Hospize in Rheinland-Pfalz. Eine empirische Studie


Examination Thesis, 2004

152 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Allgemeine Überlegungen zum Thema Sterben und Tod
2.1 Der Tod aus anthropologischer Sicht
2.2 Der Tod als kulturelles Phänomen
2.3 Resümee

3 Gesellschaftlicher Wandel der Todesvorstellung
3.1 Der gezähmte Tod
3.2 Der eigene Tod
3.3 Der lange und nahe Tod
3.4 Der Tod des Anderen
3.5 Der ins Gegenteil verkehrte Tod
3.6 Resümee

4 Sterben und Tod in der heutigen Zeit
4.1 Demographische Entwicklungen und Mortalität
4.1.1 Demographische Entwicklung in Rheinland-Pfalz
4.2 Die Situation sterbender Menschen und ihrer Angehörigen in unserer Gesellschaft
4.3 Institutionalisierung des Sterbens
4.4 Soziales Sterben und sozialer Tod
4.5 Phasen des Sterbens nach Elisabeth Kübler- Ross
4.5.1 Erste Phase: Nicht wahr haben wollen und Isolierung, Schock
4.5.2 Zweite Phase: Zorn
4.5.3 Dritte Phase: Verhandeln
4.5.4 Vierte Phase: Depression
4.5.5 Fünfte Phase: Zustimmung
4.5.6 Kritik am Modell von Kübler- Ross
4.6 Trauer
4.6.1 Formen der Trauer
4.6.1.1 Erste Phase : Schock und Apathie
4.6.2.2 Zweite Phase : Desorganisation
4.6.2.3 Dritte Phase : Reorganisation
4.7 Resümee

5 Euthanasie und Sterbehilfe
5.1 Begriffsklärung und Geschichte der Euthanasie
5.1.1 Aktive Sterbehilfe
5.1.2 Passive Sterbehilfe
5.1.3 Indirekte Sterbehilfe
5.2 Gesetzliche Regelungen der Sterbehilfe in der BRD
5.3 Die Diskussion um Sterbehilfe in Deutschland
5.4 Resümee

6 Die Hospizbewegung
6.1 Begriffsklärung
6.2 Geschichte der Hospizbewegung
6.2.1 Die Hospizbewegung in Deutschland
6.3 Grundsätze und Ziele der Hospizbewegung
6.4 Einrichtungsformen
6.4.1 Hospizinitiativen
6.4.2 Ambulante Hospizdienste
6.4.3 Teilstationäre Hospizdienste
6.4.4 Stationäre Hospizdienste
6.4.5 Kinderhospize
6.4.6 Palliativstationen
6.5 Resümee

7 Hospize in Rheinland-Pfalz
7.1 Allgemeine Informationen zur Hospizlandschaft in Rheinland-Pfalz
7.1.1 Die Landesarbeitsgemeinschaft Hospiz Rheinland-Pfalz (LAG)
7.2 Vereinbarung zur Hospizarbeit in Rheinland- Pfalz

8 Hospize in Rheinland-Pfalz am Beispiel der Ev. Diakonissenanstalt Speyer, Hospiz im Wilhelminenstift
8.1 Das Hospiz im Wilhelminenstift in Speyer
8.1.1 Entstehung und Gründung des Hospizes
8.1.2 Organisationsstruktur
8.1.3 Zielsetzung und Angebot
8.1.4 Finanzierung
8.1.5 Zusammenarbeit und Kooperation mit anderen Einrichtungen
8.1.6 Öffentlichkeitsarbeit
8.1.7 Mitarbeiter/innen im Hospiz
8.1.8 Fortbildung und Schulung der Mitarbeiter
8.2 Die Gäste des Hospizes
8.2.1 Auswahl und Aufnahme der Gäste
8.2.2 Krankheitsarten, Belegung und Aufenthaltsdauer
8.2.3 Selbstbestimmung der Gäste
8.2.4 Die Angehörigen
8.3 Umgang mit Tod und Trauer
8.4 Hürden und Probleme
8.5 Besondere Aspekte der Hospize in Mainz und Koblenz
8.5.1 Das Christophorus-Hospiz in Mainz
8.5.2 Das Hospiz St. Martin in Koblenz
8.6 Resümee

9 Sterben und Tod als Thema für den Schulunterricht
9.1 Todesvorstellung von Kindern und Jugendlichen
9.2 Tod und Sterben als Thema im Unterricht

10 Schlussbetrachtung

11 Literaturverzeichnis

12 Versicherung über das Verfassen einer eigenständigen Arbeit

13 Anhang
13.1 Interviewleitfaden stationäre Hospize in Rheinland-Pfalz
13.2 Hinweise zur Transkription der Interviews
13.3 Interview Hospiz Koblenz
13.4 Interview Hospiz Speyer
13.5 Interview Hospiz Mainz

Aber ach!

Jeder Zoll den die Menschheit weiterrückt,

kostet Ströme Blutes; und ist das nicht etwas zu teuer?

Ist das Leben des Individuums nicht vielleicht ebensoviel wert wie das des ganzen Geschlechtes?

Denn jeder einzelne Mensch ist schon eine Welt,

die mit ihm geboren wird und mit ihm stirbt,

unter jedem Grabstein liegt eine Weltgeschichte.

Heinrich Heine

1 Einleitung

„Das einzig Wichtige im Leben sind Spuren von Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir ungefragt weggehen und Abschied nehmen müssen.“[1]

Es ist schon einige Jahre her, dass ich in einer großen Tageszeitung das erste Mal etwas über die Hospizarbeit erfuhr. Damals las ich den Artikel jedoch eher beiläufig. Erst einige Jahre später, im Sommer 2003, erfuhr ich aus dem Vorlesungsverzeichnis der Justus-Liebig-Universität Gießen, von einem Seminar über Hospiz, das von Professor Gronemeyer angeboten wurde. Ich erinnerte mich an den Zeitungsartikel und beschloss an dem Seminar teilzunehmen. Mit großem Interesse verfolgte ich das Seminar und fertigte während des Semesters zwei Aufsätze über das Thema „Sterben und Tod“ und „Riten, die mit dem Sterben zusammenhängen“ an. Zudem kaufte ich mir das Buch „Die Nemesis der Medizin“ von Ivan Illich und las es mit großem Interesse. Zuvor hatten wir im Seminar ein Interview mit ihm auf Tonband angehört. Nachdem ich mit meiner Examensarbeit über Hospize begonnen hatte und dies auch meinem Freundes- und Bekanntenkreis mitgeteilt hatte, war ich überrascht, dass einige von ihnen, durch ihre Familien bereits mit dem Thema Hospiz in Berührung gekommen waren. So hat zum Beispiel die Tante meiner Frau, in Achim bei Bremen, zusammen mit ein paar anderen engagierten Personen einen ambulanten Hospizdienst aufgebaut. Der Vater eines guten Freundes, ist von Beruf her Allgemeinmediziner und ehrenamtlicher Vorsitzender eines ambulanten Hospizdienstes im Schwarzwald. Er macht diese Arbeit bereits seit ca. 15 Jahren.

„Die Fortschritte der Medizin sind ungeheuer. Man ist sich seines Todes nicht mehr sicher.“[2]

Im Sommer 2003 starb nach langer Krankheit und nach längerem Krankenhausaufenthalt, mein letzter noch lebender Großvater. Wir hatten seinen Tod bereits erwartet, denn sein Zustand war in den vergangenen Jahren zunehmend schlechter geworden. Er redete viel über seinen nahenden Tod und wünschte sich, dass sein Leben bald eine Ende nehmen würde. Sein Zustand war so schlecht, dass ich mich schon ungefähr ein Jahr vor seinem Tod, bei jedem Besuch innerlich von ihm verabschiedete. Dann bekam er, ungefähr ein halbes Jahr vor seinem Tod, eine Lungenentzündung und Wasser in der Lunge. Er wurde ins Krankenhaus gebracht und dort wieder aufgepäppelt. Nach längerem Klinikaufenthalt und mehreren Komplikationen kam er ins Pflegeheim, wo er auch starb. Eine Pflege daheim wäre nach dem Krankenhausaufenthalt so aufwendig gewesen, dass es für meine Oma und den Rest der Familie nicht möglich war ihn daheim zu versorgen. Nachdem ich von seinem Tod erfahren hatte, fühlte ich mich, neben der Trauer, irgendwie erleichtert und freute mich für ihn, dass er es endlich geschafft hatte. Ich hatte das Gefühl, dass man ihn um seinen Tod gebracht hatte.

