Krieg denken. Grundfragen zur politischen Theorie des Krieges im Anschluss an Carl von Clausewitz.


Thesis (M.A.), 2006

133 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Den Krieg denken

2. Zur politischen Theorie des Krieges
2.1 Vom „Kabinettskrieg“ zum „Volkskrieg“: Clausewitz und der Wandel des Krieges an der Schwelle zum 19. Jahrhundert
2.2 Der „Begriff“ des Krieges
2.3 Der Krieg als politisches Mittel
2.4 Thematische Ausgestaltung der Theorie
2.4.1 Existentielle und instrumentelle Kriegsauffassung
2.4.2 Angriff und Verteidigung
2.4.3 Entscheidungsschlacht und Volkskrieg
2.5 Die Clausewitz-Kritik

3. Kriegsdefinitionen

4. Krieg, Völkerrecht und Moral
4.1 Wie begründet man einen Krieg? Aktuelle Entwicklungen zu einer zwingenden Frage
4.2 Krieg zwischen Völkerrecht und Moral
4.2.1 Die Entwicklung des modernen Völkerrechts und der Einfluss der Moral
4.2.2 Zur moralischen Begründung von Kriegen
4.3 „Gerechter Krieg“ und „Gerechter Feind“
4.4 Vom Primat der Politik zum Primat der Moral?

5. Machtpolitik und kooperative Politik im Widerstreit
5.1 Offene Fragen zu Clausewitz' Theorie
5.2 Clausewitz und die Theorie rationaler Entscheidung
5.3 Kooperation und Konflikt in den internationalen Beziehungen
5.4 Rationalität in den internationalen Beziehungen – eine Bestandsaufnahme

6. Praktische Anwendungsmöglichkeit der Theorie am Beispiel der Kriegsentscheidungen der Bundesrepublik Deutschland
6.1 Entscheidung über einen Auslandseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan
6.2 Entscheidung über einen Auslandseinsatz der Bundeswehr im Irak
6.3 Trifft die Bundesrepublik Kriegsentscheidungen im Sinne Clausewitz' ?

7. Clausewitz und das 21. Jahrhundert

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Schematische Darstellung des strukturell-individualistischen Ansatzes

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Konfliktintensitäten und-typen nach Pfetsch/Billing 1994

Tabelle 2: Spieltheoretische Darstellung des Nullsummenspiels

Tabelle 3: Spieltheoretische Darstellung des Gefangenendilemmas

1. Den Krieg denken

Mindestens dreimal während der letzten 200 Jahre wurde die Hoffnung, der Krieg könne endlich dauerhaft überwunden sein, zerstört (vgl. [Münkler 2002a]: 9 f.): Die Friedenserwartungen nach dem Ende der Blockkonfrontation des Kalten Krieges wurden mit der Realität der Balkankriege, zweier Irak-Kriege sowie neuerdings eines potentiell weltweiten Kampfes gegen den Terrorismus konfrontiert und vermutlich in weite Ferne verwiesen.

Schon an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert nährte die in Reichweite gerückte industrielle Waffenproduktion und das Aufgebot von Massenheeren die Vorstellung, dass die Folgen eines militärischen Zusammenstoßes der Großmächte für alle Beteiligten so schwer wiegende Nachteile hätten, dass die reine Existenz dieses Vernichtungspotentials paradoxerweise selbst kriegsverhindernd wirken sollte. Dass das 20. Jahrhundert mit seinen Millionen von Kriegstoten in der Erinnerung das verheerendste seit dem 30jährigen Krieg bleiben wird, zeigt den Irrtum dieser Friedensutopien auf.

