Selektives Medienverhalten oder was der Zuschauer mit dem Medium Fernseher macht


Seminar Paper, 1998

48 Pages, Grade: 2.0


Excerpt


INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG
FERNSEHEN ALS SYMPTOM GESELLSCHAFTLICHER ZEITNOT

2. THEORETISCHER TEIL
2.1. MEDIENVERHALTEN
2.1.1. Verschiedene Medientypen
2.1.2. Fernseh- und Programmnutzung
2.1.3. Kabelfernsehen
2.1.4. Das Fernsehprogrammangebot
2.1.5. Qualitative Aspekte der Mediennutzung
2.2. PROGRAMM-SELEKTIONSVORGÄNGE
2.2.1. Programm-im-Programm-Selektion
2.2.1.1. Hopping
2.2.1.2. Flipping
2.2.1.3. Switching
2.2.1.4. Grazing
2.2.1.5. Psychische Abwesenheit
2.2.2. Selektive Werbevermeidung
2.2.2.1. Zapping
2.2.2.2. Sticker
2.2.2.3. Physisches Zapping
2.2.2.4. Zipping
2.2.2.5. Zipping mit VPS (Video-Programming-System)
2.3. PROGRAMMAUSWAHL UND -ABWAHL
2.3.1. Fehlende Planungsphase, starke Orientierungsphase: Flipping
2.3.2. Starke Reevaluationsphase: Switching
2.4. TV-PHASEN
2.4.1. Präwerbephase
2.4.2. Werbephase
2.4.3. Postwerbephase
2.5. PSYCHOLOGISCHE HINTERGRÜNDE SELEKTIVEN MEDIENVERHALTENS
2.5.1. Technisierung des Lebensraumes
2.5.2. Eskapismus
2.5.3. Zeitökonomie
2.5.4. Prestige
2.5.5. Sozialer Informationsstress
2.5.6. Soziale Hilflosigkeit
2.5.7. Vererbungseffekt
2.5.8. Soziale Medienverpflichtung
2.6. URSACHENZUSCHREIBUNGEN AUS DER SICHT DER FERNSEHZUSCHAUER
2.6.1. Lokation: Internalität und Externalität
2.6.2. Stabilität
2.6.3. Kontrollierbarkeit

3. EMPIRISCHER TEIL
3.1. UNTERSUCHUNGSDESIGN, ERHEBUNG
3.2 TICHPROBENCHARAKTERISTIK
3.3. UMSCHALTQUOTE
3.4. SENDERENTSCHEIDUNG
3.5. PROGRAMMRUBRIKEN UND ZAPPING
3.6. ZAPPER UND STICKER: TRENDS
3.6.1. Geschlecht und Alter
3.6.2. Ausbildung, Beruf und Einkommen
3.6.3. Familie und soziales Umfeld
3.6.4. Sehzeitensegmente
3.6.5. Einstellung zur Werbung und weitere Variablen
3.6.6. TV-Phasen und Zapping
3.7. ZAPPER- UND STICKER-TYPOLOGIEN I: FAKTORENÜBERSICHT
3.7.1. Werbekritikfaktor
3.7.2. Faktor der medienkritischen Senderenttäuschung
3.7.3. Anklagefaktor
3.7.4. Selbsteinschätzungsfaktor
3.7.5. Dritte-Personen-Faktor
3.8. ZAPPER UND STICKER-TYPOLOGIEN II
3.8.1. Segmentierung der Begründungsmuster
3.8.2. Trügerische Mehrheitsvermutung
3.8.3. Emotionale Konsequenzen
3.8.4. Attributionsbezogene Imageanalyse der Fernsehsender
3.9. ERGEBNISSE ZU ANDEREN FORMEN SELEKTIVEN MEDIENVERHALTENS
3.9.1. Zipping
3.9.2. Physisches Zapping
3.9.3.Psychische Abwesenheit
3.9.4. Der Flipper
3.9.5. Der Hopper
3.10. EINFLUß DER PROGRAMMZEITSCHRIFTEN

4. ZUSAMMENFASSUNG

LITERATUR:

1. EINLEITUNG

FERNSEHEN ALS SYMPTOM GESELLSCHAFTLICHER ZEITNOT

Fernsehen unterliegt den Paradoxen unserer Zeit.

