Die römischen Besucher des Alexandergrabes und Alexanderreliquien außerhalb Alexandrias im Spiegel der Imitatio Alexandri als Legitimation römischer Herrscher


Seminararbeit, 2005

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Alexander: vom Weltbeherrscher zur Leiche und zurück

2 Der Schrein der Caesaren
2.1 Caesar: Fundament des Kaiserreichs
2.3 Septimius Severus: keine Leiche für Touristen
2.4 Caracalla: Megalomanie

3 Alexanderreliquien außerhalb Alexandrias
3.1 Argos: Waffen für die alte Heimat
3.2 Pompeius: der Alexander der Republik
3.3 Augustus: politisches Kalkül
3.4 Caligula: Wahnsinn
3.4 Caracalla: Besessenheit

4. Alexander: Geschichte und Mythos vereint

Literaturverzeichnis

Übersetzungen

Sekundärliteratur

1 Alexander: vom Weltbeherrscher zur Leiche und zurück

“Es war Aversion, Ratlosigkeit, Verbitterung und radikaler Egoismus, die Alexanders politische Rolle unmittelbar nach dem Tode beendeten [...].“[1] So beschreibt Wirth die Bedeutung Alexanders nach dessen Ableben. Direkt nach seinem Tode scheint der Makedonenführer anscheinend keinen großen Einfluss mehr gehabt zu haben. Dagegen steht folgende Aussage: „Alexander’s tomb was at the center of events again [...]“[2] – mit diesen Worten beschreibt Chugg die Bedeutung des Alexandergrabes beim Übergang der Römischen Republik zum Kaiserreich. Drei Fakten lassen sich herauslesen: Alexander ist gestorben und liegt begraben (in Alexandria); er selbst war aus dem politischen Zentrum entrückt gewesen, nämlich als im Hellenismus die Diadochenkämpfe tobten und der Aufstieg Roms sich manifestierte; sein Grab jedoch, und, wie diese Arbeit versuchen wird aufzuzeigen, seine ganze Figur, steht jetzt, also in der späten Republik/frühen Kaiserzeit, wieder im politischen Mittelpunkt, besonders aufgrund der Tatsache, dass die römischen Kaiser und Andere zum Sema pilgern und sich mit Alexanderreliquien schmücken, damit das Phänomen Alexander reaktivieren und für ihre eigenen Zwecke instrumentalisieren.

Genau diese römischen Besucher und die Reliquien wird diese Arbeit behandeln. Insgesamt ist die Quellenlage recht spärlich. Wir haben zwar für einige Kaiser deutliche schriftliche Belege für die Tatsache, dass sie im „berühmtesten Mausoleum der Antike“[3] waren, doch wären genauere Berichte über die Abläufe eines solchen Besuches wünschenswert.

Noch schlimmer sieht es bei den Alexanderreliquien außerhalb Alexandrias aus. Pompeius beanspruchte zwar Authentizität für seinen Alexandermantel, genauso wie Augustus für seine Zeltpfosten und Caligula für den Brustpanzer, den er trug, doch zweifelsfrei nachgewiesen werden kann diese nicht. Doch wird unter Forschern die These vertreten, dass es eher der Gedanke ist, der zählt, das zwanghafte Glauben an die Echtheit der Reliquien im Rahmen der Imitatio Alexandri. Für diese Nachahmung Alexanders finden sich wiederum etliche Beispiele in den Quellen.

Generell vertritt diese Arbeit die These, dass ein Besuch des Alexandergrabes sowie Reliquien, die in Zusammenhang mit Alexander standen und die Alexanderfigur überhaupt von den Römern als eine Art antikes Weltkulturerbe zur politischen „Öffentlichkeitsarbeit“[4] verwandt worden sind. Hierüber ist sich die Forschung generell recht einig, Details sind aber teilweise recht umstritten, z.B. ob Alexander als reine Eroberungsfigur betrachtet wurde oder ob auch der Aspekt des Friedensbringers mit einzubeziehen ist. Besonders hilfreich waren The Lost Tomb von Chugg, das neueste Ergebnisse zum Alexandergrab darbietet und die einzelnen Besucher behandelt, und Alexander der Große von Pfrommer, das u.a. sehr ausführlich auf alle Auswüchse der Imitatio Alexandri bei den Römern eingeht und sich nicht zuletzt auf archäologische Quellen stützt.

2 Der Schrein der Caesaren

Der erste Hauptteil dieser Arbeit wird sich mit denjenigen berühmten Römern beschäftigen, von denen wir nachweisen können, dass sie das Grab Alexanders in Alexandria besucht haben. Das Hauptaugenmerk soll dabei auf der politischen Deutung dieser „Wallfahrt zu einer Mumie“[5] liegen.