„Das Bild, das eine Gesellschaft sich vom Tode macht, gibt Aufschluss darüber, wie unabhängig ihre Menschen sind, wie persönlich sie miteinander verkehren, wie viel Selbstvertrauen sie haben und wie lebendig sie sind.“[3]

Geburt und Tod stellen in unser aller Leben, zwei unabänderliche Faktoren dar. Das Leben ist dabei ein stetiger Prozess von Werden, Wachsen und Vergehen. Die Geburt eines Kindes wird stets als ein freudiges Ereignis begrüßt. Der Tod stellt daneben einen Bereich des menschlichen Lebens dar, den wir gerne verdrängen, wo wir nicht hinschauen möchten. Unsere moderne Gesellschaft ist, und war, in den letzten Jahrzehnten stets durch starke Wandlungen betroffen und momentan erleben wir den Übergang von der Industrie-, in die so genannte Wissensgesellschaft. Die familiären Bindungen haben im Laufe der Zeit immer mehr an Bedeutung und Zusammenhalt verloren, und es ist auch in Zukunft mit einem anhaltenden Trend zum Einpersonenhaushalt zu rechnen. Althergebrachte Rituale und Bräuche, die für den Umgang mit Sterben und Tod ein gewisses Handlungsgerüst darstellten, gelten schon lange nicht mehr. Daneben birgt die fortgeschrittene Technisierung und Professionalisierung nahezu, aller Lebensbereiche, ein großes Potential an Unsicherheit und Entfremdung für den einzelnen Menschen. Es ist zu beobachten, dass immer mehr Lebensbereiche, durch, von Experten festgelegte Handlungsmuster bestimmt sind. So bekommt man zum Beispiel, ein Kind in ein Krankenhaus und nicht zu Hause. Oder entsprechend dazu, begibt man sich im hohen Alter zum Sterben in eine Klinik und dort in die Obhut von Ärzten. Für die meisten Menschen ist es jedoch eine furchtbare Vorstellung, ihr Leben fremdbestimmt, an Geräte und Maschinen angeschlossen, alleingelassen und einsam beenden zu müssen. Wenn man sich allerdings diesem Kreise entziehen möchte reagiert die Umwelt zum Teil mit Unverständnis und Kopfschütteln.

Die moderne Gesellschaft hat sich schon seit längerem zu einer Gesellschaft mit vielen alten und wenig jungen Menschen entwickelt. Dies ist vor allem durch die moderne medizinische Versorgung und die starken Rückgänge der Geburtenraten zu erklären. Dieser Trend wird sich, so sieht es momentan jedenfalls aus, in der Zukunft noch verstärken, was unter anderem auch für das Gesundheitssystem ein großes Problem darstellt. Für die medizinische Versorgung der alten Menschen auf Intensivstationen, etc., werden gigantische Summen aufgewendet. Es stellt sich hierbei unter anderem die Frage, wie dies in Zukunft finanziert werden kann?

Um den Missständen beim Sterben entgegenzuwirken und eine Veränderung der Sterbekultur in unserer Gesellschaft zu erreichen, ist die Hospizbewegung angetreten und hat sich im Laufe der letzten fünfzehn Jahre auch in Deutschland immer mehr etabliert und ausgeweitet. Momentan ist auf diesem Gebiet ein gewisser Boom zu verzeichnen. Es bewegt sich viel auf diesem Sektor und man stellt sich die Frage, in welche Richtung es in Zukunft gehen wird? Wird sich die Hospizbewegung als eine Bürgerbewegung, aus der sie ja auch entstanden ist, halten können oder wird sie sich durch die zunehmende Professionalisierung, immer mehr zu einem von Experten verwalteten und bestimmten Gebilde wandeln?

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist, die verschiedenen Aspekte, die mit Sterben und Tod in unserer Gesellschaft zusammenhängen, zu beschreiben. Hierbei wird es vor allem um die Hospizbewegung und im speziellen, um die von mir besuchten Hospize in Rheinland-Pfalz, gehen. Die Hospizarbeit in Rheinland-Pfalz wird dabei anhand der Darstellung eines stationären Hospizes genauer beschrieben.

Am Beginn meiner Arbeit (Kapitel 2) werde ich mich zunächst mit ein paar allgemeinen Überlegungen zum Thema Sterben und Tod auseinandersetzen. Danach werde ich mich mit der Frage beschäftigen, wie gingen die Menschen früher mit Sterben und Tod um, und welchen Stellenwert haben Sterben und Tod heute in unserer säkularisierten Gesellschaft? Dazu gehören, neben den demographischen Entwicklungen, auch die Situation sterbender Menschen, das soziale Sterben und in Verbindung noch dazu das Thema Trauer. Das Thema Euthanasie / Sterbehilfe werde ich, aufgrund seiner Brisanz, in einem eigenen Kapitel (Kapitel 5) betrachten. In den nachfolgenden drei Kapiteln werde ich mich dann ausschließlich mit der Hospizbewegung beschäftigen. In Kapitel 6 werde ich die Geschichte der Hospizbewegung mit ihren Zielen und Einrichtungsformen beschreiben, um danach in Kapitel 7 einen allgemeinen Überblick über die Hospizlandschaft in Rheinland-Pfalz zu schaffen. Im Kapitel 8 werde ich das stationäre Hospiz in Speyer beschreiben. Dies geschieht vor allem auf der Basis meiner Interviews und Besuche in den Hospizen. Zum Schluss meiner Arbeit möchte ich dann noch die Möglichkeiten und die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit dem Thema „Tod und Sterben als Thema in der Schule“ untersuchen.

2 Allgemeine Überlegungen zum Thema Sterben und Tod

Oberflächlich betrachtet erscheint der Tod eines Menschen etwas völlig klares und eindeutiges zu sein. Das heißt: Ein Mensch wird geboren und stirbt wenn er alt ist und seine Zeit gekommen ist . Bei genauerer Betrachtung stellt man jedoch fest, dass nicht alles so eindeutig ist, wie es auf den ersten Blick erscheint. Das Thema muss differenzierter betrachtet werden , um ein genaues Bild zu erhalten. Kulturelle Normen und Werte , sowie religiöse und ethische Vorstellungen beeinflussen die Sichtweise auf den Tod eines Menschen.[4]

Zu Beginn meiner Arbeit, möchte ich deshalb als Grundlage für die Auseinandersetzung mit dem Thema Hospiz, einige grundlegende Sachverhalte, die mit dem Thema Sterben und Tod verbunden sind, klären.

2.1 Der Tod aus anthropologischer Sicht

Die Anthropologie beschäftigt sich mit dem Menschen als Art oder Gattung, also mit seinen Verhaltensweisen und Eigenschaften. Der Mensch ist zugleich ein Natur- und Kulturwesen, wodurch eine wechselseitige Beziehung zwischen kulturellen und natürlichen Gegebenheiten besteht.[5]

Alle biologischen Lebensformen sind auf irgendeine Weise störanfällig und somit auch immer von Krankheit und Tod bedroht. Dass der Mensch nur eine begrenzte Lebenszeit besitzt, ist dabei positiv zu sehen, da die evolutionäre Entwicklung der Menschheit und der einzelnen Kulturen, durch Geburt und Tod in entscheidendem Maße beeinflusst wird. Das heißt, ohne Tod und Reproduktion, keine Evolution.[6]

Der Mensch ist das einzige bekannte Lebewesen, das ein tieferes Bewusstsein des Todes besitzt. Ein Tier kann zwar instinktiv wahrnehmen, dass es bald sterben wird, und sich deshalb, zum Beispiel vom Rudel, entfernen. Beim Menschen setzt das Bewusstsein für die Sterblichkeit und den Tod bereits sehr viel früher ein und begleitet ihn durch sein ganzes Leben. Der Tod stellt eine Grenzsituation im Leben der einzelnen Menschen dar, hinter die man nicht schauen kann. Für den Umgang mit dem Tod und vor allem der Trauer, gibt es in den verschiedenen Kulturen universale Verhaltenstendenzen, wie Weinen, Körperhaltung, Gesten etc. Es gibt aber auch große, kulturspezifische Unterschiede, in der Form der Trauer und dem Umgang mit dem Toten. Da wir Menschen schon immer in Gemeinschaften zusammenleben und der Tod jeden von uns betrifft, stellt er eine grundlegende Störung der Gemeinschaft dar. Dadurch wir er zu einem sozialen Problem. Aus diesem Grunde ist es auch für jede Kultur und Gesellschaft, in irgendeiner Weise notwendig, Todesdeutungen in das gemeinsame Bedeutungssystem einzubauen und auf dessen Akzeptanz zu achten. So wird das Gefährdungspotential, des einzelnen Todes für die Gemeinschaft, entschärft und der Glaube, an das kollektive und individuelle Weiterleben der Gemeinschaft, gestärkt.[7]

2.2 Der Tod als kulturelles Phänomen

In den meisten Kulturen wurde und wird der Tod nicht als eine naturgegebene Selbstverständlichkeit akzeptiert. Es existieren vielmehr Mythen und Geschichten, die die Entstehung des Todes erklären sollen. In den meisten Religionen dieser Welt spielt der Tod eine zentrale Rolle. Die Ursprünge der Religionen sind mitunter in der zeitlichen Begrenzung des Lebens und der Unsicherheit und Ungewissheit vor der unberechenbaren Natur, zu sehen.[8]

Die Menschen stellten sich schon immer die Frage nach dem Danach. Was geschieht mit dem Toten? Lebt er an einem anderen Ort weiter?

