Zum Problem des 'Raubrittertums': Die Kriminalisierung ritterlicher Gewalt und die Durchsetzung einer bürgerlichen Werteorientierung


Dossier / Travail, 2006

29 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Der Begriff des „Raubritters“
2.1 Die Genese des „Raubritter“ - Begriffs
2.2 Der Begriff des „Raubritters“ in der Forschung

3. Zur wirtschaftlichen Lage des Rittertums im Mittelalter
3.1 Wirtschaftliche Situation

4. Kriminalisierung und Bekämpfung ritterlicher Gewalt
4.1 Die Fehde als Rechtsinstitut?
4.2 Abschaffung der Fehde als Rechtsinstitut
4.3 Tendenzielle Durchsetzung einer städtisch- bürgerlichen Werteorientierung

5. Verfolgung der Raubritter
5.1 Individuelle und kollektive städtische Maßnahmen
5.2 Der Ritter als Räuber- Einfluss des Standes auf das strafrechtliche Verfahren

6. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Item eyn jeder boßhafftiger überwundner rauber, soll nach vermöge vnser vorfarn, vnnd vnserer gemeyner Keyserlichen rechten, mit dem schwerdt oder wie an jedem ort inn disen fellen mit guter gewonheyt herkommen ist, doch am leben gestrafft werden“[1] .

Wie dieser Auszug, aus der peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V von 1532 verdeutlicht, wurde ab Mitte des 16. Jahrhunderts strikt gegen Räuber, beziehungsweise Raubritter vorgegangen.

Nun stellt sich zum Einen die Frage warum solch drastische Maßnahmen gegen die Raubritter ergriffen wurden, und ob sie ergriffen werden mussten. Warum kam eine derart große Verbreitung des Raubrittertums überhaupt zustande? Zum Anderen stellt sich die Frage welche Gründe die Ritterschaft dazu bewegte, diese Maßnahmen des Raubrittertums zu ergreifen. Ebenso erstaunlich ist, dass das so genannte Raubrittertum Jahrhunderte lang Bestand hatte und nur wenige, erfolgslose, Anstrengungen unternommen wurden, dieses Treiben zu unterbinden. Handelte es sich bei den Raubzügen der Ritter um Taten, die zu der Zeit rechtens waren, und wenn ja warum wurden sie dann kriminalisiert? Offen ist auch noch die Frage, wie Städte mit den Rittern umgingen, die sie aufgrund von Raubzügen dingfest gemacht hatten. Dabei sollte als Hauptproblem betrachtet werden, wie stark die Städte mit ihren neuen Werten und Orientierungen zu einer Kriminalisierung ritterlicher Gewalt beigetragen haben.

Diese Fragen versucht diese Arbeit zu untersuchen und zu beantworten.

Der zeitliche Rahmen dieser Untersuchung reicht von der Mitte des 13. Jahrhunderts bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts. Zu Beginn wird zunächst einmal betrachtet, ob der Begriff des Raubritters überhaupt aus dem Mittelalter stammt, oder ob er aus unserer romantisch-verklärten Sicht auf das Mittelalter entsprungen ist. Im Zusammenhang mit der Genese des „Raubritter“ - Begriffs soll nun der Forschungsansatz zum Begriffs des „Raubritters“ beleuchtet werden. Unter Anderen werden die Positionen von Otto Brunner, Renate Görner und Luise von Winterfeld unter Augenschein genommen und untersucht. Nach der begrifflichen Klärung geht diese Arbeit auf die wirtschaftliche Situation der Ritter ein. Dies geschieht unter der Problemstellung, ob es die Ritter nötig hatten zum Raubrittertum über zu gehen und welche Gründe sie dafür gehabt haben könnten.

In dem darauf folgenden Passus wird die Kriminalisierung und Bekämpfung der ritterlichen Gewalt untersucht. Hier stellt sich zunächst einmal die Frage, ob die Fehde im Mittelalter ein Rechtsinstitut war. Die Abschaffung der Fehde und die tendenzielle Durchsetzung einer städtisch- bürgerlichen Werteorientierung werden im Anschluss hieran diskutiert. Der nächste Abschnitt befasst sich mit der Verfolgung der Raubritter. Im ersten Teil dieses Kapitels werden die individuellen und die kollektiven Maßnahmen der Städte gegen die Raubritter diskutiert. Weiterhin wird im Anschluss daran erörtert, ob bei der Verurteilung der Ritter ihr höherer Stand zu einer positiven Veränderung der Strafe für sie geführt hat. Abgeschlossen wird diese Arbeit mit einem kurzen Fazit.