Es ist Stütze, aber auch Bedrohung der individuellen Eigenzeit. Sein Programm stützt das Korsett des Tages- und Wochenverlaufs, das sich die Menschen zurechtlegen bzw. mit dem sie zurechtkommen müssen. Sein Programm kann den geplanten Tages- und Wochenverlauf aber auch ernsthaft und immer wieder unterminieren.

Fernsehen eröffnet die Chance eines eigenbestimmten Umgangs mit der Zeit, da es im Kontext der Privatsphäre und relativ ungebundener Freizeit verankert ist. Fernsehnutzung ist ein Fluchtweg aus dem Organisationsdruck des Alltags und gleichzeitig ein Hebel zur individuellen Bewältigung der Zeitprobleme unserer Gesellschaft.

Fernsehnutzung ist selbst Symptom der gesellschaftlichen Zeitnot.

„Eine ungeheure Gleichzeitigkeit spannt sich in unserem informierten Bewußtsein aus: Hier wird gegessen, dort wird gestorben. Hier wird gefoltert; dort trennen sich prominente Liebende. Hier geht es um den Zweitwagen, dort um eine landesweite Dürrekatastrophe Such is life. Als Nachricht ist alles verfügbar. Was Vordergrund ist, was Hintergrund; was wichtig, was unwichtig; was trennt, was Episode: Alles reiht sich in eine gleichförmige Linie, worin Gleichförmigkeit auch Gleichwertigkeit und Gleichgültigkeit erzeugt. „[1]

Ständiger Szenenwechsel, sich dauernd verändernde Bezugsebenen und eine Vielfalt von unzusammenhängenden Ereignissen.

Aber wie überträgt sich diese Unruhe auf den Zuschauer?

2. THEORETISCHER TEIL

2.1. MEDIENVERHALTEN

Das Konzept des dualen Fernsehens hat in der Bundesrepublik ab 1984 zu einer schlagartigen Zunahme neuer Fernsehprogramme geführt, die noch längst nicht ihren Expansionshöhepunkt erreicht hat. Seitdem hat auch ein Verhalten eingesetzt: das selektive Medienverhalten im laufenden Programm.

Die Ausdifferenzierung von Mediennutzungsmustern als Ausdruck sich spezialisierender Informations- und Unterhaltungsbedürfnisse wurde schon seit längerem im Umgang mit den elektronischen Medien diagnostiziert. Finden sich auf der Angebotsseite immer mehr Kanäle, neue Programme und Formate, so sinkt auf der Nachfrageseite das jeweils erreichte Publikum bzw. steigt bei einer insgesamt gleich bleibenden Sehdauer die Zahl der genutzten Angebote. Zudem scheinen sich die Unterschiede zwischen den verschiedenen Zuschauergruppen zu vergrößern. Dieses etwa in Hinblick auf die Sehdauer, die Zuwendungsintensität, die Vorlieben für Themen und Sparten, das individuelle Kanalrepertoire, das Umschaltverhalten etc.

Selektives Medienverhalten wird immer bedeutsamer im Verhaltenspotential der Fernsehzuschauer: Die quantitative Zunahme substitutiver Programmangebote und eine sehr beschränkte Zeit zum Fernsehkonsum zwingen den Fernsehzuschauer, seine Programmpräferenzen genau zu bestimmen, um in der Vielfalt des Angebotes punktuell eine bedürfnisgerechte Auswahl treffen zu können.

2.1.1. Verschiedene Medientypen

Aus Amerika gelangten 1984 zum ersten Mal Untersuchungen nach Deutschland, in denen von einem neuen Fernsehverhalten berichtet wird - dem sog. Zapping. Es handelt sich hierbei um das bewußte Hin- und Herschalten -mit Hilfe der Fernbedienung- zwischen verschiedenen Fernsehkanälen mit dem Ziel, den Werbeeinblendungen auszuweichen. Inzwischen wurde die Vielzahl der beobachteten Fernseh-Verhaltensmuster durch diverse Studien zu differenzieren versucht. Die Ergebnisse führten zu einer Flut von Beschreibungen der Zapper und des Zappings.