Um mit den emotionalen Belastungen, die mit dem Tod eines Gruppenmitgliedes verbunden sind fertig zu werden, wurden rituelle Lösungen entwickelt. Es gab vorgeschriebene Verhaltensabläufe für die Betroffenen, die Überlebenden und die Toten. Der Tod wurde allgemein als Übergang in einen anderen Zustand, häufig in das Reich der Toten, definiert.[9] In einigen Kulturen kam es zu verschiedensten Formen der Altentötung. Dies geschah vor allem dann, wenn die Alten zu einem Problem für die Gemeinschaft wurden. Dies war zumeist bei Nomadenvölkern der Fall. Altentötung fand allerdings auch in unseren Breitengraden statt, so wurden alte Menschen in Pommern durch Verabreichung von Arsen vorzeitig ins Jenseits befördert. Dies sollte verhindern, dass sie nicht zu lange ihr Altenteil, zum Schaden der Familie, nutzten.[10]

2.3 Resümee

In Bezug auf die anthropologischen und kulturellen Phänomene zum Thema Tod, bleibt festzuhalten, dass der Mensch bereits früh in seinem Leben eine Todesvorstellung, ein Wissen um den Tod, besitzt. Der Tod stellt generell einen Grenzbereich des menschlichen Lebens dar, für dessen Umgang sich bestimmte kulturspezifische Verhaltensweisen (Rituale) entwickelt haben. Dadurch wird nun auch die Bedrohung, die sich aus dem Tod des Einzelnen für die Gemeinschaft erwächst, geregelt und begrenzt. Der Tod stellt ein grundlegendes Element in unserer aller Leben dar. Wie wir mit ihm umgehen, hängt unmittelbar mit unserem Glauben und unserer Kultur zusammen.

Im folgenden Kapitel möchte ich den Wandel der Todesvorstellungen und des Umgangs mit dem Tod, in unserem abendländischen Kulturkreis, genauer betrachten. Dies geschieht vor allem, auf den Grundlagen der Studien des französischen Historikers Philippe Ariès[11].

3 Gesellschaftlicher Wandel der Todesvorstellung

Im folgendem möchte ich den gesellschaftlichen Wandel der Todeseinstellung in unserem abendländischen Kulturkreis, etwas genauer betrachten.

Ariès hat mit seinen Studien zur Geschichte des Todes, eine gründliche Darstellung zur Wandlung der Todeseinstellung in unserem Kulturkreis geliefert. Ariès hat dabei ein fünfstufiges Modell, unterschiedlicher Haltungen der Menschen gegenüber dem Tod, voneinander abgegrenzt. Die vorgenommenen Abgrenzungen sind dabei allerdings nicht als starre Abgrenzung, sondern vielmehr als kleine fließende Übergänge und Wandlungen, zu verstehen.[12]

In den nun folgenden Abschnitten, soll das Modell von Ariès genauer dargestellt werden.

3.1 Der gezähmte Tod

Die erste Periode „Der gezähmte Tod“[13] fand in der Zeit um 500 nach Christus bis hinein ins 18. Jahrhundert statt. Im gezähmten Tod sieht Ariès die frühmittelalterliche,

„spontane Fügung ins Schicksal und in den Willen der Natur“[14].

Somit war der Tod im Mittelalter kein Drama. Er wurde vielmehr als ein Übergang in das Leben im Jenseits gesehen. Für die Menschen damals galt es, sich Zeit seines Lebens auf den Tod vorzubereiten. Sie verbanden damit die Hoffnung, in den Himmel und somit an die Seite Gottes zu kommen. Der Tod war im Mittelalter ein ständiger und vertrauter Begleiter der Lebenden und somit ein fester Bestandteil des Lebens. Das Sterben fand zumeist unter dem Beisein vertrauter Menschen statt und war somit eine öffentliche Angelegenheit. Es war üblich, dass die Sterbenden vor ihrem Tod nochmals ihre Angehörigen zu sich riefen , um sich von ihnen zu verabschieden und zukünftige Dinge zu regeln. In der Regel war auch ein Pfarrer anwesend, der dem Sterbenden die letzte Beichte abnahm. Die Menschen hatten größere Angst davor plötzlich, unvorbereitet und ohne Beichte zu sterben, als die Angst vor dem Tod an sich. Der Tod wurde akzeptiert und als eine letzte Lebensphase der Erfüllung empfunden. Interessant ist hierbei auch, dass in diesem Zeitraum keinerlei Grabinschriften oder Portraits auf den Gräbern zu finden sind, so dass diese praktisch vollkommen anonym sind. Dies geschah aus dem Glauben, dass der Tod als eine Übergangsphase angesehen wurde. Die Menschen glaubten, sie würden bis zur Auferstehung Christi in einem friedlichen Schlaf auf das wirkliche Ende ihres Lebens warten. Die Angst vor einer möglichen Verdammnis war kaum vorhanden.[15]

3.2 Der eigene Tod

Im Zuge des Hochmittelalters, 11. – 12. Jahrhundert, wurde die allgemein verbreitete Auffassung des Todes abgeschwächt, jedoch keineswegs fallengelassen. Es handelt sich also nicht um eine gänzlich neue Einstellung zum Tod, sondern wie Ariès es beschreibt:

„um kaum merkliche Modifikationen, die der traditionellen Vertrautheit des Menschen mit dem Tode allmählich einen dramatischen und persönlichen Sinn verleihen“.[16]

Seit dieser Zeit wurde das Gefühl für die eigene Identität stärker, und der Tod wandelte sich allmählich zum Individualschicksal. Dies geschah durch eine Reihe von neuen Phänomenen, welche die alte Vorstellung eines kollektiven Schicksals der Menschen, hin zur Besonderheit des Einzelnen, bewirkte. Ariès schreibt dazu:

„Im 13. Jahrhundert sind der Einfluss der Apokalypse und die Beschwörung der großen Wiederkehr nahezu bedeutungslos geworden. Die Vorstellung des Jüngsten Gerichts hat sie verdrängt, und was dargestellt wird ist eher ein Gerichtshof.“[17]

Die Menschen glaubten zu dieser Zeit, dass jeder Mensch zum Zeitpunkt seines Todes, gemäß seiner Lebensbilanz bewertet und nach gut und böse aussortiert werden würde. Ferner wurde die Zeit des Gerichts nicht mehr in eine fern liegende Zukunft, sondern ins Sterbezimmer und somit in die Nähe des Sterbenden verlegt. Es kamen einige neue Rituale hinzu. So wurde zum Beispiel das Gesicht des Toten verborgen und zugedeckt, die Trauernden trugen schwarze Kleidung als Zeichen ihrer Trauer und die Totenklage wurde von Priestern übernommen. Das Modell des eigenen Todes ist zwar bis ins 18. Jahrhundert vorhanden, dennoch lassen sich seit dem 16. Jahrhundert tiefgreifende Veränderungen feststellen.[18] Diese sollen nun dargestellt werden.

