beziehen. Die Dichtung selbst ist also Gegenstand der Dichtung, wie in der Vita Nova. Dabei muß man zwischen den explizit metapoetischen Aussagen und denjenigen unterscheiden, die nur unter einer allegorischen Betrachtung metapoetisch zu verstehen sind. In der Vita Nova fällt Metapoetik oft mit Autoreflexivität zusammen. Es handelt sich um jene Sequenzen, in denen das Ich sein eigenes dichterisches Schaffen zum Gegenstand seiner Dichtung macht. Diese Textstellen müssen wir von jenen, ausschließlich autoreflexiven Stellen abgrenzen, die sich auf den eigenen Text beziehen und diesen kommentieren. Poetizität oder auch Autoreferenzialität nennt man diese Eigenschaft des Textes, die auf sich selbst d.h. auf seinen sprachlichen Aufbau verweist.[3]
2.2. Struktureller Aufbau
„Die spätere Prosa vermag [...] die frühere Poesie [...] neu anzusprechen.“[4]
In ihrer Struktur ist die Vita Nova nicht metapoetisch. Der strukturelle Aufbau dient hier jedoch als Ausgangspunkt der Metapoetik: Er zieht eine komplexe Erzählsituation nach sich und ermöglicht metapoetische Aussagen in der Prosa.
Die Vita Nova ist ein Prosimetrum[5], eine Mischform aus Prosa und Vers. Die Gedichte sind von erzählender und erklärender Prosa umgeben. Das Erzählen betrifft die Geschehnisse, das Erklären richtet sich jedoch an die Gedichte und ist etwas Formales.[6] Die meisten Gedichte der Vita Nova sind schon früher entstanden.[7] Der Prosarahmen wurde nachträglich hinzugefügt. Gleich am Anfang[8] der Vita Nova wird im Text auf dieses Entstehen hingewiesen, nämlich das es sich hierbei um ein rückblickend schreibendes Ich der Prosa handelt. Dieses rückblickende Ich kann auf diesem Wege seine Lyrik neu aufschließen. Es erzählt die Vor- und Entstehungsgeschichte der Lieder, erklärt den historischen Hintergrund und kommentiert seine Gedichte, indem es Aufschluss über Kontext und Inhalt gibt. Die Gedichte werden außerdem formal unterteilt: Dabei wird der gedankliche Aufbau analysiert, in mehrere Teile gegliedert; diese Teile werden sogar durch ihre Versanfänge markiert. Die Prosa erlaubt dem Ich aber auch, seine Tätigkeit des Dichtens anzusprechen und sich ausführlich über die Dichtkunst zu äußern.
2.3. Bewusstwerdensprozess der Dichtung
„Die Aufdeckung eines höheren Begriffs von Liebe vollzieht sich zugleich als Aufdeckung eines entsprechend höheren Begriffs von Dichtung.“[9]
Die Vita Nova behandelt eine Liebesgeschichte und gleichzeitig die Geschichte einer Liebesdichtung.[10] Beide Geschehen hängen eng miteinander zusammen.
Die Tatsache, dass der Liebende sich als Dichter präsentiert und über sein Dichten spricht, bildet die Grundlage der Metapoetik in der Vita Nova. Liebe setzt eine Dichtung voraus und die Änderungen in der Liebeseinstellung führen zu einer neuen Dichtung. In der Vita Nova ist Lieben als ein Prozess von Verstehen dargestellt, und so haben wir es hier mit zwei Bewusstwerdensprozessen zu tun: dem der Liebe und dem der Liebesdichtung. Das stufenweise Abrücken des Liebenden von seiner ursprünglichen Liebeseinstellung bedeutet gleichzeitig auch das Einschlagen eines neuen Weges in der Dichtung.
Die poetische Konzeption der Vita Nova im Dolce stil novo lehnt sich an die Reihe ihrer Vorläufer an. Sie bezeichnet eine Gruppenlyrik, die Lyrik eines elitären Dichterkreises, dem fedeli d’Amore. Die Tradition der Stilnovisten stand dafür, dass Dichtung nicht als einsame Leistung eines Einzelnen verstanden wurde. Es ging vielmehr um die Beherrschung und Erfüllung des gültigen Standards und um das Aufgreifen einer anderen Dichtung bzw. das Überbieten ihrer Vorgänger. Dichtung verstand sich demnach als eine intertextuelle Kollektivität. So finden wir auch in der Vita Nova mehrere Anspielungen auf andere Dichter ihrer Zeit. Bei den Stilnovisten wird Liebe als ein göttliches Wesen dargestellt. Grundlage dieser Liebesdichtung ist eine gemeinsame, auf einer vereinbarten Terminologie beruhende Sprache. Die Einstellungen des Liebenden gegenüber seiner Dame (und umgekehrt) gehörten einem festen Repertoire an. Amor dient dabei als Synthese aller großen Bewusstseinsinhalte, als ‘Läuterung’ und als poetischer Ratgeber.[11] Das Frauenlob ist durch das Motiv der Unsagbarkeit bestimmt, d.h. durch das Unvermögen des Dichters, die Wirkung der Dame in Worte zu fassen. Im Mittelpunkt steht die unvergleichliche Superiorität der Dame, nichts kann ihr entsprechen.
[...]
[1] Wehle, Winfried, Dichtung über Dichtung. Dantes Vita Nuova: die Aufhebung des Minnesangs im Epos, 1986 München, S. 127
[2] Wehle, S. 11
[3] Diese Bezeichnung geht zurück auf Roman Jakobsons Bestimmung der ‘poetischen Funktion’ des Sprachzeichens als die „Einstellung der sprachlichen Botschaft auf sich selbst.“ Jakobson, Roman, Closing Statement: Linguistics and Poetics, In: E. Holenstein und T. Schelbert (Hrsg) Ausgewählte Aufsätze 1921+1971, 1979 Frankfurt am Main, S. 83-121
[4] Wehle, S. 24
[5] Für das Prosimetrum fanden sich Vorbilder: u.a. Trostbuch des Boethius De consolatione philosophiae oder Augustinus’ Confessiones. Doch bei den Vorgängern waren die unterschiedlichen Texteile immer gleichzeitig entstanden und ganz anders aufeinander bezogen (vgl. Kunke, Ulrike, Nachwort zu Coseriu, Anna und Kunkel, Ulrike, Dante Aligheri. Vita Nova - Das Neue Leben, 1988 München, S. 129; Wehle, S. 21)
[6] Hugo Friedrich bezeichnet diese Form als „teilkommentiertes Prosimetrum.“ Friedrich, Hugo, Epochen der italienischen Lyrik, 1964 Frankfurt am Main
[7] Wehle nennt es Minne-Autobiographie. (Wehle, S. 127)
[8] Alighieri, Dante, La vita nuova, a cura di Michele Barbi, 1932 Florenz, Kapitel I. Alle Zitate beziehen sich auf diese Ausgabe der Vita Nova.
[9] Wehle, S. 57
[10] Hier gehen die Meinungen auseinander. D. de Robertis versteht beispielsweise die Vita Nova ausschließlich als Geschichte der Poesie. De Robertis, Domenico, Il libro della „Vita Nuova“, 1970 Firenze
[11] Der Topos, das die Dichtung eine Eingebung Amors ist, stammt aus der Antike. Diese Theorie wurde jedoch von den Stilnovisten neu aufgegriffen und zum poetischen Ideal erhoben.
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