Für häufiges, permanentes Umschalten wird auch der Begriff Switching gebraucht. Zapping wird dagegen als „Protest-Umschalten“ eingestuft. Der Gegentypus von Zappern, der konstant am TV „klebt“, wird in der methodischen Auseinandersetzung und Untersuchungsplanung als Sticker eingeführt.

Die Tendenz, Zapping als ein verbreitetes Verhaltensmuster des Zuschauers zu betrachten, hat merklich zugenommen.

Auf der Grundlage einer Studie zum Profil des Zappers von Heeter und Greenberg (1988) wurde erkennbar, dass sich das häufige Um- oder Wegschalten nicht nur dann einstellt, wenn Werbesendungen ausgestrahlt werden. Charakteristisch für den Zapper war im Gegenteil: ein generell häufiges Umschalten, ein weitgehender Verzicht auf eine vorherige Planung mit Hilfe der Programmzeitschrift, statt dessen Programmauswahl nach dem Zufallsprinzip und die Nutzung des Fernsehens als Sekundärmedium bzw. als Begleitmedium. Aus alledem folgt die nur selten vorzufindende Neigung, einem Programm von Anfang bis zum Ende zu folgen. Die Ergebnisse dieser Studie haben auch ergeben, dass Zapper eher jünger seien, sie würden aber hinsichtlich ihres Bildungsniveaus keine besonderen Charakteristika gegenüber der übrigen Zuschauerschaft aufweisen.[2]

In Anlehnung an die Resultate von Heeter/Greenberg konstruierten Landwehrmann und Jäckel eine Typologie des Zappers, die den Umgang mit Werbung und den übrigen Programmangeboten kombinierte. Daraus resultierte folgendes Ergebnis: 46% schalten selten oder nie bei Werbung um und wechseln auch selten das Fernsehprogramm. 10% schalten häufiger zwischen verschiedenen Programmen hin und her, stören sich aber nicht weiter an Werbeeinblendungen. Sie sind für diese Gruppe selten Anlass, umzuschalten. 33% meiden die Werbung durch Umschalten und repräsentieren damit die Gruppe der Zapper im ursprünglich gemeinten Wortsinn und 11% schalten generell häufig um.[3]

Inzwischen ist Zapping aus Sicht der Werbetreibenden und des Senders nicht mehr nur ein Problem der geringeren Ratings der jeweiligen Sender, sondern hat sich zu einer allgemein zu beobachtenden Verhaltensweise vor den heimischen Bildschirmen entwickelt. Neben den Werbeeinblendungen unterliegen mittlerweile auch ganze Programmteile der Selektion durch psychische und physische Abwesenheit und aktive Programmumwahlen.

Doch nicht alle Fernsehzuschauer sind Zapper. Was unterscheidet die Zapper von Personen, die nicht im Programm oder bei Werbung umschalten? Um dies verstehen zu können, muss man zuerst einige allgemeine Untersuchungsergebnisse zum Thema Fernsehnutzung und Programmangebot berücksichtigen.

2.1.2. Fernseh- und Programmnutzung

Es gibt deutliche Differenzen zwischen der Anschaltzeit des TV-Gerätes und der gesamten Sehdauer (1992)[4], die umso größer werden, je mehr Kanäle empfangen werden können und je mehr ferngesehen wird. Neben der einfachen Aggregation der Gesamt-Sehminuten werden nach Sehzeitensegmenten spezielle Nutzertypen unterschieden. Mit dem Ziel einer eindeutigen Definition von Vielsehern unterscheidet Buß[5] folgende drei Sehertypen:

