Die beschriebenen Veränderungen führen dazu, dass betriebliche Aufgaben immer komplexer werden und stellen somit neue Anforderungen und Herausforderungen sowohl an die Lernenden als auch an die Lehrenden. Die wissenschaftliche Forschung versucht seit Ende der 1980er Jahre sich diesen Herausforderungen zu stellen. Schüler sollen nicht nur reines Wissen anhäufen, sondern Handlungsfähigkeit und -kompetenzen (Methoden-, Fach- und Sozialkompetenzen) entwickeln. 2 Es fallen Begriffe wie vernetztes und systemisches Denken, handlungs- und prozessorientierter Unterricht, Lernhandeln, Lernfelder, Praxisbezug, Schlüsselqualifikation oder komplexe Lehr-Lernarrangements. Letztere werden in den nachfolgenden Ausführungen näher betrachtet. Zunächst sollen herkömmliche Unterrichtsprinzipien, wie sie seit Jahrzehnten auch den Berufsschulunterricht prägten, zusammengefasst dargestellt und deren Schwachstellen aufgezeigt werden. Im Hauptteil der Arbeit werden neue Ansätze vorgestellt, welche die genannten Schwächen der herkömmlichen Unterrichtsgestaltung zu überwinden versuchen und die Grundlage für die Entwicklung komplexer Lehr-Lernarrangements bilden. Dabei werden die Gestaltungskriterien beleuchtet und anschließend sollen zwei Praxisbeispiele die theoretischen Abhandlungen verständlich machen. Zum Abschluss der Arbeit soll das Modell der komplexen Lehr-Lernarrangements kritisch betrachtet werden. [...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Vorbemerkung
1.2 Ziel und Gang der Arbeit
2. Herkömmliche Unterrichtsprinzipien
2.1 Darstellung herkömmlicher Unterrichtsprinzipien
2.2 Kritik an herkömmlicher Unterrichtsgestaltung
3. Neue Ansätze der Unterrichtsgestaltung
4. Grundannahmen der neuen Ansätze
5. Theoretische Grundlagen komplexer Lehr-Lernarrangements
6. Gestaltungskriterien komplexer Lehr-Lernarrangements
7. Praktische Beispiele
7.1 Die Jeansfabrik als Planspiel
7.2 Ursachen der Arbeitslosigkeit als Podiumsdiskussion
8. Fazit und zugleich kritische Betrachtung komplexer Lehr-Lernarrangements
9. Quellenangaben
9.1 Literaturverzeichnis
9.2 Sonstige Quellen
1. Einleitung
1.1 Vorbemerkung
Das duale System der Berufsausbildung mit den beiden Lernorten Betrieb und Berufsschule hat sich über Jahrzehnte hinweg in Deutschland etabliert und bewährt. Seit Ende der 1980er Jahre kommt es jedoch vermehrt zu kritischen Stimmen und zur Einsicht, dass in der schulischen Ausbildung nicht mehr zeitgemäßes, praxisnahes und anwendungsorientiertes Wissen vermittelt wird. Schulischer und betrieblicher Lernort driften zusehends auseinander. Ausgangspunkt hierfür sind vor allem die sich rasant verändernden Rahmenbedingungen in der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Hier sind als Gründe vor allem zu nennen:1
- die zunehmende Rationalisierung durch technischen Fortschritt,
- der steigende Wettbewerbsdruck durch wachsende Internationalisierung und Globalisierung,
- der Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechnologien,
- ein veränderter Wissenszuwachs,
- der soziale und ökologische Wandel sowie
- die demographische Entwicklung.
1.2 Ziel und Gang der Arbeit
Die beschriebenen Veränderungen führen dazu, dass betriebliche Aufgaben immer komplexer werden und stellen somit neue Anforderungen und Herausforderungen sowohl an die Lernenden als auch an die Lehrenden. Die wissenschaftliche Forschung versucht seit Ende der 1980er Jahre sich diesen Herausforderungen zu stellen. Schüler sollen nicht nur reines Wissen anhäufen, sondern Handlungsfähigkeit und -kompetenzen (Methoden-, Fach- und Sozialkompetenzen) entwickeln.2 Es fallen Begriffe wie vernetztes und systemisches Denken, handlungs- und prozessorientierter Unterricht, Lernhandeln, Lernfelder, Praxisbezug, Schlüsselqualifikation oder komplexe Lehr-Lernarrangements. Letztere werden in den nachfolgenden Ausführungen näher betrachtet. Zunächst sollen herkömmliche Unterrichtsprinzipien, wie sie seit Jahrzehnten auch den Berufsschulunterricht prägten, zusammengefasst dargestellt und deren Schwachstellen aufgezeigt werden. Im Hauptteil der Arbeit werden neue Ansätze vorgestellt, welche die genannten Schwächen der herkömmlichen Unterrichtsgestaltung zu überwinden versuchen und die Grundlage für die Entwicklung komplexer Lehr-Lernarrangements bilden. Dabei werden die Gestaltungskriterien beleuchtet und anschließend sollen zwei Praxisbeispiele die theoretischen Abhandlungen verständlich machen. Zum Abschluss der Arbeit soll das Modell der komplexen Lehr-Lernarrangements kritisch betrachtet werden.
