Die Identitäten Irlands und Quebecs verändern sich im XX. Jh. dramatisch. Eliten konstruieren im XIX. Jh. eine exklusive Identität, und es ist das Ziel, zur Essenz der eigenen Identität wieder zu finden, um sich vom „Anderen“ abzugrenzen. In diesem Bezug haben Quebec und Irland vieles gemeinsam- in beiden Fällen darf England als der „Andere“ herhalten; in beiden Fällen will man seine eigene Authentizität in der Sprache (Gälisch und Französisch statt Englisch), in der Religion (Katholizismus statt Protestantismus) sowie im Traditionalismus (Abkehr von der Modernität) wieder finden. Die Essenz der eigenen Identität zu wahren bedeutet jedoch gleichzeitig, sich vom „Anderen“, vom Kolonialherrn, abzuwenden.
Da „Identität die Primärform der Ideologie ist“, laut Adorno, ist es einleuchtend, dass diejenigen Elemente, die die Vision von einer gälischen und katholischen Identität Irlands, respektive die einer französischen und katholischen Identität Quebecs, nicht teilten, fern gehalten werden mussten.
Die kommenden Generationen interpretieren daraufhin, in Quebec wie auch in Irland, ihre Vergangenheit neu und konstruieren ein neues Bild, indem sie mit Elementen wie Imaginationen, Traditionen, Ideologien, Religionen, Symbolen, Lebensstilen, Sprache und Erinnerung operieren, mit dem sie sich angesichts der „expérience contemporaine“ identifizieren wollen.
In diesem Geiste möchte ich in der vorliegenden Arbeit die filmischen Identitätsbilder Irlands und Quebecs, zuerst einem diachronischen Schema folgend, mit Schwerpunkt auf die letzten 40 Jahre sowie auch einzelne identitätsstiftende Faktoren (Oktoberkrise, Nordirlandkonflikt, Sprache und Film, Revisionismus
u. a.) herausgreifend, anhand von repräsentativen Filmbeispielen miteinander vergleichen, um auf dieser Weise einen summarischen Reisebericht der Identitätssuche der beiden Gesellschaften fest zu halten.
Dazu würde ich gerne, wie Ian Lockerbie, den Film zu einem Spiegel der Identität machen, denn nichts gibt meiner Meinung nach das Kollektivgedächtnis einer Nation besser wieder als der Film, als „instrument qui nous permet de retrouver des points de repère dans l`évolution de la société et de lire les tracés les plus importants du rêve collectif“ (Fulchignoni) oder als Leitmedium, in dem dieser identitätsstiftende Diskurs stattfindet.
Inhaltsverzeichnis
- I. EINLEITUNG
- II. ,,LA GRANDE NOIRCEUR“ UND DER PROTEKTIONISMUS
- II.a. ,,La grande noirceur und das „imaginaire filmique québécois“
- II.b. Identität Irlands im Kino der Zeit Éamon de Valeras
- II.b.1. kultureller Nationalismus
- II.b.2. Mystifizierung Irlands
- II.c. ,,La grande noirceur“ und der Protektionismus: Eine Bilanz
- III. EIN JAHRZEHNT DES UMBRUCHS: DIE 1960er JAHRE
- III. a. Identitätsbilder Quebecs im Zeichen der Révoltion tranquille
- III.a.1. Das cinéma direct und die Identitätssuche im traditionellen Raum Quebecs
- III.b. Im identitären Übergang: Irland der 1960er Jahre
- III.c. Die 1960er als Jahrzehnt des Umbruchs: Conclusio
- IV. SEPARATISMUS UND IDENTITÄT
- IV. a. Vom kollektiven Nationalismus zur individuellen Entfremdung: die 1970er in Quebec
- IV.a.1. Quebecs cinéma de guerilla
- IV. a.2. Gilles Carles Les Mâles (1970): ein optimistisches Bild des Québécois
- IV. b. Der Nordirlandkonflikt (The Troubles) und Identität im Kino Irlands
- IV.b.1.a. Der Stereotyp des dämonischen und gewalttätigen Iren
- IV.b.1.b. Von Nationalidentität zur persönlichen Identität
- IV.b.1.b.1. Die Entromantisierung des traditionellen Raums Irlands: Poitin (1978)
- IV. c. Separatismus und Identität: die 1970er Jahre in Quebec und Irland
- V. GENDER UND IDENTITÄT IN QUEBEC UND IRLAND: DIE 1980er
- V.a. Gender und „le vide identitaire“: Quebec der 1980er Jahre
- V.a.1. Micheline Lanctôts Sonatine (1983): „un film maudit“
- V.a.2. Léa Pool: Anne Trister (1986)
- V.b. Gender und Identität in Nordirland
- V.b.1. Margo Harkins Hush-a-Bye-Baby (1989)
- V.b.2. Orla Walshs The Visit (1992) und der Topos der „Häftlingsfrau“ (prisoner's wife)
- V.c. Gender und Identität im Frauenkino Quebecs und Irlands in den 1980er Jahren: Eine Schlussfolgerung
- VI. RÉSUMÉ
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit untersucht die Entwicklung der nationalen Identität Quebecs und Irlands im 20. Jahrhundert anhand von Filmen. Die Arbeit analysiert die unterschiedlichen Konstruktionen und Veränderungen der nationalen Identität in beiden Ländern und zeigt, wie sich die Beziehung zum „Anderen“ im Laufe der Zeit entwickelt.
- Die Konstruktion der nationalen Identität in Quebec und Irland im 20. Jahrhundert
- Der Einfluss des Kinos auf die nationale Identität
- Die Rolle von Sprache, Religion und Tradition in der nationalen Identität
- Die Bedeutung des „Anderen“ in der Definition der eigenen Identität
- Die Veränderungen der nationalen Identität im Laufe der Zeit
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel II untersucht die Entwicklung der nationalen Identität in Quebec und Irland im frühen 20. Jahrhundert. Es werden Filme aus dieser Zeit analysiert, die die dominierenden Bilder von Identität in beiden Ländern widerspiegeln. Kapitel III behandelt die Veränderungen in der nationalen Identität während der 1960er Jahre. Die Arbeit fokussiert sich auf die Auswirkungen der Stillen Revolution in Quebec und die Veränderungen in Irland im Kontext des beginnenden Nordirlandkonflikts. Kapitel IV geht auf die Weiterentwicklung der nationalen Identität in den 1970er Jahren ein. Es wird die Bedeutung des Separatismus in Quebec und die Rolle des Nordirlandkonflikts in der Konstruktion der irischen Identität beleuchtet. Kapitel V analysiert die Gender-Dimension der nationalen Identität in den 1980er Jahren in Quebec und Irland. Es werden Filme untersucht, die die spezifischen Herausforderungen von Frauen in beiden Ländern in den Mittelpunkt stellen.
Schlüsselwörter
Nationale Identität, Quebec, Irland, Kino, Film, Sprache, Religion, Tradition, Kolonialismus, Separatismus, Gender, Nordirlandkonflikt.
- Arbeit zitieren
- Mag. Petre Puskasu (Autor:in), 2006, Vom Filmen Québecs und Irlands: Auf Identitätssuche im Kino, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70293