2.1 Caesar: Fundament des Kaiserreichs

Gaius Iulius Caesar kam in einer Situation nach Alexandria, als auf der politischen Bühne zwei ideologische Konflikte tobten, die das Schicksal der Mittelmeerwelt für die nächsten 500 Jahre bestimmen sollten: Republik gegen Diktatur und römischer Nationalismus gegen eine griechisch-römische Allianz. Caesars Fraktion war davon überzeugt, dass die neuen Umstände eine entscheidungsfreudige Zentralgewalt nötig machten, die nur dadurch erreicht werden konnte, dass ein Großteil der Macht im Staat auf eine Person konzentriert wurde. Die Gegenfraktion wollte zu einer reineren Form des Republikanismus zurückkehren.[6] Chugg beschreibt die Karriere Alexanders als hochgradig symbolträchtig für Caesar, der ja schon 68 v. Chr. im Heraklestempel von Gades geseufzt hatte, dass er im Gegensatz zu Alexander erst so wenig erreicht habe.[7] Alexander sei ein Beispiel für erfolgreiche absolutistische Herrschaft und ein propagandistischer Traum für die Caesarpartei.[8]

Bei Lucan ließt sich die zugrundeliegende Stelle für den Besuch folgendermaßen:

„Caesar betrat die Hauptstadt Ägyptens [...]. Doch furchtlos besichtigte er, mit heiterer Miene, sämtliche Stätten der Götter, die altehrwürdigen Tempel, Zeugen der einstigen Machte Makedoniens. Ohne vom Glanze alles Sehenswerten sich fesseln zu lassen, vom Golde oder vom prunkvollen Ritus oder den städtischen Mauern, stieg er ungeduldig ins Grabgewölbe hinunter. Ruhte hier doch des Pelläers Philippus rasender Sprössling [...].“[9]

Diese Textstelle lässt zumindest einen Rückschluss ziehen auf die Tatsache, dass Caesar das Alexandergrab besichtigt hat und auch auf die Einstellung, mit der er ins Gewölbe hinunterstieg. Chugg beschreibt dies als „eagerness to grasp the opportunity of a pilgrimage to the tomb of his hero.“[10]

Es lässt sich also mit einiger Sicherheit sagen, dass Caesars Besuch im Sema u.a. dem Zweck diente, eine absolutistische Herrschaft in Rom durch das Vorbild Alexanders zu legitimieren. Denn aus seiner Alexanderbegeisterung hatte Caesar keinen Hehl gemacht.[11] Strabo bezeichnete ihn ausdrücklich als „Philaléxandros“[12] und Caesar trug im Theater eine Strahlenkrone („distincta radiis corona“ – „a crown adorned with rays“[13]), was als Auftreten als Sonnengott Helios und damit als Imitatio Alexandri interpretiert werden kann.[14]

2.2 Augustus: „Ich will keine Leichen sehen.“

Dem ersten römischen Princeps wurden schon als Embryo Verbindungen zu Alexander zugeschrieben. So berichtet Sueton, dass Atia, von einer Schlange begattet worden sein soll[15], was eindeutig eine Anspielung auf den Geburtsmythos im Alexanderroman ist: „[Nektanebos] [...] ließ vor sich her eine Schlange in Olympias’ Schlafzimmer kriechen.“[16] Die Schlangenzeugung ist allerdings kein genuin augusteischer Auswuchs der Imitatio Alexandri, schon Livius berichtet ungläubig über Scipio Africanus:

„This custom, which he maintained throughout his lifetime, confirmed in some men the belief, whether deliberately circulated or by chance, that he was a man of divine race. And it revived the tale previously told of Alexander the Great and rivaling it as unfounded gossip, that his conception was due to an immense serpent, and that the form of the strange creature had very often been seen in his mother’s chamber, and that, when persons came in, it had suddenly glided away and disappeared from sight.“[17]

Sueton berichtet außerdem, dass Octavius auf dem Altar des Dionysos eine gewaltige Stichflamme gesehen habe, als er sich nach dem Schicksal seines Sohnes erkundigte. Und nur Alexander selbst habe dieses Zeichen erhalten, als er auf diesem Altar opferte.[18] Pfrommer geht sogar soweit zu vermuten, dass auf dem sog. „Ptolemäerkameo“ (Wien, Kunsthistorisches Museum, AS IX A 81) Augustus und Livia (oder Atia) in der Maske von Alexander und Olympias bzw. Ptolemaios II. und Arsinoe II. abgebildet seien.[19]

In dieses Schema passt auch der Aufenthalt des Augustus am Grab Alexanders. Dies geschah nach dem Sieg bei Actium im Jahre 31 v. Chr. Es liegen uns dafür zwei Berichte vor.

