Strategische Gruppe 5: Die Bauern - Sind diese für Demokratie mobilisierbar?


Dossier / Travail de Séminaire, 2006

37 Pages


Extrait


Gliederung

Sind Bauern mobilisierbar für Demokratie?

Theoretischer Teil – Theorie der Strategischen Gruppen

Karl Marx
Barrington Moore
Mao Tse-tung

2. Länderbeispiele
Taiwan
Die Philippinen
Volksrepublik China

Fazit

Bibliographie

Sind Bauern mobilisierbar für Demokratie?

„Agriculture... is the first in utlity, and ought to be the first in respect.“[1]

Nicht nur in vorindustriellen oder sich entwickelnden Gesellschaften spielen Bauern eine große Rolle. Die unabhängige nationale Nahrungsmittelversorgung ist auch in den industrialisierten bzw. postindustrialisierten Ländern des Westens oft ein wichtiges Anliegen, welches es im Haushalt zu berücksichtigen gilt. Als Beispiel kann man sich die landesweiten Proteste der französischen Bauern vor der letzten Verabschiedung des EU- Haushaltsplanes vor Augen führen. Nun haben die französischen Bauern eine große Lobby, sind organisiert und leben sicher nicht am Existenzminimum, daher hat sich die Vergleichbarkeit mit den „peasants“ der in dieser Arbeit zu behandelnden Länder bereits erschöpft. Trotz ihres Defizits bei der Vertretung ihrer Interessen, stellen diese in vielen Ländern die Mehrheit der Bevölkerung und bilden so die Masse, die bei einer politischen Veränderung ausschlaggebend wäre. Gerade für das demokratische Projekt spielen sie daher eine große Rolle. Viele gesellschaftliche Umbrüche der Vergangenheit wurden auf dem Rücken und mit Hilfe der Bauern ausgetragen, so z.B. die kommunistische Revolution in Russland. Die Umwandlung in eine moderne Gesellschaft ist ohne Umbrüche im ländlichen Raum nicht möglich. Ich möchte mich in dieser Arbeit mit der Frage beschäftigen, ob Bauern prinzipiell an Demokratie interessiert sind. Sind Bauern politisch? Sind sie mobilisierbar? Lassen sie sich für Demokratie mobilisieren oder doch lieber für ein autoritäres System? Sind sie als Gruppe überhaupt existent?

Um diese Fragen beantworten zu können, muss jedoch eine genauere Klassifizierung des Begriffes Bauern vorgenommen werden. Die Form des Agrarwirtes wie er in Deutschland und so auch in Europa bekannt ist, unterscheidet sich enorm von denen der Länder Taiwan, Philippinen und China, welche ich als Länderbeispiele gewählt habe. In den drei Ländern gibt es keine starke mittelständische Bauernschaft wie in Europa, sondern ein, an feudale Verhältnisse erinnerndes System von Großgrundbesitzer und Kleinbauern, kombiniert mit einem Pachtsystem, das oft die Besitzer einseitig begünstigt. Dies trifft mal mehr mal weniger zu, wird im Weiteren jedoch noch ausführlicher behandelt. Man kann also im Marxschen Terminus von den Bauern oder, wie ich sie im weiteren Verlauf der Arbeit nennen möchte, peasants/Kleinbauern bzw. Bauern im Sinne von peasant, als ausgebeuteter Klasse sprechen. „Peasants“ werden laut Oxford dictionary definiert: „peasant (esp formerly or in poorer countries) a poor farmer owning or renting a small piece of land which he or she cultivates; (…))”[2] Im Gegensatz dazu die Definition des europäischen Bauern: “Bauer: (Landwirt), Eigentümer oder Pächter eines landwirtsch. Betriebes, der ohne fremde Arbeitskräfte bewirtschaftet wird und aus dem der überwiegende Teil des Familieneinkommens stammt. Nach der Nutzfläche teilt man die Betriebe in groß- (20-100 ha), mittel- (5-20 ha) und kleinbäuerliche (2-5 ha) ein. (...))“[3]

