Schichtspezifische Chancenungleichheit in der Schule. Ausprägung, Ursachen und Lösungsansätze


Epreuve d'examen, 2006

136 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Definitionsversuche
1.1. Der Begriff der Chancengleichheit in der Bildung
1.2. Erläuterung der sozialen Herkunft anhand des Schichtbegriffs

2. Der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen

3. Ursachen der schichtspezifischen Chancenungleichheit
3.1. Genetisch-biologische Ursachen
3.2. Die Rolle des Elternhauses
3.2.1. Der schichtspezifische familiale Sozialisationsprozess (primärer Herkunftseffekt)
3.2.1.1. Schichtspezifische Leistungsmotivation und -bereitschaft
3.2.1.2. Schichtspezifischer Sprachgebrauch
3.2.1.3. Schichtspezifische Bildungsinhalte und Bildungserwerbsprozesse
3.2.1.4. Zusammenfassende Betrachtung: primärer Herkunftseffekt
3.2.2. Schichtspezifische Bildungsentscheidungen (sekundärer Herkunftseffekt)
3.2.2.1. Ökonomische Gründe
3.2.2.2. (Un-) Informiertheit und affektive Distanz
3.2.2.3. Soziokulturelle Entscheidungsgründe
3.2.2.4. Zusammenfassende Betrachtung: sekundärer Herkunftseffekt
3.2.3. Zusammenfassung : Rolle des Elternhauses
3.3. Die Rolle der Schule
3.3.1. Aufgaben und Funktionen der Schule
3.3.2. Die Dreigliedrigkeit des Schulsystems
3.3.3. Die Schule als „Mittelklasseninstitution“
3.3.4. Schichtspezifisches Beurteilungs- und Ausleseverhalten der Lehrer
3.3.4.1. Schichtspezifische Leistungsbeurteilung
3.3.4.2. Schichtspezifische Schullaufbahnempfehlungen
3.3.4.3. Erklärungsversuche für das schichtspezifische Beurteilungs- und Ausleseverhalten der Lehrer
3.3.5. Zusammenfassung: Rolle der Schule
3.4. Resümee: Ursachen für die schichtspezifische Chancenungleichheit

4. Lösungsansätze zum Abbau der schichtspezifischen Chancenungleichheit
4.1. Vorschulische Förderung – eine Möglichkeit zur Kompensation des primären Herkunftseffektes?
4.2. Aufklärung und Unterstützung sozial schwacher Schichten
4.3. Die Ganztagsschule
4.4. Die Gesamtschule- eine Alternative zur Selektion des dreigliedrigen Schulsystems?
4.5. Reform in der Lehrerausbildung
4.6. Standards und Evaluation hinsichtlich Leistungsbewertung und Schullaufbahnempfehlung
4.7. Zusammenfassung: Lösungsmöglichkeiten

5. Das Problem der schichtspezifischen Chancenungleichheit aus Sicht der Lehrer
5.1. Begründung und Intention der empirischen Untersuchungen
5.2. Der Fragebogen
5.2.1. Die schriftliche Befragung mittels Fragebogen als wissenschaftliche Methode
5.2.2. Konzeption des Fragebogens
5.2.3. Durchführung der schriftlichen Befragung
5.2.4. Auswertung der Ergebnisse
5.2.4.1. Vorbemerkungen zur Vorgehensweise
5.2.4.2. Präsentation und Interpretation der Fragebogen-Ergebnisse
5.2.4.3. Zusammenfassung: Fragebogenergebnisse
5.3. Das Interview
5.3.1. Die mündliche Befragung mittels Interview als wissenschaftliche Methode
5.3.2. Begründung des Interviews und der Interviewfragen
5.3.3. Durchführung der mündlichen Befragung
5.3.4. Auswertung der Interview-Ergebnisse (als Essay)

6. Fazit, Diskussion und Ausblicke

7. Literaturverzeichnis

8. Abbildungsverzeichnis

9. Anhang
9.1. Interviews

Einleitung

Die Chancenungleichheit in der (Schul-) Bildung stellt eines der dominierenden sozialen und zugleich hoch aktuellen Probleme und Herausforderungen unserer Zeit dar. In der heutigen Gesellschaft, in der die Bildung mehr denn je unsere Lebenschancen, vor allem im beruflichen Bereich determiniert, bildet die Gleichheit der Bildungschancen die grundlegende Voraussetzung für die Gleichheit der Lebenschancen (vgl. Geißler, 2002, S. 343).

Der Anspruch unseres demokratischen Rechtsstaates, jedem Menschen unabhängig von seiner sozialen Herkunft die gleichen Bildungs- und damit Lebenschancen zu gewährleisten (vgl. Art. 3 Abs. 3 GG[1]), steht jedoch auch heute noch in starkem Kontrast zur Realität: Erst vor kurzem hat die OECD durch die PISA-Studie-2003 zum wiederholen Mal eine hohe Korrelation zwischen Bildungschancen und sozialer Herkunft im deutschen Schulsystem konstatiert, welche in fast keinem anderen Land eine solche Ausprägung wie in unserem zeigt (vgl. Böttcher, 2005, S.7; vgl. Ehmke et al., 2004, S. 251). Mit anderen Worten: Unser Land gehört zur Weltspitze bei der Benachteiligung von Kindern aus sozial schwachen Schichten im Bildungssystem.

Das aktuelle PISA-Ergebnis, wonach ein fünfzehnjähriger Schüler aus einem reichen Elternhaus bei gleichem Leistungsvermögen und Wissensstand wie ein Gleichaltriger aus einer ärmeren Familie eine viermal so große Chance zum Besuch eines Gymnasiums hat (vgl. FR vom 31.10.05, S. 1), weckt neben dem anfänglichen Unverständnis vor allem die Frage nach den Gründen, verbunden mit der Frage, ob und wie diese Problematik zu lösen sein könnte.

Die Wahl des Themas dieser Arbeit begründet sich daher aus der aktuellen politischen und pädagogischen Diskussion sowie dem persönlichen Interesse an der Problematik der schichtspezifischen Chancenungleichheit.

Zudem resultiert die Motivation für die Themenwahl auch aus berufspraktischen Überlegungen, da das Umgehen mit dem Problem der schichtspezifischen Chancenungleichheit eine alltägliche Aufgabe und Herausforderung jedes Pädagogen/ jeder Pädagogin[2] darstellt.

Infolge der Bedeutsamkeit der dargestellten Problematik und der persönlichen fachwissenschaftlichen Neugier wird folgendes Thema formuliert:

„Schichtspezifische Chancenungleichheit in der Schule- Ausprägung, Ursachen und Lösungsansätze“ .

Das Ziel dieser Arbeit ist die Beantwortung folgender Fragen:

1. Wie stellt sich der Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und den Bildungschancen dar?
2. Wo liegen die Ursachen für die schichtspezifische Chancenungleichheit?
3. Welche möglichen Lösungsansätze stehen zur Diskussion und wie sinnvoll sind diese tatsächlich?
4. Wie sehen Lehrer das Problem der schichtspezifischen Chancenungleichheit und wie begegnen sie diesem?

Gegliedert ist die Arbeit in einen theoretisch- wissenschaftlichen und einen praktisch- empirischen Teil, wobei das Hauptgewicht auf dem theoretischen Teil zu verorten ist.

Der theoretische Teil beginnt mit der Klärung fachspezifischer Termini (vgl. Kapitel 1) und einer Darstellung des Zusammenhangs zwischen sozialer Herkunft und den Bildungschancen (vgl. Kapitel 2). Anschließend folgt die Erörterung möglicher Ursachen, wobei die Rolle des Elternhauses und die der Schule in dem Prozess der Chancenungleichheit besonders ins Blickfeld genommen wird (vgl. Kapitel 3). Resultierend aus den gewonnenen Erkenntnissen über die Ursachen sollen daraufhin Lösungsansätze bzw. Möglichkeiten zur Kompensation der schichtspezifischen Chancenungleichheit aufgezeigt sowie kritisch hinterfragt werden (vgl. Kapitel 4).

In dem empirischen Teil wird die Lehrersichtweise hinsichtlich des Problems der schichtspezifischen Chancenungleichheit anhand eines selbst konzipierten Fragebogens sowie einigen Interviews untersucht und interpretiert, wobei insbesondere die zuvor im theoretischen Teil objektiv analysierten Ursachen und Lösungsmöglichkeiten aus dem subjektiv erlebten Kontext der Lehrer beleuchtet werden sollen (vgl. Kapitel 5).

Die Arbeit endet in einem Fazit mit Diskussion und Ausblicken, in dem die gewonnen Ergebnisse und Erkenntnisse im Hinblick auf die Zielfragen dieser Arbeit resümiert werden sowie eine kritische Betrachtung der Problematik in seiner Gesamtheit erfolgt (vgl. Kapitel 6).

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass das bildungssoziologische Thema der schichtspezifischen Chancenungleichheit, welches hier dem Bereich der Pädagogik zugeordnet ist, ohne eine Einbeziehung des soziologischen sowie des psychologischen Forschungsstandes keine umfassende Betrachtung finden kann, so dass die vorliegende Arbeit, neben der Hauptbezugsdisziplin Erziehungswissenschaft, Aspekte dieser Fachwissenschaften integriert.

Es soll ferner betont werden, dass die dargestellte Problematik sich primär auf Deutschland bezieht, Vergleiche mit anderen Ländern sind jedoch angestrebt.

Infolge der immensen Reichweite des Themas können nicht alle Theorien Aspekte, Ursachen und Lösungsmöglichkeiten abschließend behandelt werden, so dass die Arbeit nur einem Ausschnitt der Thematik liefert bzw. liefern kann.

