Die Angst vor Rechtspopulismus ist in den letzten Jahren der deutschen Politik wieder stärker in den Vordergrund gerückt. Nicht nur die politische Präsenz und Aktivität der AfD beobachtet man besorgt, auch gegen die Aussagen dieser Partei wird schnell vorgegangen, wenn Bundestagspräsident Schäuble die AfD-Fraktionsvorsitzende Weidel nach ihrem Ausfall zu "Kopftuchmädchen" und "alimentierte[n] Messermänner[n]" zur Ordnung ruft (Die Welt 2018). Neben dieser Angst hat die AfD im Bundestag seit ihrem Einzug auch ausgelöst, dass sich die "Debattenkultur […] verändert [hat]" (Saul 2018). Durch "ständige Wiederholungen", eingängige "Ausdrücke wie 'Staatsversagen' oder 'Messer-Männer'", und "Emotionalisierung" (ebd.) lässt sich die Ausdrucksweise dieser Partei in der Nähe der Massenrhetorik situieren. Wenn Schäuble die Rede von Weidel im Nachhinein verurteilt, probiert er die 'Ansteckung' ihrer Behauptungen einzudämmen. Trotz dieser auffälligen Ähnlichkeiten wurde scheinbar noch keine direkte Verbindung von der AfD- Rhetorik zur Massenpsychologie gezogen.
Die Brisanz dieser massentauglichen Redeweise bei politischen Aufsteigern hat Heinrich Mann bereits in seinem Roman "Der Untertan" deutlich vorgeführt. Der Figur Diederich Hessling gelingt es dort ohne irgendwelche militärischen, beruflichen oder schulischen Verdienste zu einem mächtigen Mann im Städtchen Netzig zu werden. Seine unorthodoxe Rhetorik kann als eine Voraussetzung für diesen Aufstieg gewertet werden. Es soll im Folgenden aufgezeigt werden, dass die Figur Diederich in Heinrich Manns Roman erfolgreich mit einer Redegewalt ähnlich der des Kaisers auftritt, die sich immer mehr von der antiken Vorbildrhetorik entfernt und auf massenpsychologische Hypnotisierungsmittel stützt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1 Die politisierte Gerichtsrede
- 2 Anklagen vor der Ekklesia
- 3 Augenblitzen als Überzeugungsmittel
- 4 Die Lobrede
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Rhetorik des Massenführers anhand der Figur Diederich Hessling in Heinrich Manns Roman Der Untertan. Sie analysiert, wie Diederichs rhetorische Strategien, die sich von der antiken Vorbildrhetorik abheben, zu seinem Aufstieg in der Gesellschaft führen.
- Die unorthodoxe Rhetorik Diederich Hesslings
- Der Einfluss der Massenpsychologie auf Diederichs Reden
- Die Abkehr von der aristotelischen Rhetorik
- Die Rolle der Rede in Diederichs Aufstieg
- Der Vergleich mit der Figur des Kaisers
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Relevanz der Arbeit im Kontext des Rechtspopulismus und der aktuellen Debattenkultur dar. Sie führt die Figur Diederich Hessling als Beispiel für massentaugliche Redeweise ein und erläutert die theoretischen Grundlagen der Analyse: die aristotelische Rhetorik und die Massenpsychologie.
Kapitel 1 analysiert Diederichs Rede im Gerichtssaal und zeigt, wie er die Rolle des Zeugen für seine eigenen politischen Zwecke nutzt. Dabei wird deutlich, dass Diederichs Redeweise stark von opportunistischen Motiven geprägt ist und sich von den klassischen Prinzipien der Gerichtsrede entfernt.
Kapitel 2 untersucht Diederichs Reden in der Volksversammlung und beleuchtet die massenpsychologischen Elemente, die in seiner Rede zum Einsatz kommen. Hier wird deutlich, wie Diederich die Emotionen der Menge zu manipulieren weiß und seine Botschaft durch Wiederholungen und Simplifizierungen verstärkt.
Schlüsselwörter
Massenführer, Rhetorik, Massenpsychologie, Der Untertan, Heinrich Mann, Diederich Hessling, aristotelische Rhetorik, Gerichtsrede, Volksrede, Lobrede, Propaganda, Emotionen, Wiederholungen, Simplifizierung.
- Quote paper
- Christian Schulz (Author), 2019, "Schimmernde Wehr! Blut und Eisen! Mannhafte Ideale!" Zur unorthodoxen Rhetorik des Massenführers in Heinrich Manns "Der Untertan", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/703367