3.3 Der lange und nahe Tod

In der Zeit des 17. und 18. Jahrhunderts fanden weitere Veränderungen zu der Einstellung zum Tod statt. Die allgemeine Skepsis gegenüber der christlichen Glaubensvorstellung vom Tod, breitet sich ab dem 18 . Jahrhundert auf das Bürgertum aus. Es ist die Zeit wachsender Rationalität und des wissenschaftlichen Fortschritts. Der Tod wird ab den 18. Jahrhundert den Menschen immer mehr aus der Hand genommen. Leichenhallen ersetzen die Aufbahrung der Toten zu Hause. Friedhöfe werden zu dieser Zeit außerhalb der Städte angelegt und von den Kirchen getrennt . Es fand somit eine Distanzierung der Lebenden von den Toten statt. Zu dieser Zeit trat auch eine der ersten Form der „Angst vor dem Tod“ auf. Die Menschen hatten Angst davor, lebendig begraben zu werden. Dies setzte wiederum den Glauben voraus, es gebe einen gemischten, aus Leben und Tod zusammengesetzten und wieder rückgängig zu machenden Zustand.[19]

3.4 Der Tod des Anderen

Im 19. Jahrhundert bewegt sich der Blickpunkt auf die Angehörigen der Kernfamilie. Die Städte wachsen stetig und die Bedeutung des Individuums verändert sich. Der Tod des Anderen, einer Person aus dem nächsten Lebensumfeld, gewinnt an Bedeutung. Der Tod des Fremden verliert immer mehr an Bedeutung. Eine neue Empfindsamkeit, die des Privatlebens, kommt auf. Sie hat ihren Platz in den entstandenen Kernfamilien. Die Vorstellung vom Jenseits ändert sich zu einem Bild der Zusammenkunft und Wiedervereinigung mit den Verstorbenen. Das 19. Jahrhundert ist die Epoche der romantisch geprägten Trauerbekundung, die zuweilen hysterische Ausmaße annimmt. Die Übertreibung der Trauer zeigt, dass die Menschen den Tod des Anderen wiederwilliger hinnehmen als früher. Der gefürchtete Tod ist also nicht der eigene Tod, sondern der des Anderen: „Dein Tod“. Es war auch die Zeit des Verschweigens und Verdrängens. Das nahende Ende wurde dem Sterbenden verschwiegen. Dies geschah aus dem Bedürfnis, den Sterbenden schonen zu wollen. Priester wurden meist nur noch gerufen, wenn der Sterbende bereits tot war.[20]

3.5 Der ins Gegenteil verkehrte Tod

Die fünfte herausgearbeitete Einstellung gegenüber dem Tod ist die des 20. Jahrhunderts. Noch bis ins 20. Jahrhundert hinein fand der Tod, zumindest in ländlichen Gebieten, in und unter Anteilnahme der Öffentlichkeit statt. Es gab Zeichen und Rituale, die auf den Tod hinwiesen und die soziale Gemeinschaft an ihn teilhaben ließ . Im Laufe des 20. Jahrhunderts hat sich dieses Anteilhaben, vor allem in den „entwickelten“ Industrienationen gewandelt. Der einst so gegenwärtige und vertraute Tod wird ausgebürgert und so zu einem Tabuthema gemacht, dass in unserer Gesellschaft keinen Platz mehr hat. Es wird zwar über den Tod in den Medien berichtet, allerdings ist dieser übermittelte Tod sehr abstrakt und betrifft uns nicht persönlich. Der „moderne“ Mensch reagiert vor allem durch seine Unkenntnis über Krankheit und Sterben, zumeist mit Ekel- und Schamgefühlen. Der „moderne“ Tod findet größtenteils außerhalb der Familien, alleine, unter Überwachung von Ärzten und unter dem Einsatz von Medikamenten, in Institutionen wie dem Krankenhaus, Alten- und Pflegeheimen statt. Das Ziel der Medizin ist, das Leben möglichst lange zu erhalten, und dies geschieht zumeist um jeden Preis.[21]

Der Kultur- und Medizinkritiker Ivan Illich schreibt dazu in seinem Buch: „Die Nemesis der Medizin“:

„Nicht mehr für das Grabmal, sondern für die Intensivstation wird verschwenderischer Aufwand getrieben. Darin spiegelt sich die Angst vor dem Tod ohne ärztlichen Beistand. Und mit dem Beitrag zur Krankenkasse entrichtet man den Obolus für die eigene Sterbezeremonie.“[22]

Zudem stellen Kranke und Sterbende, die in einer Klinik versorgt werden, für die Gesellschaft keine Belastung mehr dar. Die Angehörigen sind von der Pflege entbunden und können ungehindert ihrer Erwerbsarbeit nachgehen. Als eines der größten Probleme lässt sich die verloren gegangene Würde des Sterbenden betrachten. Es lassen sich aber auch gegenläufige Strömungen beobachten. So bietet zum Beispiel die moderne Hospizbewegung Alternativen, hin zu einem mehr und mehr selbst bestimmten und würdigen Sterben.[23]

3.6 Resümee

Mit seinen umfangreichen und ausführlichen Studien zum Umgang und zur Einstellung gegenüber dem Sterben und dem Tod, hat Philippe Ariès auf eindrucksvolle Weise, Daten und Fakten, die mit dem Tod zusammenhängen, zusammengetragen und ausgewertet. Ein bisschen Kritisch sehe ich hierbei, dass die Tendenz besteht, den Tod aus früheren Zeiten zu glorifizieren.

Unsere Einstellung gegenüber dem Tod hat sich in den letzten Jahrhunderten langsam aber stetig verändert. So hat sich der Tod von einem allgegenwärtigen Begleiter, zu einem fern liegendem Ereignis gewandelt. Obwohl wir fast täglich durch unsere Medien mit dem Tod konfrontiert werden, ist der privat erlebte Tod in unserem Lebensumfeld selten geworden. Auch im Umgang mit dem Sterbenden haben sich Veränderungen vollzogen. So haben sich Rituale und Bräuche, die mit dem Tod zusammenhängen, im Laufe der Zeit weitestgehend aufgelöst. In diesem Zusammenhang, ist auch die Veränderung der geistigen Haltung gegenüber dem Tod zu betrachten. Sie hat sich vor allem durch die Säkularisierung und den Glauben an die Medizin zu unserer heutigen Haltung entwickelt.

4 Sterben und Tod in der heutigen Zeit

Wenn ein Mensch stirbt, so stellt dies in erster Linie ein individuelles und kein gesellschaftliches Problem dar. Erst durch eine breitere Thematisierung und Auseinandersetzung mit dem Thema, kommt es dazu, dass es zu einem gesellschaftlichen Problem wird. Da es aber sehr viele unterschiedliche Vorstellungen, Wünsche und Bedürfnisse zum Thema Tod gibt, kann man nur sehr schwer und unter Vorbehalt, Verallgemeinerungen zu einem guten und würdigen Tod des Einzelnen anstellen. Der amerikanische Mediziner Sherwin B. Nuland schreibt in seinem Buch „Wie wir sterben – Ein Ende in Würde?“:

„Jedes Leben ist anders als alle anderen Leben, die ihm vorangegangen sind. Das gleiche gilt für den Tod. Die Einzigartigkeit jedes Menschen zeigt sich selbst in seinem Sterben. Zwar wissen die Meisten, dass verschiedene Krankheiten auf verschiedenem Weg zum Tod führen, aber die Wenigsten erfassen die ganze Tragweite dieser Aussage. Denn es gibt unendlich viele Arten, wie sich der Geist des Menschen vom Körper trennt. Unsere Art zu sterben ist so charakteristisch für uns wie die unverwechselbaren Gesichtszüge, die wir der Welt ein Leben lang gezeigt haben. Jeder stirbt auf seine, auf unverwechselbare Weise.“[24]

Im Folgenden möchte ich verschiedene Faktoren, die für das Sterben in der heutigen Zeit charakteristisch sind, darstellen. Hierbei werde ich zunächst mit den demographischen Entwicklungen beginnen, um danach die Situation sterbender Menschen in unserer Zeit zu beschreiben. Außerdem werde ich die damit zusammenhängenden Aspekte, wie Institutionalisierung des Sterbens und soziales Sterben, beschreiben. Zum Ende dieses Kapitels werde ich noch ein Konzept von möglichen Phasen, die im Sterben durchlaufen werden können, schildern.