2. Der Begriff des „Raubritters“

2.1 Die Genese des „Raubritter“ - Begriffs

Der Begriff des Raubritters ist kein Quellenbegriff des Spätmittelalters, er war zur Zeit des Mittelalters nicht existent. Es existierten zwar die Begriffe wie „Raubhaus“ oder „Raubschloß“, der Begriff des Raubritters entstand aber erst weitaus später. Die um die Wende zum 19. Jahrhundert aufkommende Burgenromantik trug wesentlich zu der Erschaffung der Figur des Raubritters bei.

In der bildungsbürgerlichen Literatur fand der Begriff des Raubritters als erstes in Friedrich Christoph Schlossers „Weltgeschichte für das deutsche Volk“ Beachtung, zur weiteren Verbreitung des Begriffs haben auch die sehr publikumswirksamen Weltgeschichten von Karl Friedrich Becker und Otto Spamer, sowie viele weitere Werke beigetragen.[2]

Während des Vormärz´ und der Revolution von 1848/49 eignete sich der Begriff des Raubritters besonders gut für die politische Polemik. So wurde von „Raubvögeln“ vor den Städten geschrieben. Es wurde verbreitet, dass man im 19. Jahrhundert lebte, aber „die Burgen der Raubritter sind gefallen, allein die Lasten, welche sie ihren Grundholden aufgelegt, bestehen noch immer fort“[3].

Tatsächlich liegt für den Terminus des Raubritters kein quellenkundlicher Beweis vor. Es existierten verschiedene Vorstellungen, die mit dem Begriff des Raubritters verbunden wurden.

Zum Einen die Verurteilung des Mittelalters als Epoche des Faustrechts im aufklärerischen Sinne, zum Anderen im Sinne der Romantik zur verklärenden Idealisierung einer als kraftvoll und freiheitsliebend empfundenen deutschen Vergangenheit.

2.2 Der Begriff des „Raubritters“ in der Forschung

Um den Begriff des Raubritters genauer zu untersuchen darf man ihn nicht unkritisch ins Mittelalter transponieren. Man sollte ihn von den modernen Konnotationen, vorwiegend aus dem 19. Jahrhundert stammend, lösen. Es muss erschlossen werden, ob man anhand der überlieferten Quellen imstande ist, die sogenannten „Raubritter“ in dem Kontext von Kriminalität, auch im Rahmen der damaligen sozialen und gesellschaftlichen Vorraussetzungen, eindeutig zu identifizieren.

Während im 19. Jahrhundert der Begriff des Raubritters als selbstverständlich hingenommen wurde, kamen während des 20. Jahrhunderts immer mehr Gegner dieses Begriffs auf. Zu den bedeutendsten Forschern, die den Begriff des Raubritters aufs entschiedenste zurückweisen, gehören unter anderen Friedrich von Klocke und Otto Brunner. Letzterer kritisiert die Geschichtsschreibung zum Mittelalter. Sie sei nur aus Sicht des neuzeitlichen Staates geschrieben, den lokalen Potentaten dieser Zeit wurde nur Habgier und Eigennutz vorgeworfen[4]. Brunner kritisiert, dass zwischen Raub und Fehde nicht unterschieden wird, obwohl es sich um Raub nur bei einer unrechten Fehde handelte[5], und die rechte Fehde ein probates politisches Mittel jener Zeit gewesen sei.

Beim Faust- und Fehdewesen im Mittelalter handelte es sich um ein legitimes Selbsthilfesystem, an dem alle Stände partizipiert haben.

Daher vertritt Renate Görner den Standpunkt, dass man, wenn man von Raubrittern spricht, die Begriffe „Raubbürger“ und „Raubbauern“ auch benutzen muss[6].

Es kam auch vor, dass gegen das Fehdewesen, gewollt oder ungewollt, verstoßen wurde. Doch hierbei handelte es sich aus Sicht von Friedrich von Klocke eher um Ausnahmefälle. Die große Masse der Fehden seien rechtmäßig gewesen.[7] Problematisch bei der Unterscheidung zwischen einer rechten Fehde und einer kriminellen Handlung war, dass die Kampfmittel bei beiden fast identisch waren.

Im Gegensatz zu den Ausführungen Klockes´ vertritt Luise von Winterfeld die Ansicht, dass der Begriff des Raubritters durchaus berechtigt ist. Ihrer Meinung nach ist dieser Terminus für diejenigen voll zutreffend, die allein aus Gründen der Armut und Raublust, unter dem Schutz des Fehdebriefes, teilweise auch ohne, die Räuberei als Erwerbsform betrieben.[8]

Abschließend ist, im Hinblick auf die Forschungsperspektive, zu diesem Thema zu sagen, dass alle Gesellschaftsschichten ihren Anteil an der Gewalttätigkeit im Mittelalter hatten, die Ritter trugen zwar am meisten hierzu bei, doch waren sie auch im Namen von Personen tätig, die aus anderen Gesellschaftsschichten kamen. Daher kann der Begriff des Raubritters durch jeden beliebigen anderen, wie Raubbauer, Raubbürger, Raubfürst oder Raubkleriker, ersetzt werden.