1. Definitionsversuche

Aufgrund der Tatsache, dass die Begriffe der Chancen(un)gleichheit sowie der sozialen Herkunft bzw. der sozialen Schicht Kernbegriffe dieser Arbeit darstellen, resultiert die Notwendigkeit einer Definition dieser fachspezifischen Termini für das weitere Verständnis der Arbeit.

Da die genannten Begriffe höchst umstritten und uneinheitlich definiert sind, wird darauf hingewiesen, dass intendiertes Ziel nur ein Definitionsversuch bzw. das Aufzeigen verschiedener Positionen und Modelle sein kann.

1.1. Der Begriff der Chancengleichheit in der Bildung

Wie bereits in der Einleitung angeklungen ist, basiert das Ziel bzw. die Forderung einer Chancengleichheit im Bildungswesen auf den Normen unserer sozial-demokratischen Ordnung, welche sich, gemäß Art. 3 Abs. 3 GG, dem Gleichheitsprinzip verpflichtet hat (vgl. Becker, 2004, S. 161). Die Gleichheit der Bildungschancen resultiert demnach aus dem allgemeinen Grundrecht der Chancengleichheit. Konsequenterweise stellt die Gleichheit bzw. die Angleichung der Bildungschancen eines unserer wichtigsten gesellschaftspolitischen Ziele dar (vgl. Hradil, 2001, S. 154).

Während seit den sechziger Jahren, als der empirische Nachweis für die Ungleichheit der Bildungschancen erbracht wurde (vgl. Wulf, 1984, S. 115), ein weitgehender Konsens bezüglich der Forderung nach Chancengleichheit im Bildungswesen vorherrscht, sind jedoch die Vorstellungen über den Bedeutungsgehalt dieses Begriffs sehr unterschiedlich (vgl. Köhler, 1992, S. 15).

Der Begriff der Chancengleichheit in der Bildung ist somit kein einheitlich definierter, sondern ein höchst strittiger und unklarer Terminus, da mit ihm unterschiedliche Zielvorstellungen verbunden werden, welche auf differenten, teils konträren Interessen und Gesellschaftsbildern basieren, aus denen wiederum unterschiedliche Handlungsperspektiven resultieren (vgl. Keck/ Sandfuchs, 1994, S. 69; vgl. Lenzen, 1989, S. 294).

Infolge diverser differenter Interpretationen des Begriffs, soll hier ausschließlich die Darstellung der wichtigsten Grundpositionen erfolgen, da eine vollständige Diskussion und Darstellung aller Interpretationen den Rahmen dieser Arbeit „sprengen“ würde.

Zunächst kann eine Unterscheidung zwischen Startchancengleichheit (liberale Position) und Zielchancengleichheit (radikal- demokratische Position) vorgenommen werden (vgl. Lenzen, 1989, S. 294 f.; vgl. Wulf, 1984, S. 116), welche insbesondere zu Beginn der Chancengleichheitsdiskussion aufkam. Startchancengleichheit meint die Gleichheit der Zugangschancen zu qualifizierten Bildungsabschlüssen durch den freien, kostenlosen Zugang zu Bildungseinrichtungen und die Angleichung der Bildungsversorgung (vgl. Schraub/Zenke, 2000, S. 69, 120; vgl. Wulf, 1984, S. 116). Jedoch intendiert sie auch die Angleichung der Anfangs- und Startbedingungen, welche u.a. schichtbedingte Sozialisationsdefizite durch kompensatorische Maßnahmen auszugleichen versucht (vgl. Schröder, 2001, S. 55). Nach diesem Verständnis ist Chancengleichheit als Recht auf begabungsgemäße Bildung und individuelle Förderung zu verstehen (vgl. Keck/ Sandfuchs, 1994, S. 69). Diese ist dann erreicht, wenn auch begabte Kinder aus unteren Schichten den Zugang zu höheren Bildungsabschlüssen erhalten und sich die Leistungsbewertung in der Schule nach objektiven Kriterien vollzieht (vgl. Schraub/Zenke, 2000, S. 120).

Demgegenüber definiert sich Zielchancengleichheit nicht als Gleichheit der Startbedingungen, sondern, ausgehend von der Annahme, dass Leistungsunterschiede nicht genetisch, sondern ausschließlich umweltbedingt sind (vgl. Fend, 1982, S. 127), als Gleichheit des Bildungsergebnisses (vgl. Lenzen, 1989, S. 295). Unabhängig von den entwickelten Fähigkeiten soll danach jeder das Recht auf Bildungsangebote erhalten, um sich weiterzuentwickeln (vgl. Keck/ Sandfuchs, 1994, S. 69; vgl. Lenzen, 1989, S. 296). Chancengleichheit nach diesem Verständnis intendiert somit primär die Gleichheit der Lebensbedingungen (vgl. Lenzen, 1989, S. 295), welche mit bildungspolitischen Mitteln nicht bzw. nur schwer zu realisieren ist (vgl. Wulf, 1984, S. 116).

Die Vertreter dieser Position kritisieren die Gegenposition, indem sie anführen, dass Chancengleichheit im Sinne von Startchancen nicht zu mehr Gerechtigkeit, sondern nur zu mehr Wettbewerbsgleichheit unter Ungleichen führt, woraus eine Verstärkung des Konkurrenzkampfes jeder gegen jeden resultiert (vgl. Heid, 1988, S. 8 ff.). Diese Kritik mag zwar in gewisser Weise zutreffen, jedoch hat nach der Startchancengleichheit -zumindest theoretisch- jeder die gleiche Chance. Um es in einer Metapher zu verdeutlichen: „Ein Hundertmeterlauf hat ja auch nur einen Sinn, wenn alle die gleiche Chance haben zu gewinnen und […] [nicht] wenn alle gleichzeitig ankommen“ (Heid, 1988, S. 5). Der Argumentation ist daher entgegenzuhalten, dass es sich bei Chancengleichheit, wie der Begriff Chance schon verrät, nur um die bedingte Wahrscheinlichkeit oder Möglichkeit, nicht jedoch um eine intendierte Ergebnisgleichheit aller handeln kann. Der Begriff Chancengleichheit darf daher nicht mit Gleichheit verwechselt werden!

Zielchancengleichheit bezieht sich jedoch nicht mehr auf die Chance, sondern determiniert bereits das Ergebnis. Somit kann bei Zielchancengleichheit nach Ansicht der Verfasserin nicht von Chancengleichheit, sondern es muss von Ergebnisgleichheit gesprochen werden. Ein solches Verständnis von Chancengleichheit kann in unserer heutigen, differenzierten Gesellschaft jedoch kein anzustrebendes Ziel darstellen. Wollte man nämlich nach dieser Interpretation Chancengleichheit herstellen, müsste man beispielsweise eine Gleichheit zwischen leistungsstarken Mittel- oder Oberschichtenkindern und leistungsschwachen Arbeiterkindern herstellen, indem man ersteren beispielsweise absichtlich Fördermaßnahmen entzieht, um ihre Leistung anzugleichen. Dadurch würde man jedoch Ungleiches gleich behandeln, was wiederum eine Ungerechtigkeit in sich birgt und zudem dem Gleichheitsanspruch des Art. 3 Abs. 3 widerspricht.

Chancengleichheit kann daher vernünftigerweise nicht als Zielchancengleichheit verstanden und gefordert werden, sondern nur nach dem Verständnis einer Startchancengleichheit. Ein solches Verständnis von Chancengleichheit respektiert soziale Ungleichheiten, jedoch versucht sie diese, durch die Schaffung gleicher Startchancen (welche realistischerweise nie vollkommen gegeben sind) auszugleichen, indem versucht wird, allen im Wettrennen um soziale Positionen zumindest die gleiche Chance einzuräumen. Den leistungsschwächeren Schülern wird somit im besonderen Maße geholfen, ohne die leistungsstärkeren Schüler zu benachteiligen (vgl. Fend, 1982, S. 128).

Basierend auf dieser Argumentation bezieht sich diese Arbeit folglich auf das Verständnis der Chancengleichheit als Startchancengleichheit.

Neben der Frage nach der Interpretation von Chancengleichheit bleibt auch die Frage, wann Chancengleichheit als erreicht gilt und wie sie zu messen ist, zu klären. Zur Überprüfung von Chancengleichheit werden grundsätzlich zwei Positionen unterschieden, die als Messgrößen bzw. Indikatoren dienen: das Proporz-Modell (Synonym: proportionales Modell) und das meritokratische Modell (Synonym: Leistungsmodell) (vgl. Geißler, 2005, S. 72). Diese zwei Modelle sollen an dieser Stelle vorgestellt und anschließend diskutiert werden.

Das Proporz-Modell basiert auf einem Vergleich des Anteils der Bevölkerungsgruppen in einer Gesellschaft mit dem Anteil der entsprechenden Gruppen in den weiterführenden Bildungseinrichtungen (vgl. ebd.). Die Verwirklichung von Chancengleichheit liegt nach diesem Modell dann vor, wenn in allen Schulzweigen jeweils so viele Schüler aus den verschiedenen Schichten vorzufinden sind, wie es ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung entspricht. Im Umkehrschluss liegt eine Ungleichheit der Bildungschancen vor, wenn prozentual mehr oder weniger Kinder einer bestimmten Gesellschaftsschicht in einer Schulform vertreten sind als in der Gesamtbevölkerung (vgl. Geißler, 2002, S. 334; vgl. Hradil, 2001, S. 153).