4.1 Demographische Entwicklungen und Mortalität

Die Zusammensetzung der westlichen Gesellschaft hat sich im Laufe des 20. Jahrhundert drastisch geändert. Die Altersgliederung unserer Gesellschaft, hat sich von einer „jungen Gesellschaft“, hin zu einer „alten Gesellschaft“ entwickelt. Es gibt in unserer Gesellschaft heutzutage mehr alte Menschen, als es sie je, in allen früheren Zeiten gegeben hat.[25] Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt heute, nach der Sterbetafel von 1999/2001 für ein neugeborenes Mädchen 81,5 Jahre und für einen Jungen 75,1 Jahre. Die Deutschen werden heutzutage im Schnitt bereits mehr als doppelt so alt wie noch im Jahr 1871, in dem die ersten verlässlichen demographischen Daten ermittelt wurden. Damals betrug die durchschnittliche statistische Lebenserwartung für eine Frau 38 Jahre und für einen Mann 35 Jahre.[26]

Vor allem die Verbesserungen im Bereich der Hygiene, Gesundheitspflege und die Entwicklungen im Bereich der Medizin, haben zu einer Veränderung der Morbidität und Mortalität geführt. In früheren Zeiten starben die Menschen in erster Linie an Infektionskrankheiten (Tuberkulose, Pocken, Masern, Scharlach etc.). Auch die Kindersterblichkeit, das Sterben von Säuglingen und Müttern bei der Geburt, hat sich in den letzten 100 Jahren entscheidend verringert. Heutzutage sind es vor allem die so genannten Zivilisationskrankheiten (Erkrankungen des Kreislaufsystems, Krebserkrankungen, Herzinfarkt etc), die zum Tod eines Menschen führen. Hiervon sind besonders die älteren Menschen in unserer Gesellschaft betroffen. Der Tod ist somit zunehmend zu einem Problem der alten Menschen geworden.[27]

Für die Betreuungsmöglichkeiten von Sterbenden sind besonders die Veränderungen im sozialen und familiären Bereich zu betrachten. So haben sich die Haushaltsgrößen in den letzten 100 Jahren drastisch verändert. Im Jahre 1900 lebten noch 44 Prozent der Menschen in Haushalten mit 5 und mehr Personen, dagegen lebten im Jahre 1986 lediglich 6 Prozent der Menschen in Haushalten mit 5 und mehr Personen. Demgegenüber hat sich heute die Anzahl der Einpersonenhaushalte extrem erhöht.[28]

Um 1910 lies sich die Zusammensetzung der Bevölkerung, bildlich am Besten nach dem Muster einer Pyramide darstellen. Es gab damals sehr viele junge Menschen und je höher das Lebensalter wurde, desto weniger alte Menschen gab es. Im Laufe des Jahrhunderts entwickelte sich dieses Bild immer mehr zu einem Pilz. Diese Entwicklung ist durch die stark zurückgegangene Sterblichkeit der jungen Jahrgänge, dem daraus resultierenden höheren durchschnittlichen Lebensalter und dem allgemeinen Trend zu weniger neugeborenen Kindern, zu erklären. Die Prognosen für das Jahr 2050 sehen so aus, dass der Kopf des Pilzes durch die steigende Anzahl älterer Menschen immer größer wird. Dagegen wird der Stiel des Pilzes, durch die sinkende Anzahl jüngerer Menschen, immer dünner werden.[29]

4.1.1 Demographische Entwicklung in Rheinland-Pfalz

Für das Bundesland Rheinland-Pfalz gelten im Grunde genommen, die in 4.1 beschriebenen Vorgänge.

Im Jahre 2002 betrug die Bevölkerung des Bundeslandes Rheinland-Pfalz knapp über 4 Millionen Menschen. Im gleichen Jahr starben davon 42.669 Personen.[30] Bei der demoskopischen Vorausberechnung der Bevölkerungsentwicklung bis ins Jahr 2050 hat das Statistische Landesamt Rheinland-Pfalz, drei mögliche Varianten berechnet. Eine untere, eine mittlere und eine obere Variante liegen somit vor. Nach der mittleren Variante wird sich, bis zum Jahr 2050, die Bevölkerung insgesamt um ca. 700.000 Personen auf 3,3 Millionen Menschen verringern. Bei der Aufteilung in Altersklassen, von unter 3 Jahren bis zu 60 Jahre, sind alle Altersgruppen von dem Rückgang betroffen. Lediglich die Gruppe der über 60 Jährigen wird sich, von 24,2 Prozent im Jahr 2000, auf 34,7 Prozent im Jahre 2050, erhöhen.[31]

Eine Untersuchung des „Interdisziplinären Arbeitkreises Thanatologie“, der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz über die Sterbeorte in Rheinland-Pfalz fand heraus, dass der Anteil der Sterbefälle, die sich Zuhause ereigneten, im Jahre 1951 bei 36,4 Prozent lag und bis ins Jahr 1980 auf 25,3 Prozent absank. Bis 1995 stieg der Anteil der Zuhause Sterbenden wieder auf 40 Prozent an. Dieser Trend scheint, unter anderem auch getragen durch die Angebote der Hospizbewegung, anzuhalten. Somit ist die Anzahl der Menschen, die in Rheinland-Pfalz Zuhause sterben, als hoch einzuschätzen. Der allgemeine Trend, in einer Institution zu sterben, wurde somit Mitte der achtziger Jahre gebrochen.[32]

4.2 Die Situation sterbender Menschen und ihrer Angehörigen in unserer Gesellschaft

Heutzutage kennen und erleben nur noch sehr wenige Menschen, den Tod aus eigener und direkter Erfahrung. Man sieht das Sterben und den Tod zwar täglich im Fernsehen, liest von ihm in der Zeitung oder bekommt ihn auf einem Werbeplakat präsentiert. Aber die direkte Erfahrung mit Tod und Sterben, bleibt für viele etwas Unbekanntes, zumal die meisten Menschen in ihrem Leben keine Toten zu Gesicht bekommen. Erst der Tod eines nahen Angehörigen, eine lebensbedrohende Krankheit eines Freundes oder des eigenen Kindes stellen die eigenen Einstellungen zu Leid und Tod neu in Frage. Wenn Menschen mit dem Sterben eines Angehörigen konfrontiert werden, wissen sie oft nicht wie sie sich Verhalten sollen, oder was sie in so einer Lage sagen können. Der Sprachschatz für solche Situationen ist eher verarmt. Das Gefühl der Peinlichkeit hält die Worte zurück und die Angehörigen befinden sich oft in einem Zustand der Verlegenheit.[33] Dieser Zustand ist unter anderem auch auf eine fehlende religiöse oder spirituelle Zuversicht des Menschen, im Angesicht des Todes, zurückzuführen. So sind Rituale und Glaubensvorstellungen für den Umgang mit dem Tod größtenteils verloren gegangen.

Befragt man Menschen wie und wo sie sterben möchten, so antworten die meisten, dass sie möglichst schnell und schmerzfrei in ihrem Zuhause sterben wollen.[34] Die Realität sieht jedoch meist anders aus. Die Menschen sterben heutzutage größtenteils in Institutionen wie dem Krankenhaus oder dem Pflegeheim. Das Sterben findet somit meistens außerhalb der gewohnten und vertrauten Umgebung, und ohne das Beisein der Angehörigen statt. Dies ist durch den sozialen Wandel der letzten 200 Jahre zu erklären. Es kam zu einer radikalen Veränderung der Familienstrukturen, hin zur Kleinfamilie. Kinder verlassen bereits in jungen Jahren ihr Elternhaus und gründen ihre eigene kleine Familie. Zudem gehen heute meist beide Personen eines Haushalts einer Erwerbsarbeit nach. Aus diesem Grund ist es auch sehr schwer geworden, einen sterbenden oder schwerkranken Menschen, ohne Unterstützung von außen, zu Hause zu betreuen.[35] Hinzu kommt, dass sich die Menschen der Aufgaben einer Pflege nicht mehr gewachsen fühlen, da die Ansprüche an die Pflege gestiegen sind. Eine „unprofessionelle“ Betreuung kann sich heutzutage kaum jemand vorstellen. Das war im 19. Jahrhundert noch ganz anders. Damals war es so, dass sich der Arzt, im Falle des Sterbens, bei einer unheilbaren Krankheit, zurückzog. Für diese Situationen waren die Familien zuständig.[36] Erschwert wird die Situation der Betreuung Sterbender auch dadurch, dass der Tod heute nicht plötzlich und schnell kommt, sondern meist mit einer längeren Zeit der Krankheit verbunden ist. Die Unterbringung und Versorgung der Kranken und Sterbenden in Institutionen, hat auch eine starke Zunahme der Vereinsamung und Ausschließung zur Folge. Der Soziologe Norbert Elias schreibt ins seinem Buch, „Über die Einsamkeit der Sterbenden“:

„Noch nie starben Menschen so geräuschlos und hygienisch wie heute in diesen entwickelten Gesellschaften und noch nie unter sozialen Bedingungen, die in so hohem Maße die Einsamkeit beförderten.“[37]

Ein weiteres nicht zu unterschätzendes Problem für Sterbende ist, die fehlende Kommunikation über ihren Zustand. Nicht nur die Mitteilung ihrer Diagnose, sondern auch die kontinuierliche Begleitung und Auseinandersetzung über ihren Zustand und ihre Situation, empfinden Sterbende als positiv und hilfreich.