Am Beginn der Entwicklung stand in gewisser Weise jedoch das Zeitalter der Aufklärung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Denker wie Kant und Rousseau hegten große Hoffnungen in die Rationalisierung und Demokratisierung der politischen Ordnung. Auch dem Handelsgeist sprach man eine pazifizierende Wirkung zu, denn wer guten Handel miteinander treibe, setze dies nicht durch einen Krieg aufs Spiel. Kant formulierte in seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“:

„Wenn die [...] Bestimmung der Staatsbürger dazu erfordert wird, um zu beschließen, ob Krieg sein solle, oder nicht, so ist nichts natürlicher, als daß, da sie alle Drangsale des Krieges über sich selbst beschließen müssten [...], sie sich sehr bedenken werden, ein so schlimmes Spiel anzufangen [...]“ ([Kant 1984]: 12 f.).

Als Kant diese Worte 1795 niederschrieb, hatte jedoch bereits eine Entwicklung begonnen, die ihn ironischerweise widerlegen sollte: In den Expansionsbewegungen der Französischen Revolution war es gerade erstmals eine aus Staatsbürgern und Patrioten gebildete Revolutionsarmee, die in den nächsten zwei Jahrzehnten fast ganz Europa in nie da gewesener Weise überrennen sowie dem Krieg substantiell eine bis dahin undenkbare Form geben sollte. Herfried Münkler weist darauf hin, dass dieser „Volkskrieg“ alle Hegungen der bis dahin üblichen Kabinettskriege abgestreift hatte: „Damit aber wurden auch jene aufklärerischen Friedensutopien obsolet, wie sie – auf einer moralischen Verurteilung des Krieges beruhend – [...] das politische Denken des 18. Jahrhunderts beherrscht hatten“ ([Münkler 2002a]: 119).

Nach der „Kanonade von Valmy“, am 20. September 1792, bei der eine preußisch-österreichische Interventionsarmee den Truppen der Revolution unterlag, und die den Ausgangspunkt der Revolutionskriege darstellt, soll der im Gefolge des Herzogs von Weimar während der Schlacht anwesende Johann Wolfgang von Goethe gesagt haben: „Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und Ihr könnt sagen, Ihr seid dabei gewesen“ ([Müller 2003]: 135). Einer, der diese neue Epoche der Weltgeschichte miterlebte, war Carl von Clausewitz. Am 01.06.1770 in Burg bei Magdeburg geboren und bereits mit zwölf Jahren in die preußische Armee eingetreten, durchlief Clausewitz bis zu seinem Tod im Jahr 1831 zwei Geschichtsepochen, wie Raymond Aron feststellt:

„[...] zunächst das Europa der Revolutions- und Napoleonischen Kriege – von 1793/94, dem Jahr des Frankreich-Feldzuges, an dem der dreizehnjährige Soldat teilnahm, bis zum Feldzug von 1815 [...]; dann erlebte er das befriedete Europa der Heiligen Allianz, das den sich nach Heldentaten sehnenden Offizieren kaum noch Aussichten bot, aber zum Nachdenken anregte über die Ereignisse von gestern und die daraus für die Zukunft zu ziehenden Lehren“ ([Aron 1980]: 35. Hervorhebung T. F.).

Die Essenz dieses Nachdenkens legte Clausewitz von circa 1816[1] bis zu seinem Tode, am 16.11.1831, in „Vom Kriege“ dar, das posthum von seiner Frau Marie veröffentlicht wurde. Clausewitz' Lebenserfahrungen, so Raymond Aron, trügen in sich selbst eine Lehre, die man in seinem Werk wiederfinde. Basierend auf den Ereignissen seiner Lebenszeit „[...] errichtete dieser Offizier ein geistiges Gebäude, das noch nach anderthalb Jahrhunderten Ehrfurcht einflößt“ ([Aron 1980]: 75).