Demgegenüber definiert sich das meritokratische Modell, basierend auf dem Prinzip „gleiche Chancen nach Fähigkeit und Leistung“ als Konzept einer leistungsbezogenen Chancengleichheit (vgl. Geißler, 2002, S. 334). Danach soll jedem, entsprechend seiner Leistung und seinen Fähigkeiten sowie unabhängig von leistungsfremden Kriterien wie Geschlecht, sozialer Herkunft oder finanziellen Ressourcen, die gleiche Chance zum Besuch von Bildungseinrichtungen und zum Erwerb von Bildungsabschlüssen garantiert werden. Chancengleichheit im Bildungswesen ist nach diesem Modell verwirklicht, wenn alle Menschen, unabhängig von jeglichen leistungsfremden Kriterien, die gleiche Chance auf eine Bildungskarriere erhalten (vgl. Geißler, 2004 a, S. 49; vgl. Hradil, 2001, S. 152) bzw. wenn lediglich die schulischen Leistungen bestimmen, wie weit jemand im Bildungswesen kommt (vgl. Fend, 1982, S. 130).

Das meritokratische Modell übersieht dabei, dass die schulischen Leistungen einem schichtspezifischen Filter unterliegen (wie in Kapitel 3.3.4.1 noch zu zeigen sein wird) und sie daher ein ungeeignetes Kriterium für die Bestimmung von Chancengleichheit darstellen.

Bei einem kritischen Vergleich der Modelle fällt ferner auf, dass eine empirische Untersuchung der Chancengleichheit mit dem meritokratischen im Gegensatz zum Proporz-Modell kaum möglich scheint. Während sich mit dem Proporz-Modell eine Chancengleichheit bzw. Ungleichheit nach dessen Definition statistisch klar konstatieren lässt, da hier lediglich ein proportionaler Vergleich vorzunehmen ist, gestaltet sich dies mit dem meritokratischen Modell durchaus komplexer und diffiziler, da Leistungen in der Schule nie vollkommen objektiv gemessen werden können.

Dem Proporz- Modell ist somit zwar eine einfachere Anwendbarkeit und Überprüfbarkeit zuzugestehen, jedoch ist sein Zielkriterium einer statistischen Chancengleichheit ein Maß, an dem alle Reformen scheitern müssen, da es utopisch ist. Dies resultiert aus der Tatsache, dass dieses Modell davon ausgeht, dass alle Menschen gleich begabt und intelligent sind d.h. die gleichen genetischen Anlagen besitzen. Eine exakte Gleichverteilung von Intelligenz und Begabung in verschiedenen Bevölkerungsschichten scheint jedoch mehr als zweifelhaft. Wollte man also nach diesem Modell eine statistische Chancengleichheit erreichen, hieße dies im Zweifelsfall begabte Kinder aus Schichten, in denen diese überrepräsentiert sind, bewusst zu diskriminieren.

Infolge der Tatsache, dass beide Modelle ihre Vor- und Nachteile aufweisen, aber trotzdem in der empirischen Forschung ihre Anwendung finden (vgl. Geißler, 2005, 72 f.), kann die Auswahl für eines der Modelle an dieser Stelle dahingestellt bleiben. Im Zweifelsfall sollte aufgrund der gravierenden Mängel beider Modelle sogar über neue Indikatoren und Modelle nachgedacht werden. Eine Messung der relativen anstelle der proportionalen Über- und Unterrepräsentationen an unterschiedlichen Bildungsgängen wäre hierzu eine Möglichkeit.

1.2. Erläuterung der sozialen Herkunft anhand des Schichtbegriffs

In der empirischen Forschung findet der Begriff der sozialen Herkunft seinen Ausdruck in der Differenzierung verschiedener sozialer Schichten (vgl. Büchner, 2003, S. 11). Da die Hauptargumentation dieser Arbeit auf den Differenzen dieser unterschiedlichen sozialen Schichten im Hinblick auf die Chancenungleichheit basiert, sowie auf der Grundannahme, dass die soziale Herkunft die Bildungschancen determiniert, soll nachfolgend eine Definition dieses Begriffs erfolgen.

Infolge der Begrenztheit dieser Arbeit wird auf die Vorstellung neuerer Ansätze wie soziale Lagen oder soziale Milieus, die im Gegensatz zum Schichtbegriff stehen (vgl. Burzan, 2004, S. 79 ff.), bewusst verzichtet. Dies geschieht auch vor dem Hintergrund, dass trotz dieser neueren Modelle, die von einer Individualisierung und von der Auflösung der Schichten ausgehen, das Fortbestehen gravierender sozialer Ungleichheiten und damit auch das der sozialen Schichten vom empirischen Forschungsstand her unbestritten ist (vgl. Büchner, 2003, S. 11).

Als Schicht definiert man „Gruppierungen von Menschen mit ähnlich hohem Status innerhalb einer oder mehrerer berufsnaher Ungleichheitsdimensionen“ (Hradil, 2001, S. 40). Demnach bezeichnet Schichtung „die vertikale Gliederung der Mitglieder einer Gesellschaft aufgrund von sozial relevanten Merkmalen“ (Krämer, 1983, S. 7). Infolge der Nichtexistenz eines allgemein anerkannten Schichtbegriffs, sind diese Merkmale jedoch nicht einheitlich determiniert, sondern variieren je nach Schichtmodell (vgl. ebd., S. 5 ff.). Die Spannbreite reicht von sehr einfachen Modellen, die eine Schichteinteilung nach nur wenigen Merkmalen vornehmen, bis hin zu sehr komplexen Modellen, die sich auf vielfältige Indikatoren beziehen (vgl. Geißler, 1994 a, S. 8).

Das klassische Schichtmodell differenziert drei Schichten: Arbeiterschicht, Mittelschicht und Oberschicht. Der Arbeiterschicht gehören alle körperlich Arbeitenden an, der Mittelschicht die übrigen Berufsgruppen, die nicht ausdrücklich als Oberschicht definiert sind. Dazu zählen beispielsweise „untere“ Büroangestellte oder Beamte (vgl. Rolff, 1997, S. 35 f.).

Traditionell orientieren sich ältere Untersuchungen zur schichtspezifischen Bildungsbeteiligung und -benachteiligung, insbesondere aus den siebziger Jahren, aufgrund des empirisch nachgewiesenen starken Einflusses der Bildung des Vaters auf die Bildung des Kindes (vgl. Köhler, 1992, S. 23), ausschließlich am Merkmal der beruflichen Stellung des Vaters (vgl. Rolff, 1997, S. 36).

In neueren Schichtmodellen finden neben der Berufsposition auch andere Indikatoren für die Bestimmung der sozialen Herkunft Berücksichtigung (vgl. Baumert/ Schümer, 2001, S. 326). Dazu gehört beispielsweise das Schichtmodell Geißlers[3]. Dieses Modell geht von einer Binnendifferenzierung innerhalb der drei Hauptschichten aus, welche mit Hilfe von mehreren Indikatoren klassifiziert werden. Aufgrund seiner These, dass ähnliche Lebensbedingungen und -erfahrungen die Persönlichkeitsentwicklung und das Verhalten von Menschen beeinflussen, fasst Geißler die Menschen nach ähnlichen „äußeren“ Lebensbedingungen und ähnlichen „inneren“ (psychischen) Merkmalen zu Schichten zusammen. Zu den Indikatoren für die äußeren Lebensbedingungen zählen die Berufsposition, das Einkommen und das Qualifikationsniveau sowie der Besitz, der Einfluss und das Sozialprestige (vgl. Geißler, 2004 b, S. 69 f.).

Die PISA- Studie 2003 verwendet für die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen sozialer Herkunft und Kompetenzerwerb bzw. sozialer Herkunft und Bildungsbeteiligung[4] einen selbstkreierten Index. Dieser ESCS[5].- Index definiert die soziale Herkunft aufgrund von Merkmalen der sozialen, kulturellen und ökonomischen Ressourcen (vgl. Ehmke/ Siegle, 2005, S. 522). Die sozialen Ressourcen werden unter anderem durch die Familienstruktur und -größe sowie den Erziehungsstil operationalisiert, die kulturellen Ressourcen durch den elterlichen Bildungsabschluss und den Besitz von klassischen Kulturgütern (Anzahl der Bücher im Elternhaus). Die ökonomischen Ressourcen werden primär an der sozioökonomischen Stellung der Eltern festgemacht (berufliche Stellung) (vgl. Ehmke et al., 2004, S. 231 ff.). Damit erweist sich der ESCS- Index als ein sehr komplexes Modell zur Bestimmung der sozialen Herkunft.

Nach der Vorstellung unterschiedlicher Modelle bleibt festzuhalten, dass die Bestimmung der sozialen Schicht aufgrund von unterschiedlichen Modellen, die sich an unterschiedlichen Indikatoren orientieren, nicht eindeutig vorzunehmen ist. Übergänge zwischen den Schichten können fließend sein und der Wechsel von einer Schicht in eine andere ist möglich (vgl. Geißler, 2004 b, S. 71; vgl. Krämer, 1983, S. 15).

Trotz der Tatsache, dass die Indikatoren für die Schichtzugehörigkeit differieren, konnten bei einem Vergleich unterschiedlicher Schichtmodelle hinsichtlich der vorgenommenen Untersuchungen zum Thema schichtspezifische Chancenungleichheit keine ins Gewicht fallenden Verzerrungen bei den Ergebnissen konstatiert werden. Dies begründet sich aus der hohen Korrelation zwischen dem Merkmal der beruflichen Position und anderen Merkmalen wie Einkommen oder Sozialprestige (vgl. Rolff, 1997, S. 36).

