Schon während meiner Gymnasialzeit fand ich Gefallen an der großartig angelegten Geschichte des Nibelungenliedes über minne, êre, triuwe und Tod. Die Faszination, der ich damals erlegen bin, hat mich während meiner gesamten Studienzeit begleitet, so dass für mich klar war, dass ich mich auch in meiner Magisterarbeit mit dem Nibelungenlied auseinandersetzen wollte. Die Wahl des zweiten Werks fiel schnell auf den ´Laurin`, da einerseits das zweite zu untersuchende Werk in irgendeiner Weise mit dem Nibelungenlied in Verbindung stehen sollte und mit der Figur Dietrichs von Bern das Bindeglied zwischen den beiden Werken gegeben war. Andererseits reizte mich die Tatsache, zwei Werke zu untersuchen, die, was den Forschungsstand anbelangt, nicht unterschiedlicher sein könnten, denn während zum Nibelungenlied eine kaum mehr zu überblickende Fülle an Forschungsliteratur besteht, hält sich das Interesse am ´Laurin` deutlich in Grenzen. Sowohl im Nibelungenlied als auch im Zwerg Laurin stößt man auf Naturdarstellungen (unbewohnte Gebiete, dunkle Wälder), mythische Wesen (Zwerge, Drachen, Riesen) und sagenumwobene Gaben (Tarnkappe, Ring, Schwert, Hort), die alle eindeutig dem Bereich des Wilden, Unzivilisierten, Unhöfischen zuzuordnen sind. Beiden Werken ist ebenfalls gemein, dass sich Wildnis und Wildheit nicht nur in diesem außerhöfischen Bereich festmachen lassen, sondern auch Einlass in die höfischen Sphären finden: während sich wilde Gestalten wie der Zwerg Laurin in höfischer Vollendung präsentieren, legen höfisch anmutende Helden und Damen (z.B. Siegfried, Dietrich, Kriemhild) wildes, unhöfisches Verhalten an den Tag; während sich im wilden Wald Plätze verbergen (z.B. Rosengarten), die selbst am Hofe nicht gepflegter sein könnten, offenbaren sich höfische Feste, die als Inbegriff des höfischen Daseins gelten, lediglich als Kulisse für hinterlistige Intrigen und Mordanschläge oder verwandeln sich gar in allgemeine wilde, blutrünstige Schlachten. Wildnis bzw. Wildheit kennt also viele verschiedene Ausprägungen, die sich nicht alle eindeutig dem außerhöfischen Bereich zuordnen lassen. Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist es, in den beiden oben genannten Werken die unterschiedlichen Wildnisbzw. Wildheitsdarstellungen aufzuzeigen. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Wortfeld 'wilde'
- Das Nibelungenlied
- Überlieferung
- Wildnis und Natur
- Die reale Gefahrenquelle
- Der Jagdwald
- Die Wunderwildnis und ihre Bewohner
- Wildnis und Hof
- Das höfische Fest
- Wildnis und Religion
- Wildnis und Heldentum
- Siegfried
- Brünhild
- Hagen
- Wildnis und ihre Grenzen
- Dietrich von Bern
- Laurin
- Überlieferung
- Wildnis und Natur
- Der reale Raum
- Der Rosengarten
- Wildnis und Religion
- Wildnis, Fest und Kampf
- Wildnis und Heldentum
- Laurin
- Dietrich von Bern
- Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit beschäftigt sich mit der Darstellung von „Wildnis“ in den beiden mittelhochdeutschen Heldenepochen „Nibelungenlied“ und „Laurin“. Ziel ist es, die unterschiedlichen Ausprägungen von Wildheit und Wildnis in den beiden Werken aufzuzeigen und deren Bedeutung im Kontext der höfischen Gesellschaft zu analysieren.
- Die Rolle der Wildnis als Gegenwelt zur höfischen Ordnung
- Die Verbindung von Wildnis und mythischen Elementen
- Die ambivalenten Bedeutungen von Wildheit und deren Einfluss auf das Heldenbild
- Die Darstellung von Wildheit im Kontext von Ritualen und Festen
- Die Relevanz von Wildnis für die Gestaltung des Heldenmythos
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik ein und skizziert das Wortfeld "wilde" in seiner mittelalterlichen Bedeutung. Der Fokus liegt dabei auf der Bedeutung des Wortes in Bezug auf die Natur und die gesellschaftlichen Normen.
Die Kapitel zum "Nibelungenlied" befassen sich mit den vielfältigen Aspekten von Wildnis und Wildheit. Es werden Naturdarstellungen, mythische Wesen und die Bedeutung des Jagdwald sowie der Wunderwildnis als Ort der Gefahr und des Abenteuers behandelt.
Darüber hinaus wird die Beziehung zwischen Wildnis und dem höfischen Raum untersucht, wobei die Ambivalenz der Wildheit und deren Einfluss auf die Heldenfiguren beleuchtet wird. Die Kapitel thematisieren auch die Rolle der Religion und die Bedeutung der Wildheit für das Heldentum.
Die Kapitel zum "Laurin" analysieren die Darstellung der Wildnis im Kontext des Zwergenmythos. Es wird der Rosengarten als Symbol der Wildnis und der Einfluss von Wildheit auf den Held Laurin und die Figur des Dietrichs von Bern behandelt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Begriffen Wildheit und Wildnis in der mittelhochdeutschen Literatur, insbesondere im "Nibelungenlied" und im "Laurin". Zu den wichtigsten Schlüsselbegriffen gehören: Heldenepos, Mittelalter, höfische Gesellschaft, Natur, mythische Wesen, Jagd, Religion, Heldentum, Ritual, Fest, Konflikt, Macht, Abgrenzung, Ordnung, Gegenwelt. Die Arbeit befasst sich auch mit der ambivalenten Natur von Wildheit und den verschiedenen Bedeutungen, die sie in den beiden Werken erhält.
- Citation du texte
- M.A. Mirjana Sarac-Petric (Auteur), 2002, Wildnis in der Heldenepik um 1200 - Eine Untersuchung am Nibelungenlied und am Laurin, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70248