Wenigseher sind Personen, die im Mittel weniger als 1 Stunde pro Tag fernsehen. Durchschnittsseher werden am Gesamt-Durchschnittswert des Fernsehkonsums gemessen. Er lag zum damaligen Zeitpunkt (1985) bei 2 Stunden. Durchschnittseher sind nach dieser Klassifikation Personen, die zwischen einer und drei Stunden fernsehen. Sie machen fast die Hälfte der TV-Konsumenten aus. Vielseher sehen überdurchschnittlich viel fern: Die Grenze wird auf mindestens drei Stunden festgelegt. (Die hier angegebenen Gruppengrenzen sind auf erwachsene Einzelpersonen bezogen. Bei Kindern oder pro Haushalt sind andere Grenzen zu setzen.)

Ältere Menschen über 50 sehen am längsten fern. Niedrige soziale Schicht und Bildung sind zwei Variablen, die den TV-Konsum außerordentlich fördern. An zweiter Stelle stehen deshalb Personen mit niedriger Bildung. Dieser Personenkreis ist zudem eher verkabelt und präferiert vornehmlich Unterhaltungssendungen bzw. Sendungen mit eskapistischem Charakter.

Ungünstige Lebensumstände beispielsweise durch Arbeitslosigkeit, knappes Haushaltsbudget und mangelnde Sozialkontakte fördern folgerichtig den Fernsehkonsum. Fernsehen wird hier als „Notlösung“ interpretiert.

Innerhalb der Familie stellt die Beschäftigung mit den audio-visuellen Medien (Fernsehen, Video) für den Mann die bevorzugte Alternative zu anderen Freizeit- und/oder Entspannungsangeboten dar. Väter sehen mehr fern als Mütter. Auch die Familienstruktur hat Einfluss auf die Nutzungshäufigkeit: „In Familien mit einem niedrigeren Niveau an familiärer Anpassungsfähigkeit, in denen weniger flexible Interaktions- und Rollenstrukturen bestehen, wird mehr ferngesehen.“[6]

Betrachtet man die Verbreitung von Fernsehen bei Jugendlichen, kann konstatiert werden, dass Gymnasiasten durchweg weniger Medien besitzen, als Haupt- oder Berufsschüler. Innerhalb einer geschlechtsspezifischen Betrachtung besitzen wesentlich mehr Jungen als Mädchen einen eigenen Fernseher, der von den Jugendlichen auch als wichtigstes Medium angesehen wird.

Das Nutzungsverhalten der jüngeren Kohorten ist durch ein höheres Maß an „gelernter Selektivität“ gekennzeichnet[7]: Diese Kohorten sind in einer Zeit mit einem umfangreichen und schnell wachsenden Medienangebot groß geworden. Sie haben gelernt, immer aus vielen Möglichkeiten auswählen zu können (bzw. zu müssen). Weiterhin sind sie auch in einer differenzierten (und immer differenzierter werdenden) Medienlandschaft aufgewachsen, in der ihnen zielgruppengerechte Angebote zur Verfügung standen. Das Aufkommen zielgruppenspezifischer Medienangebote könnte nun die Entwicklung generell selektiver Nutzungsweisen begünstigt haben. So haben heutige Jugendliche möglicherweise verinnerlicht, dass es bestimmte Medienangebote speziell für sie gibt, dass also offenbar grundsätzlich (wenn auch nicht in allen Bereichen) zielgruppenspezifische Medien angeboten werden.

2.1.3. Kabelfernsehen

Innerhalb des Segments der Kabelteilnehmer ist das TV-Gerät durchschnittlich 57 Minuten länger (1992) eingeschaltet als in Haushalten ohne Empfangsmöglichkeiten für privates Fernsehen.[8]

Eine Studie aus dem Kabelpilotprojekt Ludwigshafen/Vorderpfalz über den Zusammenhang von Kabelfernsehen und Freizeitverhalten kommt zu dem Ergebnis, dass Kabelteilnehmer ihre Freizeit nach dem Fernsehprogramm ausrichten. Kabelinteressierte sind grundsätzlich häufiger bereit, vor allem kulturelle und soziale Outdoor-Aktivitäten (Ausgehen, Kino oder Theater, Spazierengehen, Vereine und Stammtisch) in den Hintergrund zu stellen, wenn eine sie besonders interessierende Sendung im Fernsehen gezeigt wird.[9] Auch noch zu erledigende Hausarbeiten werden wegen einer Fernsehsendung gerne unterbrochen.