Infolge dessen, sowie aufgrund des Faktums, dass die einzelnen Schichtmodelle in der Pädagogik keine differenzierte und detaillierte Betrachtung finden, wird nachfolgend, in Anlehnung an die gängige Literatur, welche ebenfalls auf eine detaillierte Differenzierung zwischen den einzelnen sozialen Schichten verzichtet, hauptsächlich auf die klassische Drei- Schichten- Einteilung zurückgegriffen, da mit dieser Einteilung ein Vergleich zwischen den Schichten am besten vorzunehmen ist.

2. Der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen

Nachfolgend soll der Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und den Bildungschancen dargestellt werden. Dabei ist intendiert, zunächst die Entwicklung derselbigen aufzuzeigen, um zu klären, ob und wie sich die Situation der schichtspezifischen Bildungschancenungleichheit in den letzten fünfzig Jahren verändert hat. Anschießend soll die heutige Situation kurz dargestellt werden.

Der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen wird in den sechziger Jahren erstmals in der bundesdeutschen Öffentlichkeit thematisiert und problematisiert. In dieser Zeit entsteht das Bewusstsein für die Ungleichheit der Bildungschancen und die Kritik an der Situation, dass höhere Bildung ausschließlich ein „Privileg des Bürgertums“ (Geißler, 1994 b, S. 116) ist, während die Arbeiterschicht von ihr ausgeschlossen bleibt (vgl. ebd.).

Die Ursache für diese öffentliche bildungspolitische Debatte resultiert aus der Angst vor einem Bildungsrückstand Deutschlands gegenüber den sozialistischen Staaten und der damit zusammenhängenden Befürchtung eines Zurückbleibens auf technologischem und wirtschaftlichem Gebiet (vgl. ebd.). Der Bedarf an immer besser qualifiziertem Personal, resultierend aus einem Mangel an gut ausgebildeten Arbeitskräften, infolge der Verwissenschaftlichung und dem stetigen technischen Fortschritt, wird von der Forderung sozialliberaler Bildungsforscher und -politiker nach einer Verbesserung der Bildungschancen, insbesondere für die unteren Schichten, unter dem Schlagwort „Bildung als Bürgerrecht“ begleitet (vgl. Geißler, 2004 a, S. 45 f.; vgl. Geißler, 2002, S. 340).

Trotz unterschiedlicher Antriebskräfte verfolgen zu dieser Zeit Anhänger wirtschaftlicher wie bildungspolitischer Interessen dasselbe Ziel: eine Bildungsreform (vgl. Geißler, 1994 b, S. 116). Als Konsequenz kommt es folglich in den fünfziger, jedoch insbesondere in den sechziger Jahren, zu einer Bildungsexpansion[6] in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Geißler, 2004 a, S. 45 f.).

Durch den Ausbau des Bildungswesens wird neben der Betonung des Nutzens von Bildung für das Wirtschaftswachstum vor allem das Ziel des Abbaus der sozial ungleichen Bildungschancen intendiert (vgl. Schimpl- Neimanns, 2000, S. 636). Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Bereich der Bildungssoziologie von Krais, Dahrendorf, Kuhlmann oder Friedeburg prognostizieren in dieser Zeit eine Reduktion der sozialen Ungleichheit durch die Bildungsexpansion (vgl. ebd.). Ob sich diese Prognose verifiziert hat, soll nachfolgend geprüft werden:

Zunächst lässt sich feststellen, dass der Ausbau des Schulsystems und die Öffnung der Bildungswege eine zunehmende Bildungsbeteiligung aller Schichten mit insgesamt höheren Schulabschlüssen zur Folge hatte (vgl. Ditton, 1992, S. 89; vgl. Tippelt, 1990, S. 175). Aus dieser Höherqualifizierung der Gesamtbevölkerung lässt sich eine sog. „Umschichtung nach oben“ interpretieren (vgl. Geißler, 2002, S. 340). Insgesamt betrachtet hat die Bildungsexpansion folglich die Bildungschancen aller Bevölkerungsgruppen erhöht (vgl. ebd., S. 345).

Trotz einer insgesamten Verbesserung der Bildungschancen stellt sich diese Entwicklung im Hinblick auf die verschiedenen Bevölkerungsschichten und Schulformen jedoch bei einer differenzierten Betrachtung sehr unterschiedlich dar. Vom Ausbau der Realschulen profitieren zwischen 1970 und 1989 insbesondere die unteren Schichten (Arbeiterkinder), indem sie zu den anderen Schichten aufschließen können (vgl. ebd., 347). Auf den Gymnasien hingegen vergrößert sich ihr Rückstand zu den höheren Schichten sogar (vgl. Geißler, 2003, S. 12.)[7]. Während 1950 die Chancen zum Besuch eines Gymnasiums bei einem Kind aus einer höheren Beamtenfamilie im Vergleich zu einem Kind eines un- bzw. angelernten Arbeiters 37 Prozentpunkte höher liegen, sind es 1989 bereits 54 Prozentpunkte (vgl. Geißler, 2004 c, S. 368). Hauptgewinner des Ausbaus der Gymnasien sind demnach die Schichten, die sowieso schon die besten Bildungschancen hatten, während sich die Bildungschancen der unteren Schichten, insbesondere der Arbeiterschicht, in diesem Bereich der höheren Bildung im Verhältnis zu den anderen Schichten sogar verschlechtert haben (vgl. Geißler, 2002, S. 347 ff.).

Während demnach auf der mittleren Ebene, beim Zugang zur Realschule, ein klarer Abbau der schichtspezifischen Chancenungleichheit verzeichnet werden kann, gestaltet sich der Zugang zu höherer (gymnasialer) Bildung für die unteren Schichten noch diffiziler (vgl. Geißler, 2003, S. 12).

Obgleich es also bezüglich der Bildungschancen zur Annäherung einiger Schichten gekommen ist, ist die Kluft zwischen anderen Schichten noch größer geworden (vgl. Geißler, 1994 b, S. 124).

Betrachtet man diese Ergebnisse, so lässt sich zusammenfassend feststellen, dass die Bildungsexpansion ein paradoxes Ergebnis hervorgebracht hat: „Sie hat die Bildungschancen aller Schichten verbessert, ohne gleichzeitig gravierende schichttypische Ungleichheiten zu beseitigen“ (Geißler, 2002, S. 350). Es gibt demnach zwar „mehr Bildungschancen, aber weniger Bildungsgerechtigkeit“ (ebd., S. 361).

Die statistisch letztmals durchgeführte und damit aktuellste Erhebung von 1989[8] illustriert diese Entwicklung anhand der nachfolgenden Graphik.

Abbildung 1

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Entwicklung der relativen Bildungsbeteiligung von 13- bis 14- jährigen Schulkindern in der BRD von 1952 bis 2000 – Besuch des Gymnasiums nach sozialer Herkunft

Betrachtet man die Entwicklung von 1965 bis 1989, so kann festgestellt werden, dass sich außer einer generellen Anhebung des Bildungsniveaus an der schichtspezifischen Chancenungleichheit kaum etwas geändert hat.

Noch 1989 besuchen von allen 13 bis 14-jährigen Arbeiterkindern 58% die Hauptschule, 26% die Realschule und nur 11% das Gymnasium. Im gleichen Jahr gehen von den Beamtenkindern nur 13% auf die Hauptschule, 24% auf die Realschule und die Mehrheit von 58% auf das Gymnasium. Damit stehen auf dem Gymnasium 11% Arbeiterkinder 58% Beamtenkindern der Mittelschicht gegenüber. Die relative Chance auf ein Gymnasium zu wechseln liegt damit noch im Jahr 1989 für Beamtenkinder um das 11-fache höher als für Arbeiterkinder (vgl. Becker, 2004, S. 162 ff.; vgl. Klemm/ Rolff, 2002, S. 24).

Internationale Leistungsvergleichsstudien wie PISA 2000 und PISA 2003 sowie aktuelle bildungssoziologische Studien belegen auch heute diesen engen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen und damit das Fortbestehen der schichtspezifischen Chancenungleichheit (vgl. Baumert/ Schümer, 2002, S. 163).

Die Ausführungen dieses Kapitels konstatieren somit zweifelsfrei, dass die soziale Herkunft ein gravierender Faktor für die Chancenungleichheit in unserem Bildungssystem war und immer noch ist.

Die Benachteiligung sozial schwacher Schichten im Bildungswesen ist, wie die Darstellung dieses Kapitels zeigt, damit kein neues, sondern ein sehr altes Problem, welches jedoch innerhalb des langen Zeitraums von vierzig Jahren keine großartig neuen Erkenntnisse und Veränderungen gebracht hat (vgl. Rolff, 2004, S. 2). Neu ist lediglich der internationale Vergleich, wodurch konstatiert werden konnte, dass Deutschland zu den „Spitzenländern“ bei der Benachteiligung sozial schwacher Schichten im Bildungswesen zählt (vgl. Baumert/ Schümer, 2001, S. 385). Erst PISA hat also das scheinbar neue Problem der schichtspezifischen Chancenungleichheit, welches seit den siebziger Jahren fast vollkommen aus der öffentlichen Diskussion verschwunden war, aber bereits seit den sechziger Jahren nahezu unverändert besteht, wieder in die öffentliche Diskussion und in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit gebracht (vgl. Geißler, 2004 c, S. 362 ff.).

3. Ursachen der schichtspezifischen Chancenungleichheit

Nach den Ausführungen in Kapitel 2 bleibt die Frage unbeantwortet, wie es zu erklären ist, dass trotz des formalen Zugangs zu den Bildungseinrichtungen und der steigenden Zahl von Bildungsmöglichkeiten durch die Bildungsexpansion auch heute noch deutliche Bildungsungleichheiten zwischen den Sozialschichten bestehen und eine Chancengleichheit in der Bildung als Fiktion erscheint. Diese wichtige Frage soll dieses Kapitel 3 durch die Analyse möglicher Ursachen eruieren.