4.3 Institutionalisierung des Sterbens

Die meisten Menschen erreichen heutzutage, im Vergleich zu früheren Jahrhunderten, ein sehr hohes Lebensalter, das zumeist von schweren Krankheiten begleitet ist. Diese Krankheiten brauchen dann wiederum eine spezielle ärztliche Pflege und Behandlung in einem Krankenhaus oder Pflegeheim. Das Krankenhaus ist gewissermaßen charakteristisch für unsere Gesellschaft geworden, da es Funktionen ausführt, die früher von den Familien übernommen und ausgeführt wurden.[38] Noch vor hundert Jahren starben die meisten Menschen zu Hause. Lediglich 10 Prozent der Deutschen starben im Krankenhaus. Heutzutage sieht die Situation ganz anders aus. Heute sterben ca. 80 Prozent der Menschen in einer Institution wie dem Krankenhaus oder dem Pflegeheim.[39] Der Mediziner Nuland schreibt zu dieser Entwicklung folgendes:

„ Der heimliche Tod im Krankenhaus kam sehr diskret in den dreißiger und vierziger Jahren. In den fünfziger Jahren war er bereits weit verbreitet … Unsere Sinne ertragen den Anblick und die Gerüche nicht mehr, die im neunzehnten Jahrhundert wie Krankheit und Leid zum täglichen Leben gehörten. Diese physiologischen Wirkungen sind aus dem Alltagsleben entschwunden und in die sterile Welt der Hygiene, der Medizin und der Moralität eingegangen. Die vollkommene Erscheinungsform dieser Welt ist das Krankenhaus mit seiner Zellendisziplin … Auch wenn es nicht immer zugegeben wird, so ist das Krankenhaus für die Familien doch der Ort, wo sie ihren unschönen Kranken, den weder die Welt noch sie ertragen, verstecken können … das Krankenhaus ist zum Ort des einsamen Todes geworden.“[40]

Die von Ivan Illich beschriebene „Medikalisierung der Gesellschaft“[41] ist ein Charakteristikum unseres Gesundheitswesens. Gerade der Kampf gegen den Tod, verschafft der Medizin ein fast unbegrenztes und unerschöpfliches Arbeitsfeld.[42] Der Sterbevorgang im Krankenhaus, ist ein Kampf des Arztes gegen den Tod. Der Arzt und seine Institution, das Krankenhaus, betrachten den Tod eher als einen zu bekämpfenden Feind, anstatt ihn als einen natürlichen Vorgang des Lebens anzuerkennen. Das Sterben in der Institution ist dem Medizinexperten überlassen und somit dem Sterbenden selbst weitestgehend enteignet worden. Der Sterbende selbst ist zum Statist seines eigenen Todes geworden. Zumal die Patienten oft über ihren eigentlichen Zustand im Unklaren gelassen werden.[43]

Der Mediziner, der sich durch seine Ausbildung gut mit den unterschiedlichen Krankheiten auskennt, weiß meist zu wenig über die Bedürfnisse des kranken und sterbenden Menschen. Der Arzt und die Pflegekräfte haben es in ihrer Ausbildung meist nicht gelernt mit Sterbenden umzugehen. Sie sind vielmehr darauf geschult worden, die modernen Geräte zu bedienen, die sie zwischen sich und den Patienten schieben. So distanziert vom Sterbenden, sind sie meist nicht in der Lage, adäquat mit den Patienten umzugehen.[44] Auch lässt die Ausbildung der Ärzte, das Thema „Umgang mit Sterbenden“ und „Palliative Betreuung“ immer noch zum größten Teil aus. Nur vereinzelt und sehr langsam fließen diese, ja nicht mehr so jungen Strömungen in den Krankenhausalltag und die Ausbildung junger Ärzte mit ein. Auch im Bereich der Schmerztherapie sieht die Lage in Deutschland noch nicht so gut aus. So erhalten, in Deutschland immer noch zu wenig Menschen eine zufrieden stellende Schmerzbehandlung.[45]

Die Hospizbewegung versucht hier eine Wende zu vollziehen. Im Hospizgedanken stellt der Tod keine Krankheit dar, auch wenn er meist durch schwere Krankheiten ausgelöst und begleitet wird. Vielmehr wird der Tod als eine natürliche Lebensphase angesehen, die wie die Geburt untrennbar zu unserem Leben dazugehören. Diese, durch die Hospizbewegung gestarteten Entwicklungen, bewegen sich auch in die Strukturen von Krankenhäusern hinein. So entstanden in den letzten Jahren auch Palliativstationen in den Krankenhäusern.

4.4 Soziales Sterben und sozialer Tod

Das Sterben eines Menschen ist ein natürlicher Vorgang, der durch einen sozialen Prozess überformt ist. Das Sterben eines Menschen wird somit, in vielfältiger Weise durch die gesellschaftlichen Normen und Werte mitbestimmt. Krankheit, Sterben und Tod wird durch soziale Institutionen organisiert und kontrolliert.[46]

Kulturen lassen sich danach aufteilen, ob sie die Phase des sozialen Sterbens vor, oder nach dem physischen Tod einer Person legen. Bei den eher traditionelleren Kulturen fällt die Zeit des sozialen Sterbens einer Person eher hinter den eigentlichen Todeszeitpunkt. In modernen säkularisierten Gesellschaften findet das soziale Sterben, vor dem tatsächlichen physischen Tod statt.[47] Das soziale Sterben tritt in modernen Gesellschaften in vielen Gestalten auf. So lassen sich Vorgänge wie Pensionierung, Einweisung in eine Klinik, lebenslange Haft, Vereinsamung usw. als soziales Sterben bezeichnen. Alle Vorgänge, die einen Menschen aus seinen sozialen Rollen und Bezügen ausschließen, hängen mit dem sozialem Sterben und Tod zusammen.[48]

Für Sterbende und Kranke, in Institutionen wie dem Krankenhaus, ist vor allem der Verlust der persönlichen und sozialen Identität entscheidend. Der Patient ist in der Institution sozusagen ein Problemträger, dem die persönliche Kontrolle über sich selbst entzogen wurde. Der sterbende findet sich, in einer für ihn fremden Welt wieder, in der er sich physisch, psychisch und sozial anpassen muss.[49]

„Da Krankheit und Tod einen ganz persönlichen und intimen Bereich tangieren und über die zugewiesene Rolle als Patient hinaus die personale Integrität betreffen, lassen sich unter diesen Bedingungen das eigene Selbstwertgefühl und schließlich auch die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod selbstverantwortlich kaum realisieren.“[50]

Deshalb ist eine Betreuung von Sterbenden, die sich ausschließlich auf die medizinische Versorgung beschränkt, ungenügend. Sie lässt entscheidende Komponenten des Sterbens (z.B. psychische Faktoren) aus. Einen Entscheidenden Beitrag zur Wahrung möglichst aller Ebenen, hat hier die Hospizbewegung geleistet. Hier steht die Würde des Menschen im Vordergrund, der Mensch soll selbst über sich und die kommende Zeit entscheiden können.

4.5 Phasen des Sterbens nach Elisabeth Kübler- Ross

Die Psychologin und Ärztin, Elisabeth Kübler- Ross wurde mit ihrem Buch „Interviews mit Sterbenden“ weltberühmt. Sie hat, durch ihre Arbeiten, entscheidende Vorraussetzungen für einen anderen Umgang mit Sterbenden in unsere Gesellschaft geschaffen. In ihren Gesprächen mit Sterbenden hat sie die Ängste und Befürchtungen, aber auch Wünsche, Bedürfnisse und Hoffnungen der Sterbenden offen angesprochen, dokumentiert und so aus einem Tabubereich befreit. Sie beobachtete, dass einige ähnliche Phänomene in ihren Interviews immer wieder auftauchten. Diese wurden von ihr systematisiert und in fünf Phasen eingeteilt.[51]

Die fünf möglichen Phasen nach Kübler-Ross sollen nun kurz beschrieben werden.