Um der Frage nach der kleinbäuerlichen Einstellung bezüglich Demokratie nachzugehen, beziehe ich mich auf die Theorien bzw. Aussagen Karl Marx´, Barrington Moores und Mao Tse- Tungs. Zuerst werde ich eine Analyse der Teorie der Strategischen Gruppen von Evers und Schiel ausarbeiten um dann die Einstellung Moores, Marx und Maos zu den Bauern ihrer Zeit zu Beginn meiner Arbeit im theoretischen Teil zu demonstrieren. Danach werde ich den Gehalt der Theorien anhand der Länderbeispiele Taiwan, Philippinen und China überprüfen. Ausgewählt wurden diese Länder aufgrund ihrer prinzipiellen Vergleichbarkeit trotz signifikanter Unterschiede, so dass sie einen repräsentativen Querschnitt bilden können. Ich werde ebenfalls der Frage nachgehen, ob die jeweilige nationale Entwicklung typisch für Asien ist oder ebenso in Lateinamerika hätte statt finden können. In meinem Fazit werde ich noch einmal kurz die Ergebnisse dieser Arbeit zusammenfassen.

Theoretischer Teil – Theorie der Strategischen Gruppen

Evers und Schiel haben die Theorie der Strategischen Gruppen in den 60er Jahren entwickelt und sie wird auch heute noch, teilweise modifiziert, angewandt, um differenziert die gesellschaftliche Dynamik zu erklären, die zu einer Verschiebung der Machtressourcen innerhalb eines Systems führt. Dabei werden Strategische Gruppen folgendermaßen definiert: „...Personen, die durch ein gemeinsames Interesse an der Erhaltung oder Erweiterung ihrer gemeinsamen Aneignungschancen verbunden sind. Diese Appropriationschancen beziehen sich nicht ausschließlich auf materielle Güter, sondern können auch Macht, Prestige, Wissen oder religiöse Ziele beinhalten. Das gemeinsame Interesse ermöglicht strategisches Handeln, d.h. langfristig ein „Programm“ zur Erhaltung oder Verbesserung der Appropriationschancen zu verfolgen.“ Um ihre Aneignungschancen zu verbessern, versuchen Menschen, die auf die gleiche Weise zu den gewünschten Ressourcen kommen, sich zusammenzuschließen und Macht zu erlangen. Z.B. Arbeiter entwickeln ein kollektives Bewusstsein dafür, dass sie ähnliche Bedürfnisse und Probleme haben. Sie schließen sich zusammen um ihren Forderungen größeres Gewicht zu verleihen. Dies manifestiert sich in einer Demokratie institutionell durch die Bildung von Gewerkschaften, welche wiederum als Vertreter Einfluss an einflussreicherer Stelle nehmen können. Durch den Zusammenschluss mehrerer Strategischer Gruppen über Konflikt und Konsens kommt es dann zur Bildung von Klassen. Eine Strategische Gruppe wird immer versuchen die Macht, meistens die politische Macht, zu erlangen, um eigenen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Sie wird also ein politisches oder wirtschaftliches System schaffen, dass ihre Bedürfnisse maximal befriedigt. Es entsteht eine Superstruktur, in die sich andere entweder einfügen können um systemimmanent ebenfalls Interessen durchzusetzen oder sie wenden sich gegen die bestehende Ordnung. Strategisches Handeln wird in diesem Konzept definiert als: „... ein langfristig angelegtes, geplantes Handeln, welches auf das Erreichen eines wichtigen komplexen Ziels gerichtet ist und in der Hauptsache die Gewinnung einer sicheren ökonomischen Position hinsichtlich der Mehrproduktaneignung meint.“ Diese Ziel wird durch zwei Optionen erreicht. Zum einen durch Hybridisierung, womit die Ausweitung der Aneignungschancen durch die Erschließung neuer Quellen gemeint ist, oder durch Strategische Bündnisse, worunter man den Zusammenschluss mit anderen Strategischen Gruppen bis hin zur Symbiose versteht. Wichtig ist die Art der Aneignung des gesellschaftlichen Mehrprodukts. Hier wird unterschieden zwischen einer persönlichen (Löhne, Gehälter, Honorare durch Professionals), korporativen (erwirtschaftete Profite, Dividenden durch Unternehmer oder Geschäftsleute), kollektiven (staatliche Revenuen in Form von Steuern und Abgaben durch Militär oder Staatsbeamte) und Grundbesitz (Pachten, Renten Bodenzins). Die Strategische Gruppe wird das Herrschaftssystem also ihrer jeweiligen Aneignungsweise anpassen. Als Quasi – Gruppen werden jene zusammengefasst, die nicht an der Abschöpfung des gesellschaftlichen Mehrwertes teilnehmen können. Zu diesen zählen die Kleinbauern. Allerdings können sie zu einer Strategischen Gruppe werden, wenn sie eine kollektive Identität entwickeln und die Grundlage für ein gemeinsames strategisches Handeln schaffen.