Die Veröffentlichung von „Vom Kriege“ löste eine Welle der Beschäftigung mit Clausewitz' Kriegstheorie aus, die bis heute anhält: „Der internationale Ruf der Schrift « Vom Kriege » kann sich auf gute objektive Gründe stützen. Zum erstenmal behandelt ein Autor so viele für die Kriegsthematik relevante Gebiete in zusammenhängender Form“, fasst Ulrike Kleemeier zusammen (vgl. [Kleemeier 2002]: 215). „Vom Kriege“ sei das „Standardwerk der Kriegstheorie schlechthin“ und aus „der westlich-liberalen Tradition der Militär- und Kriegstheorie ist sie mittlerweile nicht mehr wegzudenken“ ([Kleemeier 2002]: 215). Herfried Münkler, der sich für die Forschung in Deutschland intensiv mit der Aktualität des Werkes Clausewitz', dem „viel zitierte[n] aber wenig gelesene[n]“, beschäftigt, sagt über seine Theorie: Sie werde unberechtigterweise

„[...] heute zumeist als Inbegriff des preußisch-deutschen Militarismus verstanden oder [...] als politische Direktive aus der Zeit vor der Entwicklung der Atombombe, als der Krieg, wie zugestanden wird, tatsächlich noch ein Mittel der Politik gewesen ist“ ([Münkler 2003]: 5).

Die politische Theorie des Krieges, die Clausewitz aus seinen Betrachtungen der eigenen Lebenszeit und ihrer umfassenden politisch-militärischen Ereignisse abgeleitet hatte, wird aller Kritik zum Trotz jedoch von einer wachsenden Zahl von Politikwissenschaftlern in weiten Teilen immer noch als für unsere heutigen Verhältnisse adäquat erachtet: „Trotz seiner unbezweifelbaren Grenzen und auch problematischer Positionen hat Clausewitz [...] ein diskursives Feld geschaffen, innerhalb dessen sich die Theorie des Krieges auch heute noch in wesentlichen Teilen bewegt“ ([Herberg-Rothe 2001a]: 16). Münkler warnt, dass besonders in Deutschland die Beschäftigung mit Clausewitz eine sei, mit dem, „[...] was nicht mehr ist oder nicht mehr sein soll [...], jedoch nicht als Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der Gegenwart“ ([Münkler 2003]: 5). Ohne historisierend zu erscheinen, kann eine starke thematische Konvergenz der Gegenwart mit den Zeiten Clausewitz' erkannt werden: Auch heute stehen die Staaten vor der schwierigen Aufgabe, einem Feind Paroli zu bieten, der ganz andere Formen des Kampfes nutzt als sie selbst und als dies bisher Usus war[2]. Auch heute stehen sich Kontrahenten gegenüber, die über sehr asymmetrisch verteilte Kräfte verfügen. Und auch heute werden Diskussionen darüber geführt, ob es nicht sinnvoll sei, die Kampftechniken des Gegners wenigstens teilweise anzunehmen, um so den eigenen Nachteil auszugleichen.

[...]


[1] Ab 1818 in der Position des Direktors der Kriegsschule in Berlin.

[2] Münkler weist darauf hin, dass Terrorismus ab einer gewissen Größenordnung nicht mehr als Straftat sondern als politisch-militärische Strategie betrachtet werden müsse ([Münkler 2002a]: 252). Deshalb ist es legitim, Terrorismus als Kampfform zu bezeichnen (und nicht etwa als neue Kriegsart).

Excerpt out of 133 pages

Details

Title
Krieg denken. Grundfragen zur politischen Theorie des Krieges im Anschluss an Carl von Clausewitz.
College
University of Würzburg  (Institut für Politische Wissenschaft)
Grade
1,0
Author
Year
2006
Pages
133
Catalog Number
V69531
ISBN (eBook)
9783638613576
ISBN (Book)
9783638694728
File size
1577 KB
Language
German
Keywords
Krieg, Grundfragen, Theorie, Krieges, Anschluss, Carl, Clausewitz
Quote paper
M. A. Tim Frodermann (Author), 2006, Krieg denken. Grundfragen zur politischen Theorie des Krieges im Anschluss an Carl von Clausewitz., Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69531

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