4.5.1 Erste Phase: Nicht wahr haben wollen und Isolierung, Schock

Jeder Mensch reagiert anders auf die Information und Feststellung, von einer nicht mehr zu heilenden Erkrankung betroffen zu sein. Auf den nahenden eigenen Tod reagiert der Betroffene zumeist mit Symptomen von Angst und Unruhe, die von Prozessen der Verdrängung, Verneinung, Abweisung und Rückzug begleitet werden können. Die Verleugnungsprozesse können von der Umgebung auch unterstützt werden, was die Konfrontation mit dem Tod verzögert. In diesem Zustand ist für den Sterbenden, vor allem Zuhören und Verständnis für seine Situation wichtig.[52]

4.5.2 Zweite Phase: Zorn

Im Zentrum dieser Phase steht die Frage. „Warum gerade ich?“, oder „Warum nicht ein Anderer?“. Die unterschiedlichsten Gefühle können hier mitunter durch aggressives Verhalten nach außen getragen werden. Diese Phase wird deshalb auch als Emotionsphase bezeichnet. Die Emotionen können sich gegen jeden richten. Gegen Ärzte, Pfleger, Angehörige, Gott etc. Daneben kann sich bei den Sterbenden auch eine depressive Stimmung breit machen, die sich in Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit etc. ausdrücken kann. Auch hier gilt es, den Gefühlen, des Sterbenden Raum zu lassen und seinen Zorn ohne Schuldgefühle ausdrücken zu können.[53]

4.5.3 Dritte Phase: Verhandeln

In dieser Phase verhandelt der Sterbende mit dem Arzt, Gott, dem Leben an sich, etc., um eine Verlängerung der Lebensspanne und um Leidenserleichterung. Beispiele hierfür sind der Wunsch, noch einmal Weinachten, die Geburt eines Enkels, etc. erleben zu können. Hier ist es wichtig, dem Sterbenden seine Hoffnungen zu lassen, aber auch keine falschen Hoffnungen zu wecken. Auch wenn es keine Hoffnung mehr gibt, kann man den Sterbenden versichern, dass man ihn im Sterben nicht allein lassen wird, was eine wichtige Zuversicht für den Sterbenden darstellen kann.[54]

4.5.4 Vierte Phase: Depression

Der Sterbende erkennt die Unausweichlichkeit seines nahenden Todes an. Die Depression beschreibt hier nicht eine Depression im pathologischen Sinn, sondern vielmehr den Gemütszustand, der eintritt, wenn der Sterbende beginnt die Wirklichkeit seines nahenden Todes anzunehmen. Es erfolgt oft eine Rückbesinnung auf das gelebte Leben, verbunden mit dem Wunsch unerledigte Dinge zu regeln und abzuschließen. Dabei empfindet der Sterbende die ihm verbleibende Zeit oft als zu kurz, was wiederum zu Mutlosigkeit und Apathie führen kann.[55]

4.5.5 Fünfte Phase: Zustimmung

In dieser letzten Phase nimmt der Sterbende sein Schicksal an.

„In dieser Zeit brauchen die Angehörigen oftmals mehr Beistand als der Sterbende selbst. Zumindest dann, wenn der Sterbende mit seiner Zustimmung weiter ist als die Angehörigen, die vielleicht noch nicht loslassen können.“[56]

Es ist eine Zeit, die vor allem durch Ruhe gekennzeichnet ist. Die Emotionen sind ausgelebt und dem Sterben wird in mehr oder weniger ruhiger Erwartung entgegengeblickt.[57]

4.5.6 Kritik am Modell von Kübler- Ross

Das Modell von Kübler- Ross ist zuweilen heftig kritisiert worden. Die Kritik richtete sich dahin, dass die Autorin das Sterben in ein festes Schema pressen wolle. Das wollte sie jedoch keineswegs. Ihr ging es darum ein besseres Verständnis für Sterbende zu schaffen und die möglichen Charakteristika des Sterbeprozesses aufzuzeigen. Sie wollte, wie sie selber sagt, keinen festen Fahrplan des Todes beschreiben. Die von ihr beschriebenen Phasen können sich wiederholen, übersprungen werden oder gar nicht auftauchen.[58]

Es sei auch zu erwähnen, dass das Bewältigen und Erleben des nahenden Todes, wohl vor allem davon abhängig ist, wie der Mensch generell, in seinem Leben, mit Krisen umgegangen ist. Da jeder Mensch seine individuelle Art entwickelt, mit Krisen umzugehen ist dieser Aspekt wichtig. Darüber hinaus sind weitere Faktoren von großer Wichtigkeit, so zum Beispiel: Wie ist die soziale Einbettung des Menschen, wie ist die Qualität der Pflege und die ärztlichen Versorgung, und wie ist sein Schmerzzustand. All dies darf nicht außer Acht gelassen werden.

Wird das Phasenmodell von Kübler- Ross als ein starrer Fahrplan aufgefasst und vom Sterbenden so erwartet, so ist dies nicht akzeptabel und lässt die Individualität des Einzelnen außen vor.

4.6 Trauer

„Unter allen Leidenschaften der Seele bringt die Trauer am meisten Schaden für den Leib.“[59]

Im letzten Jahrhundert hat sich in der Trauerkultur, genauso wie in der Sterbekultur, ein deutlicher Wandel vollzogen. Die Trauerzeit ist für die Hinterbliebenen durch Verhaltensunsicherheit gekennzeichnet. Genauso wie das Sterben, so ist auch die Phase des Trauerns in der heutigen Gesellschaft, kaum durch tradierte Verhaltensweisen, Bräuche, Sitten oder Riten geschützt. Der Trauernde hat nicht viel, an dem er sich festhalten kann. Lediglich die Beisetzung, mit der damit verbundenen Zusammenkunft der Angehörigen, schafft einen kleinen Raum für eine offen ausgelebte Trauer. Eine Zeit des Abschiedes in der der Tote noch einige Zeit zu Hause im Kreise der Familie wahrt gibt es nicht mehr. Genauso ist das Tragen schwarzer Kleidung, als Signal der Trauer, heutzutage kaum noch anzutreffen. Die Gemeinschaft lässt zumeist nicht genügend Platz für eine angemessen ausgelebte Trauer zu, was zu einer starken Belastung für den Trauernden werden kann. Trauernde haben mitunter das Gefühl, nicht genügend oder nicht richtig getrauert zu haben.[60]

4.6.1 Formen der Trauer

Am Häufigsten wird um den Verlust von Familienangehörigen getrauert. Der Verlust muss dabei nicht zwangsläufig mit dem Tod einer Person zusammenhängen. Trauer kann zum Beispiel auch durch Scheidung, Trennung, Wegzug, etc., ausgelöst werden. Vereinzelt wird auch um den Tod berühmter Menschen getrauert (z.B. Lady Diana), dennoch bezieht sich die Trauer hauptsächlich auf nahe Angehörige und Verwandte. Der Tod eines nahe stehenden Menschen bedeutet fast immer einen Ausnahmezustand für die Angehörigen. Die Trauer beschreibt einen zumeist sehr schmerzhaften Loslösungsprozess vom Verstorbenen. Vor allem der Tod des Partners oder der eines Kindes, erscheint den Hinterbliebenen oft als unüberwindbares Ereignis. Ein entscheidender Faktor bei der Trauer um einen Toten, ist die Tatsache der Endgültigkeit und Unwiederbringlichkeit des Todes. Ein weiteres Problem für Trauernde stellt die Tatsache dar, dass soziale Netze von Verwandten und Nachbarn, die den Trauernden schützend auffangen, nur noch selten vorhanden sind.[61] Der Verlust eines Angehörigen stellt einen starken Eingriff in das Gefühlsleben und in die Handlungsfähigkeit des Trauernden dar. Der Trauernde empfindet, dass ein Teil von ihm gestorben sei. Der Soziologe Mead erklärt dies dadurch, dass sich der einzelne Mensch nur durch die Interaktion mit anderen Menschen erfährt. Die eigene Identität kann nur existieren, wenn sie von der Identität anderer Menschen umgeben ist. Fällt eine dieser Person durch Tod weg, entsteht zuerst einmal ein Vakuum für den Betroffenen.[62]

[...]