2. Herkömmliche Unterrichtsprinzipien
2.1 Darstellung herk ö mmlicher Unterrichtsprinzipien
Folgende Annahmen prägten den (berufs-)schulischen Unterricht über Jahrzehnte hinweg.3
Parzellierung (auch Elementarisierung oder Linearisierung)
Die Lerninhalte sollen soweit vereinfacht und verkleinert werden, so dass einzelne Lernschritte für die Schüler einfach aufzunehmen sind. Durch Anhäufen von relativ einfachen Lernschritten in Verbund mit Ansammlung von Wissen ergibt sich automatisch eine anspruchsvolle Lernleistung. Man spricht von der Aneinanderreihung additiven Faktenwissens.4
Vom Einfachen zum Komplexen
Der Grundgedanke hierbei ist, dass gerade bei der Erarbeitung neuer Wissensgebiete zuerst nur essentielle, also unbedingt notwendige Informationen vermittelt werden (Einfachheit sicherstellen). Die Schüler sollen nicht durch scheinbar überflüssige Elemente verwirrt werden. Aus der Einfachheit lässt sich das Komplexe besser verstehen.
Vom Konkretem zum Abstraktem
Das Konkrete und Einfache ist leichter verständlich und ist es einmal verstanden, ist es auch für Lernschwächere besser abstrahierbar und in komplexen Situationen anwendbar.
Anschaulichkeit im Unterrichts
Lernen ist einfacher, wenn der Unterricht an etwas gekoppelt wird, was konkret vorstellbar ist, von Abstraktionen ist abzusehen. Man spricht auch vom gegenstandszentriertem Unterricht (Gegenstand des Lehrens und Lehrens als fertiges System).
Weitere Annahmen:
Die Lernenden werden als leere Gefäße angesehen, in die das Wissen nur einzufüllen wäre („Kübeltheorie der Pädagogik“).
Das in der Schule gelernte Wissen habe eine hohe Transferwirkung für neue Situationen, d. h. sofort in betrieblicher Realität anwendbar. Um diesen Wissenstransfer (allgemeine Anwendbarkeit) zu gewährleisten, soll eine kontextunabhängige Wissensweitergabe an den Schüler erfolgen.5 Es wird von einer klassischen Rollenverteilung ausgegangen, d. h. der Lehrer als aktiver Gestalter des Unterrichtes vermittelt das Wissen (beispielsweise in Form von Frontalunterricht) an die passiv das Wissen aufnehmenden Schüler. Eine allgemeine breite Stoffvermittlung muss gewährleistet sein, um Problemlösungsstrategien im Schüler zu verankern.
Beim Lehrenden zählt vor allem, konkrete und korrekte Schülerantworten zu erhalten. Vor allem sind Probleme im Interesse der intellektuellen Sicherheit der jugendlichen Schüler so zu bearbeiten, dass sie nur eindeutig richtige oder falsche Lösungen und Antworten ergeben (um eine Überforderung zu vermeiden).6
2.2 Kritik an herk ö mmlicher Unterrichtsgestaltung
Die beschriebenen Annahmen und Prinzipien führen zu einer starken Vereinfachung und Abstraktion, was das Verständnis komplexer Probleme erschweren kann.
Die klassische Rollenverteilung führt zu fehlender Initiative und Eigenverantwortung für den Lernprozess und Lernerfolg (passiver Schüler). Dies kann zu zunehmender Demotivation, Desinteresse, Leistungsverweigerung bis hin zu Disziplinproblemen oder Fernbleiben vom Unterricht führen.7 Insbesondere die Parzellierung und Elementarisierung führt zur Anhäufung von „trägem Wissen“; dieses angehäufte Wissen kann nicht im alltäglichen Berufsleben angewandt werden (sinkende Halbwertzeit des Wissens).8 Das zwar erlernte Wissen liegt nicht in der Form vor, dass es ohne weiteres auf neue Situationen transferiert werden kann (Strukturdefizit) und kann nicht auf konkrete Situationen angewandt werden (fehlende Situiertheit des Lernens). Die Prinzipien verleiten zu „behavioristischen Formen des Lernens“. Die Wissenserarbeitung läuft in kleinen Lernschritten mit linearem Gleichgewicht ab. So erfolgt keine Vernetzung des Wissens („Der Schüler lernt alles Stück für Stück ohne Zusammenhang“) und somit eine unzureichende Förderung von kritischem, vernetztem und systemischem Denkens.9 Es kommt zur zunehmenden Realitätsfremde, fehlendem Praxisbezug und kaum Handlungsorientierung im Unterricht, was die Förderung von Handlungs- und Entscheidungskompetenzen stark behindert.