Folgt man jedoch Karl Marx sind Bauern dazu nicht in der Lage.

Karl Marx

Karl Marx hat sich in seinem Werk nie explizit mit Bauern beschäftigt. Allerdings hat er sich mehrmals in anderem Zusammenhang zu ihnen geäußert. Aus diesen Mosaiksteinchen soll hier versucht werden ein Gesamtbild zu erstellen.

Die von mir gefundenen Textstellen beziehen sich fast ausschließlich auf die französischen Bauern. Ihm zufolge besteht das Problem dieser Klasse vor allem in ihrer Unabhängigkeit voneinander. Um in den Worten Evers und Schiels zu sprechen, besitzen Bauern nach Marx Meinung kein kollektives Bewusstsein. Er bezeichnet sie sogar als „... Addition gleichnamiger Größen, wie etwa ein Sack von Kartoffeln einen Kartoffelsack bildet.“[4] Der Bauer steht dieser Aussage nach alleine. Er ist unabhängig von Seinesgleichen, da er sie nicht benötigt um sein Produkt zu erwirtschaften. Dies wiederum ist problematisch, da er zwar alleine überleben kann, aber um seine Verhältnisse zu verbessern und seine Interessen durchzusetzen doch die Gemeinschaft braucht. „Ihr Produktionsfeld, die Parzelle, lässt in seiner Kultur keine Teilung der Arbeit zu, keine Anwendung der Wissenschaft, also keine Mannigfaltigkeit der Entwicklung, keine Verschiedenheit der Talente, keinen Reichtum der gesellschaftlichen Verhältnisse. Jede einzelne Bauernfamilie genügt beinahe sich selbst, produziert unmittelbar selbst den größten Teil ihres Konsums und gewinnt so ihr Lebensmaterial mehr im Austausche mit der Natur als im Verkehr mit der Gesellschaft.“[5] Durch diese Unabhängigkeit können sie keine Klasse bilden und dadurch ihre Interessen, z.B. durch ein Parlament, nicht vertreten. Sie brauchen eine starke Zentralmacht, die sie anführt und anweist. „Der politische Einfluss der Parzellenbauern findet also darin seinen letzten Ausdruck, dass die Exekutivgewalt sich die Gesellschaft unterordnet.“[6] Durch das Desinteresse der Bauernklasse kommt es also zur Diktatur. Um zum Problem für die Bauern zu werden, müssen zu dieser Konstellation jedoch noch zwei Optionen hinzukommen: Aufteilung des Bodens und Eigentum.

Durch die Teilung des Bodens ist eine effektive Bewirtschaftung unmöglich. Technischer Fortschritt kann hier nicht angewandt werden. „endlich vermindert sich der Reinertrag in demselben Verhältnis, als der Bruttokonsum wächst, als die ganze Familie des Bauern durch ihren Besitz von anderen Beschäftigungen zurückgehalten wird und doch nicht befähigt ist, von ihm zu leben. In demselben Maße also, worin die Bevölkerung und mit ihr die Teilung des Grund und Bodens zunimmt, in demselben Maße verteuert sich das Produktionsinstrument, die Erde, und nimmt ihre Fruchtbarkeit ab, in demselben Maße verfällt der Ackerbau und verschuldet sich der Bauer.[7] Der benötigte Aufwand steigt also, während der Ertrag sinkt. Um seine Familie zu ernähren verschuldet sich der Bauer beim Kapitalisten. Da sich seine Situation aber nicht verbessert, kann er weder seine Schulden zurückzahlen, noch die Zinsen bedienen. Er verschuldet sich also immer weiter und fällt letztendlich dem Wucher anheim. Dann ist er schlimmer dran als der ärmste Pächter, da er seinen ganzen Reingewinn an den Kapitalisten abtreten muss und zusätzlich noch einen Teil seines Arbeitslohnes „... - und alles unter dem Vorwande, Privateigentümer zu sein.“[8] Das Interesse der Bauern ist also dem der Bourgeoisie direkt entgegengesetzt. Durch die Enteignung der Feudalherren und der Zuteilung des Bodens als Privateigentum an die Bauern besteht keine grundbesitzende Oberschicht mehr. Handwerk und kleine Kaufleute, der sogenannte Mittelstand befinden sich nur auf dem Weg zum Proletariat. So bleibt als „natürlicher Verbündeter und Führer (nur das) städtische Proletariat, dessen Aufgabe der Umsturz der bürgerlichen Ordnung ist.“[9] „Nur der Fall des Kapitals kann den Bauern steigen machen, nur eine antikapitalistische, eine proletarische Regierung kann sein ökonomisches Elend, seine gesellschaftliche Degradation brechen.“[10] Da Bauern, aus oben angeführten Gründen, keiner revolutionären Erhebung fähig sind, brauchen sie jemanden der sie anführt und das ist das Proletariat. Denn „Sind sie revolutionär, so sind sie es im Hinblick auf den ihnen bevorstehenden Übergang ins Proletariat, so verteidigen sie nicht ihre gegenwärtigen, sondern ihre zukünftigen Interessen, so verlassen sie ihren eigenen Standpunkt, um sich auf den des Proletariats zu stellen.“[11] Die Bauernklasse fördert also Diktaturen und muss durch andere, das Proletariat, angeführt werden um ihre Interessen zu verwirklichen. Eine erfolgreiche Bauernrevolution ist also eine Erhebung der passiven Massen angeführt durch das Proletariat und mit Ziel eines kommunistischen Systems.

