In der Forschungsliteratur wird Gawan oft als Gegenpart zu Parzival dargestellt. Als bezeichnendes Beispiel kann Parzivals Suchen bzw. Finden von strît und Gawans häufige Versuche einer friedlichen Lösung dienen.
Kann man wirklich so klare Trennungen vornehmen und ist Gawan tatsächlich stets bemüht, eine friedliche Lösung anzustreben? Wie kommt es, dass Gawan zu Beginn der Gawan-Bücher aus freien Stücken zum Duell aufbricht, wenn doch seine Suche nach einer diplomatischen Lösung stets dominant erscheint? Oder sind einige Entscheidungen gar nicht Gawan überlassen und die höfische Sitte oder ritterliche Verpflichtungen verlangen von ihm, dass er sich einer Entscheidung fügt? Wichtig ist auch, welche Handlungsfreiheit Gawan hat, wenn (und ob) er seine êre mehren, oder zumindest nicht verlieren will.
Im Zentrum dieser Untersuchung soll Gawan stehen und das Phänomen, dass dieser sich in vielen Situationen anders verhält, als andere Ritter in Wolframs Parzival. Es soll unter anderem der Frage nachgegangen werden, ob Gawan damit gegen, wie auch immer geartete, Grundsätze verstößt und falls dem so ist, warum er dies tut. Dazu ist es unerlässlich, die Personen zu betrachten, die in scheinbarem Gegensatz zu ihm stehen, wie beispielsweise Parzival. Es ist auch erforderlich, Gawans doch offensichtlich andere Auffassung und Beziehung zu Frauen zu betrachten, da seine Entscheidungen scheinbar anders ausfallen, wenn es um die Ehre einer Frau geht. Am wichtigsten wird es zu diesem Zweck zunächst aber sein, der Frage nach dem richtigen Verhalten eines Ritters nachzugehen, also der Klärung und Eingrenzung des ritterlichen Ehrencodex, der Bedeutung von êre. Nur danach lässt sich die Entscheidungsfindung Gawans korrekt und im Kontext einordnen. Hierzu scheint es legitim, in anderen Werken Wolframs und auch weiterer höfischer Literatur nach Eingrenzung und Definition von êre zu suchen. Dabei soll versucht werden, möglichst viele Belege anhand von Textstellen, vornehmlich aus Wolframs „Parzival“, zur Eingrenzung und Festigung der Thesen anzubringen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Ritterlicher Ehrencodex und êre - was sie zulassen, was sie gebieten und was sie definiert
- Gawan Ritterlicher Held zwischen traditioneller âventiure-Ideologie und Kampfvermeidung
- Gawans Entscheidungsfindung am Beispiel von Obilot und Antikonie - seine Vertretung des wîbes reht
- Minne als Heilmittel für eine Gesellschaft - Gawan und Obilot
- Vergulahts unehrenhaftes Ausnutzen der höfischen Konventionen - Gawan und Antikonie
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die Entscheidungen und Handlungen Gawans in Wolframs „Parzival“ im Kontext des mittelalterlichen Rittertums und des Begriffs der êre. Ziel ist es, Gawans Verhaltensmuster zu untersuchen und seine Entscheidungen in Relation zu den traditionellen ritterlichen Ehrenvorstellungen zu betrachten.
- Der ritterliche Ehrencodex und seine Bedeutung für die Entscheidungsfindung von Rittern
- Die Rolle der êre in der mittelalterlichen Gesellschaft und ihre Bedeutung für die gesellschaftliche Stellung eines Ritters
- Gawans Umgang mit dem Konzept der êre und seine abweichenden Verhaltensweisen im Vergleich zu anderen Rittern
- Die Bedeutung von Gawans Entscheidungen für die Gesellschaft und die Auswirkungen auf seine eigene Ehre
- Gawans Verhältnis zu Frauen und seine Rolle in der Verteidigung der Ehre von Frauen
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung führt den Leser in die Thematik der Arbeit ein und stellt Gawans Entscheidungen in „Parzival“ in den Kontext des ritterlichen Ehrencodex. Die Arbeit stellt die Forschungsfrage, ob Gawans Entscheidungen gegen den Ehrenkodex verstoßen und untersucht seine Beziehungen zu Frauen, die seine Entscheidungsfindung beeinflussen könnten.
- Kapitel 2 analysiert den ritterlichen Ehrencodex und die Bedeutung der êre in der mittelalterlichen Gesellschaft. Es beleuchtet die zentralen Punkte des Ehrencodex und die Anforderungen, die an einen Ritter gestellt wurden. Es wird auch untersucht, wie ein Ritter seine Ehre gewinnen oder verlieren konnte.
- Kapitel 3 beschäftigt sich mit Gawan als Ritterlicher Held und analysiert seine Entscheidungen im Kontext der âventiure-Ideologie. Es untersucht, ob Gawans Verhalten den traditionellen Verhaltensmustern eines ritterlichen Helden entspricht.
- Kapitel 4 untersucht Gawans Entscheidungsfindung an zwei konkreten Beispielen: Obilot und Antikonie. Es analysiert Gawans Rolle in der Verteidigung der Ehre von Frauen und setzt seine Entscheidungen in Beziehung zu den Anforderungen des ritterlichen Ehrencodex.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Ritterlichkeit, Ehrencodex, êre, Entscheidungsfindung, Gawan, Parzival, Minne, âventiure, höfische Konventionen, Frauen, Gesellschaft.
- Citar trabajo
- Bastian Hefendehl (Autor), 2005, Ehrverpflichtung und Entscheidungsfindung in den Gawan-Büchern von Wolframs 'Parzival', Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70163