2.1.4. Das Fernsehprogrammangebot

Die Konvergenzthese, in der zweiten Hälfte der 80er Jahre formuliert, behauptet eine allmähliche Angleichung des Programmangebots öffentlich-rechtlicher und privater Programmanbieter beobachten zu können. Umfangreiche Analysen zeigen aber, dass man eher von einer Funktionsdifferenzierung ausgehen kann. „Die öffentlich-rechtlichen Programme repräsentieren zunehmend die Informations- und Bildungsfunktion des Mediums Fernsehen, die privaten Programme zunehmend seine Unterhaltungs- und Werbefunktion“.[10] Häufigeres Wegschalten von öffentlich-rechtlichen Programmen könnte also gerade auch ein Indikator für die Flucht des Zuschauers vor „unterhaltungsarmen“ Sendeformen sein.

Die abrupte Vergrößerung der empfangbaren Programmvielfalt - durch die sich die Bandbreite der Wahlmöglichkeiten so vervielfältigt hat , dass nahezu zu jeder Tageszeit in einem Kabel oder Satellitenhaushalt Spielfilme, Serien, Shows, etc. gesehen werden können - wird als gewichtiger Punkt in der Diskussion um das Entstehen selektiver Programm- bzw. Werbevermeidung genannt.[11] Offensichtlich scheinen Spartensender der Gefahr des Zapping stärker ausgesetzt zu sein als Sender, die Vollprogramme anbieten.

Qualitativ lassen sich die Sendungstypen wie andere Konsumgüter auch in High-Involvement- und Low-Involvement-Sendungen unterteilen. Nachrichtensendungen fordern die ganze Aufmerksamkeit des Zuschauers und stellen sicherlich uneingeschränkt ein High-Involvement-Produkt dar. Bei Shows hingegen steht beispielsweise der Unterhaltungs- und Entspannungswert an erster Stelle: Low-Involvement ist lediglich vom Zuschauer erforderlich. Dennoch ist die hier gewählte Unterteilung nicht unproblematisch. Zumindest situativ hohes Involvement ist z.B. auch bei Spielshows vorhanden, wenn etwa Gewinnerlisten vorgelesen werden.

Die unterhaltenden Programmsparten werden von allen Bildungsgruppen mit dem Bedürfnis nach Unterhaltung und Entspannung genutzt. Eine deutliche Trennung zeigt sich hingegen bei Fokussierung auf die Programmsparten Serie, Show und Quiz die mehr von Personen unterer Bildungsschichten bevorzugt werden, während bei politischen Reportagen etc. eher Gruppen mit höherer Bildung zu finden sind.

2.1.5. Qualitative Aspekte der Mediennutzung

Das „Allround-Medium“ Fernsehen ist ausgesprochen multifunktional. Weit an der Spitze steht hier die Nutzung des aktuellen Informationsangebotes mit 76,4%. Mit Abstand folgen die Suche nach Gesprächsstoff (44%), die Gewohnheit und das Interesse an gründlicher Information als Gründe für die Nutzung dieses Mediums. Auch bei Langweile und der Suche nach Entspannung steht Fernsehen an der Spitze.[12]

Beim Fernsehen wird die Ortsgebundenheit deutlich, da es am häufigsten zu Hause oder bei Freunden genutzt wird. Dass hier kein ungewöhnlich hoher Wert zustande kommt, hängt mit dem Zusatz „an einem ungestörten Ort“ zusammen.

Das Fernsehen wird von 70 bis 80% der Befragten hauptsächlich als unterhaltend, informativ, vielseitig und ratgebend erlebt und wird auch als sehr sympathisch, glaubwürdig, interessant, anregend und ratgebend beurteilt.