3.1. Genetisch-biologische Ursachen

Eine Erklärung für die hohe Korrelation zwischen der sozialen Herkunft und den unterschiedlichen Leistungen sowie der unterschiedlichen Bildungsbeteiligung von Schülern wurde noch bis vor einigen Jahren durch biologisch-genetisch orientierte Theorien zu erklären versucht. Kinder aus unteren Schichten wurden danach, aufgrund ihrer angeblichen genetischen Veranlagung, von vornherein als unbegabt oder unintelligent eingestuft und „abgestempelt“ (vgl. Rolff, 1997, S. 25 f.). Bedauerlicherweise ist diese Ansicht auch heutzutage noch in weiten Teilen der Bevölkerung verbreitet (vgl. Geißler, 1994 b, S. 131). So versteht die Mehrheit der in einer Untersuchung befragten Gymnasiallehrer Begabung immer noch als eine, überwiegend durch Erbfaktoren determinierte, statisch feste Größe (vgl. Rolff, 1997, S. 140).

Dabei herrscht jedoch heute in der Wissenschaft Einigkeit darüber, dass nicht ausschließlich genetische Anlagen Intelligenz und Begabung eines Menschen determinieren, sondern, dass Erbe und Umwelt[9] in einer dynamischen, schwer analysierbaren Wechselwirkung zusammenwirken (vgl. Zimbardo/ Gerrig, 1999, S. 577). Bei diesem Wechselspiel ist jedoch vollkommen unklar, zu welchen Anteilen dies geschieht (vgl. Niemitz, 1989, S. 299).

„Die Gene begrenzen (zwar) den Spielraum für das, was eine bestimmte Person in einer bestimmten Umwelt auf intellektuellem Gebiet erreichen kann. Jedoch werden sich sogar diese Grenzen erweitern, wenn die Umwelt auf maßgebliche Weise verändert wird“ (Zimbardo/ Gerrig, 1999, S. 577).

Zwillingsstudien verifizieren diese These. Sie belegen einerseits einen gewissen, jedoch nicht klar auszumachenden Einfluss genetischer Anlagen auf die Intelligenz des Menschen, jedoch kommen sie ebenfalls zu der Erkenntnis, „dass unterschiedliche Sozialisation, Erziehung [und] Chancenangebote durch die Eltern […] eine Wirkung hinterlassen“ (Niemitz, 1989, S. 296). Dieser Einfluss der Umwelt wird beispielsweise durch eine Studie von Bloom belegt, in der festgestellt wurde, dass eineiige Zwillinge, die in unterschiedlichen sozialen Milieus aufwuchsen, signifikante Unterschiede in ihren Intelligenzquotienten aufwiesen (vgl. Rolff, 1997, S. 27). Motivation und Förderung sowie unterschiedliche Erfahrungshorizonte haben demzufolge Einfluss auf die intellektuelle Leistungsfähigkeit.

Auch vierzehn Gutachten der Bildungskommission des Deutschen Bildungsrates zum Thema „Begabung und Lernen“ ergaben, indem sie die Abhängigkeit der Begabung der Lernprozesse von den Sozialisations- und Lehrprozessen konstatierten, dass nicht die Erbanlagen als wichtigster Faktor für die Lern- und Leistungsfähigkeit angesehen werden können (vgl. ebd., S. 26).

„Begabung ist nicht nur Voraussetzung für Lernen, sondern auch dessen Ergebnis“ (Roth, 1969, S. 22). Dieses dynamische Begabungsverständnis schreibt dem Sozialisationsprozess einen großen Einfluss zu (vgl. Rolff, 1997, S 26; vgl. Schilmöller, 2005, S. 7). Jedoch eröffnen sich mit diesem neuen Verständnis von Begabung auch neue Chancen, indem angenommen wird, dass Kinder nicht von vornherein begabt oder unbegabt sind (was immer das heißen mag), sondern dass man sie mit Hilfe von Förderung und Unterstützung auch „begaben“ kann.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich Intelligenz und Begabung in einer Anlage-Umwelt-Interaktion gegenseitig beeinflussen, wobei die Anlagen nur das Potential bereitstellen. Wie sich dieses entwickelt, hängt von der Erfahrungswelt, in den frühen Jahren der Entwicklung primär vom Sozialisationskontext eines Menschen, ab.

Zudem sind Intelligenz und Begabung keine fest definierten Begriffe, so dass man höchst vorsichtig mit ihrer Verwendung und einer Ursachenzuschreibung derselbigen hinsichtlich Lernerfolg oder Bildungschancen sein sollte.

Infolge der Erkenntnisse dieses Kapitels ergibt sich zur Klärung des Phänomens der schichtspezifischen Chancenungleichheit die Notwendigkeit der Untersuchung unterschiedlicher Sozialisationskontexte, die, -wie zuvor aufgeführt- Determinanten für die differente Lern- und Leistungsfähigkeit von Schülern darstellen. Da die Sozialisation[10] primär im Elternhaus erfolgt (vgl. Geißler, 2002, S. 355), soll im nachfolgenden Kapitel, unter dem Focus des Problems der schichtspezifischen Chancenungleichheit, die Rolle des Elternhauses in diesem Prozess erörtert werden.

3.2. Die Rolle des Elternhauses

Aktuelle Studien und empirische Befunde belegen, dass die sozialen Ungleichheiten von Eltern auf ihre Kinder über das Bildungssystem weitergegeben werden (vgl. Becker/ Lauterbach, 2004 a, S. 10). Danach liegen gewichtige Gründe für die dauerhafte Bildungsungleichheit bereits in der Erziehung[11] und der Sozialisation im Elternhaus (vgl. Hradil, 2001, S. 454).

Nach der Theorie Boudons[12] generiert sich die Ungleichheit der Bildungschancen in einem Prozess, welcher sich bereits innerhalb der Herkunftsfamilie und damit schon vor dem Eintritt in das (vor-) schulische Bildungssystem vollzieht. In diesem Prozess sind hauptsächlich zwei Ursachenkomplexe für die schichtspezifischen Bildungsungleichheiten verantwortlich: die primären und die sekundären Herkunftseffekte (vgl. Boudon, 1974, S. 30 ff.).

Vor der Erläuterung und Darstellung des sekundären Herkunftseffekts soll zunächst der primäre Herkunftseffekt näher beleuchtet werden.

3.2.1. Der schichtspezifische familiale Sozialisationsprozess (primärer Herkunftseffekt)

Der primäre Herkunftseffekt, der den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen erklärt, basiert auf der Sozialisation und der Erziehung der Kinder im Elterhaus. In diesem Sozialisationsprozess werden allgemeine kognitive, pragmatische und emotional-affektive Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie die Vermittlung von Sprachgewandtheit, Sozialkompetenzen und Sekundärtugenden wie Höflichkeit und Pünktlichkeit von den Eltern auf ihre Kinder, vermittelt per Imitation, Identifikation und in Auseinandersetzung mit den Werten, Einstellungen und Erziehungszielen der Eltern, weitergegeben (vgl. Hartfiel, 1981, S. 138). Der primäre Herkunftseffekt besteht nun darin, dass sich die Sozialschichten in der Vermittlung dieser kulturellen Kompetenzen voneinander unterscheiden (vgl. Becker, 2004, S. 169). Je niedriger der Sozialstatus der Familie ist, desto ärmer ist ihre kulturelle Ausstattung bzw. je höher der Sozialstatus der Familie ist, desto reicher stellt sich ihre kulturelle Ausstattung dar, die an die Kinder weitergegeben werden kann (vgl. Boudon, 1974, S. 29). Kinder, die in höheren Sozialschichten aufwachsen, werden daher eher mit Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Tugenden ausgestattet, die in der Schule von Vorteil sind, während Kinder aus sozial schwachen Schichten eher kognitive Nachteile aufweisen. Erstere haben demzufolge gegenüber Kindern aus sozial unteren Schichten „Startvorteile“, da die Voraussetzungen für den Bildungsweg sowie für gute bzw. schlechte Schulleistungen schon in der Zeit vor dem Schuleintritt im Sozialisationsprozess durch das Elternhaus gelegt werden (vgl. ebd., S. 23). Die einzelnen Sozialschichten differieren damit von Beginn der Bildungslaufbahn systematisch in ihren Erfolgswahrscheinlichkeiten (vgl. Becker, 2004, S. 170).

„Der primäre Herkunftseffekt umfasst damit die langfristigen Wirkungen der Anregung und Förderung im Sozialisationsprozess, die sich in schichtspezifischen Unterschieden der schulischen Leistung und Kompetenzen des Kindes niederschlagen“ (ebd., S. 169).

Der primäre Herkunftseffekt soll nachfolgend an einigen bereits zuvor erwähnten Aspekten, die im familialen Sozialisationsprozess eine wichtige Rolle spielen, ausführlich dargestellt, erörtert und damit auch geprüft werden.

3.2.1.1. Schichtspezifische Leistungsmotivation und -bereitschaft

Wie bereits angeführt, ist Leistungsmotivation[13] keine angeborene Eigenschaft, sondern wird durch den Sozialisationsprozess im Elternhaus erworben (vgl. Grauer, 1973, S. 59; vgl. Hartfiel, 1981, S. 145). In den drei Lebensjahren vor der Einschulung eines Kindes, etwa im vierten und fünften Lebensjahr, werden die entscheidenden Grundlagen für den Grad der individuellen Leistungsmotivation gelegt, welche für die gesamte Schulzeit eine stabile Prägung aufweist (vgl. Heckhausen, 1969, S. 207). Infolge des Umstandes, dass die Eltern in dieser Zeit in der Regel die Hauptbezugspersonen sind, üben sie den stärksten Einfluss auf die Leistungsmotivation ihres Kindes aus (vgl. Grauer, 1973, S. 60).