[1] Albert Schweitzer, deutscher Humanist (1875-1965). Aus: www.home.t-online.de/home/humanist.aktion/service.htm

[2] Hermann Kesten (1900-96). Deutscher Schriftsteller. Aus: www.zitate.de.

[3] Illich, Ivan: Die Nemesis der Medizin.1981. S. 202.

[4] Vgl.: Pfeffer, Christine: Brücken zwischen Leben und Tod. 1998. S. 20

[5] Vgl.: Feldmann, Klaus: Sterben und Tod. 1997. S. 13

[6] Vgl.: Feldmann, Klaus: Sterben und Tod. 1997. S. 13

[7] Vgl.: Feldmann, Klaus: Sterben und Tod. 1997. S. 14-15.

[8] Vgl.: Feldmann, Klaus: Sterben und Tod. 1997. S. 18.

[9] Vgl.: Feldmann, Klaus: Sterben und Tod. 1997. S. 17-21.

[10] Vgl.: Gronemeyer, Reimer: Orthothanasie – Vorschläge für einen therapeutisch gesicherten Abgang aus dem Leben. In: Der Tod im Leben, Ein Lesebuch zu einem verbotenen Thema. 1985. S. 105 – 106.

[11] Philippe Ariès (1914 – 1986), gehörte zur französischen Historikerschule der „Annales“, die Methoden der Soziologie und der Geschichte zu verbinden trachtete und sich um die Erforschung der Zivilisation und ihrer Mentalität bemühte.

[12] Vgl.: Ariès, Philippe: Geschichte des Todes. 1997. S. 12.

[13] Ariès, Philippe: Geschichte des Todes. 1997. Kapitel 1.

[14] Vgl.: Ariès, Philippe: Geschichte des Todes. 1997. S. 43.

[15] Vgl.: Ariès, Philippe: Geschichte des Todes. 1997. S. 13 – 42.

[16] Ariès, Philippe: Studien zu Geschichte des Todes im Abendland. 1981. S. 31.

[17] Vgl.: Ariès, Philippe: Studien zu Geschichte des Todes im Abendland. 1981. S. 33.

[18] Vgl.: Ariès, Philippe: Geschichte des Todes. 1997. S. 123 – 178.

[19] Vgl.: Ariès, Philippe: Geschichte des Todes. 1997. S. 379 – 518.

[20] Vgl.: Ariès, Philippe: Geschichte des Todes. 1997. S. 521 – 714 und: Studien zu Geschichte des Todes im Abendland. 1981. S. 43 - 56.

[21] Vgl.: Ariès, Philippe: Geschichte des Todes. 1997. S. 715 – 770 und: Studien zu Geschichte des Todes im Abendland. 1981. S. 57 - 67.

[22] Illich, Ivan: Die Nemesis der Medizin. 1981. S.122, 123.

[23] Vgl.: Ariès, Philippe: Geschichte des Todes.1981. S. 715 – 770.

[24] Nuland, Sherwin B.: Wie wir sterben – Ein Ende in Würde? 1993. S. 21.

[25] Vgl.: Prahl Hans-Werner / Schroeter Klaus R.: Soziologie des Alterns. 1996. S. 88.

[26] Vgl.: www.faz.net/s/Rub21DD40806F8345FAA42A456821D3EDFF/Doc-E6798Ce1F27664EF9979EB54165E5917F-ATpl-Ecommon-Scontent.html

[27] Vgl.: Kirschner Janbernd: Die Hospizbewegung in Deutschland. 1996. S.15 -17.

[28] Vgl.: Kirschner Janbernd: Die Hospizbewegung in Deutschland. 1996. S.18.

[29] Vgl.: www.adb-downloadcenter.de/versicherung/service-pdf/studie_bevoelkerungsentwicklung_statBA2000.pdf

[30] Statistisches Landesamt Rheinland- Pfalz, Auskunft von Herrn Schuck, Joachim

[31] Statistisches Landesamt Rheinland- Pfalz, Auskunft von Frau Jonas, Sandra

[32] Vgl.: www.uni-mainz.de/Organisationen/thanatologie/Literatur/heft8.htm. S. 33 - 34

[33] Vgl.: Schmied, Gerhard: Sterben und Trauer in der modernen Gesellschaft. 1988. S. 35.

[34] Vgl.: Beutel, Helmut / Tausch, Daniela: Sterben - eine Zeit des Lebens. 1989. S.160.

[35] Vgl.: Zulehner, Becker und Virt: Sterben und sterben lassen. 1991. S. 23 – 24.

[36] Vgl.: Gronemeyer, Reimer: Wohin mit den Sterbenden? Hospize in Europa – Ansätze zu einem Vergleich. 2002. S.139.

[37] Elias, Norbert: Über die Einsamkeit der Sterbenden. 1985. S. 85.

[38] Vgl.: Zulehner, Becker und Virt: Sterben und sterben lassen. 1991. S. 23 – 24.

[39] Vgl.: Gronemeyer, Reimer: Wohin mit den Sterbenden? Hospize in Europa – Ansätze zu einem Vergleich. 2002. S.139.

[40] Nuland, Sherwin B.: Wie wir sterben – Ein Ende in Würde? 1993. S. 374 – 375.

[41] Siehe: Illich, Ivan: Die Nemesis der Medizin. Von den Grenzen des Gesundheitswesens. Reinbek bei Hamburg. 1981.

[42] Vgl.: Ivan Illich: Die Nemesis der Medizin. 1981. S. 128.

[43] Vgl.: Zulehner, Becker und Virt: Sterben und sterben lassen. 1991. S. 26.

[44] Vgl.: Zulehner, Becker und Virt: Sterben und sterben lassen. 1991. S. 25.

[45] Vgl.: Kirschner Janbernd: Die Hospizbewegung in Deutschland. 1996. S. 37.

[46] Vgl.: Weber, Hans- Joachim: Der soziale Tod. 1994. S. 49.

[47] Vgl.: Feldmann, Klaus: Sterben und Tod. 1997. S. 81.

[48] Vgl.: Feldmann, Klaus. „Physisches und soziales Sterben“. In: Sterben und Tod in Europa. 1998. S. 95.

[49] Vgl.: Weber, Hans- Joachim: Der soziale Tod. 1994. S. 45.

[50] Weber, Hans- Joachim: Der soziale Tod. 1994. S. 45.

[51] Vgl.: Weiß, Wolfgang: Im Sterben nicht allein – Hospiz. 1999. S.47 – 48.

[52] Vgl.: Weiß, Wolfgang: Im Sterben nicht allein – Hospiz. 1999. S.48 – 49.

[53] Vgl.: Weiß, Wolfgang: Im Sterben nicht allein – Hospiz. 1999. S.49 – 50.

[54] Vgl.: Weiß, Wolfgang: Im Sterben nicht allein – Hospiz. 1999. S.51 – 52.

[55] Vgl.: Weiß, Wolfgang: Im Sterben nicht allein – Hospiz. 1999. S. 52.

[56] Weiß, Wolfgang: Im Sterben nicht allein – Hospiz. 1999, S. 54.

[57] Vgl.: Weiß, Wolfgang: Im Sterben nicht allein – Hospiz. 1999. S. 54 – 55.

[58] Vgl.: Weiß, Wolfgang: Im Sterben nicht allein – Hospiz. 1999. S.47 – 48.

[59] Tomas von Aquin. Siehe: www.zitate.de.

[60] Vgl.: Schmied, Gerhard: Sterben und Trauer in der modernen Gesellschaft. 1988. S. 143 – 147.

[61] Vgl.: Schmied, Gerhard: Sterben und Trauer in der modernen Gesellschaft. 1988. S. 135 – 137.

[62] Vgl.: Schmied, Gerhard: Sterben und Trauer in der modernen Gesellschaft. 1988. S. 137 – 138.

Excerpt out of 152 pages

Details

Title
Hospize in Rheinland-Pfalz. Eine empirische Studie
College
Justus-Liebig-University Giessen
Grade
1,0
Author
Year
2004
Pages
152
Catalog Number
V69826
ISBN (eBook)
9783638607698
ISBN (Book)
9783638725309
File size
1088 KB
Language
German
Notes
Empirische Arbeit über Hospize in Rheinland Pfalz. Detaillierte Darstellung über die Soziologie des Sterbens und über die Geschichte der Hospizbewegung.
Keywords
Hospize, Rheinland-Pfalz, Eine, Studie
Quote paper
David Distelmann (Author), 2004, Hospize in Rheinland-Pfalz. Eine empirische Studie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69826

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