„Um die gleiche Zeit sah er sich Sarg und Leiche Alexanders des Großen, die man aus der Gruft genommen hatte, mit eigenen Augen an, legte zum Zeichen seiner Verehrung einen goldenen Kranz und Blumen nieder, und auf die Frage, ob er auch die Gruft der Ptolemäer besichtigen wollte, antwortete er, er habe einen König sehen wollen und nicht Leichen.“[20]

Erskine sieht Augustus hier als „deeply respectful“[21] beschrieben und meint weiterhin, dass die unverblümte Zurückweisung der ptolemäischen Dynastie das Gefühl begünstigt, dass ein Treffen Gleichrangiger stattfindet: Alexander verdient Augustus Aufmerksamkeit, die Ptolemäer tun dies nicht.[22]

Einen weiteren Bericht liefert Cassius Dio:

„After this he viewed the body of Alexander and actually touched it, whereupon, it is said, a piece of the nose was broken off. But he declined to view the remains of the Ptolemies, though the Alexandrians were extremely eager to show them, remarking, ‘I wished to see a king, not corpses.’”[23]

[...]


[1] Gerhard Wirth, “Alexander und Rom”, Alexandre le Grand: Image et realité, Hrsg. Albert B. Bosworth, Genf: Fondation Hardt (1976), 181.

[2] Andrew M. Chugg, The Lost Tomb of Alexander the Great, London: Periplus (2005), 105.

[3] Michael Pfrommer, Alexander der Große: auf den Spuren eines Mythos, Mainz am Rhein: von Zabern (2001), 93.

[4] Pfrommer, Alexander, 107.

[5] Pfrommer, Alexander, 101.

[6] Chugg, Lost Tomb, 105.

[7] Suet. Iul. 7, 1: „Als er dort [...] nach Gades kam, zog beim Tempel des Hercules eine Büste Alexander des Großen seine Aufmerksamkeit auf sich; er seufzte und war sozusagen seiner Trägheit ganz überdrüssig, weil er doch noch nichts Bemerkenswertes zutage gebracht habe in einem Alter, in dem Alexander sich bereits den ganzen Erdkreis unterworfen habe.“

[8] Chugg, Lost Tomb, 105.

[9] Luc. 10, 10-21.

[10] Chugg, Lost Tomb, 106.

[11] Pfrommer, Alexander, 104.

[12] Strabo 13, 594.

[13] Flor. 2, 13, 91.

[14] Pfrommer, Alexander, 104.

[15] Suet. Aug. 94, 4: „Als Atia um Mitternacht zu einem feierlichen Gottesdienst des Apollo gekommen war und man ihre Sänfte im Tempel abgestellt hatte, sei sie, während die übrigen Frauen bereits schliefen, auch eingenickt. Plötzlich sei eine Schlange zu ihr gekrochen, wenig später habe diese sie wieder verlassen; aufgewacht habe sie sich gereinigt, wie wenn sie mit ihrem Mann zusammen gewesen wäre. Und im gleichen Moment habe sich auf ihrem Körper ein Mal gezeigt, so ungefähr vom Aussehen einer Schlange, die man aufgemalt hat, und das habe sich niemals mehr entfernen lassen, so dass sie seitdem nie mehr in öffentliche Bäder gegangen sei. Augustus sei im zehnten Monat danach geboren worden und deswegen für einen Sohn des Gottes Apollo gehalten worden.“

[16] Hist. Alex. 1, 7.

[17] Livius Epon. 26, 19, 6-7.

[18] Suet. Aug. 94, 5-6: „Als später Octavius [...] im Hain des Liber Pater die feierlichen Handlungen der Barbaren nach seinem Sohn befragte, wurde von den Priestern dasselbe behauptet, weil aus dem Wein, den man über die Altäre gegossen hatte, eine Flamme so hoch herausschoss, dass sie über den Giebel des Tempels bis zum Himmel hochgestiegen sei. Einzig und allein Alexander dem Großen sei genau an diesen Altären, als er ein Opfer darbrachte, ein ähnliches Wunderzeichen zuteil geworden.“

[19] Pfrommer, Alexander, 104-6.

[20] Suet. Aug. 18.

[21] Erskine, „Life after Death”, 163.

[22] Erskine, „Life after Death“, 163.

[23] Cass. Dio 51, 16, 5.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die römischen Besucher des Alexandergrabes und Alexanderreliquien außerhalb Alexandrias im Spiegel der Imitatio Alexandri als Legitimation römischer Herrscher
Hochschule
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Veranstaltung
PS Die Herrscherkulte des Hellenismus - in vergleichender Perspektive
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
20
Katalognummer
V69940
ISBN (eBook)
9783638623001
ISBN (Buch)
9783638753081
Dateigröße
461 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Besucher, Alexandergrabes, Alexanderreliquien, Alexandrias, Spiegel, Imitatio, Alexandri, Legitimation, Herrscher, Herrscherkulte, Hellenismus, Perspektive
Arbeit zitieren
Christian R. Schwab (Autor:in), 2005, Die römischen Besucher des Alexandergrabes und Alexanderreliquien außerhalb Alexandrias im Spiegel der Imitatio Alexandri als Legitimation römischer Herrscher, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69940

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