Die elterliche Erziehung zur Leistung spielt hierbei eine entscheidende Rolle, wobei eine Korrelation zwischen dem elterlichen Erziehungsstil und der Leistungsmotivation des Kindes empirisch nachgewiesen ist (vgl. Rolff, 1997, S. 89). Je nach Erziehungsstil der Eltern variiert der Grad der Leistungsmotivation des Kindes (vgl. Zimbardo/ Gerrig, 1999, S. 346). Die Art des Erziehungsstils steht dabei, resultierend aus unterschiedlichen Arbeitserfahrungen und -verhältnissen der Eltern, in engem Zusammenhang mit der Schichtzugehörigkeit (vgl. Hartfiel, 1981, S. 142; vgl. Hradil, 2001, S. 448).

Ein Erziehungsstil, der von Kindern frühzeitig Selbständigkeit, Selbstvertrauen und Selbstkontrolle fordert sowie Belohnungen für die Erfüllung von hohen Erwartungen und emotionale Zuwendung beinhaltet, übt einen positiven Effekt auf die Leistungsmotivation des Kindes aus. Ein solcher Erziehungsstil ist, resultierend aus einer abwechslungsreichen, oft selbständigen Arbeitssituation, für Eltern der Mittelschicht kennzeichnend (vgl. Hartfiel, 1981, S. 144). Ein Erziehungsstil, der jedoch auf Restriktionen statt auf Selbständigkeit basiert ,wenig Erwartungen an die Kinder stellt, seltener Erfolge anerkennt sowie durch kurzfristige Befriedigung und Autoritarismus[14] geprägt ist, erweist sich hingegen als nachteilig für die Leistungsmotivation des Kindes. Dieser Erziehungsstil ist häufig, entsprechend einer oft routinierten, fremdbestimmten und repressiv erlebten Arbeitssituation, bei Eltern der Arbeiterschicht vorzufinden (vgl. ebd., S. 142, 147). Ferner stellt sich bei höheren, im Vergleich zu unteren Schichten, das Leistungsstreben eher intrinsisch dar, also von der Sache her motiviert und nicht extrinsisch d.h. zur Vermeidung von Strafen sowie an der äußeren, materiellen Belohnung orientiert (vgl. Geißler, 1994 b, S. 138). Eine solche intrinsische Leistungsmotivation erweist sich für die Entwicklung kindlicher Fähig- und Fertigkeiten und daraus resultierend für die Entwicklung von Leistungsorientierung als vorteilhafter als eine Haltung, die von außen motiviert auf die Vermeidung von Strafen und eigenem Scheitern ausgerichtet ist (vgl. Hradil, 2001, S. 456).

Die aus den unterschiedlichen Erziehungsstilen resultierende Leistungsmotivation ist somit bei Kindern der oberen Schichten stärker ausgeprägt als bei Kindern der unteren Schichten. Erstere glauben eher an den Erfolg durch individuelle Anstrengung und planen tendenziell langfristig zugunsten einer höheren Ausbildung und den damit verbundenen Berufschancen, als Kinder der Arbeiterschicht (vgl. Geißler, 1994 b, S. 139). Dies hat folglich Konsequenzen für den Schulerfolg und erklärt schichtspezifische Leistungsdifferenzen. Eine hohe Korrelation zwischen Leistungsstreben und Schulerfolg ist zudem empirisch belegt (vgl. Rolff, 1997, S. 88 ff.).

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Schichtzugehörigkeit und der damit verbundene schichtspezifische Erziehungsstil die Leistungsmotivation prägen, welche wiederum für den Schulerfolg von wesentlicher Bedeutung ist. Ob ein Schüler leistungsstrebsam und damit in der Schule erfolgreich ist oder nicht, hängt somit primär von dem Erziehungsstil seiner Eltern ab, der wiederum oft mit einer bestimmten Schichtzugehörigkeit korreliert.

3.2.1.2. Schichtspezifischer Sprachgebrauch

Ebenso wie die Leistungsmotivation ist auch die Sprache keine angeborene Fähigkeit, sondern wird im Sozialisationsprozess angeeignet, indem Kinder die Sprache durch ihre Eltern erlernen (vgl. Zimbardo/ Gerrig, 1999, S. 476 f.).

In diversen sozio-linguistischen Untersuchungen konstatierte der britische Soziologe Basil Bernstein das Bestehen von schichtspezifischen Formen des Sprachgebrauchs. Nach seiner Theorie verwenden Mitglieder der Unter- und Mittelschicht verschiedene Varianten derselben Kultursprache, welche er als Sprachcodes bezeichnet. Bernstein differenziert einen sog. restringierten (eingeschränkten/ beschränkten) und einen sog. elaborierten (reichhaltigen) Sprachcode (vgl. Bernstein, 1959, S. 64 ff.).

Während Angehörige der Mittelschicht nicht nur den elaborierten Sprachcode, sondern in der Regel auch den restringierten Sprachcode der Unterschicht beherrschen, steht letzterer Schicht ausschließlich der restringierte Sprachcode als einzige Sprachform zur Verfügung (vgl. ebd., S. 69).

Dieser restringierte Sprachcode, welcher bei Angehörigen der Unterschicht vorherrscht, ist durch einen kurzen, grammatisch einfachen und oft unvollständigen Satzbau mit dürftigem Syntax und bescheidenem Wortschatz gekennzeichnet, so dass eine hohe Vorhersagbarkeit bezüglich des Satzaufbaus und der Wortwahl besteht. Zudem beinhaltet dieser Sprachcode die Verwendung häufiger Floskeln sowie kurzer Fragen und Befehle und weist einen geringen Abstraktionsgrad auf. Typisch für den restringierten Sprachcode ist ferner die Verwechselung von Begründung und Schlussfolgerung und die Formulierung von Feststellungen als Fragen sowie ein kontextabhängiger Sprachgebrauch d.h. die Rede impliziert die Kenntnis der Randbedingungen und Umstände (vgl. Bernstein, 1959, S. 67; vgl. Bernstein, 1972, S. 203 f.).

Demgegenüber dominiert bei Angehörigen der Mittelschicht meist ein elaborierter Sprachcode, welcher infolge einer häufigen Verwendung von Konjunktionen, Nebensätzen, Präpositionen sowie einer wohlüberlegten Auswahl von Adjektiven und Adverbien durch eine grammatische Komplexität, Symbolik, Bildhaftigkeit und einen reicheren Wortschatz geprägt ist. Dieser elaborierte Sprachcode ist zudem kontextunabhängiger, differenzierter und abstrakter als der restringierte Sprachcode sowie durch eine individuellere Wortwahl gekennzeichnet (vgl. Bernstein, 1959, S. 66; vgl. Bernstein, 1972, S. 203 f.).

Ursachen für diese schichtspezifischen Sprachmodi werden den Differenzen im Sozialisationsprozess zugeschrieben, welcher, resultierend aus den differenten Lebens- und Arbeitsbedingungen, schichtspezifisch variiert (vgl. Geißler, 1994 b, S. 137). Die Arbeits- und Lebenssituation der Unterschicht ist dabei durch eine oft homogene Tätigkeit mit wenig intellektueller Anregung sowie dem Umgang mit Gegenständen und weniger mit Menschen gekennzeichnet, wodurch sprachliche Kommunikationsmöglichkeiten beschränkt werden. Demgegenüber gestaltet sich die Lebens- und Arbeitssituation der Mittelschicht meist vielfältiger, weniger normiert und kontrolliert sowie durch einen intensiven Umgang mit Menschen und Symbolen kommunikativ anspruchsvoller (vgl. Geißler, 1994 b, S. 138; vgl. Hartfiel, 1981, S. 150 f.).

Während daraus resultierend in der Mittelschicht die Interaktion zwischen Mutter und Kind schon früh durch das Medium der Sprache determiniert wird und Erläuterungen, Argumente und Diskussionen umfasst, vollzieht sich die Kommunikation zwischen Mutter und Kind in der Arbeiterschicht hingegen eher durch Gestik, Mimik, Körperhaltung und Intonation sowie durch Schwankungen im Stimmvolumen als durch die Sprache (vgl. Bernstein, 1959, S. 66). Paradigmatisch wird dies an dem Verhalten von Müttern beschrieben, deren Kinder mit einer Schere spielen. Während die Mutter der Arbeiterschicht dem Kind mit einem scharfen „Lass das!“ die Schere aus den Händen reißt, wird die Mittelschichtsmutter ihrem Kind den Kausalzusammenhang zwischen Schere, Messer und Verletzungen ausführlich erläutern (vgl. Rolff, 1997, S. 113). Ein Kind lernt so nach dem Vorbild der Eltern frühzeitig entweder kommunikativ oder eher „sprachlos“ bzw. mit eher kurzen affektiven Redensarten zu reagieren. Aus dem Verhalten, wie Eltern also beispielsweise Verbote begründen bzw. autoritär anordnen, resultieren Konsequenzen für die kindliche Sprachentwicklung und das spätere Sprachvermögen (vgl. Hartfiel, 1981, S. 148).

Somit wirken sich die unterschiedlichen Sprachcodes der Eltern auf die sprachlichen Fähigkeiten ihrer Kinder aus. Während der elaborierte Sprachcode es einem Kind ermöglicht seine individuellen Absichten und Emotionen differenziert zu artikulieren und komplexe Aussagen zu tätigen, bietet der restringierte Sprachcode weniger Alternativen zur differenzierten Konstruktion sprachlicher Aussagen. Eigene Bedürfnisse können nur schwer verbal artikuliert, komplexe Zusammenhänge kaum durchschaut oder sprachlich übermittelt werden (vgl. Rolff, 1997, S. 116).