3. Neue Ansätze der Unterrichtsgestaltung
Aus den Vorbehalten und Kritikpunkten gegenüber der herkömmlichen Unterrichtsgestaltung wurden neue Ansätze entwickelt, die eben jene Probleme ausmerzen sollen. Es ergaben sich 4 neue Ansätze, die wie folgt charakterisiert werden:
- Situated learning10
- Cognitive apprenticeship11
- Goal based scenarios12
- Anchored instructions13
„Situated learning“ basiert auf dem Gedanken, dass Wissen stets situationsabhängig ist. In verschiedenen Situationen und Kontexten muss auch unterschiedliches Wissen von den Lernenden abgerufen werden. Aufgrund dieser Tatsache ist es notwendig stets eine Verknüpfung von realen Lebens- und Berufssituationen mit dem Lerngegenstand in der Berufsschule durchzuführen. Dies hilft dem Lernenden, das Gelernte besser zu nutzen und damit einen größeren Lerneffekt zu erzielen. Zudem gibt es dem Lernenden eine bessere Identifikationsmöglichkeit, als wenn der Lernstoff in der Berufsschule dem Schüler als „losgelöst“ und demzufolge auch als nicht „brauchbar“ vorkommt.
Der Ansatz der „cognitive apprenticeship“ (kognitive Ausbildung) greift den Punkt des „situated Learning“ mit auf und erweitert diesen noch um den Aspekt, dass das zu Lernende stets in konkreten Situationen zu lernen ist. An konkreten Situationen lässt sich der Lerngegenstand besser verstehen (z.B. durch eine erneut bessere Identifikationsmöglichkeit). Dies beinhaltet, dass der Lehrkörper sich zunehmend aus der aktiven Rolle des Gestalters in die passive Rolle als Lernberater zurückzieht und den Schülern lediglich als Coach dient.
Grundsätzlich stehen die neuen Ansätze in einem direkten Zusammenhang und dementsprechend ist auch der Ansatz der „goal based scenarios“ eng mit den beiden bereits erläuterten Ansätzen verbunden. Dieser Ansatz wird dadurch beschrieben, dass die Lehrer authentische Problemsituationen aus dem Alltag der Schüler verwenden sollen. Diese sollen dabei nicht einfach - wie in den herkömmlichen Ansätzen der Unterrichtsgestaltung - beginnen, sondern einen komplexen Einstieg in eine Problemsituation ermöglichen, welche dann später auszudifferenzieren ist. Das Ziel besteht darin, dass die Schüler Problemlösungsstrategien entwickeln sollen, um dann komplexe Probleme, wie sie in der Berufswelt vorhanden sind, besser verstehen und bearbeiten zu können. Der Ansatz der „anchored instructions“ besteht darin, dass eben jene Problemsituationen per Video oder Bildplatte aufgearbeitet werden und den Schülern präsentiert werden sollen. Dadurch sollen „mentale Situationsmodelle“ von den Schülern aufgebaut werden - sie sollen sich mit dem Problem bzw. der Problemstellung identifizieren und verstehen, warum genau dieses Problem in der Schule bearbeitet wird und in welcher Form dieses Problem auf den einzelnen Schüler in der Berufswelt zukommen könnte. Ein Beispiel für so eine Instruktion wäre das Modell von Arnold und Stolzenberg14.
4. Grundannahmen der neuen Ansätze
Der Entwicklung der neuen Ansätze gingen bestimmte Grundannahmen voraus. Diese Grundsätze sind konstruktivistischen Ursprungs und sollen an dieser Stelle erläutert werden. 15
[...]
1 Vgl. Achtenhagen/John (1992), S. 3
2 Vgl. Tramm/Rebmann in Achtenhagen/John (1992), S. 47 ff., ebenso Wernstedt in Achtenhagen/John (1992), S. 16
3 Vgl. dazu Dubs (1999), S. 1, Rinkensmeier (2001), S. 50
4 Vgl. Dubs in Arnold/Lipsmeier (1995), S. 171
5 Vgl. Reinkensmeier (2001), S. 50
6 Vgl. Dubs in Arnold/Lipsmeier (1995), S. 171
7 Vgl. Reinkensmeier (2001), S. 51
8 Vgl. Dubs (1999), S. 1
9 Vgl. Reinkensmeier (2001), S. 51
10 Vgl. Dubs (1999), S. 1
11 Vgl. ebenda, S.2
12 Vgl. Schank (1994), S. 429 ff
13 Vgl. Dubs (1999), S. 2
14 Wurde in dem Seminar bereits von Prof. Dr. Tramm vorgestellt
15 Vgl. Dubs (1999), S. 2
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