Barrington Moore

„Der Prozess der Modernisierung beginnt mit Bauernrevolutionen, die scheitern. Er erreicht seinen Höhepunkt im zwanzigsten Jahrhundert mit Bauernrevolutionen, die erfolgreich sind.“[12] Barrington Moore räumt den revolutionären Erhebungen von Bauern einen wichtigen Stellenwert auf dem Weg zur Moderne ein. Aber sind Bauern seiner Meinung nach auch mobilisierbar für Demokratie oder sogar selbst Träger einer demokratischen Transition? Als erstes muss die Frage beantwortet werden, wie es überhaupt zu diesen Revolutionen kommt und was die Bauern versuchen zu erreichen. Im Laufe der Geschichte versuchten sie immer wieder das „alte, gute System“ wiederherzustellen. Sie wollten z.B. nicht das Kaisertum stürzen, sondern den schlechten Kaiser absetzen um einen besseren zu etablieren. Die Kritik, die sie äußerten, war folglich systemimmanent und konservativ. Nicht die Transition zu einer neuen Gesellschaftsordnung stand im Vordergrund, sondern die „Reparatur“ der alten. Anfällig für solche Erhebungen waren vor allem Gesellschaften, die in hohem Maße zentralisiert waren. Wo eine starke Zentralgewalt nötig war um den Erzeugungsüberschuss der Bauern wegzunehmen, kam es immer wieder zu Revolten, während sich in dezentralisierteren Gesellschaften die Dynamik in der Erschaffung eines neuen Segments erschöpfte, so in Indien geschehen, wo einfach eine neue Kaste als Konsequenz entstand. In zentralisierten Ländern, die den Übergang zur kommerziellen Landwirtschaft erfolgreich schafften, blieben Bauernrevolutionen oft nur von marginaler Bedeutung. Beim Übergang in die Moderne muss die Kommerzialisierung die gesamte Gesellschaft durchdringen um traditionelle, ländliche Sozialstrukturen aufzubrechen. Wo diese erhalten bleiben, reagieren die Bauern auf den Druck viel aktiver bzw. aggressiver. Technischer Fortschritt ging in keinem der von Barrington untersuchten Fällen auf die Bauernschaft selbst zurück. Er wurde immer von außen an sie herangetragen. So verbesserte sich der Ertrag der Ernte speziell in Asien nicht durch eine effizientere Bewirtschaftung als vielmehr durch eine Intensivierung der Arbeitskraft. Bei einem zentralisierten Komplex sind drei Aspekte ausschlaggebend für den Ausbruch einer Revolution. Erstens ist die Art der Bindung zwischen den Bauern und den Grundbesitzern bzw. den Oberherren wichtig, zweitens die hierarchischen Unterschiede innerhalb der Bauernschaft und drittens die Art der Solidarität, die zwischen ihnen besteht. Eine funktionierende Bindung zwischen den Herrschenden (meistens Landbesitzer, die dem Adel angehörten und Priester) und den Bauern entstand vor allem dort, wo diese eine für das Dorf lebensnotwendige Funktion erfüllten. So hatte der Herr beispielsweise Schutz vor äußeren Feinden zu garantieren, er war zuständig für die Gerichtsbarkeit etc. Der Priester leitete das religiöse Leben und war damit der Vermittler zwischen Gott und den Menschen und zeigte Wege auf mit Katastrophen oder Unglücksfällen umzugehen. So verlieh er der bestehenden Sozialordnung eine stärkere Legitimität. Als Gegenleistung schöpften sie das Mehrprodukt der Bauern ab. Diese Konstellation funktioniert jedoch nur dort problemlos, wo es keine Konkurrenz um knappen Boden oder andere Hilfsquellen gab, und wo Oberherr und Priester essentielle Aufgaben im jahreszeitlichen Zyklus der Landwirtschaft hatten. Dies führt dazu, „... dass Bauern solange nicht revoltieren, wie sie die Privilegien der Aristokratie und ihre eigenen Verpflichtungen ihnen gegenüber als legitim akzeptieren.“[13] Man kann natürlich die jeweiligen Aufgaben nicht gegeneinander aufrechnen. Es kommt daher auf die subjektive Empfindung der Bauern an. Die von der Obrigkeit erbrachten Leistungen müssen einsichtig sein und dürfen nicht im krassen Missverhältnis zur Leistung der Bauern stehen. Ebenfalls wichtig ist der Zeitraum, in dem Veränderungen eintreten. Verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage langsam, wird dies als natürlich hingenommen. Betrifft es allerdings eine große Anzahl miteinander vernetzter Menschen zum gleichen Zeitpunkt und mit enormer Wucht steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Rebellion kommt. Dies passiert allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Impuls nicht so heftig ist, dass Widerstand von Anfang an aussichtslos erscheint. Ebenfalls ausschlaggebend ist die innerhalb der Bauernschaft vorherrschende Solidarität. Hier wird zwischen konservativer und rebellischer Form unterschieden. Bei der rebellischen Solidarität breiten sich die Beschwerden innerhalb der Bauernschaft schnell aus und verwandeln diese in eine der Obrigkeit feindselig gegenüberstehende Gruppe. Gesellschaftliche Voraussetzung ist hier, das die Teilhabe am Besitz, hier dem Boden, über die gesellschaftliche Stellung entscheidet. Hierbei schließen sich reiche und arme Bauern ungeachtet sonstiger Hierarchieunterschiede zusammen gegen den gemeinsamen Feind. Die radikale Solidarität versucht ein knappes Hilfsmittel, im bäuerlichen Umfeld, Grund und Boden, gerechter zu verteilen.