Dies hat wiederum Konsequenzen für die Bildungschancen der Kinder. Die sprachlichen Fähigkeiten nehmen diesbezüglich eine so zentrale Rolle ein, weil sie nicht nur Determinanten für die Kommunikations- und Ausdrucksfähigkeit bilden, sondern „das zentrale geistige Instrument zur Auseinandersetzung des Menschen mit seiner Umwelt darstellen“ (Hartfiel, 1981, S. 149). Zudem besteht ein nachgewiesener Zusammenhang zwischen Sprachfähigkeiten und kognitiven Fähigkeiten (vgl. ebd.; vgl. Rolff, 1997, S. 111). Die sog. Defizit-Hypothese Bernsteins geht danach von Nachteilen des restringierten Sprachcodes für die intellektuelle Entwicklung aus (vgl. Bernstein, 1972, S. 161 ff.).

Die Sprache spielt somit, schriftlich wie mündlich, auch in der Schule eine dominierende Rolle, denn über sie findet die gesamte Kommunikation statt. Sprachliche Leistungen werden nicht ausschließlich in den Sprachfächern, wie z.B. Deutsch verlangt, sondern in allen Schulfächern (vgl. Roeder, 1973, S. 17). Infolge der zentralen Bedeutung der Sprache in allen schulischen Fächern schlägt sich die Sprachfähigkeit eines Schülers in seiner Leistung und damit im Schulerfolg nieder (vgl. Ditton et al., 2005, S. 300). Deshalb können sprachliche Fähigkeiten als „Zentralschlüssel für den Lernerfolg in der Schule“ (ebd.) angesehen werden. Kinder der Arbeiter- bzw. Unterschicht mangelt es jedoch aufgrund ihres restringierten Sprachcodes teilweise an diesen Fähigkeiten. Sie vermischen häufig Folgerungen und Begründungen, haben eher als Kinder der Mittel- und Oberschicht Schwierigkeiten Symbole und Formeln zu deuten bzw. mit ihnen zu verfahren und komplexe Verallgemeinerungen zuzulassen. Zudem treten oft, wenn bereits die elaborierte Muttersprache nicht beherrscht wird, Schwierigkeiten beim Erlernen einer Fremdsprache auf (vgl. Rolff, 1997, S. 126).

Infolge eines Vorherrschens des elaborierten Sprachcodes in der Schule orientieren sich schulische Sprachanforderungen an der Sprache der Mittelschicht, was folglich den Kindern dieser Schicht entgegenkommt. An dem Maßstab des elaborierten Sprachcodes erfährt der restringierte Sprachcode in der Schule eine Nichtakzeptanz und Abwertung. Während demnach ein elaborierter Sprachcode den Schulerfolg begünstigt, setzt ihn ein restringierter Sprachcode, unabhängig von jeder angeborenen Fähigkeit und auch unabhängig von der Intelligenz des Schülers, herab (vgl. Hess et al., 1966, S. 65.). Belege dafür liefert die Intelligenzforschung, die konstatierte, dass Kinder der Arbeiterschicht in verbalen Intelligenztests weitaus schlechtere Ergebnisse erzielten als Kinder der Mittelschicht, während sich diese Differenzen in nichtverbalen Intelligenztests nivellierten. Auch ein Experiment Lawtons, in dem sprachliche Tests mit Kindern aus verschiedenen Schichten durchgeführt wurde, belegt, dass trotz gleicher durchschnittlicher Intelligenz aller teilnehmenden Schüler, die Schüler der Arbeiterschicht bis auf eine einzige Ausnahme weniger Punkte erreichten als die der Mittelschicht (vgl. Rolff, 1997, S. 118). Auch in der Schule ist daher anzunehmen, dass ein Schüler, der den restringierten Sprachcode verwendet bei gleicher Intelligenz schlechtere schulische Leistungen erbringt bzw. zumindest schlechter beurteilt wird als ein Schüler, welcher sich mittels des in der Schule geforderten elaborierten Codes artikuliert.

Diese schichtspezifischen sprachlichen Unterschiede haben folglich für die Bildungschancen die Konsequenz, dass Kinder aus sozial schwachen Familien, in denen ein restringierter Sprachcode vorherrscht, gegenüber Kindern aus oberen Schichten in der Schule ein fast unüberwindbares Handicap aufweisen.

Abschließend darf nicht unerwähnt bleiben, dass die These Bernsteins nicht unumstritten ist. Kritiker bemängeln die Übertragung der in England gewonnenen Erkenntnisse Bernsteins auf die deutschen Verhältnisse (vgl. Hartfiel, 1981, S. 156). Dieser Kritik kann jedoch entgegengehalten werden, dass eine Übertragung der Untersuchungen Bernsteins auf unseren deutschen Sprachraum durchaus statthaft ist, da sich seine Analyse weniger auf den Wortschatz oder idiomatische Redewendungen, sondern primär auf die Struktur der Sprache bezieht. Ferner können die Ergebnisse Bernsteins durch in der Bundesrepublik durchgeführte Untersuchungen zumindest partiell bestätigt werden, wie z.B. die an Lawtons angelehnte Untersuchung von Roeder oder Untersuchungen von Oevermann belegen (vgl. Rolff, 1997, S. 119). An Bernsteins Untersuchung ist jedoch kritisch hervorzuheben, dass er lediglich eine Unterscheidung in nur zwei Schichten vornimmt, was angesichts der heutigen komplexen Schichtenmodelle und Komplexität unserer Gesellschaft als eine zu grobe Einteilung bemängelt werden könnte. Zudem fixiert sich Bernstein zu sehr auf die Rolle der Eltern für den kindlichen Sprachgebrauch. Dem kann entgegengehalten werden, dass sich Kinder und Jugendliche in ihrem Sprachverhalten auch sehr stark an Altersgenossen (Peer-Groups) orientieren, was mit dem Faktum belegt werden kann, dass Kinder z.B. den Akzent ihrer Freunde adaptieren (vgl. Harris, 2000, S. 9); denn Sprache und sprachliche Eigenarten dienen auch immer der Abgrenzung zu den Eltern.

Zuletzt soll noch betont werden, dass die Bezeichnung „restringierter“, also beschränkter Sprachcode nach Ansicht der Verfasserin unangebracht erscheint, da er in sich schon eine Wertung enthält und dadurch dem Abbau von Vorurteilen nicht förderlich ist. Diesbezüglich bleibt zu bedenken, dass der restringierte Sprachcode innerhalb bestimmter Gruppen bzw. in bestimmten Situationen durchaus funktional und der elaborierte Sprachcode durchaus unfunktional sein kann, so dass jeder Sprachcode in bestimmten Situationen als restringiert bezeichnet werden könnte. Jedoch bleibt unbestritten, dass der in unteren Schichten gebräuchliche Sprachcode, so nützlich er in der eigenen Arbeits- und Lebenswelt auch sein mag, sich in der Schule nachteilig auswirkt.

3.2.1.3. Schichtspezifische Bildungsinhalte und Bildungserwerbsprozesse

Entgegen der weit verbreiteten Annahme, dass das Lernen und der damit verbundene Erwerb von Bildungsinhalten ausschließlich in der Schule stattfindet hat sich gezeigt, dass der Familie, vor Beginn wie während der Schulzeit, im Bildungserwerbsprozess eine bedeutende Rolle zukommt (vgl. Büchner/ Wahl, 2005, S. 366; vgl. Grundmann et al., 2004, S. 43). Bereits in der Vorschulzeit wird durch sie in unterschiedlichem Maße das Lernen des Kindes auf spielerische Art und Weise gefördert sowie während der Schulzeit durch unterschiedliche Anreize, Unterstützung und Wertschätzung von Bildung zum Lernen motiviert (vgl. Schütz/ Wößmann, 2005, S. 15). Der häusliche Anregungsgehalt hat dabei einen erheblichen Einfluss auf die Schulleistung (vgl. Geißler, 1994 b, S. 140).

Die Möglichkeiten innerfamiliärer Hilfen, Anreize und Bildungsangebote unterscheiden sich jedoch zwischen den sozialen Schichten stark voneinander. Infolge der eingeschränkten finanziellen Ressourcen befinden sich im Haushalt unterer Schichten seltener kulturtragende Güter wie Bücher, Zeitschriften, Malgeräte oder Musikinstrumente sowie anregendes Spielzeug. In oft beengten Wohnverhältnissen erfahren diese Kinder weniger Abwechslungsreichtum. Zudem erhalten Kinder unterer Schichten weniger Unterstützung bei den Hausaufgaben als Kinder höherer Schichten (vgl. ebd.).

Neben den Differenzen hinsichtlich des häuslichen Anregungsgehalts, differieren auch die Bildungsinhalte, die in den Familien vermittelt werden, schichtspezifisch.

