Die Darstellung der menschlichen Geschlechtlichkeit in Michel Houellebecqs Roman Elementarteilchen hat nicht nur europaweit für Aufregung, sondern auch für nicht weniger Verwunderung gesorgt: „Was ist das für eine Zeit, in der ein Typ zum Idol wird, der das Gefühl des männlichen Versagens angesichts »emanzipierter Frauen« in Stärke verkehrt, Drastik kultiviert und seine sexistische Wahrnehmung von Frauen als solche ausstellt“ , fragt Mirjam Schaub bezüglich der Reduktion der weiblichen Romanfiguren auf ihren Körper und ihren sexuellen Tauschwert - eine Verstörung, welche sich nicht nur durch die immanente Position erklärt, zu welcher Houellebecq die Frauen seines Romans verurteilt, sondern v.a. auch durch die große Verbreitung und die Zustimmung, welche der Roman in seiner Rezeption erhalten hat. Ungeachtet dessen, wie man persönlich zu den Elementarteilchen steht, muß festgehalten werden, daß der Roman somit sowohl Seismograph als auch Teilhaber des aktuellen Geschlechterdiskurses ist.
Die feministische Kritik, wie sie sich in den wenigen, deutschsprachigen Publikationen zu Elementarteilchen präsentiert, konzentriert sich im Wesentlichen auf Houellebecqs vielfältige Darstellung der männlichen Sexualität und der meist impliziten Objektsetzung der Frau als bspw. „Lutschmäulchen“, „Schlampe“ oder, wie im Falle Annicks, Brunos flüchtiger Urlaubsbekanntschaft, als zwar „keine Schönheit“, aber Trägerin einer „anziehenden Möse, einer ebenso anziehenden Möse, wie die jeder Frau“ . Einen weiteren großen Bereich der feministischen Literaturkritik jedoch, nämlich die Darstellung von Frauen in ihrer sozialen Funktion als Mutter, sparen diese Veröffentlichungen überraschenderweise aus.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einführung
- 2. Abriß der sozialhistorischen Genese von Mütterlichkeit und Mutterliebe
- 3. Mutterfiguren in Elementarteilchen
- 3.1. Die „lieblose“ Mutter
- 3.2. Die Großmütter als weibliches Ideal
- 3.3. Annabelle und Christiane: Ersatzmütter auf Zeit
- 3.3.1 Annabelle
- 3.3.2 Christiane
- 4. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Darstellung von Mutterfiguren und Muttermythen in Michel Houellebecqs Roman „Elementarteilchen“. Sie analysiert, wie Houellebecq das Bild der Mutter überhöht und mythisiert, und untersucht den zugrundeliegenden Subtext der Sehnsucht der männlichen Protagonisten nach dem Mutterschoß. Die Arbeit beleuchtet die sozialhistorische Genese von Mütterlichkeit und Mutterliebe und setzt dies in Beziehung zu den weiblichen Figuren des Romans.
- Darstellung von Mütterlichkeit in Houellebecqs „Elementarteilchen“
- Sozialhistorische Entwicklung von Mutterbildern
- Mythisierung der Mutterrolle im Roman
- Analyse der weiblichen Figuren als Repräsentanten von Mutterbildern
- Verbindung zwischen der Sehnsucht der männlichen Protagonisten und dem Mutterschoß
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einführung: Diese Einleitung führt in die Thematik der Darstellung weiblicher Figuren in Houellebecqs „Elementarteilchen“ ein und kritisiert das Auslassen der Mutterrolle in der bisherigen feministischen Literaturkritik zum Roman. Sie stellt die These auf, dass dem Roman ein Subtext zugrunde liegt, der die Männer als von Sehnsucht nach dem Mutterschoß geprägt darstellt. Die Arbeit kündigt die Analyse der weiblichen Figuren – Janine, die Großmütter und die Ersatzmütter Annabelle und Christiane – an, um die Überhöhung und Mythisierung mütterlicher Verhaltensweisen und Prinzipien durch den Autor aufzuzeigen.
2. Abriß der sozialhistorischen Genese von Mütterlichkeit und Mutterliebe: Dieses Kapitel skizziert die sozialhistorische Entwicklung des Mutterbildes. Es beginnt mit Simone de Beauvoirs Konzept der Frau als „das Andere“ und verfolgt die Entwicklung der Mutterrolle im Kontext der bürgerlichen Kleinfamilie und Industrialisierung. Das Kapitel beschreibt die zunehmende Emotionalisierung der Mutterrolle, den Wandel von erlernbarer Mutterliebe zur intrapsychischen Struktur und den Einfluss der Psychoanalyse auf das Mutterbild. Es zeigt die Verschiebung von Mutterliebe hin zur Mutterpflicht und die daraus resultierende Quelle für Schuldgefühle. Der anhaltende Einfluss des Mutterbildes im 20. Jahrhundert und die Bedeutung von Piagets Rezeption werden ebenfalls thematisiert.