Die konservative Solidarität bindet die Menschen, die Beschwerden haben, fest an die bestehende Sozialordnung. Sie beruht auf Arbeitsteilung, und tritt vor allem dort in Kraft, wo Menschen wegen geteilter Arbeit in der Lage sind auch ohne Besitz in der Hierarchie einen anerkannten bzw. notwendigen Teil zur Funktion der Gemeinschaft beizusteuern. So wird die Bildung von Außenseitern verhindert, die sich radikalisieren könnten.

Wird die Landwirtschaft kommerzialisiert, d.h. die Bauern produzieren nicht mehr für den Eigenbedarf, sondern für den Markt, lösen sich die eben behandelten Probleme fast von selbst, da die traditionelle Sozialordnung aufgebrochen wird und ein kollektives Bewusstsein nur schwer entsteht.

„Die wichtigsten Ursachen von Bauernrevolutionen waren das Fehlen einer von den grundbesitzenden Oberklassen angeführten kommerziellen Revolution in der Landwirtschaft und das damit einhergehende Weiterbestehen bäuerlicher Sozialinstitutionen bis in die moderne Ära hinein, wo sie neuen Belastungen und Spannungen unterworfen sind.“[14]

Trotz des immensen Stellenwertes den Barrington Moore den Bauern beimisst, ist auch er der Meinung, dass Bauern von sich aus kein revolutionäres Potential haben, sondern von anderen Klassen angeführt werden müssen. Hier stimmt er mit Marx überein, widerspricht ihm jedoch in dem wichtigen Punkt der Führerschaft. Seiner Meinung nach sind die Intellektuellen die natürlichen Verbündeten. Bauernrevolutionen sind rein negativer Art. Sie sprengen das Gebäude ohne etwas neues zu errichten, hierfür benötigen sie den „unzufriedenen Intellektuellen, mit seiner Seelenerforschung.“[15]

Nach Moore gibt es drei Wege in die Moderne, wobei einer über Bauernrevolutionen geht. Der erste Pfad besteht aus bürgerlichen Revolutionen, die zu einer Verbindung von Demokratie und Kapitalismus führen. Z.B. die französische Revolution oder der amerikanische Bürgerkrieg. Der zweite Pfad ist ebenfalls kapitalistisch, aber hier beginnt die Veränderung von oben und ohne revolutionäre Strömungen führt er zum Faschismus, so geschehen in Deutschland. Der Begriff Faschismus ist normalerweise für den italienischen Faschismus reserviert, hat sich jedoch im allgemeinen Sprachgebrauch eingebürgert als Bezeichnung für „a) eine hierarchisch strukturierte, am Führerprinzip orientierte Parteiorganisation, b) die doppelte Gegnerschaft gegen Liberalismus und Sozialismus, c) das Ziel eines Autoritären Regimes bzw. eines totalitären Staates, d) die Befürwortung von Gewalt als Mittel der Politik, e) die Orientierung an militärischen Handlungsweisen und Organisationsformen und f) eine elektische Ideologie, die in der Idealisierung der eigenen Volksgemeinschaft und der aggressiven Ablehnung alles Fremden einem