Die Familie ist der Lebensbereich, in dem außerschulische, erfahrungsnahe und lebensweltliche Bildungsinhalte[15] vermittelt und internalisiert werden (vgl. Grundmann et al., 2004, S. 41). Da die Lebens- und Erfahrungswelten familien- und schichtspezifisch variieren und durch milieuspezifische Erfahrungsräume eine maßgebliche Beeinflussung erfahren, können die vermittelten Bildungsinhalte -je nach soziokulturellen Bedingungen- höchst variabel sein (vgl. Grundmann et al., 2003, S. 25). Hierbei spielen primär soziale Anerkennungsverhältnisse eine Rolle. Damit gemeint ist die Frage, ob und inwieweit spezifische Eigenschaften und Fähigkeiten in der jeweiligen Lebenswelt von Bedeutung und Nutzen sind (vgl. ebd., S. 30). So erfährt beispielsweise in einer Familie das handwerkliche Können eine höhere Wertschätzung und Vermittlung als die literarischer oder politischer Kenntnisse. An diesem Beispiel zeigen sich Unterschiede zwischen „bildungsfernen“ und „bildungsnahen“ Familien. Der Begriff der Bildungsnähe bzw. Bildungsferne bezieht sich auf die Nähe bzw. Ferne zu den institutionalisierten, standardisierten Bildungsinhalten der Schule. In sog. bildungsfernen Familien dominiert eine eher praktische Handlungsrationalität, die den Focus auf das praktische Handeln und den Nutzen gerichtet hat, während in bildungsnahen Familien auch die Vermittlung und Internalisierung von abstrakten Bildungsinhalten vollzogen wird (vgl. Grundmann et al., 2004, S. 41 ff.). Erstere vermitteln somit im Gegensatz zu den bildungsnahen Familien kaum institutionalisierte Bildungsinhalte d.h. standardisierte Schulbildung (vgl. Grundmann et al., 2003, S. 26).

Die Konsequenzen dieser Unterschiede in der Vermittlung von Bildungsinhalten zeigen sich in der Schule. Im Gegensatz zu erfahrungsweltlichen, familienspezifischen Inhalten dominieren in der Schule lebensferne, abstrakte Bildungsinhalte, die vorwiegend den Kindern höherer Schichten von zu Hause her vertraut sind. Bildungsferne, oft untere Sozialschichten, in denen eine praktische Handlungsmentalität vorherrscht, können ihren Kindern den unmittelbaren Nutzen der schulischen, abstrakten Bildungsinhalte schwer vermitteln, da diese in zu starkem Kontrast zu ihren eigenen lebensnahen Bildungsvorstellungen stehen (vgl. Grundmann et al., 2004, S. 41 ff.). Kinder aus diesen Familien haben es folglich, aufgrund der Differenzen zwischen familiären und institutionellen Bildungsprozessen sowie der daraus resultierenden Diskrepanzen zwischen schulischen Wissensanforderungen und herkunftsspezifischem Wissensvorrat, in der Schule weitaus schwerer.

Selbst bei einer Adaptation der institutionellen Anforderungen besteht die Gefahr einer Entfremdung von ihrem Herkunftsmilieu und somit der mögliche Verlust des Bezuges zu ihrer Herkunftsfamilie. Denn das „Sich- Einlassen“ auf die institutionellen Bildungsprozesse bedeutet für Kinder unterer Schichten gleichzeitig die Aufgabe der bisherigen lebensweltlichen, familiären Bildungsprozesse und eine damit verbundene Entwertung bzw. Negation derselbigen (vgl. Grundmann et al., 2004, S. 53 ff.). Zudem besteht das Risiko im Falle eines Scheiterns im schulischen Bereich, nicht nur das schulische, sondern auch das soziale Kapital d.h. die Werte familiärer Solidarität und Reziprozität zu verlieren (vgl. Grundmann et al., 2003, S. 38). Ein Aufstieg durch Bildung wird infolge einer möglichen Entfremdung gegenüber der Herkunftsfamilie von Kindern aus sozial schwachen Familien daher meist vermieden (vgl. Grundmann et al., 2004, S. 53 ff.).

Der Erfolg im Bildungswesen ist folglich, wie die Ausführungen belegen, abhängig von den Differenzen bzw. den Passungen zwischen erfahrungsweltlichen und institutionalisierten Bildungsinhalten (vgl. Bauer/ Bittlingmayer, 2005, S. 15).

Somit stellt die schichtabhängige Differenz zwischen erfahrungsweltlichen und institutionalisierten Bildungsinhalten einen entscheidenden Faktor des primären Effektes bei der Bildungschancenungleichheit dar.

[...]


[1] Art. 3 Abs. 3 GG besagt: „Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“.

[2] Nachfolgend wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit auf eine Differenzierung zwischen der weiblichen und der männlichen Schreibweise verzichtet, so dass die männliche Form als Gattungsbegriff immer beide Geschlechter einschließt. Es wird darauf hingewiesen, dass damit keinesfalls eine Diskriminierung intendiert sein soll.

[3] Das Schichtmodell von Geißler wird an dieser Stelle herausgegriffen, da sich diese Arbeit primär auf seine Werke zur schichtspezifischen Chancenungleichheit bezieht.

[4] „Unter Bildungsbeteiligung wird i.d.R. die Art, der Umfang und die Dauer der formalen Bildung von Personen und gesellschaftlichen Gruppen verstanden, die an bestimmten Bildungslaufbahnen und (…) Bildungsabschlüssen in bestimmten Bildungsinstitutionen festgemacht wird“ (Büchner, 2003, S. 13).

[5] ESCO bedeutet Index of Economics, Social and Cultural Status.

[6] Der Begriff Bildungsexpansion stammt aus der Bildungsforschung und bezeichnet den enormen Ausbau des Bildungswesens im sekundären und tertiären Bereich (vgl. Geißler, 2002, S. 334).

[7] Einige Autoren bestreiten eine Ungleichheitszunahme der unteren Schichten im gymnasialen Bereich und gehen von einer Chancenzunahme der unteren Schichten aus, so dass diese Ergebnisse im Widerspruch zu Geißlers Ausführungen stehen (vgl. Schimpl- Neimanns, 2000, S. 637). Diese konträren Ergebnisse resultieren aus unterschiedlichen Auswertungsverfahren: Die Bezugsgröße bei Geißler ist die Prozentpunktzahl, bei Schimpl- Neimanns u.a. die Chancenproportion (vgl. Geißler, 2004 c, S. 369).

[8] Die deutsche Bildungsstatistik liefert nur bis 1989 vollständiges Datenmaterial, welches zur Auswertung der Entwicklung der schichtspezifischen Bildungschancen verwendet werden kann. Bis 1989 wurde in der Datenerhebung zwischen den Schulformen differenziert, ab 1990 nur noch nach Klassenstufe (vgl. Geißler, 2004 c, S. 367; vgl. Rolff, 2004, S. 7).

[9] Unter Umwelt versteht man in der Psychologie die Lebenswelt einer Person, welche auch als Erfahrungsraum bezeichnet werden kann (vgl. Zimbardo/ Gerrig, 1999, S. 799).

[10] Sozialisation definiert sich als „Prozess der Entstehung individueller Verhaltensmuster, Werte, Maßstäbe, Fähigkeiten und Motive in Auseinandersetzung mit den entsprechenden Maßstäben der Gesellschaft“ (Zimbardo/ Gerrig, 1999, S. 798). Die familiale Sozialisation ist primär durch die elterlichen Werte, Einstellungen und Erziehungsziele geprägt (vgl. Hradil, 2001, S. 447).

[11] Unter Erziehung versteht man „absichtsvolle und planvolle Maßnahmen (…) durch die Erwachsene in den Prozess des kindlichen Lernens einzugreifen versuchen, um Lernvorgänge zu unterstützen oder in Gang zu bringen, (…) welche von den Erwachsenen als wünschenswert angesehen werden“ (Fend 1976, S. 50). Damit stellt Erziehung, teils im Gegensatz zur Sozialisation, eine absichtsvolle Einwirkung auf die Persönlichkeit dar (vgl. Hradil, 2001, S. 447).

[12] Die Theorie Boudons wird für dieses Kapitel ausgewählt, da sie international in einer Vielzahl von empirischen Untersuchungen verwendet wird und auch heute noch allgemeine Akzeptanz genießt (vgl. Schimpl- Neimanns, 2000, S. 639 f.) Unter anderem beziehen sich Breen und Goldthorpe (1997), Ditton (1992), Erikson und Johnsson (1996), Esser (1999) und Meulemann (1985) auf die Theorie Boudons.

[13] Leistungsmotivation meint „den Wunsch im Wettbewerb mit anderen erfolgreich zu sein und gestellte Leistungsanforderungen bestens zu erfüllen“ (Geißler, 1994 b, S. 138).

[14] Autoritarismus bezeichnet ein „Erziehungsverhältnis, das auf einer widerspruchslosen, bedingungslosen

Unterwerfung unter einen kritiklos anerkannten Autoritätsanspruch beruht (…)“ (Hartfiel, 1981, S. 182).

[15] Unter lebensweltlichen Bildungsprozessen versteht man jene Bildungsprozesse, die „jenseits der Logiken institutionell-schulischen Lernens situiert sind und in Familie, Freundschaftsbeziehungen und sog. Peergroups verlaufen; (sie) münden in eine allgemeine Handlungsbefähigung zur Lebensführung“ (Grundmann et al., 2004, S. 47).

Fin de l'extrait de 136 pages

Résumé des informations

Titre
Schichtspezifische Chancenungleichheit in der Schule. Ausprägung, Ursachen und Lösungsansätze
Université
University of Hildesheim  (Erziehungswissenschaften)
Note
1,0
Auteur
Année
2006
Pages
136
N° de catalogue
V69353
ISBN (ebook)
9783638602174
ISBN (Livre)
9783638844505
Taille d'un fichier
1099 KB
Langue
allemand
Mots clés
Schichtspezifische, Chancenungleichheit, Schule, Ausprägung, Ursachen, Lösungsansätze
Citation du texte
Claudia Brunsch (Auteur), 2006, Schichtspezifische Chancenungleichheit in der Schule. Ausprägung, Ursachen und Lösungsansätze, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69353

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Titre: Schichtspezifische Chancenungleichheit in der Schule. Ausprägung, Ursachen und Lösungsansätze



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