3. Mutterfiguren in Elementarteilchen: Dieses Kapitel analysiert die verschiedenen Mutterfiguren in Houellebecqs Roman. Es untersucht die Darstellung von Janine als leibliche Mutter, die Rolle der Großmütter als weibliches Ideal und die Funktion von Annabelle und Christiane als späte Mutterersatzfiguren. Die Analyse beleuchtet, wie Houellebecq bürgerliche Mutterschaftsideale des 19. Jahrhunderts aufgreift und die „weibliche Natur“ überhöht, indem er Frauen als emotionsbetonte, selbstaufopfernde Wesen darstellt. Die Kapitel untersucht wie diese Darstellungen im Kontext der Kritik des Romans an der modernen Individualisierung und des Kapitalismus stehen.
Schlüsselwörter
Michel Houellebecq, Elementarteilchen, Mutterfiguren, Muttermythen, Mütterlichkeit, Mutterliebe, Sozialgeschichte, Geschlechterrollen, Feministische Literaturkritik, Kapitalismuskritik, Individualisierung, Mythisierung, bürgerliche Ideale, Janine, Großmütter, Annabelle, Christiane.
Häufig gestellte Fragen zu "Mutterfiguren in Houellebecqs Elementarteilchen"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die Darstellung von Mutterfiguren und Muttermythen in Michel Houellebecqs Roman "Elementarteilchen". Sie untersucht, wie Houellebecq das Bild der Mutter überhöht und mythisiert und beleuchtet die Sehnsucht der männlichen Protagonisten nach dem Mutterschoß. Ein weiterer Fokus liegt auf der sozialhistorischen Genese von Mütterlichkeit und Mutterliebe und deren Bezug zu den weiblichen Figuren des Romans.
Welche Themen werden im Detail behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themen: die Darstellung von Mütterlichkeit in Houellebecqs "Elementarteilchen", die sozialhistorische Entwicklung von Mutterbildern, die Mythisierung der Mutterrolle im Roman, die Analyse der weiblichen Figuren als Repräsentanten von Mutterbildern und die Verbindung zwischen der Sehnsucht der männlichen Protagonisten und dem Mutterschoß.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit und worum geht es in jedem Kapitel?
Die Arbeit besteht aus vier Kapiteln: Kapitel 1 (Einführung) führt in die Thematik ein und kritisiert das Auslassen der Mutterrolle in der bisherigen feministischen Literaturkritik. Kapitel 2 (Sozialhistorische Genese von Mütterlichkeit und Mutterliebe) skizziert die Entwicklung des Mutterbildes, beginnend mit Simone de Beauvoir. Kapitel 3 (Mutterfiguren in Elementarteilchen) analysiert verschiedene Mutterfiguren im Roman (Janine, Großmütter, Annabelle und Christiane). Kapitel 4 (Fazit) fasst die Ergebnisse zusammen.
Welche weiblichen Figuren werden analysiert?
Die Arbeit analysiert Janine als leibliche Mutter, die Großmütter als weibliches Ideal und Annabelle und Christiane als späte Mutterersatzfiguren. Die Analyse beleuchtet, wie Houellebecq bürgerliche Mutterschaftsideale aufgreift und die „weibliche Natur“ überhöht.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Michel Houellebecq, Elementarteilchen, Mutterfiguren, Muttermythen, Mütterlichkeit, Mutterliebe, Sozialgeschichte, Geschlechterrollen, Feministische Literaturkritik, Kapitalismuskritik, Individualisierung, Mythisierung, bürgerliche Ideale, Janine, Großmütter, Annabelle, Christiane.
Welche These wird in der Arbeit aufgestellt?
Die Arbeit stellt die These auf, dass dem Roman "Elementarteilchen" ein Subtext zugrunde liegt, der die Männer als von Sehnsucht nach dem Mutterschoß geprägt darstellt.
Wie wird die sozialhistorische Entwicklung des Mutterbildes dargestellt?
Das Kapitel zur sozialhistorischen Genese beschreibt die Entwicklung des Mutterbildes im Kontext der bürgerlichen Kleinfamilie und Industrialisierung, die zunehmende Emotionalisierung der Mutterrolle, den Wandel von erlernbarer Mutterliebe zur intrapsychischen Struktur und den Einfluss der Psychoanalyse. Die Verschiebung von Mutterliebe hin zur Mutterpflicht und der anhaltende Einfluss des Mutterbildes im 20. Jahrhundert werden ebenfalls thematisiert.
Wie steht die Darstellung der Mutterfiguren im Kontext der Kritik des Romans an der Moderne?
Die Arbeit untersucht, wie die Darstellung der Mutterfiguren im Kontext der Kritik des Romans an der modernen Individualisierung und des Kapitalismus steht. Houellebecqs Überhöhung bürgerlicher Mutterschaftsideale wird in diesem Zusammenhang analysiert.
- Citar trabajo
- Magister Artium Markus Weber (Autor), 2004, Mutterfiguren und Muttermythen in Michel Houellebecqs Elementarteilchen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69709