übersteigerten Nationalismus bzw. Rassismus folgt, auf einen charismatischen Führer zugeschnitten ist und die Rückbesinnung auf romantische bzw. reaktionäre Traditionen mit einer Vergötzung des modernen technologischen Fortschritts verquickt.“[16] Der dritte Pfad ist der Kommunismus.

[...]


[1] Thomas Jefferson, http://etext.virginia.edu/jefferson/quotations/feff1320.htm, 20.8.2006

[2] Oxford Advanced Learner´s Dictionary of Current English, AS Hornby, Fifth Edition, Editor: Jonathan Crowther, Oxford University Press, 1995

[3] Die Zeit – Lexikon in 20 Bänden, Hrsg: Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Hamburg 2005

[4] Werner Blumenberg, Marx, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg, 1962, S. 24

[5] Werner Blumenberg, Marx, s.o., S. 24

[6] Werner Blumenberg, Marx, s.o., S. 46

[7] Werner Blumenberg, Marx, s.o., S. 82

[8] Werner Blumenberg, Marx, s.o., S. 83

[9] Werner Blumenberg, Marx, s.o., S.85

[10] Werner Blumenberg, Marx, s.o., S. 85

[11] Werner Blumenberg, Marx, s.o., S. 86

[12] Barrington Moore, Soziale Ursprünge von Diktatur und Demokratie, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M., 1969, S.520

[13] Barrington Moore, Soziale Ursprünge von Diktatur und Demokratie, s.o., S.

[14] Barrington Moore, Soziale Urspünge von Diktatur und Demokratie, s.o., S.547

[15] Barrington Moore, Soziale Ursprünge von Diktatur und Demokratie, s.o., S.550

[16] Lexikon der Politikwissenschaft, Band 1, Hrsg: Dieter Nohlen und Rainer-Olaf Schultze, Verlag C.H. Beck, München, 2002, S.222

Fin de l'extrait de 37 pages

Résumé des informations

Titre
Strategische Gruppe 5: Die Bauern - Sind diese für Demokratie mobilisierbar?
Université
Friedrich-Alexander University Erlangen-Nuremberg  (Institut für politische Wissenschaften)
Cours
Hauptseminar: Entwicklung und Demokratisierung in Pacific Asia
Auteur
Année
2006
Pages
37
N° de catalogue
V70108
ISBN (ebook)
9783638624275
Taille d'un fichier
540 KB
Langue
allemand
Mots clés
Strategische, Gruppe, Bauern, Sind, Demokratie, Hauptseminar, Entwicklung, Demokratisierung, Pacific, Asia
Citation du texte
Stefanie Stein (Auteur), 2006, Strategische Gruppe 5: Die Bauern - Sind diese für Demokratie mobilisierbar?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70108

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