3. Zur wirtschaftlichen Lage des Rittertums im Mittelalter

Bevor man konkret sagen kann, dass im Spätmittelalter das „Raubrittertum“ stark zugenommen hat, muss man sich die Frage stellen ob die Ritter es überhaupt nötig hatten sich als „Raubritter“ zu betätigen?“

Um diese Frage zu beantworten wird im folgenden zunächst einmal die Frage untersucht, ob sich die wirtschaftliche Situation der Ritter tatsächlich derartig verschlechterte, dass sie zum „Raubrittertum“ übergehen mussten, um zu überleben.

Die These, dass die Ritter nicht anpassungsfähig waren, die sich ihnen eröffnenden Chancen nicht wahrgenommen haben und dadurch ihre Lebenslage verschlechtert haben, soll hier bestätigt oder widerlegt werden. Es wird untersucht ob ein Zusammenhang zwischen dem „Raubrittertum“ und Armut gegeben ist.

3.1 Wirtschaftliche Situation

Die wirtschaftliche Situation der Ritter zu schätzen ist äußerst problematisch. Man kann nur annähernde Größenordnungen der Einkünfte angeben. Zum Einen sind Naturalabgaben schwer zu errechnen, zum Anderen herrscht zur Zeit des Spätmittelalters das Problem vieler verschiedener Währungen, verbunden mit instabilen Währungskursen.[9]

Die Einkünfte der Ritter stammten aus dem Eigen-, oder Lehngut, das sie den Bauern gegen Geld- oder Naturalabgaben zur Verfügung stellten. Sie konnten auch aus dem Besitz an Hoheitsrechten, aus Gerichtsbefugnissen oder Vogteien und aus dem Zehnten rühren.

[...]


[1] Sinngemäß: "Ferner soll jeder bösartige festgenommene Räuber nach Art unserer Vorfahren und gemäß allgemeinem kaiserlichen Recht mit dem Schwert oder wie es an anderen Orten üblich ist, hingerichtet werden.", Kaufmann, A., Die peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V von 1532, Stuttgart 1980, S. 82.

[2] Andermann, K., Raubritter – Raubfürsten – Raubbürger?. Zur Kritik eines untauglichen Begriffs, in: Andermann, K., (Hg), „Raubritter“ oder „Rechtschaffende vom Adel“?. Aspekte von Politik, Friede und Recht im späten Mittelalter, Sigmaringen, 1997, S. 10.

[3] Zitiert nach: Vollmer, F.X., Die 48er Revolution in Baden, in: Badische Geschichte vom Großherzogtum bis zur Gegenwart, Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Stuttgart 1979, S. 43.

[4] Brunner, O., Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter, Darmstadt 1973, S. 3ff.

[5] Brunner, O., Land und Herrschaft, S. 83f.

[6] Görner, R., Raubritter. Untersuchungen zur Lage des spätmittelalterlichen Niederadels, besonders im südlichen Westfalen, Münster in Westfalen 1987, S. 164.

[7] Klocke, F. v., Beiträge zur Geschichte von Faustrecht und Fehdewesen in Westfalen, in: Westfälische Zeitschrift 94, 1938, S. 55.

[8] Winterfeld, L. v., Ruten und roven. Ein Beitrag zur Geschichte des Feudalunwesens und Straßenraubes in Westfalen, in: Dortmunder Beiträge 46, 1940, S. 109.

[9] Görner, R., Raubritter, S. 23.

Fin de l'extrait de 29 pages

Résumé des informations

Titre
Zum Problem des 'Raubrittertums': Die Kriminalisierung ritterlicher Gewalt und die Durchsetzung einer bürgerlichen Werteorientierung
Université
Bielefeld University  (Fakultät für Geschichtswissenschaften,)
Cours
'Sozialgeschichte des Adels in der Vormoderne'
Note
1,7
Auteur
Année
2006
Pages
29
N° de catalogue
V69631
ISBN (ebook)
9783638621366
ISBN (Livre)
9783638673679
Taille d'un fichier
511 KB
Langue
allemand
Mots clés
Problem, Raubrittertums, Kriminalisierung, Gewalt, Durchsetzung, Werteorientierung, Adels, Vormoderne“
Citation du texte
Daniel Volker (Auteur), 2006, Zum Problem des 'Raubrittertums': Die Kriminalisierung ritterlicher Gewalt und die Durchsetzung einer bürgerlichen Werteorientierung , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69631

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