Fernsehen ist ein Familienmedium, das ständig Neues und Interessantes bringt, somit zu Gesprächen anregt und als unterhaltend empfunden wird, also ein gutes Mittel zur Freizeitgestaltung. Dennoch meint jeder dritte, es führe zur Vereinsamung der Menschen, und jeder vierte, es nehme zuviel Zeit in Anspruch.

2.2. PROGRAMM-SELEKTIONSVORGÄNGE

Als Terminus generale wurde der Begriff Zapping zunächst für nahezu alle bekannten Ausprägungen des Programmwechsels gebraucht. Doch schon bald fand man heraus, dass es unterschiedliche Typen von Zappern gab, denen die Oberflächlichkeit der Verhaltenscharakterisierung keineswegs gerecht werden konnte. Erst im Laufe der letzten zehn Jahre kristallisierten sich eigenständige Umschreibungen spezifischer Programm-Selektionsvorgänge heraus. Hierbei können zwei verschiedene Formen unterschieden werden: Programmselektion und Werbevermeidung.

Doch noch immer verlaufen die Trennlinien zwischen den einzelnen Umschreibungen zum Teil fließend. Man unterscheidet in der Literatur im wesentlichen die Verhaltensweisen Hopping, Switching, Grazing, Zapping, Zipping, physische und psychische Abwesenheit. Weitere Namensvarianten sind bekannt (z.B. Flicking), jedoch weniger geläufig.

2.2.1. Programm-im-Programm-Selektion

Betrachtet man die Relation zwischen Werbe- und Programmvermeidern ist augenscheinlich das Segment der Programmvermeider stärker vertreten, als das der Werbevermeider. Dem Verhalten der Programmvermeider liegt in der Regel nicht eine „Vermeidungsabsicht“ zugrunde. Zutreffender ist vielmehr die Absicht, aus alternativen Programmen durch Umschalten auszuwählen, sich also alternativen Programmen anzunähern. Deshalb werden die Bezeichnungen Hopping, Flipping, Switching (Grazing) sowie das Problem psychischer Abwesenheit unter dem Oberbegriff Programm-in-Programm-Selektion gestellt, da es sich hier um Selektionsvorgänge im laufenden Programm handelt.

2.2.1.1. Hopping

Das Hopping umfasst alle gezielt vollgezogenen Umschaltvorgänge im laufenden Programm, die dem Zweck dienen, aus der Multioption des Programmangebotes mehr als ein Programm gleichzeitig zu verfolgen. Dabei ist die Selektion meist unabhängig von Programmsparten. Bezeichnend für den Hopper ist, dass er dabei immer systematisch vorgeht und versucht dabei inhaltliche Zusammenhänge der verschiedenen Programme zu begreifen.

2.2.1.2. Flipping

Mit dem Begriff Flipping wird eine Programmselektion beschrieben, die zu Beginn des Fernsehkonsums einen Überblick bzw. eine Orientierung über das gesamte interessierende Programm geben soll, aus der dann ein Programm ausgewählt und gesehen wird. Flipping substituiert den Gebrauch einer Programmzeitschrift.

Nach ein Studie von Yorke & Kitchen (1985), die auch das Einstiegsverhalten in das Fernsehen erfragte[13], steigen im Durchschnitt 32% der Zuschauer über das Flipping in das Fernsehen ein. Demgegenüber stehen 49%, die ihren TV-Konsum planen. Bemerkenswert erscheint hier, dass das werblich interessanteste Segment, das die modernen Hausgemeinschaften mit hohem Einkommen repräsentiert, den höchsten Anteil an Flippern beherbergt.

Auch bei Heeter & Greenberg (1985) finden sich zahlreiche Hinweise auf das Flipping. Sie weisen darauf hin, dass insbesondere potentielle Zapper, z.B. beim Auswahlvorgang systematisch vorgehen, indem sie in numerischer Reihenfolge (1, 2, 3, ...) ihren Programmcheck durchführen.[14]

2.2.1.3. Switching

Mit Switching werden alle (Informations-) Selektionsvorgänge bezeichnet, in dem laufenden Programmangebot nach weiteren Angeboten zu suchen. Das Ziel ist, ein besseres Programm als das gerade eingeschaltete zu finden. Diese Ausprägung der Selektion kann auch als eine ungelenkte Suche nach Informationsbruchstücken innerhalb der Definition bezeichnet werden. Die Multioption des Programmangebotes erhöht die relative Wahrscheinlichkeit, zu einer bestimmten Einschaltzeit durch den Umschaltvorgang schnell und erfolgreich eine Sendung aufzufinden, die der Erwartung des Zuschauers mehr entspricht.

2.2.1.4. Grazing

Als relative Neuentdeckung in seinem Verhalten gilt der Grazer, obwohl Grazing und Switching vielmehr als Synonym zu betrachten sind. Der Grazer "grast" eine Vielzahl von TV-Kanälen auf der Suche nach Interessantem ab, verweilt vielleicht für eine gewisse Zeit bei einer Sendung und schaltet dann wieder um.

2.2.1.5. Psychische Abwesenheit

Die psychische Abwesenheit ist dem Verhalten im laufenden Programm zugeordnet. Hierunter ist das Verhalten von Zuschauern zu verstehen, die das Fernsehen als Begleitmedium für andere Tätigkeiten nutzen (z.B. schlafen, kochen, bügeln, lesen, etc.) Hierunter zählt man auch verstärkte Ausprägungen dieser Verhaltensweisen bei Werbeunterbrechungen.

Eine Anzahl wissenschaftlicher Untersuchungen[15] melden nicht unerhebliche Reichweitenverluste durch „inneres Abschalten“ und geteilte Aufmerksamkeit vor dem laufenden TV-Programm. Es konnte aber auch festgestellt werden, dass das psychische Abschalten vom Programm an spezielle Sendungstypen gebunden sein kann: Nachrichten und Dokumentationen unterliegen einem geringeren Reichweitenverlust als beispielsweise Spiel-Shows oder Quiz-Sendungen.

[...]


[1] Sloterdjik 1983, 563 f.; zit. nach. Maletzke 1988, S. 43-44

[2] vgl. Heeter/Greenberg, 1988, S. 69ff

[3] vgl. Landwehrmann/Jäckel 1991, 127 ff

[4] vgl. Hans-Georg Niemeyer und Jörg Michael Czycholl, Zapper, Sticker und andere Medientypen Stuttgart 1994, Tabelle 2.4, S. 13; Tabelle 2.5, S. 14

[5] Buß 1985

[6] Hasebrink 1989, S. 519

[7] vgl. Bonfadelli 1986, Luger 1985

[8] vgl. Hans-Georg Niemeyer und Jörg Michael Czycholl, Zapper, Sticker und andere Medientypen Stuttgart 1994, Tabelle 2.4, S. 13

[9] Pfetsch 1989, S. 101

[10] Krüger, 1992a, S. 512

[11] vgl. Brepohl 1991, S. 4; Pankraz 1991, S. 23

[12] Bezugsquelle: Kommunikationsverhalten und Medien 1989, Untersuchung : Situationen, in denen Medien genutzt werden

[13] Quelle: Yorke & Kitchen 1985, S. 24

[14] vgl. Heeter & Greenberg 1985

[15] vgl. B.A.T. Freizeit-Forschungsinstitut 1991, 1992

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Details

Title
Selektives Medienverhalten oder was der Zuschauer mit dem Medium Fernseher macht
College
LMU Munich  (Kommunikationswissenschaft)
Course
Hauptseminar: Theorien der Mediennutzung
Grade
2.0
Author
Year
1998
Pages
48
Catalog Number
V69337
ISBN (eBook)
9783638625784
ISBN (Book)
9783638882910
File size
685 KB
Language
German
Keywords
Selektives, Medienverhalten, Zuschauer, Medium, Fernseher, Hauptseminar, Theorien, Mediennutzung
Quote paper
Krisztina J. Kreppel (Author), 1998, Selektives Medienverhalten oder was der Zuschauer mit dem Medium Fernseher macht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69337

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